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  • 02.03.2011

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 11.01.2010 – 7 K 4616/08 Kg

    - Einem polnischen Arbeitnehmer steht für die Dauer seiner Beschäftigung in Deutschland kein Kindergeld auf der Grundlage der VO (EWG) 1408/71 zu, wenn er während dieser Tätigkeit im Inland nicht gegen Arbeitslosigkeit pflichtversichert war.


    - Ein Anspruch nach deutschem Recht wird durch die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, wenn für die in Polen wohnhaften Kinder polnische Familienleistungen gewährt wurden.


    - Auf die Höhe der ausländischen Leistung kommt es für die Vergleichbarkeit mit dem deutschen Kindergeld grundsätzlich nicht an.


    Tatbestand

    Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger, seine Ehefrau lebt mit zwei Kindern in Polen. Er war ausweislich einer vorliegenden Bescheinigung vom 18.1. bis 27.4. sowie vom 15.9. bis 7.10.2005 und vom 10.4.2006 bis 9.4.2007 bei einem deutschen Arbeitgeber unselbständig erwerbstätig. Ausweislich seines Kindergeldantrags vom 1.8.2007 sowie der Arbeitgeberbescheinigung vom 23.8.2007 war er in der Bundesrepublik nicht für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert. Nach einem vom Antragsteller vorgelegten Formular E 411 – Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen (Kindergeld) in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen - bestand nach Auskunft der zuständigen polnischen Behörde vom 29.2.2008 für seine Ehefrau in Polen im Zeitraum Januar 2005 bis August 2008 für die beiden Kinder Anspruch auf polnische Familienleistungen. Die Familienkasse lehnte mit Bescheid 2.4.2008 den Kindergeldantrag ab und wies mit Einspruchsentscheidung vom 3.11.2008 den hiergegen am 28.4.2008 erhobenen Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 30 der Gerichtsakte - GA).

    Der Kläger hat zunächst am 5.12.2008 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, dem ein Klageentwurf beigefügt war. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 25.9.2009 das Prozesskostenhilfegesuch abgelehnt hatte, hat der Kläger am 12.10.2009 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, ihm stehe nach den europäischen Sozialvorschriften und nach deutschem Recht Kindergeld für den Zeitraum seiner Tätigkeit in Deutschland (2005 bis 2007) zu. Dies entspreche auch der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sowie der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Bosmann (Urteil vom 20.5.2008 C-352/06). § 65 EStG schließe einen deutschen Kindergeldanspruch nicht aus, weil polnische Arbeitnehmer meistens Einkünfte hätten, die über der nach polnischem Recht für den Bezug von Familienleistungen maßgeblichen Einkommensgrenze liegen und daher mit einer Rückforderung zu Unrecht gewährter polnischer Familienleistungen gerechnet werden müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die umfangreichen Schriftsätze insbesondere vom 5.12.2008 (Bl. 1 der GA), vom 25.6.2009 (Bl. 43 GA) vom 14.8.2009 (Bl. 66 GA) vom 12.10.2009 (Bl. 77 GA) und vom 4.12.2009 (Bl. 99 GA) Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheides vom 2.4.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.11.2008 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für seine Kinder B und C in Höhe von 11.088 EUR nebst Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit festzusetzen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    und vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dem Kläger stehe kein Kindergeld zu. Zum einen komme Art. 14 Nr.1 a) VO (EWG) 1408/71 zur Anwendung, da der Kläger lediglich in die Bundesrepublik entsandt sei. Danach unterliege der Kläger auch hinsichtlich des Kindergeldes ausschließlich polnischem Recht. Fände auf den Kläger schon die VO (EWG) 1408/71 keine Anwendung, sei ein deutscher Kindergeldanspruch jedenfalls nach § 65 EStG ausgeschlossen, da für die Kinder in den fraglichen Zeitraum in Polen ein Kindergeldanspruch bestanden habe.

    Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter an Stelle des Senats entscheidet und haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Familienkasse vorgelegten Kindergeldakte.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 2.4.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.11.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht für die Dauer seiner Beschäftigung in Deutschland kein Kindergeld zu.

    Die VO (EWG) 1408/71 ist nicht anwendbar, weil der Kläger hinsichtlich des Bezuges von Kindergeld nicht deren persönlichem Geltungsbereich unterliegt. Nach Anhang I Buchst. D) gilt, wenn ein deutscher Träger der zuständige Träger für Familienleistungen gemäß Titel III Kapital 7 der Verordnung ist, im Sinne des Art. 1 Buchstb. a) Ziffer ii) der Verordnung als Arbeitnehmer, u.a. wer für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert ist. Diese Voraussetzung trifft auf den Kläger nicht zu, da er während seiner Tätigkeit in Deutschland nicht gegen Arbeitslosigkeit pflichtversichert war. Es kommt daher auf die Ausführungen zu einem erweiterten Anwendungsbereich der VO (EWG) 1408/71 und zu den Folgen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Bosmann nicht an.

    Ein Anspruch nach deutschem Recht besteht nicht. Ein möglicher Anspruch gem. §§ 62 ff EStG wird durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 EStG ausgeschlossen. Hiernach wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen im Ausland gewährt werden, wenn diese Leistungen dem Kindergeld vergleichbar sind. Ausweislich der vorliegenden Bescheinigung E 411 unter Nr. 6.2. die vom polnischen Leistungsträger ausgefüllt worden ist, bestand für die Ehefrau des Klägers bezüglich der beiden Kinder B und C in dem fraglichen Zeitraum ein Anspruch auf polnische Familienleistungen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit dieser Bescheinigung zu zweifeln, so dass die vom Kläger aufgeworfene Frage einer möglichen Rückforderung unerheblich ist. Die Familienleistungen in Polen sind mit den deutschen Kindergeldansprüchen auch vergleichbar. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die polnischen Leistungen erheblich geringer sind, als das deutsche Kindergeld. Die Vergleichbarkeit mehrerer kindbezogener Leistungen richtet sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Zur Vermeidung von Doppelleistungen kommt es lediglich darauf an, ob die zu vergleichende Leistung wirtschaftlich die gleiche Zielrichtung verfolgt wie das Kindergeld (vgl. BFH, Urteil vom 27.10.2004, VIII R 104/01, BFH/NV 2005, 341). Auf die Höhe der ausländischen Leistung kommt es für die Vergleichbarkeit mit dem Kindergeld grundsätzlich nicht an. Denkbar ist zwar, dass bei ganz geringfügigen ausländischen Leistungen auch die funktionelle Vergleichbarkeit entfällt (BVerfG, Beschluss vom 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Dies ist jedoch entgegen der Ansicht des Klägers bei den polnischen Familienleistungen für in Polen lebende Kinder nicht der Fall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger, dessen Kinder in Polen leben, dieselben Leistungen erhält, wie andere polnische Familien auch. Nach Auffassung des polnischen Gesetzgebers reichen die dort gewährten Familienleistungen für einen Ausgleich der kindbedingten Mehrbelastungen aus. Es besteht auch kein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der Differenz zwischen dem niedrigeren polnischen und den deutschen Kindergeld zu (vgl. BVerfG Beschluss vom 8.6.2004, 2 BvL 5/99, a.a.O., BFH Urteil vom 27.10.2004, VIII R 104/01, a.a.O.).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.