02.03.2011
Finanzgericht Köln: Urteil vom 25.11.2010 – 10 K 3843/06
Sind in einer Feststellungserklärung keine Sonderwerbungskosten deklariert, kann ein dies übernehmender Feststellungsbescheid nicht über § 179 Abs. 3 AO ergänzt werden.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. November 2010 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Sonderwerbungskosten im Rahmen eines Ergänzungsbescheids nach Bestandskraft berücksichtigt werden können.
Die Klägerin erzielte als Grundstücksgesellschaft in der Rechtsform einer GbR Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Gesellschafter und Geschäftsführer waren die Herren A1 und A2. Im Gesamtheitsvermögen der Klägerin befand sich u.a. ein Darlehen bei der Kreissparkasse B. Die Tilgung dieses Darlehens erfolgte über zwei Refinanzierungsdarlehen der Gesellschafter bei der D-Lebensversicherungsanstalt. Die in den Feststellungserklärungen nicht angegebenen Zinsen für diese Refinanzierungsdarlehen wurden in den Feststellungsbescheiden für die Jahre 2000 (vom 5. Oktober 2001), 2001 (vom 7. April 2003) und 2002 (vom 30. September 2003) nicht berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungserklärungen Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2005 beantragten die Gesellschafter den Erlass eines Ergänzungsbescheides hinsichtlich der Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2003 (§ 179 Abs. 3 AO; RBSt-Akte). Zur Begründung des Antrags wurde vorgetragen, versehentlich seien folgende Sonderwerbungskosten (Schuldzinsen) der Gesellschafter aus den vorgenannten Refinanzierungsdarlehen im Rahmen der Feststellungserklärungen nicht geltend gemacht worden:
2000 | 2001 | 2002 | |
A1 | 2.771,99 DM (bisher 657,79 DM) | 3.548,95 DM (bisher 703,15 DM) | 4.319,11 DM (bisher 723,11 DM) |
A2 | 2.201,16 DM (bisher 1.468,78 DM) | 3.004,06 DM (bisher 2.222,09 DM) | 3.848,78 DM (bisher 3.028,70 DM) |
Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 11. November 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2003 seien bestandskräftig. In einem Ergänzungsbescheid seien nur unterbliebene Feststellungen nachholbar. Inhaltliche Fehler rechtlicher oder tatsächlicher Art könnten hingegen nicht im Wege eines Ergänzungsbescheids korrigiert werden. Dies gelte insbesondere für die Berücksichtigung von Sonderwerbungskosten der Gesellschafter.
Mit dem Einspruch wurde vorgetragen, die Feststellung der Sonderwerbungskosten sei notwendiger Bestandteil der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Deshalb seien Sonderwerbungskosten im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu berücksichtigen. Da die Sonderwerbungskosten bisher nicht erklärt worden seien, seien die Feststellungsbescheide für 2000 bis 2003 lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig. Im bisherigen Feststellungsverfahren habe das FA bisher keine negative und damit ggf. unrichtige Entscheidung hinsichtlich der Sonderwerbungskosten treffen können, da diese dem FA zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen seien. Die bisher unterbliebene, aber notwendige Feststellung hinsichtlich der Sonderwerbungskosten müsse daher über einen Ergänzungsbescheid gemäß § 179 Abs. 3 AO nachgeholt werden.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2006 aus: Die Voraussetzungen des § 179 Abs. 3 AO für eine Ergänzung der ergangenen Feststellungsbescheide lägen im Streitfall nicht vor, weil die ursprünglichen Bescheide bereits die notwendigen Feststellungen zur Art und Höhe sowie zur Verteilung der Vermietungseinkünfte enthielten. Ergänzungsbescheide dürften einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheides korrigieren oder die in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern. Da der Beklagte bereits eine sachliche Entscheidung über die Höhe der Vermietungseinkünfte getroffen habe, könnten die nachträglich geltend gemachten Sonderwerbungskosten auch nicht über einen Ergänzungsbescheid einbezogen werden.
Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin nur noch das Begehren auf Erlass von Ergänzungsbescheiden betreffend die Jahre 2000 bis 2002 weiter, nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass der Feststellungsbescheid für das Jahr 2003 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe. Die Klägerin führt zur Begründung ergänzend aus: Die Zinsen für die Refinanzierungsdarlehen stellten Sonderwerbungskosten der Gesellschafter A1 und A2 dar, die bei der Einkünftefeststellung hätten berücksichtigt werden müssen; Sonderwerbungskosten seien ein für sich anfechtbarer Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren (Hinweis auf BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BStBI II 1988, 544). Da dies nicht geschehen sei, müssten die insoweit notwendigen Feststellungen in einem Ergänzungsbescheid gemäß § 179 Abs. 3 AO nachgeholt werden. Da die Sonderwerbungskosten notwendigerweise im Feststellungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen, sei nicht darauf abzustellen, ob die Feststellung über die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung insgesamt unterblieben sei, sondern darauf, ob eine Feststellung über die Höhe der Sonderwerbungskosten unterblieben sei. Da die streitigen Sonderwerbungskosten nicht erklärt worden seien, habe der Beklagte insbesondere nicht negativ/unrichtig über deren Berücksichtigung entschieden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 15. Januar 2002 IX R 21/98, BFHE 197, 503; FG Münster v. 08.06.2005,1 K 5236/04 F, EFG 2005, 1874; FG München v. 06.07.2004, 12 K 3017/03, EFG 2004, 1654). Das vom Beklagten angeführte BFH-Urteil vom 11. Mai 1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446 sei dem Streitfall nicht vergleichbar, weil die infrage stehenden Angaben dort erklärt worden und in der Anlage zum Feststellungsbescheid aufgeführt worden seien.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 11. November 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2006 zu verpflichten, für die Jahre 2000 bis 2002 Ergänzungsbescheide gemäß § 179 Abs. 3 AO zu den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu erlassen, welche die bisher nicht berücksichtigten Zinsen für die Refinanzierungsdarlehen als Sonderwerbungskosten der Gesellschafter Georg und A2 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich dazu im Wesentlichen auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Ein Ergänzungsbescheid gemäß § 179 Abs. 3 AO kann nicht ergehen, um materielle Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheids zu korrigieren.
1. Gemäß § 179 Abs. 3 AO ist eine notwendige Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen, soweit diese Feststellung in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist.
a) Voraussetzung eines Ergänzungsbescheides ist dementsprechend, dass der ursprüngliche Feststellungsbescheid unvollständig bzw. lückenhaft ist. Nachholbar sind nur solche Feststellungen, die im vorausgegangenen Feststellungsbescheid „unterblieben” sind (BFH Urteile vom 15. Juni 1994 II R 120/91, BFHE 174, 465, BStBl II 1994, 819; vom 22. September 1977 IV R 120/73, BFHE 123, 467, BStBl II 1978, 152). Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Feststellung hätte getroffen werden müssen, aber nicht getroffen wurde. Ergänzungsbescheide dürfen einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheides korrigieren oder die in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern; denn in einem solchen Fall ist die ursprüngliche Feststellung nicht lückenhaft, sondern inhaltlich falsch (BFH in BFHE 174, 465, BStBl II 1994, 819; BFH-Urteile vom 14. September 1989 IV R 129-130/88, BFH/NV 1990, 750; vom 4. August 1988 IV R 78/86, BFH/NV 1989, 281, vom 15. Januar 2002 IX R 21/98, BFHE 197, 503, BStBl II 2002, 309, vom 11. Mai 1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, vom 25. Februar 2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235).
b) Zu den notwendigen Feststellungen gehören u.a. die Art und Höhe der Einkünfte sowie die Entscheidung über deren Verteilung. Ein Ergänzungsbescheid ist daher gemäß § 179 Abs. 3 AO 1977 zulässig, wenn diese Feststellungen nicht in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid enthalten waren.
c) Im Streitfall wurden mit den Feststellungsbescheiden die notwendigen Feststellungen zur Art und Höhe sowie zur Verteilung der Vermietungseinkünfte der Jahre 2000 bis 2002 getroffen. Dabei hat der Beklagte ersichtlich auch bereits eine sachliche Entscheidung dahin getroffen, keine Sonderwerbungskosten zu berücksichtigen. Denn er hat den Anlagen zu den Feststellungserklärungen die Aussage entnommen, dass Sonderwerbungskosten des Klägers nicht zu berücksichtigen seien. Deshalb können die nachträglich geltend gemachten Sonderwerbungskosten auch nicht über einen Ergänzungsbescheid einbezogen werden (vgl. zur nachträglichen Einbeziehung von Sonderwerbungskosten auch BFH-Urteile vom 25. Februar 2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235, vom 15. Januar 2002 IX R 21/98, BFHE 197, 503, BStBl II 2002, 309, vom 11. Mai 1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446).
d) Bei einer anderen Auslegung der Vorschrift dahin, auch in diesen Fällen eine Feststellung anzunehmen, die hätte getroffen werden „müssen”, entstünden Wertungswidersprüche und Friktionen zum groben Verschulden im Rahmen des § 173 AO. Wenn § 173 AO auch nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 179 Abs. 3 AO zwingt, so lässt das Spannungsverhältnis dieser Vorschriften nur eine Auslegung zu, die die Grenzen des Wortlauts nicht überschreitet.
2. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Durch die Zurückweisung der Revision gegen das Urteil des FG Hamburg vom 18. Juni 2007 2 K 190/06 (EFG 2007, 1661) mit BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235 hält der erkennende Senat zwar die abweichenden Ausführungen in den Urteilen des FG Münster vom 8. Juni 2005 1 K 5236/04 F (EFG 2005, 1874) und des FG München vom 6. Juli 2004 12 K 3017/03 (EFG 2004, 1654) für überholt. Andererseits hat das FG Köln im Urteil vom 29. September 2009 12 K 929/07 (EFG 2010, 296) in einem ähnlich gelagerten Fall die Klage abgewiesen und die Revision im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des FG Münster vom 26. Februar 2009 11 K 3579/06 F, EFG 2009, 988 (Revision anhängig unter IV R 19/09) zugelassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.