17.02.2011
Finanzgericht München: Urteil vom 18.05.2010 – 13 K 1288/07
1. Eine Erbengemeinschaft hat im Jahr der Herstellung einer zur Vermietung vorgesehenen Eigentumswohnung Anspruch auf die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in voller Jahreshöhe und nicht nur zeitanteilig, wenn die Erblasserin aufgrund beabsichtigter Selbstnutzung keine AfA in Anspruch nehmen konnte.
2. Dass das Eigentum auf die Erbengemeinschaft erst kurz vor Ende des Fertigstellungsjahrs übergegangen ist, ist unschädlich, da § 7 Abs. 5 S. 3 EStG für das Jahr der Fertigstellung bzw. Anschaffung die zeitanteilige Gewährung der degressiven AfA grundsätzlich ausschließt.
3. Dementsprechend verlangt auch § 7 Abs. 5 S. 2 EStG in den Erwerbsfällen vom Hersteller bzw. Zwischenerwerber des Gebäudes nur, dass dieser keine degressive AfA bzw. Sonderabschreibungen in Anspruch genommen hat. Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei einem Eigentümerwechsel im Herstellungsjahr dem neuen Eigentümer die Jahres-AfA zusteht, wenn der Rechtsvorgänger das Objekt nicht zur Einkunftserzielung genutzt hat. Entscheidend für die AfA-Berechtigung des Erwerbers ist hier allein, dass dieser ab Erwerb Einkunftserzielungsabsicht hat.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 13. Senat des Finanzgerichts München … ohne mündliche Verhandlung am 18. Mai 2010
für Recht erkannt:
1. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 2005 werden unter Änderung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 25. Oktober 2006 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. März 2007 auf – 9.757 EUR festgestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
Streitig ist, ob für die von der Klägerin im Streitjahr im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) nur anteilig zu gewähren sind.
I.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 24. Mai 2005 erwarb die Erblasserin S vom Bauträger eine Eigentumswohnung in München, die sie nach Fertigstellung selbst zu nutzen beabsichtigte. Nach dem Vertrag sollte der Bau bis 15. Dezember 2005 bezugsfertig übergeben werden. Die Außenanlagen sollten bis 15. Mai 2006 fertig gestellt sein. Die Wohnung wurde fristgerecht am 15. Dezember 2005 fertig gestellt. Am 29. Dezember 2005 verstarb die Erblasserin und wurde von den Beteiligten M. und F. je zur Hälfte beerbt. Die Wohnung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezogen worden und wurde von den Erben ab 1. Juli 2006 fremdvermietet.
In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr machte die Klägerin gem. § 7 Abs. 5 Ziff. 3c EStG für die Wohnung eine AfA von 9.757 EUR (4% aus den – unstreitigen – Anschaffungskosten von 243.915,70 EUR) geltend. Mit Feststellungsbescheid vom 25. Oktober 2006 gewährte der Beklagte (das Finanzamt) die AfA nur zeitanteilig für die drei Tage des Bestehens der Erbengemeinschaft und stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf -80 EUR fest.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2007 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, das Wohnungseigentum sei mit dem Tod der Erblasserin auf die Beteiligten übergegangen. Diese seien somit Gesamtrechtsnachfolger gem. § 11d EStDV. Nach § 11d Abs. 1 Satz 2 EStDV seien Absetzungen durch den Rechtsnachfolger zulässig, soweit die vom Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger zusammen vorgenommenen Abschreibungen noch nicht zur vollen Absetzung geführt hätten. Da die Erblasserin für das Jahr 2005 keine AfA in Anspruch genommen habe, sei die degressive Jahres-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG den Erben in voller Höhe zu gewähren. Denn hierfür sei es ausreichend, wenn das Objekt einen Tag im Jahr im Eigentum der Erbengemeinschaft gestanden habe und der Rechtsvorgänger bisher keine AfA geltend gemacht habe. Die Wahl der degressiven AfA sei von der Erbengemeinschaft ausgeübt worden. Hierzu wurde die von den Erben für die Erblasserin eingereichte Einkommensteuererklärung, in der für die streitige Eigentumswohnung keinerlei Einkünfte erklärt wurden, sowie der hierzu ergangene Einkommensteuerbescheid 2005 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2005 vom 25. Oktober 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2007 aufzuheben und den Verlust aus Vermietung und Verpachtung i. H. von 9.757 EUR festzustellen.
Das Finanzamt beantragt
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Es ist der Ansicht, dass die AfA bis zum Erbfall der Erblasserin zuzurechnen sei und in erster Linie mit deren Einkünften verrechnet werden müsse. Der Erbengemeinschaft sei sie erst ab dem Zeitpunkt des Erbfalls zuzurechnen. § 11d Abs. 1 Satz 2 EStDV lege nur fest, dass Absetzungen beim Rechtsnachfolger nur zulässig seien, soweit sie nicht schon vom Vorgänger in Anspruch genommen worden seien, von einer Übertragung der AfA des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger sei aber nicht die Rede. Ferner regle § 11 Abs. 1 EStDV die AfA-Bemessungsgrundlage beim Rechtsnachfolger, die sich nach dem für den Rechtsvorgänger maßgeblichen Wert bemesse.
Da die Erblasserin die Wohnung selbst habe bewohnen wollen, könne im Übrigen erst bei der Erbengemeinschaft die Einkunftserzielungsabsicht bejaht werden. Nach R 7.4 Abs. 2 Satz 1 EStR 2005, der auch für die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG gelte, könne daher die AfA nur zeitanteilig gewährt werden.
Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
II.
Die Klage ist begründet.
Der aus den Rechtsnachfolgern der Erblasserin bestehenden Klägerin steht im Fertigstellungsjahr der Eigentumswohnung die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Höhe des Jahresbetrags zu.
Nach § 7 Abs. 5 EStG können bei im Inland belegenen Gebäuden, die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, abweichend von § 7 Abs. 4 EStG im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den darauffolgenden Jahren AfA in degressiv gestaffelten Sätzen abgezogen werden. Im Jahr der Herstellung oder Anschaffung sind die AfA-Sätze des § 7 Abs. 5 EStG nicht zeitanteilig, sondern für das ganze Jahr der Anschaffung oder Herstellung abzuziehen. Dies folgt nunmehr unmittelbar aus dem durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 (BGBl I 2003, 3076) eingefügten § 7 Abs. 5 Satz 3 EStG, entsprach aber bereits vorher der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 4. Mai 2004 XI R 43/01, BFH/NV 2004, 1397 und vom 19. Februar 1974 VIII R 114/69, BStBl II 1974, 704). Im Fall der Anschaffung kann der Erwerber nach § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG die (volle) degressive Jahres-AfA nur in Anspruch nehmen, wenn der Hersteller für das Objekt weder die degressive AfA noch erhöhte Absetzungen oder Sonderabschreibungen in Anspruch genommen hat. Über den Wortlaut der Regelung hinaus gilt die Regelung auch für Zweiterwerber und folgende Erwerber, wenn die zeitlichen Voraussetzungen erfüllt sind, also die Anschaffung bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erfolgte (Blümich Rdz. 556 zu § 7 EStG, Schmidt, 26. Aufl., Rdz. 165 zu § 7 EStG).
Für unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter bestimmt § 11d EStDV, dass sich die dem Rechtsnachfolger zustehenden AfA nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers bemessen (§ 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV), ferner dass AfA nur zulässig sind bis zu dem vom Rechtsvorgänger noch nicht ausgeschöpften Rahmen (§ 11d Abs. 1 Satz 2 EStDV). Entsprechend der Ermächtigungsvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. p EStG bietet § 11d Abs. 1 EStDV keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA, sondern regelt lediglich die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum, setzt aber die grundsätzliche Berechtigung des Rechtsnachfolgers zum Abzug der AfA voraus (BFH-Urteil vom 5. November 1996 IX R 105/93, BFH/NV 1997, 339).
Im Streitfall wurde die Eigentumswohnung im Streitjahr fertig gestellt und ging im Wege der Erbfolge auf die Klägerin über. Nach § 11d Abs. 1 EStDV bemisst sich die der Erbengemeinschaft zustehende AfA nach den der Erblasserin entstandenen Anschaffungskosten. Die AfA ist auch nicht zeitanteilig, sondern in voller Jahreshöhe anzusetzen, da von der Erblasserin keine AfA in Anspruch genommen wurde. Der Erblasserin stand für das Objekt auch keine AfA zu, da sie es selbst nutzen wollte und daher keine Einkunftserzielungsabsicht hatte. Dass die Erbengemeinschaft Einkunftserzielungsabsicht hatte und deshalb grundsätzlich zur Inanspruchnahme der AfA berechtigt war, ist unstreitig und folgt im Übrigen aus der zeitnahen Vermietung ab Mitte des Folgejahrs. Dass das Eigentum auf die Erbengemeinschaft erst kurz vor Ende des Fertigstellungsjahrs übergegangen ist, ist unschädlich, da § 7 Abs. 5 Satz 3 EStG für das Jahr der Fertigstellung bzw. Anschaffung die zeitanteilige Gewährung der degressiven AfA grundsätzlich ausschließt. Eine zeitanteilige Gewährung ist nur dann vorzunehmen, wenn die Übertragung im Laufe eines Kalenderjahrs stattfindet und sowohl Rechtsvorgänger als auch Rechtsnachfolger das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften genutzt haben (vgl. Blümich Rdz. 258 zu § 7 EStG).
Auch R 7.4 Abs. 2 EStR 2005 – die als Verwaltungsvorschrift die Gerichte ohnehin nicht bindet – steht im Streitfall nach Überzeugung des Senats der Gewährung der vollen Jahres-AfA nicht entgegen. Bei ihrer Anwendung ist auf die Nutzung des Objekts durch den AfA-Berechtigten abzustellen, hier also auf die Nutzung durch die Erbengemeinschaft. R 7.4 EStR 2005 soll ausschließen, dass einem Steuerpflichtigen für ein Wirtschaftsgut, das er etwa aufgrund Selbstnutzung oder durch Veräußerung (BFH-Urteil vom 15. März 1994 IX R 107/91, BFH/NV 1994, 780) während eines Teils des Jahres nicht zur Einkunftserzielung genutzt hat, die volle degressive Jahres-AfA gewährt wird.
Dementsprechend verlangt auch § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG in den Erwerbsfällen vom Hersteller bzw. Zwischenerwerber des Gebäudes nur, dass dieser keine degressive AfA bzw. Sonderabschreibungen in Anspruch genommen hat. Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei einem Eigentümerwechsel im Herstellungsjahr dem neuen Eigentümer die Jahres-AfA zusteht, wenn der Rechtsvorgänger das Objekt nicht zur Einkunftserzielung genutzt hat. Entscheidend für die AfA-Berechtigung des Erwerbers ist hier allein, dass dieser ab Erwerb Einkunftserzielungsabsicht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.