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  • 10.02.2011

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 26.10.2010 – 1 K 2939/10

    Eine abweichende Aufteilungsregelung für den Behindertenpauschbetrag als die hälftige Teilung bei getrennt veranlagten Ehegatten ist möglich.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 1. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtliche Richterin … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 26.10.2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Aufteilung und Berücksichtigung des Behindertenpauschbetrages gemäß § 33 b Abs. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) im Rahmen der getrennten Veranlagung nach § 26 a EStG.

    Die Klägerin und ihr Ehemann haben sich im Laufe des Streitjahres 2007 getrennt. Sie haben einen gemeinsamen am 00.00.1992 geborenen Sohn, der schwerbehindert ist und im Haushalt der Klägerin lebt. Im Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes B für den Sohn sind die Merkzeichen G, aG und H zuerkannt. Die vollständige Betreuung und Versorgung des Sohnes wird seit seiner Geburt durch die Klägerin durchgeführt. Die Eheleute haben für das Streitjahr getrennte Veranlagung gewählt. Der Einkommensteuererklärung der Klägerin für das Jahr 2007 war eine Bescheinigung des Ehemannes und Kindesvaters beigefügt, wonach er die ihm zustehenden Freibeträge wegen der Behinderung des gemeinsamen Sohnes für das Kalenderjahr 2007 auf seine Ehefrau übertrage.

    Mit Bescheid vom 11.01.2010 führte der Beklagte die beantragte getrennte Veranlagung der Klägerin durch und setzte die Einkommensteuer 2007 bei einem zu versteuernden Einkommen von 16.238,00 EUR auf 1.885,00 EUR fest. Dabei wich der Beklagte insoweit von den Angaben in der Einkommensteuererklärung ab, als es den Behindertenpauschbetrag für den Sohn in Höhe von 3.700,00 EUR und die geltend gemachte behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale in Höhe von 900,00 EUR jeweils nur zur Hälfte berücksichtigte, wobei sich letztere steuerlich wegen der zumutbaren Eigenbelastung der Klägerin nach § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 a EStG (Steuerpflichtige mit einem Kind Gesamtbetrag der Einkünfte beider Eheleute in Höhe von 33.239,00 EUR × 3% = 997,00 EUR) nicht auswirkte.

    Den hiergegen geführten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.08.2010 zurück. Hierbei wurde die Übertragung der Fahrtkostenpauschale auf die Klägerin in voller Höhe von insgesamt 900,00 EUR zwar grundsätzlich anerkannt, was sich allerdings nach wie vor im Hinblick auf die zumutbare Eigenbelastung der Klägerin in Höhe von 997,– EUR steuerlich nicht auswirkte. Was die Übertragung des vollständigen Behindertenpauschbetrages nach § 33 b Abs. 5 EStG betrifft, vertrat der Beklagte weiterhin die Auffassung, dass diese bei einer getrennten Veranlagung nach § 26 a Abs. 2 Satz 2 HS 2 EStG nicht möglich sei. Die nach § 33 b Abs. 5 Satz 3 EStG vorgesehene anderweitige Aufteilung bei gemeinsamem Antrag der beiden Elternteile gelte nur für Fälle, in denen keine Ehegattenveranlagung (Zusammenveranlagung oder getrennte Veranlagung) der Elternteile durchgeführt werde. Grundsätzlich hätten Eltern die Aufwendungen für ein behindertes gemeinsames Kind zu etwa gleichen Teilen zu tragen. Dem Gesetzgeber habe mit § 26 a Abs. 2 Satz 2 HS 2 EStG die Vorstellung zu Grunde gelegen, dass die Eltern die Aufwendungen für das behinderte Kind zu gleichen Teilen trügen. In Fällen, in denen ein getrennt lebender Ehegatte nicht Elternteil des behinderten Kindes sei, sei diese Vorstellung nicht gerechtfertigt, weshalb das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 12.05.2009 (Az.: 10 K 160/06) in einem solchen Fall § 26 a Abs. 2 Satz 2 EStG dahingehend ausgelegt habe, dass auch eine anderweitige Aufteilung vorgenommen werden könne. In dem vorliegenden Fall, in dem der getrennt lebende Ehegatte der Vater des Kindes sei, sei eine solche Auslegung nicht möglich. In einem solchen Fall sei die Übertragung des Behindertenpauschbetrages vom Gesetzgeber bewusst ausgeschlossen worden.

    Mit der hiergegen geführten Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Anerkennung des vollen Behindertenpauschbetrages nach § 33 b Abs. 3 Satz 3 EStG in Höhe von 3.700,00 EUR. Bei der Regelung in § 26 a Abs. 2 Satz 2 EStG handele es sich um ein redaktionelles Versehen. Die Voraussetzung für die Übertragung des kompletten Behindertenpauschbetrages sei durch die Erklärung des Ehemannes, dass er auch den ihm zustehenden Anteil auf seine Ehefrau übertrage, gegeben.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    die Einkommensteuer des Jahres 2007 unter Änderung des Bescheides vom 11.01.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2010 unter Berücksichtigung des vollen Behindertenpauschbetrages nach § 33 b Abs. 3 Satz 3 EStG neu festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.

    Mit Schreiben vom 06.10.2010 hat der Beklagte und mit Schreiben vom 08.10.2010 die Klägerin auf mündliche Verhandlung verzichtet.

    Entscheidungsgründe

    Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Die Klage ist begründet.

    Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung des vollen Behindertenpauschbetrages in Höhe von 3.700,– EUR.

    Nach § 33 b Abs. 5 EStG wird der Behindertenpauschbetrag, der einem Kind zusteht, für das der Steuerpflichtige einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld (§§ 62 f. EStG) erhält, auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt. Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen (§ 33 b Abs. 5 Satz 2 EStG), wobei auf deren gemeinsamen Antrag eine andere Aufteilung, z.B. die volle Inanspruchnahme durch nur einen Elternteil möglich ist (§ 33 b Abs. 5 Satz 3 EStG). Vorliegend hat der Kindesvater der Übertragung des vollen Behindertenpauschbetrages auf die Klägerin zugestimmt.

    Zu Unrecht geht der Beklagte davon aus, dass der Behindertenpauschbetrag im Falle der getrennten Veranlagung nach § 26 a Abs. 2 Satz 2 EStG als lex specialis zu § 33 Abs. 5 Satz 2 EStG zwingend der Klägerin und ihrem Ehemann je zur Hälfte zu gewähren sei. Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei der Vorschrift des § 26 a Abs. 2 Satz 2 EStG tatsächlich um eine Spezialregelung zu § 33 b Abs. 5 Satz 3 EStG handelt, die dessen Anwendung ausschließt, wie es in der Literatur teilweise vertreten wird (so z. B. Mellinghoff in Kirchhoff, EStG, § 33 b Rz. 18). Denn bereits aus dem Wortlaut des die getrennte Veranlagung regelnden § 26 a Abs. 2 Satz 2 EStG ergibt sich nicht, dass eine andere als die hälftige Aufteilung ausgeschlossen ist. Nach dem Wortlaut des § 26 a Abs. 2 Satz 2 EStG steht bei der getrennten Veranlagung von Ehegatten ein nach § 33 b Abs. 5 EStG übertragbarer Pauschbetrag den Ehegatten insgesamt nur einmal zu und wird jedem Ehegatten zur Hälfte gewährt. Die Vorschrift entspricht insoweit dem Wortlaut nach der Regelung in § 33 b Abs. 5 Satz 2 EStG und gibt wie auch dort den Grundsatz wieder. Dass eine andere Regelung, wie sie in § 33 b Abs. 5 Satz 3 EStG ausdrücklich erwähnt wird, bei der getrennten Veranlagung ausgeschlossen sein soll, ergibt sich aus dem dortigen Fehlen einer solchen Regelung nicht. Vielmehr ist diese Vorschrift ergänzend dahin auszulegen, dass auch bei der getrennten Veranlagung, ebenso wie bei der Einzelveranlagung nicht verheirateter oder geschiedener Eltern und wie auch beim Ausbildungsfreibetrag, den § 26 a Abs. 2 Satz 2, HS 2 EStG nicht erwähnt, eine abweichende Regelung möglich ist (vgl. hierzu Lohschelder in Schmidt, EStG, § 33 b Rz. 29; Stöcker in Lademann, EStG, § 33 b Rz. 165). Es ist nicht erkennbar, warum beim Ausbildungsfreibetrag gem. § 33 a Abs. 2 Satz 6 EStG auch bei getrennter Veranlagung eine andere als die hälftige Aufteilung zulässig sein soll, nicht aber beim Behinderten- und Hinterbliebenenpauschbetrag. Auch gegenüber geschiedenen oder nichtehelichen Eltern ließe sich eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (vgl. hierzu Stöcker in Lademann/Söffing, EStG, § 33 b, Tz 165 a). Das teilweise in der Literatur hierfür angeführte Argument, dass Eltern die Aufwendungen für ein behindertes Kind gewöhnlich zu gleichen Teilen tragen (vgl. hierzu Pflüger in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 26 a, Tz 66) berücksichtigt nicht, dass dies – wenn überhaupt – gleichermaßen für nicht verheiratete oder geschiedene Eltern Geltung hätte. Dem Senat ist jedenfalls kein Erfahrungssatz bekannt, wonach sich getrennt lebende Eltern in diesem Punkt anders verhalten als nicht verheiratete oder geschiedene Eltern.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Berechnung der Steuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten aufgegeben.

    Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    VorschriftenEStG § 26 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2, EStG § 33b Abs 5 Satz 3