02.02.2011
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 18.11.2009 – 3 K 242/09
1. Einem Soldaten ist der Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen nicht deswegen zu versagen, weil ihm wegen seiner Teilnahme an verbilligter Gemeinschaftsverpflegung keine Aufwendungen entstanden sind. Bei einer Auswärtstätigkeit besteht gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 ff. EStG ein Rechtsanspruch auf Gewährung der gesetzlichen Pauschbeträge. Darauf, ob überhaupt ein Verpflegungsmehraufwand anfällt, kommt es ebenso wenig an wie auf die konkrete Verpflegungssituation am Einsatzort.
2. Auch die teilweise Einbehaltung von Trennungsreise- und -tagegeld entsprechend § 12 Abs. 1 S. 1 BRKG und § 3 Abs. 3 S. 3 TGV steht dem Abzug des – um ausgezahltes steuerfreies Trennungsreise- und -tagegeld zu kürzenden – Verpflegungsmehraufwands als Werbungskosten bei den nichtselbstständigen Einkünften nicht entgegen.
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 3. Senat, ohne mündliche Verhandlung am 18. November 2009 unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzenden, des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Landgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter …
für Recht erkannt:
Abweichend von dem geänderten Einkommensteuerbescheid vom 13. Februar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2009 wird die Einkommensteuer 2007 auf 1.039,00 EUR festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert beträgt 1.000,00 EUR.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwendungen streitig.
Der Kläger ist ledig. Er erzielte als Soldat auf Zeit im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Einkommensteuergesetz – EStG –.
Der Kläger nahm im Streitjahr vom 18. bis zum 22. März an einem Lehrgang in S., vom 10. bis zum 13. April an einem Lehrgang in I. und vom 06. bis zum 09. August 2007 an einem Lehrgang in B. teil. Für die Lehrgänge in S. und I. erhielt der Kläger jeweils ein Tagegeld i. H. v. 13,68 EUR bei dessen Berechnung keine unentgeltlichen Mahlzeiten berücksichtigt wurden, für den Lehrgang in B. ein Tagegeld i. H. v. 16,98 EUR. Darüberhinaus erhielt der Kläger ein sog. gekürztes Trennungsgeld wegen geringerer Aufwendungen gemäß § 3 Trennungsgeldverordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 29. Juni 1999 (BGBl I 1999, 1533) i. H. v. jeweils 13,68 EUR für die Lehrgänge in I. und B. sowie 20,52 EUR in S..
Für die Lehrgänge beantragte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt 147,78 EUR, und zwar für die Lehrgänge in B. und I. jeweils für zwei Tage mit mehr als 14 Stunden Abwesenheit je 12,00 EUR und für zwei Tage mit 24 Stunden Abwesenheit je 24,00 EUR sowie für den Lehrgang in S. für zwei Tage mit mehr als 14 Stunden Abwesenheit je 12,00 EUR und für drei Tage mit 24 Stunden Abwesenheit je 24,00 EUR, abzüglich des steuerfrei erhaltenen Tage- bzw. Trennungsgeld i. H. v. 92,22 EUR.
Durch Bescheid vom 17. Juli 2008 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2007 auf 1.155,00 EUR fest. Dabei berücksichtigte er die vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht. Zur Begründung führte er aus, dass bei der Zahlung von Tagegeld und Trennungsreisegeld, die sich nach den Beträgen des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 Bundesreisekostengesetz (BRKG) bei teilentgeltlicher oder unentgeltlicher Verpflegung richten würden, ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen sei. Der Kläger legte am 31. Juli 2008 Einspruch ein, mit dem er die erklärungsgemäße Anerkennung der Verpflegungsmehraufwendungen begehrte. Der Beklagte erließ aus anderen Gründen am 13. Februar 2009 einen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und setzte die Einkommensteuer auf 1.097,00 EUR fest. Der Bescheid wurde gemäß § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Durch Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2009 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, Aufwendungen für Verpflegung seien grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung und damit nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme ergebe sich nur aus § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG i. V. m. § 9 Abs. 5 EStG. Allerdings erfahre dieser Grundsatz eine Ausnahme in den Fällen, in denen unzweifelhaft feststehe, dass der Steuerpflichtige keine Mehraufwendungen gehabt habe. Bei Auswärtstätigkeiten von Bundeswehrangehörigen würden bei unentgeltlicher oder teilentgeltlicher Verpflegung von der Bundeswehr Reisekostenerstattungen in Form von Tagegeld und Trennungsreise- bzw. tagegeld für jedenfalls 14 Tage gezahlt.
Der Kläger hat am 14. Juli 2009 Klage erhoben. Mit seiner Klage begehrt er Verpflegungsmehraufwendungen für die genannten Lehrgänge in der beantragten Höhe. Für Verpflegungsmehraufwendungen würden gemäß § 9 Abs. 5 EStG die gesetzlichen Pauschalen nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG gelten. Ein Abzug von tatsächlichen Aufwendungen im Rahmen eines Einzelnachweises sei im EStG nicht mehr vorgesehen. Die Pauschbeträge seien auch dann anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer Mahlzeiten vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten unentgeltlich oder teilentgeltlich erhalten habe. Der Abzug sei unabhängig von der Höhe des tatsächlichen Aufwandes auch dann zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige zum Beispiel an einer kostengünstigen Gemeinschaftsverpflegung teilnehme. Für diese Fälle dürfe eine Kürzung der Pauschbeträge nicht erfolgen, weil die Höhe der Pauschalen gesetzlich geregelt sei. Im Übrigen verweise er auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 (VI R 73/06, BFH/NV 2009, 936).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
abweichend von dem geänderten Einkommensteuerbescheid vom 13. Februar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2009 die Einkommensteuer 2007 unter Berücksichtigung von weiteren Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 147,78 EUR neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und darauf, dass auch Urteile des Bundesfinanzhof immer nur zwischen den jeweiligen Prozessbeteiligten Wirkung entfalten würden.
Dem Gericht lag ein Band Einkommensteuerakten des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den Abzug der begehrten Verpflegungsmehraufwendungen zu Unrecht versagt.
a)
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist dem Kläger der Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen nicht deswegen zu versagen, weil dem Kläger wegen seiner Teilnahme an verbilligter Gemeinschaftsverpflegung keine Aufwendungen entstanden sind.
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 ff. EStG, die für die Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sinngemäß gelten (§ 9 Abs. 5 EStG), sind Mehraufwendungen für die Verpflegung eines Steuerpflichtigen dann als Werbungskosten abziehbar, wenn dieser vorübergehend von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt entfernt beruflich, d. h. (kurz gesagt) auswärts tätig ist. Hiervon ausgehend war, was zwischen den Beteiligten auch außer Streit ist, der Kläger während der genannten Lehrgänge beruflich auswärts tätig. Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 ff. EStG ein Rechtsanspruch auf Gewährung der gesetzlichen Pauschbeträge. Darauf, ob überhaupt ein Verpflegungsmehraufwand anfällt, kommt es ebenso wenig an wie auf die konkrete Verpflegungssituation am Einsatzort (vgl. zum Ganzen BFH in BFH/NV 2009, 936).
b)
Auch die teilweise Einbehaltung von Trennungsreise- und Trennungstagegeld entsprechend § 12 Abs. 1 Satz 1 BRKG in der im Streitjahr geltenden Fassung und § 3 Abs. 3 Satz 3 der TGV steht dem Abzug des vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwands nicht entgegen.
Reisekosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Auswärtstätigkeit entstehen, gehören zu seinen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Erhält der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber hierfür einen Ausgleich, so handelt es sich dabei grundsätzlich um zusätzlichen Arbeitslohn, dem die genannten Werbungskosten gegenübertreten. Steuerfrei sind dagegen nach § 3 Nr. 13 EStG die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen, Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder. Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen sind allerdings nur insoweit steuerfrei, als sie die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG nicht übersteigen. Die Steuerbefreiung des Reisekostenersatzes hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer nur diejenigen Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen kann, die die Reisekostenentschädigung übersteigen. Dies folgt aus § 3 c Abs. 1 EStG.
Nach § 3 c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Zwar schließen auch pauschal gewährte steuerfreie Einnahmen den Abzug von Aufwendungen aus, zu deren Ausgleich sie bestimmt sind, selbst wenn sie unabhängig von dem tatsächlichen Anfall beruflicher Aufwendungen gezahlt werden. Steuerfreie Einnahmen i. S. des § 3 c Abs. 1 EStG sind jedoch, soweit es hier von Bedeutung ist, nur solche, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG erfüllen.
Nach § 8 Abs. 1 EStG sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Daraus folgt, dass Zufluss ein Merkmal des Begriffs der Einnahme ist. Voraussetzung des Zuflusses ist der Eintritt einer Vermögensmehrung. Das ist nicht der Fall, soweit eine Reisekostenvergütung nicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. § 3 c Abs. 1 EStG kommt dann nicht zur Anwendung.
Der Kläger erhielt mit den Verpflegungsmehraufwendungen in Zusammenhang stehende steuerfreie Erstattungen i. H. v. 92,22 EUR, die er in Abzug gebracht hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG).