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  • 06.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111148

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 28.10.2010 – 11 K 1712/08 BG

    Bürogebäude sind dann mit der Rechtsfolge einer entsprechenden Alterswertminderung als bezugsfertig anzusehen, wenn der Baukörper einschließlich der Treppenhausbereiche vollständig fertig gestellt sowie mit allen zentralen Ver- und Entsorgungseinrichtungen versehen ist und im Innern lediglich noch entsprechend dem Mieterwunsch in moderner Leichtbauweise Zwischenwände eingezogen und die damit zusammenhängenden (Elektro- Sanitär- Maler- Bodenbelags- und sonstigen) Arbeiten durchgeführt werden müssen.


    Finanzgericht Düsseldorf v. 28.10.2010

    11 K 1712/08 BG

    Tatbestand
    Streitig ist das Jahr der Bezugsfertigkeit und damit die davon abhängige Alterswertminderung nach § 146 Abs. 4 Bewertungsgesetz alter Fassung.

    Die Kläger erhielten mit dem Ableben ihres Vaters am 3. August 2005 die 50 %-ige Beteiligung an der A. Grundstücks- Verwaltungs- und Verwertungs- GmbH & Co. KG, A-Stadt. Zum Vermögen dieser KG zählte u. a. auch der Grundbesitz A-Straße 1 a, b, c in A-Stadt. Es handelt sich um ein unterkellertes mehrgeschossiges Bürogebäude mit einer Tiefgarage in zwei weiteren Tiefgeschossen. Der Gebäudekomplex A-Straße 1 a-c hat eine Gesamtnutzfläche von 15.776 m² (1 a: 5.128 m², 1 b: 5.520 m² und 1 c : 5.128 m²).

    Für Zwecke der Erbschaftsteuer hat der Beklagte als Lagefinanzamt für das Grundstück A-Straße 1 a-c in A-Stadt mit Bescheid vom 14. November 2007 den Grundbesitzwert auf den 3. August 2005 auf 22.621.500 EUR festgestellt. Der unter Nachprüfungsvorbehalt stehende Bescheid setzte als Jahr der Bezugsfertigkeit 1994 an. Hieraus ergab sich eine Alterswertminderung von 5,5 % des Ausgangswertes (23.938.487 EUR), was zu einem Gebäudewert von 22.621.870 EUR führte.

    Gegen den Bescheid legten beide Kläger Einspruch ein. Die Alterswertminderung des Gebäudes müsse um ein Jahr erhöht werden. Daraufhin änderte das Finanzamt nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 7. Januar 2008 den Grundbesitzwert, wobei dieser nunmehr auf 23.340.000 EUR erhöht wurde. Der Bescheid stand weiter unter Nachprüfungsvorbehalt. Als Jahr der Bezugsfertigkeit setzte der Bescheid nun das Jahr 2000 an. Dies führte zu einer Alterswertminderung von 2,5 % und zu einem Gebäudewert im Ertragswertverfahren von 23.340.024 EUR.

    Gegen diesen Änderungsbescheid legten beide Kläger Einspruch ein.

    Mit Einspruchsentscheidungen vom 17. April 2008 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Der Innenausbau der einzelnen Bürotrakte sei jeweils nur nach Bedarf, also offensichtlich erst bei einer anstehenden Vermietung, durchgeführt worden, auch wenn der Rohbau bereits in der letztendlichen gültigen Form erstellt worden sei. Im Rahmen der Einheitsbewertung seien diese Ausbaustufen daher auch entsprechend der jeweiligen Fertigstellungsgrade im Verhältnis zum Gesamtvolumen auf schriftlichen Antrag des Rechtsvertreters der Voreigentümer berücksichtigt worden. Im Jahr 1998 habe zudem eine örtliche Nachschau durch den Bausachverständigen des Finanzamtes B-Stadt zusammen mit der damaligen Sachbearbeiterin stattgefunden. Beide hätten sich von dem bestehenden Ausbauzustand des betreffenden Gebäudes überzeugen können. Sowohl aus deren Stellungnahme als auch aus den vorerwähnten Anträgen ergäben sich dabei für das Bürogebäude Fertigstellungsgrade von 12 % (zum 1. Januar 1995) bis 100 % (1. Januar 2001). Daher könne eine Fertigstellung bereits im Jahr 1993 bzw. 1995 nicht angenommen werden. Die zum 1. Januar 1994 zu 100 % fertig gestellte Tiefgarage und das aufstehende Bürogebäude stünden in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang und seien daher einheitlich zu beurteilen.

    Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage. Nach den tatsächlichen Verhältnissen – so die Kläger in ihrer ursprünglichen Klagebegründung – sei das Gebäude schon im Jahr 1993 bezogen und damit fertiggestellt worden. Dies folge aus dem Gutachten des Bausachverständigen Dipl.-Ing. C. vom 2. Oktober 2000. Der Gutachter C. habe seinerzeit das Objekt besichtigt. Ihm wäre es sicherlich aufgefallen, wenn das Objekt erst wenige Wochen vor Erstellung des Gutachtens fertiggestellt worden wäre.

    Das Gebäude sei in einem Zuge errichtet worden. Die Innenarbeiten (Malerarbeiten, Raumaufteilungen, Bodenbelagsarbeiten) seien erst nach und nach durchgeführt worden, nachdem ein geeigneter Mieter gefunden war. Der Vermietungsmarkt im Jahr 1993 und später sei damals sehr schlecht gewesen, so dass es bis zum Jahr 2000 gedauert habe, bis alle Räume vermietet und nach den Wünschen der einzelnen Mieter ausgebaut waren. Nach § 145 Abs. 1 Bewertungsgesetz – BewG – sei ein Gebäude als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden könne, das Gebäude zu bewohnen, was mit dem ersten Einzug eines Mieters im Jahr 1993 eingetreten sei. Der Beklagtenhinweis, im Rahmen der Einheitsbewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer seien die Ausbaustufen entsprechend der jeweiligen Fertigstellungsgrade im Verhältnis zum Gesamtvolumen berücksichtigt worden, stehe dem nicht entgegen. Dieses Verfahren diene für Grundsteuerzwecke der Vereinfachung, da die Grundsteuer für leerstehende Räume ohnehin zu erlassen sei.

    Die Kläger beantragen,

    den Feststellungsbescheid vom 14. November 2007 zum Feststellungszeitpunkt 3. August 2005 sowie den Änderungsbescheid vom 7. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. April 2008 abzuändern und die Alterswertminderung mit dem Jahr der Bezugsfertigkeit des Gebäudes im Jahr 1994 zu berücksichtigen sowie

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt

    Klageabweisung.

    Es werde nicht bestritten, dass das streitgegenständliche Gebäude schon seit 1994 teilweise bezogen wurde und sich nach dem äußeren Eindruck in einem Zustand befunden haben werde, der den Eindruck einer Bezugsfertigkeit vermitteln könnte. Solange jedoch der maßgebliche Innenausbau noch nicht abgeschlossen sei, könne nicht von einer abschließenden Bezugsfertigkeit dieser Immobilie ausgegangen werden. Insbesondere sei davon auszugehen, dass der vollständige Sanitär- und Innenausbau – abgesehen von den Grundleitungen – noch ausgeführt werden musste. Dazu gehörten nicht nur die Sanitär-Einrichtungen, sondern auch die notwendigen Fliesenarbeiten. Ferner seien noch Montagearbeiten an der Heizungsanlage verbunden mit dem Einbau von weiteren zusätzlichen Heizkörpern sowie einer Lüftungsanlage in den WC- und Waschräumen notwendig gewesen (Rechnung D. vom 27. April 1999). Die Wände mögen zwar 1994 verputzt worden sein. Hieraus ließe sich jedoch allenfalls schließen, dass Wände tatsächlich in diesem Zeitraum in nicht unerheblichem Umfang verputzt worden sind. Weitere Schlussfolgerungen ergäben sich daraus jedoch nicht, da weder die Baukosten insgesamt nachvollzogen werden könnten noch Ausschreibungsunterlagen vorlägen, aus denen sich entsprechende Mengen– bzw. Massenangaben ergeben hätten. Nach den vorliegenden Rechnungen der Jahre 1997 bis 1999 hätten die Wände der jeweils neu zu vermietenden Einheiten zunächst einmal grundiert werden müssen, bevor sie tapeziert und gestrichen werden konnten (vgl. soweit die Rechnungen der Firma E.). Ausgehend von den Vorstellungen der künftigen Mieter mussten weiterhin noch Trennwände in Leichtbauweise eingezogen und die Decken entsprechend abgehängt werden (vgl. die Rechnungen der Firma F.). Entsprechendes gelte für die Behandlung der Fußböden. Auch hier mögen die Estrichböden fertiggestellt gewesen sein. Dennoch hätten auch hier die Böden gespachtelt und mit Dispersionsvorstrich vorbehandelt werden müssen; Fugenschnitte hätten mit Epoxidharz geschlossen werden müssen.

    Aus der im Klageverfahren eingereichten Mieterliste (Aktenordner = Anlage 35 zum Klägerschriftsatz vom 1.Juli 2010) folgt:

    Mieterliste

    A-Straße-Planck-Straße 15 a-c, 40699 A-Stadt

    Mieter qm Vertragsdatum tatsächlich genutzt ab Anmerkung
    1 449.00 28.04/10.05.1993 01.04.1994
    2 948.00 09./10.11.1993 01.09.1994
    3 1.158,00 09./10.11.1993 01.09.1994 Erweiterung
    4 220,00 09./10.11.1993 01.02.1995 Erweiterung
    5 861,00 23./27.03.1995 01.07.1995
    6 659,00 14./17.07.1995 01.12.1995
    7 256,00 28.09.1995 01.01.1996
    8 385,00 16.01.1996 01.03.1996
    9 275,00 06./07.02.1996 01.04.1996
    10 182,00 22.03.1996 01.05.1996
    11 275,00 05.03.1996 01.05.1996
    12 220,00 02./16.04.1996 01.06.1996 Erweiterung
    13 431,00 01.06.1996
    14 402,00 25.04.1996 01.07.1996 Erweiterung
    15 499,00 09./10.05.1996 01.07.1996
    16 439,00 05./14.06.1996 01.08.1996
    17 998,00 07.06.1996 01.08.1996
    18 499,00 11./27.09.1996 15.10.1996
    19 938,00 09.09./09.10.1996 01.01.1997
    20 220,00 27.01.1997 01.04.1997
    21 182,00 05.03.1997 08.05.1997
    22 431,00 16.04.1997 01.07.1997
    23 220,00 20.05./03.06.1997 01.10.1997
    24 385,00 01./22.09.1997 15.11.1997
    25 659,00 05.09.1997 01.12.1997
    26 499,00 16./21.10.1997 01.01.1998
    27 431,00 15./19.01.1998 01.04.1998
    28 659,00 13.03.1998 15.05.1998
    29 499,00 20.08.1998 01.02.1999 Erweiterung
    30 499,00 08.02.1999 01.05.1999
    31 499,00 18./22.11.1999 01.02.2000
    32 499,00 11.10./10.11.1999 01.04.2000
    Gesamtfläche 15.776 ,00

    Die ersten Mieter bezogen ausweislich der Liste völlig verschiedene Bauteile des Objektes A-Straße 1 a-c.

    Aus den im gerichtlichen Klageverfahren ergänzend eingereichten Unterlagen der Kläger und den durchgeführten beiden Erörterungsterminen ergibt sich folgendes:

    Gemäß Kaufvertrag vom 13. Dezember 1995 war das Grundstück mit den aufstehenden Gebäuden A-Straße 1 a-c an die Eheleute F. verkauft worden. In der Rechnung vom 16. Dezember 1995 der A. Bauunternehmung- GmbH (Verkäuferin) wurden die Gebäude als „teilweise fertig” beschrieben (Blatt 104 FG-Akte).

    Die 1994 noch nicht vermieteten Gebäudeteile waren in Brandabschnitte unterteilt. An der jeweiligen Gebäudestelle war eine Betontrennwand mit einer feuersicheren Stahltür gezogen worden. An den Innenseiten der Außenwände war die erforderliche Anzahl von Heizkörpern zwecks Gewährleistung von Frostschutz betriebsbereit installiert worden, auch um die Trocknung des verlegten Estrichs zu gewährleisten. Die Decken der nicht vermieteten Teile waren „roh”. An diesen Decken waren Leuchten angebracht worden, um den potentiellen Mietinteressenten die entsprechenden Räumlichkeiten zeigen zu können. In den verschiedenen Gebäudeteilen war die Möglichkeit vorhanden gewesen, Toilettenanlagen fertig zu installieren. Bis zu dieser Stelle waren 1994 entsprechende Grundleitungen fertig verlegt worden. Die Grundleitungen für die Be- und Entlüftung des gesamten Gebäudes waren im Jahr 1994 fertig gewesen. Im Jahr 1994 waren die Innenseiten der Außenwände in sämtlichen zur Vermietung vorgesehenen Teilen fertig verputzt (Schlussrechnung der G. GmbH -Blatt 190 der FG-Akte).

    Auf Nachfrage des Gerichtes, zusammenfassend mitzuteilen, welche Arbeiten im einzelnen vor tatsächlicher Nutzung der jeweils laut Mieterliste gemieteten Fläche im Objekt A-Straße 1 a – c noch durchgeführt wurden, haben die Kläger mitgeteilt, in welchem Zustand sich die Räumlichkeiten befanden, als seinerzeit Ortsbesichtigungen mit interessierten Mietern stattfanden:

    Die Außenwände in den einzelnen Geschossen bestanden danach einerseits aus Fensterelementen und andererseits aus statischen Wänden. Soweit Fensterelemente zu den Räumlichkeiten gehörten, waren diese bereits im Jahre 1994 fertig gestellt und die wenigen dazugehörigen Mauern fertig verputzt. Das Mauerwerk war fensterseitig noch nicht gestrichen, da erst noch Tapete nach Mieterwunsch verklebt werden musste. Die statischen Wände in den einzelnen Etagen waren ebenfalls bereits im Jahre 1993 bzw. 1994 fertig gestellt und verputzt.

    In den Jahren 1993 und 1994 war der Estrich komplett verlegt. Dieser schwimmende Estrich wurde auf einzelnen Estrichfeldern vergossen. Zwischen den einzelnen Estrichfeldern gab es Trennfugen. Sobald ein Mieter zusagte und seine Raumaufteilungswünsche mitteilte, wurden die Trennfugen zwischen den Estrichfeldern vergossen, abgespachtelt und dann der Teppichboden verlegt.

    In Bezug auf die einzuziehenden Trennwände musste ein Mieter zunächst die gewünschte Raumaufteilung mitteilen. Sodann wurden Metallprofile an der Decke und auf dem Boden verdübelt, um die einzelnen Raumaufteilungen vorzubereiten. Nach Verdübelung der Profile wurden Längsprofile aus Metall zwischen Decken und Böden befestigt. Zwischen den Profilen wurden Stromkabel gezogen. An den zu befestigenden Gipskartonplatten erfolgten Ausschnitte für Steckdosen und Lichtschalter. Nach Verlegung der Gipskartonplatten und Installation der Steckdosen und Lichtschalter wurden Zwischentüren eingesetzt. Schließlich wurde der Rigips gespachtelt und tapeziert. Zuletzt wurden die Tapeten und die Türzargen gestrichen.

    Die Decken in dem gesamten Gebäude sind aus Beton. Dieser hat eine glatte Struktur und weist an vereinzelten Stellen kleinere Rillen von den einzelnen Verschalungsteilen auf. Auf den Betondecken war die Grundverkabelung mit Verteilerdosen unter der Decke verlegt. Vor Bezug der Mieträume waren vorläufige Beleuchtungen unmittelbar an der Betondecke angebracht, damit die Räume besichtigt werden konnten. Die eigentliche Beleuchtung wurde erst später angebracht, da die Betondecken vor Mieterbezug noch mit Platten „abgehängt” wurden.

    Nachdem ein Mieter die gewünschte Raumaufteilung mitgeteilt hatte, wurden an der Betondecke Metallprofile in die Decke eingedübelt. Die Profile wurden der Raumaufteilung entsprechend angepasst. Sodann wurde ein Raster aus Metallschienen angebracht. In das Raster wurden Lampen und Deckenplatten eingehängt. Die Lampen wurden vor dem Bezug des jeweiligen Mieters entweder an die vorhandene Grundverkabelung oder an ergänzende Verkabelungen angeschlossen. Diese wurden nicht mehr unter Putz verlegt sondern lediglich zwischen Raster und Betondecke angebracht. Das Anbringen der Deckenraster konnte erst nach Mitteilung der gewünschten Raumaufteilung erfolgen. Ebenfalls konnte erst nach Raumaufteilung der Beleuchtungsbedarf gemessen werden. Dieser wurde entsprechend der Raumaufteilung errechnet. Der Abstand zwischen Raster und Rohdecke beträgt ca. 20 – 40 cm.

    Nach durchgeführter Raumaufteilung entsprechend dem Mieterwunsch erfolgte auch eine Zuordnung der Räume für die sanitären Anlagen. Hierbei wurde grundsätzlich die gleiche Bauweise verwendet wie für die Trennwände zwischen den Büroräumen. Anschließend wurden die sanitären Armaturen angebracht und die Wasser- und Abwasserleitungen an die bereits vorhandene Grundleitung angeschlossen. Die Böden in den sanitären Anlagen wurden größtenteils verfliest. Auch an den Wänden wurden zum Teil Fliesen verklebt.

    Nach der Raumaufteilung durch die oben beschriebenen Innenwände in Leichtbauweise wurden die erforderlichen Heizkörper an den Wänden angebracht und an die seit 1993 vorhandenen Grundleitungen angeschlossen.

    Nach Fertigstellung der Raumaufteilung und den damit zusammenhängenden vorstehend beschriebenen Arbeiten mussten die jeweiligen Mieter keine weiteren Erstellungsarbeiten mehr verrichten.

    Im Übrigen wird wegen weiterer Einzelheiten zum Streitstand auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2010 Bezug genommen.



    Gründe
    1) Die Klage ist begründet.

    Die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Die Alterswertminderung für das Bürogebäude A-Straße 1 a-c in A-Stadt ist mit 5,5 % des insoweit unstreitigen Ertragswertes anzusetzen. Das Gebäude ist im Jahr 1994 bezugsfertig geworden.

    a) Nach § 146 Abs. 4 BewG beträgt die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes für jedes Jahr, das seit Bezugsfertigkeit des Gebäudes bis zum Besteuerungszeitpunkt vollendet ist, 0,5 vom Hundert, höchstens jedoch 25 vom Hundert des Werts nach den Absätzen 2 und 3.

    Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend (§ 145 Abs. 1 Satz 3 BewG). Damit kommt es für den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit nicht auf den tatsächlichen Bezug sondern ausschließlich auf die Zumutbarkeit der Nutzung an.

    Bei der Umschreibung eines unbebauten Grundstücks im Sinne von § 145 BewG wurde § 72 BewG im Wesentlichen unverändert übernommen. Damit gelten auch die Rechtsprechungsgrundsätze und die Verwaltungsanweisungen zur Bezugsfertigkeit fort (Rössler-Troll, § 145 BewG Rz. 6).

    Wann eine Nutzung zumutbar ist, ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (Rössler-Troll, § 72 BewG Rz. 9).

    Im Streitfall handelt es sich um einen größeren Bürogebäudekomplex, der seit 1994 nach außen hin als fertig gestellt erscheint und bei dem zu diesem Zeitpunkt alle zentralen Ver- und Entsorgungsleitungen vorhanden sind. Es fehlt ab dem Jahr 1994 nur noch die innere Raumaufteilung, die kurzfristig nach dem jeweiligen Mieterwunsch vorgenommen wird, wobei erst dann die mit der Raumaufteilung zusammenhängenden Arbeiten einschließlich der zugehörigen Elektro-, Sanitär- und Malerarbeiten vorgenommen werden können.

    b) Rechtsprechung zur Bezugsfertigkeit derartiger Bürogebäude existiert, soweit ersichtlich, nicht.

    Es gibt, im Rahmen der Einheitsbewertung, lediglich Entscheidungen zu Wohngebäuden, die dann als bezugsfertig gelten, wenn die wesentlichen Bauarbeiten durchgeführt worden sind (Einbau von Türen und Fenstern, vorhandene Anschlüsse für die Strom- und Wasserversorgung, Heizung, vorhandene sanitäre Einrichtungen und die Möglichkeit, eine Küche einzurichten – BFH-Urteil vom 29.April 1987 II R 262/83, BStBl 1987 II S. 594; Einfamilienhaus ohne Heizkörper in Wohnräumen nicht bezugsfertig – FG Baden-Württemberg Urteil 8 K 308/89 vom 23. April 1992, EFG 1993, 132; die wesentlichen Maler- und Tapezierarbeiten sollen ausgeführt sein, BFH vom 26. Juni 1970, III R 56/69, BStBl II 1970, 769; der Fußbodenbelag sollte im wesentlichen verlegt sein, eine Wohnung ohne Fußbodenbelag ist nicht bezugsfertig- FG-Baden Württemberg vom 30. September 1981, EFG 1982,116; a. A. FG Hamburg vom 16. April 1982 , EFG 1982,550 und FG München vom 22. Juli 1982 , EFG 1983, 184). Eine Mietwohnung, in der nur noch Spüle und Herd aufzustellen und anzuschließen sind und ein Teil des Teppichbodens zu verlegen ist, gilt nach der Verkehrsauffassung als bezugsfertig (BFH vom 25. Juli 1980, III R 46/78, BStBl II 1981, 152).

    c) Die Literatur ist im Hinblick auf Bürogebäude unterschiedlicher Ansicht.

    Sie sieht einerseits Bürogebäude, deren Büroflächen sich aber noch in einem rohbauähnlichen Zustand befinden, als noch nicht bezugsfertig an, da sie nicht unmittelbar einer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden können. Werden Teilflächen entsprechend hergerichtet und vermietet, stelle sich die Frage der Bezugsfertigkeit erneut. Stelle man auf die Bezugsfertigkeit des gesamten Gebäudes ab, könnte ein solches Objekt womöglich über Jahre als unbebautes Grundstück fortbestehen (Rössler-Troll, § 72 BewG Rz. 12).

    Andererseits werden Bürogebäude schon als bezugsfertig angesehen, wenn lediglich die Innenausstattung fehlt, also nur noch Zwischenwände eingezogen, die Beleuchtungskörper installiert und der Fußboden verlegt werden müssen (Stöckel, Die Steuerberatung – Stbg – 2008, 537).

    d) Gemäß dem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 5. Mai 2009, BStBl I 2009, 590 ist ein Gebäude insgesamt als bezugsfertig anzusehen, wenn es nur zum Teil fertiggestellt und der Innenausbau nach den Wünschen der künftigen Nutzer zurückgestellt wird (Abschn. 4 Abs. 3 Satz 5 zu § 178 BewG n.F. -Begriff des unbebauten Grundstücks –).

    e) Der Senat sieht Bürogebäude dann als bezugsfertig an, wenn der Baukörper einschließlich der Treppenhausbereiche – wie im Streitfall – vollständig fertiggestellt sowie mit allen zentralen Ver- und Entsorgungseinrichtungen versehen ist und im Innern lediglich noch entsprechend dem Mieterwunsch in moderner Leichtbauweise Zwischenwände eingezogen und die damit zusammenhängenden (Elektro- Sanitär- Maler- Bodenbelags- und sonstigen) Arbeiten durchgeführt werden müssen. Damit war die im Streit befindliche Immobilie aufgrund der ersten tatsächlichen Nutzung durch einen Mieter jedenfalls im Jahr 1994 bezugsfertig. Ab jenem Jahr waren nur noch die vorbeschriebenen Restarbeiten durchzuführen gewesen.

    aa) Für diesen frühen Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit spricht der Umstand, dass gerade bei Bürogebäuden die Bauherren immer mehr dazu übergehen, unter Ausnutzung der fortgeschrittenen Bautechnik größere Nutzflächen den Wünschen der Mieter entsprechend aufzuteilen und unter Hinweis auf diese Möglichkeit solche Immobilien schon vor Aufteilung am Markt tatsächlich anbieten (vgl. etwa www.immobilienscout24.de; ferner: Stöckel a.a.O.).

    bb) Aus Sicht des Mieters handelt es sich bei der vorgenannten Innenausstattung um geringfügige Baumaßnahmen, die am gewerblichem Vermietungsmarkt als üblich anerkannt werden und der Benutzbarkeit des Gesamtgebäudes nicht entgegenstehen (vgl. Stöckel a.a.O.). Es ist dann auch nur folgerichtig, die Zumutbarkeit der Nutzung im Sinne von § 145 Abs. 1 Satz 3 BewG zu bejahen, wenn – wie im Streitfall – nur noch solche Restarbeiten auszuführen sind.

    cc) Eine andere Auffassung würde im übrigen auch zu dem wirtschaftlich unsinnigen Ergebnis führen, dass die Bezugsfertigkeit letztlich von der Entwicklung am Vermietungsmarkt abhängt, obgleich ein Gebäude sich auch – und gerade – bei längerem Leerstand technisch abnutzt und der abnehmenden Nutzungsdauer durch den Alterswertabschlag Rechnung getragen werden soll (näher hierzu vgl. BT-Drucksache 13/5952 Seite 41, zitiert bei Mannek in Gürsching/Stenger, § 146 BewG, Rn. 335).

    dd) Für eine Bezugsfertigkeit des gesamtes Gebäudes schon in dem Zeitpunkt, ab dem nur noch die vom Mieterwunsch abhängigen vorbenannten Innenausbauarbeiten auszuführen sind, spricht schließlich noch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Es braucht im jeweiligen Einzelfall nicht mehr entschieden zu werden, ob das Bauwerk erst bei Herrichtung der letzten Mieteinheit – hier: im Jahr 2000 – insgesamt bezugsfertig ist oder ob dies schon dann anzunehmen ist, wenn eine „erhebliche Anzahl” von Mieteinheiten hergerichtet ist, die die übrigen Innenausbauarbeiten in den verbleibenden Teilen des Objektes als „unerhebliche Restarbeiten” erscheinen lässt.

    2) Die Übertragung der Berechnung des Grundbesitzwertes beruht auf § 100 Abs. 2 FGO.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO, denn die Kläger haben ursprünglich in ihrer Klageschrift – damals noch vom Jahr 1993 als Jahr der Bezugsfertigkeit ausgehend – einen weitergehenden Klageantrag gestellt.

    Der Ausspruch betreffend die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    RechtsgebietBewG 1991VorschriftenBewG 1991 § 145 Abs. 1 Satz 3 BewG 1991 § 146 Abs. 4