20.01.2011
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.02.2009 – 6 K 2641/06
Wird ein dem Unternehmen vollständig zugeordnetes Gebäude zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt, so sind die Vorsteuern aus den in der Zeit vom 01.07.2004 bis 02.12.2004 bezogenen Leistungen gleichwohl abzugsfähig. Für die Frage, welche Leistungen dem „abzugsunschädlichen” Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 02.12.2004 zuzuordnen sind, ist nicht auf den Lieferzeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Unternehmer die entsprechende Rechnung in den Händen gehalten hat.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Klägerin, eine Grundstücksgemeinschaft, die Vorsteuer aus Rechnungen abziehen kann, die aus der umfassenden Renovierung eines Wohnhauses herrühren.
Die Beteiligten der Klägerin J. B. und T. K. sind Eheleute, die am 23.02.2004 das Gebäude in N, S-Straße ... erwarben. Aufgrund genehmigten Bauantrags vom 29.03.2004 begannen sie ab dem 03.05.2004 das Gebäude umzubauen und zu renovieren. Das Gebäude bezogen die Eheleute am 01.11.2004. Die Ehefrau ist Architektin und arbeitet als freie Mitarbeiterin in einem Architekturbüro mit. Seit dem 01.01.2005 nutzt sie aufgrund eines Mietvertrages mit der Klägerin im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit in dem Gebäude ein Arbeitszimmer, das 11,03 qm misst. Frau K gab seit dem Jahre 2002 Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ab und erklärte für die Jahre 2002 und 2003 Umsätze von 2.000,00 € bzw. 5.800,00 € und für die Jahre 2004 bis 2006 Umsätze von jeweils 0,00 € (vgl. Aktenvermerk des Berichterstatters vom 04.02.2009, Bl. 67 FG-Akte).
Am 04.10.2004 gaben die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht steuerlich beratenen Eheleute beim Beklagten einen Antrag für Eigenheimzulage ab dem Jahr 2004 ab (Bl. 3 f Eigenheimzulageakte – EA -). In den Zeilen 44 bis 46 des Antrags machten sie keine Angaben zu beruflich genutzten Räumen.
Am 07.10.2005 reichten die Eheleute in ihrer Eigenschaft als Grundstückgemeinschaft (Klägerin) eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 ein. Sie erklärten, sie hätten seit Beginn des Jahres 2005 an die Ehefrau ein Arbeitszimmer vermietet und gem. § 9 UStG zur Umsatzsteuer optiert. Das Arbeitszimmer sei erstmals ab dem 01.01.2005 beruflich genutzt worden. Den Anteil des Arbeitszimmers an der Gesamtfläche des Gebäudes gaben sie mit 10,36 % an. Das Gebäude ordnete die Klägerin vollen Umfangs ihrem Vermietungsunternehmen zu. Die Vorsteuern aus den Rechnungen über Herstellungskosten betrugen nach ihren Angaben 10.135,34 € (Bl. 2 f, 4 Vorhefter/USt-Akte). Eine unentgeltliche Wertabgabe setzte die Klägerin nicht an.
Im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 11.07.2006, Bl. 6 f. Vorhefter USt-Akte) gelangte die Prüferin zur Auffassung, ein Vorsteuerabzug käme nicht in Betracht, da das Arbeitszimmer weniger als 10 % an der Gesamtfläche des Gebäudes ausmache und deshalb die Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG unterschreite (Tz. 14 des Berichts). Dabei ging sie von den gleichen Flächenwerten aus wie die Klägerin, ordnete aber die Fläche der Terrasse gem. § 4 WoFlV anteilig zu und berücksichtigte die Flächen der Flure, die die Klägerin außer Betracht gelassen hatte. Hierdurch sank der prozentuale Anteil der Fläche des Arbeitszimmers an der Gesamtfläche von 11,03 % auf 9,31 % (vgl. Anlage I zu Bericht, Bl. 10 Vorhefter/USt-Akte). Außerdem überprüfte die Prüferin die geltend gemachten Vorsteuern und gelangte zu dem Ergebnis, dass im Falle einer Überschreitung der 10 %-Grenze ein Betrag von 10.120,55 € an Vorsteuern abzugsfähig gewesen wären (vgl. Anlage II zum Bericht, Bl. 12, 13 Vorhefter/USt-Akte). Hierbei stützte sie sich auf die zeitlich geordnete Zusammenstellung der vorgelegten Rechnungen (Bl. 33 – 40 Handakte – HA).
Im Klageverfahren legte die Klägerin auf Aufforderung des Gerichts eine Nutzflächenberechnung nach DIN 277-1 und DIN 277-2 vor (Bl. 79 f FG-Akte). Danach betragen die Nettogrundfläche und Nutzfläche 240,99 qm. Die Nutzfläche gliedert sich in Nebennutzflächen von 41,96 qm und Hauptnutzflächen von 199,03 qm, in denen die Fläche des Arbeitszimmers von 11,03 qm enthalten ist. Die Klägerin gibt die sonstigen Nutzflächen (NF Nr. 7) mit 113,29 qm an. Hierzu zählt sie auch den nicht ausgebauten Dachboden von 48,57 qm.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüfung und erließ am 26.07.2006 einen Umsatzsteuerbescheid für 2004, in dem er keine Vorsteuerabzug zuließ und die Steuer auf 0,00 € festsetzte. Den Einspruch wies er mit Entscheidung vom 24.10.2006 zurück (Bl. 43 USt-Akte).
Hiergegen wendet sich die Klage. Die Klägerin sei als Grundstücksgemeinschaft Unternehmerin, die nach Option zur Umsatzsteuer das Arbeitszimmer an die Ehefrau vermiete, die ihrerseits Unternehmerin sei. Die Klägerin habe das Gebäude in ihrer Umsatzsteuererklärung 2004 vollen Umfangs ihrem Vermietungsunternehmen zugeordnet. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die 10 %-Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht unterschritten worden. Denn solche unselbständigen Gebäudeteile, die sowohl unternehmerischen als auch privaten Zwecken dienten wie die Flure und die Toilette des Erdgeschosses, seien bei Ermittlung des Verhältnissatzes nicht unmittelbar in die Berechnung einzubeziehen, sondern nach dem ohne sie ermittelten Verhältnis aufzuteilen (Heinicke in Schmidt, EStG, 26. Aufl. 2007, § 4 Rn. 196). Demgemäß seien die Flure außer Betracht zu lassen.
Darüber hinaus sei die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht rechtmäßig umgesetzt worden. Zumindest für die Zeit vom 01.07.2004 bis zum 02.12.2004 fehle die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die Anwendung dieser Vorschrift (vgl. OFD Koblenz vom 24.04.2006, DStR 2006, 1197), so dass es bei der allgemeinen Regelung des Art. 17 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a, Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie verbliebe, der eine prozentuale Mindestnutzung wie in § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht kenne.
Für den Fall, dass die Ermittlung der 10 %-Grenze als rechtmäßig erachtet werde, rüge die Klägerin die Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Durchführung des Rechtsbehelfsverfahrens und begehre die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2006. Der Beklagte habe es verabsäumt, der Klägerin eine Abschrift des Prüfungsberichtes vor dessen Auswertung zuzuleiten, obwohl die Klägerin dies beantragt habe. Außerdem sei im Einspruchsverfahren zunächst über den angeblich verspätet eingelegten Einspruch gestritten worden; in der Sache selbst habe die Klägerin keine Gelegenheit erhalten, ihre Rechtsauffassung vorzutragen. Da der Beklagte zudem keine Schlussbesprechung abgehalten habe, sei das rechtliche Gehör bereits aus mehreren Gründen verletzt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 26.07.2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass Vorsteuern in Höhe von 10.634,42 € zum Abzug zugelassen werden,
hilfsweise,
die Einspruchsentscheidung vom 24.10.2006 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass ein Vorsteuerabzug auch deshalb nicht Betracht käme, weil zum Zeitpunkt des Bezugs der Eingangsleistungen noch keine erkennbare Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmensvermögen der Klägerin vorgenommen worden sei. Die Klägerin habe erstmals in der Umsatzsteuererklärung 2004 am 07.10.2005 die Zuordnungsentscheidung dem Beklagten gegenüber bekannt gegeben. Die Eheleute hätten aber in dem Antrag auf Eigenheimzulage vom 04.10.2004 keine Angaben zu einer unternehmerischen Nutzung gemacht, obwohl in dem Vordruck danach gefragt werde. Es fehlten mithin objektive Anhaltspunkte, die auf eine bereits zum Leistungsbezugszeitpunkt bestehende Absicht schließen ließen, mit den Investitionsausgaben unternehmerisch tätig zu werden und damit Ausgangsumsätze auszuführen, die den Vorsteuerabzug zuließen.
Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs greife im Streitfall nicht durch. Gem. § 126 Abs. 1 Nr. 3 iVm. Abs. 2 AO könne die erforderliche Anhörung der Klägerin noch im finanzgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Außerdem habe der Beklagte den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die beabsichtigten materiell-rechtlichen Änderungen seien dem Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren mitgeteilt worden. Er selbst habe in seinem Schreiben vom 31.08.2006 mitgeteilt (Bl. 32 USt-Akte), dass die Rechtswidrigkeit des streitigen Bescheides bekannt sei, dies keiner weiteren Erläuterung bedürfe und er deshalb um eine klagefähige Einspruchsentscheidung bitte. Nunmehr die Verletzung rechtlichen Gehörs wegen möglicher Verfahrensverstöße zu rügen, verstoße angesichts dieses Verhaltens gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Zur Ergänzung wird auf die mit Blattziffern bezeichneten Schriftstücke und Unterlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I.
Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer folgende Vorsteuerbeträge abziehen: Die in Rechnungen iSd. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt als nicht für sein Unternehmen ausgeführt die Lieferung eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt.
1.
Nach dieser Vorschrift sind nur Unternehmer berechtigt, aus bezogenen Leistungen Vorsteuern abzuziehen. Dem Leistungsempfänger steht bereits zum Leistungsbezug das Recht auf Vorsteuerabzug zu, wenn er die ernsthafte und objektiv belegte Absicht hat, die bezogenen Leistung für entgeltliche Umsatztätigkeiten zu verwenden (vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710 mwN. zur Rspr.).
Im Streitfall haben die Eheleute als Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB) bereits seit Erwerb des Grundstücks und in der anschließenden Bauphase die Absicht gehabt, einen Teil des Gebäudes als Arbeitszimmer an die Ehefrau zu vermieten, die ihrerseits als freiberufliche Architekten steuerpflichtige Umsätze mit diesem Investitionsgut verwirklichen wollte. Dies folgt aus dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin und aus der Tatsache, dass entsprechend dem behaupteten Verwendungszweck auch tatsächlich aufgrund Mietvertrages ab dem 01.01.2005 an die Ehefrau vermietet worden ist. Wenn die Behauptung, von Anfang an unternehmerisch tätig werden zu wollen, auch tatsächlich durch das spätere Handeln verwirklicht wird, ist dies als gewichtiges Indiz für die Unternehmereigenschaft der nicht rechtsfähigen Personengemeinschaft zu werten (ebenso für die behauptete Verwendungsabsicht: BFH-Urteil vom 26.01.2006 V R 74/03, BFH/NV 2006, 1164).
Nach den Feststellungen der Prüferin lauteten die Baurechnungen auf den Namen der Eheleute. Da der „Name” der Bruchteilsgemeinschaft nur die Namen der Eheleute sein können, sind die Leistungen der Bauunternehmer an die Gemeinschaft in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin erfolgt. Der Vorsteuerabzug beruht auf ordnungsgemäßen Rechnungen iSd. § 14 UStG.
Im Streitfall betrafen die Vorsteuern Aufwendungen, die aus der umfassenden Renovierung des erworbenen Gebäudes herrührten. Die Aufwendungen stellen nach den Angaben der Klägerin und auch nach den Feststellungen der Prüferin Herstellungsaufwand dar; das Gebäude ist durch die umfassenden Maßnahmen in einen anderen, auf die Belange der Eheleute zugeschnittenen Zustand versetzt und über den ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert worden (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2005 V R 46/02, BFH/NV 2005, 842). Eine Unterscheidung in Erhaltungsaufwendungen einerseits und Herstellungskosten bzw. anschaffungsnaher Aufwand andererseits mit der Folge einer unterschiedlichen Zuordnung der Eingangsleistungen war somit nicht vorzunehmen.
2.
Die Klägerin hat das Gebäude vollen Umfangs ihrem Unternehmen zugeordnet, als sie in der Umsatzsteuererklärung vom 07.10.2005 für das Streitjahr 2004 die Vorsteuern geltend gemacht hat. Hierzu ist der Unternehmer berechtigt, der ein Wirtschaftsgut ganz, teilweise oder gar nicht seinem Unternehmensvermögen zuordnen kann (EuGH-Urteil vom 04.10.1995 C-291/92, BStBl. II 1996, 392). Ausreichend für den Nachweis der Zuordnungsentscheidung ist hierbei die rechtzeitige Geltendmachung im Rahmen der Jahressteuererklärung; die Angabe der Vorsteuerbeträge in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen im Sinne einer rechtzeitigen Bekanntgabe der Zuordnung ist nur dann zwingend, wenn der Steuerpflichtige bereits aus einer weiteren unternehmerischen Tätigkeit hierzu verpflichtet gewesen wäre (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.08.2008, 6 K 2333/06, EFG 2008, 1921). Dies ist aber nicht der Fall, so dass die Zuordnungsentscheidung in der Jahreserklärung rechtzeitig bekannt gegeben worden ist (ebenso Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 Buchst. b UStR). Aus der Tatsache, dass die Eheleute in dem Antrag auf Eigenheimzulage keine Angaben zur beruflichen Nutzung gemacht haben, ist nach Auffassung des Senats kein gegenteiliger Schluss zu ziehen. Denn zum einen waren die Eheleute zu dem damaligen Zeitpunkt nicht steuerlich beraten und konnten deshalb nicht ermessen, welche rechtlichen Auswirkungen eine Aussage bei der Eigenheimzulage bei der Umsatzsteuer haben könnte. Zum anderen sollte nach der Vorstellung der Eheleute das Arbeitszimmer erst ab dem 01.01.2005 vermietet werden. Für diesem Fall und eingedenk der Tatsache, dass die Ehefrau im Dezember ihr zweites Kind zur Welt brachte, ist die unterlassene Angabe zur beruflichen Nutzung nicht als entscheidendes Indiz zu werten, das gegen eine von Anfang an beabsichtigte Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmensvermögen spräche. Dass die Klägerin das Arbeitszimmer erst zum 01.01.2005 an die Gemeinschafterin vermietete, spricht ebenfalls nicht gegen die bereits bei Leistungsbezug vorliegende Zuordnung, da es nicht auf die tatsächliche Ausführung, sondern auf die ernsthaft beabsichtigte Ausführung der Umsätze bei Bezug der Eingangsleistungen ankommt.
3.
Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert der Vorsteuerabzug nicht – jedenfalls nicht vollen Umfangs – an der 10 %-Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG. Zwar ist die 10 %-Grenze unterschritten worden; jedoch ist die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht für den gesamten Zeitraum des Streitjahres anwendbar.
a)
Die Lieferungen für das Grundstück betreffen einen Gegenstand, nämlich das Arbeitszimmer, das die Klägerin zu weniger als 10 % für ihr Vermietungsunternehmen genutzt hat, § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG. Die Ermittlung der 10 %-Grenze folgt den Grundsätzen, die bei der Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG zu beachten sind.
(1)
Gem. § 15 Abs. 4 UStG ist bei nur teilweiser Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmensvermögen eine Aufteilung der abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Vorsteuerbeträge danach vorzunehmen wie sie jeweils den Ausgangsumsätzen wirtschaftlich zuzurechnen sind. Die nicht abziehbaren Teilbeträge kann der Unternehmer im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Ein solcher sachgerechter Aufteilungsmaßstab kann der Flächenschlüssel sein (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.2004 V R 16/03, BStBl. II 2005, 503 unter II.3 der Gründe). An den einmal gewählten Aufteilungsmaßstab ist der Steuerpflichtige gebunden, wenn er in der Umsatzsteuererklärung eine entsprechende Wahl getroffen hat (BFH-Urteil vom 02.03.2006 V R 49/05, BStBl. II 2006, 729). Wenn der Nutzungsanteil der Lieferung von Gegenständen (für das Arbeitszimmer, das der Unternehmer für sein Unternehmen nutzt) nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ermittelt werden soll, sind die in § 15 Abs. 4 UStG dargestellten Grundsätzen entsprechend anwendbar, soweit eine „wirtschaftliche” Zurechnung des Arbeitszimmers und der sonstigen Räumen zum Unternehmensvermögen erfolgen muss. Denn § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG bewirkt einen Ausschluss des Vorsteuerabzugs für Eingangsumsätze, die die steuerpflichtige Vermietung des Arbeitszimmers betreffen, da er bei Unterschreiten der 10 %-Grenze die Zuordnung des Investitionsguts zum Unternehmen und damit das Entgelt hierfür kraft Gesetzes untersagt. Dies entspricht sinngemäß auch der Regelung in § 15 Abs. 4 Sätze 1und 2 UStG.
Danach gilt für den Streitfall: Die Klägerin hat den Anteil des Arbeitszimmers an der Gesamtfläche des Gebäudes nach Flächen berechnet und hierdurch einen vom Grundsatz her sachgerechten Aufteilungsmaßstab gewählt. Allerdings hält der Senat die Berechnung der Flächen und des Verhältnissatzes für unzutreffend. Die Klägerin hat die Fläche der Terrasse bei der Ermittlung der Gesamtfläche außer Betracht gelassen und die Flure von der Gesamtfläche abgezogen (vgl. Darstellung in Prüfungsbericht vom 11.07.2006, Bl. 68, 71 HA). Aus der Ermittlung der Flächen durch die Klägerin ergibt sich, dass diese in Anlehnung an die Berechnungsart nach Maßgabe der Wohnflächenverordnung (WoFlV, vom 25.11.2003, BGBl. I 2346) erfolgte, da lediglich Wohnräume im Erd- und Dachgeschoß berücksichtigt wurden, nicht aber die nicht zur Wohnfläche gehörenden Grundflächen der Zubehörräume iSd. § 2 Abs. 3 WoFlV. Der Verhältnissatz kann aber nicht nach Maßgabe der WoFlV berechnet werden, da diese Berechnungsmethode lediglich Wohnflächen im Auge hat, aber nach der Rechtsprechung die „prozentuale” Aufteilung der Verwendung des gesamten Gebäudes (einschließlich der Grundflächen der Zubehörräume) zu steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen maßgebend ist (ebenso Forgach in Reiß/Kraeusel/Langer – RKL - UStG, § 15 Rn 427; vgl. auch BFH-Urteil vom 28.09.2006 V R 43/03, BStBl. II 2007, 417 unter II.2.b) aa) der Gründe mwN). Deshalb ist bei Gebäuden in der Regel die Vorsteuer nach dem Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen (BFH-Urteil vom 12.03.1992 V R 70/87, BStBl. II 1992, 755), sofern der Flächenschlüssel als Aufteilungsmaßstab gewählt worden ist.
Nach der Nutzflächenberechnung der Klägerin beträgt die Netto-Grundfläche (= Nutzfläche) 240,99 qm. Der Anteil der Hauptnutzfläche (HNF 3.1.1) von 199,03 qm beläuft sich auf 82,59 %, der Anteil der Nebennutzfläche (NNF 3.1.2) von 41,96 qm auf 17,41 %. Die Fläche des Arbeitszimmers von 11,03 qm macht 5,54 % der Hauptnutzfläche aus und liegt somit unter der 10 %-Grenze. Selbst wenn – der Klägerin folgend - die Nebennutzflächen anteilig mit dem Prozentsatz von 5,54 % als zum Arbeitszimmer gehörig berücksichtigt würden (41,96 qm x 5,54 % = 2,33 qm), wäre die Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht überschritten, weil dann die erhöhte qm-Zahl ins Verhältnis zur Gesamtnutzfläche von 240,94 qm gesetzt werden müsste (13,36 qm : 240,99 qm = 3,26 %).
Die Beteiligten haben sich allerdings in tatsächlicher Hinsicht in der mündlichen Verhandlung auf einen Anteil des Arbeitszimmers von 9 % an der Gesamtnutzfläche geeinigt. Damit haben sie mit Blick auf die Tatsache, dass eine „wirtschaftliche’” Zurechnung zu erfolgen hat (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG), auch die „Wertigkeit” der einzelnen Räume sowie die anteilige Nutzung der Verkehrsflächen berücksichtigt (vgl. Abschn. 208 Abs. 2 Satz 12 f UStR 2008). Der Senat hat die übereinstimmende Schätzung seinem Urteil zugrunde gelegt.
(2)
Obwohl der maßgebende Prozentsatz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG unterschritten ist, kann die Klägerin gleichwohl einen Teil der Vorsteuerbeträge geltend machen. Nach überwiegender Auffassung der Literatur (vgl. Forgach in RKL, UStG, § 15 Rn. 364.6) und der Verwaltungsauffassung (vgl. Vfg. OFD Koblenz (vom 24.04.2004 S-7300 A - St 44 5, DStR 2006, 1197) ist mangels gemeinschaftsrechtlicher Ermächtigungsgrundlage für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 02.12.2004 § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht anwendbar, so dass eine unmittelbare Berufung auf Art. 17 der 6. EG-Richtlinie möglich ist, der eine solche Einschränkung nicht vorsieht. Hieraus folgt, dass Vorsteuern abzugsfähig sind, soweit sie auf diesen Zeitabschnitt entfallen. Grundsätzlich entsteht der Anspruch auf Vorsteuer mit Ausführung der sonstigen Leistung oder der Lieferung des Gegenstandes Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Allerdings ist die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzugs an den Besitz der Rechnung geknüpft (vgl. EuGH-Urteil vom 29.04.2006, C-152/02 - Terra Baubedarf, UR 2004, 323; BFH-Urteil vom 01.07.2004 V R 33/01, BStBl. 2004, 861). Hieraus folgt nach Auffassung des Senats, dass für die Frage, welche Leistungen dem „abzugsunschädlichen” Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 02.12.2004 zuzuordnen sind, nicht auf den Lieferzeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem die Klägerin die entsprechende Rechnung in den Händen gehalten hat. Dabei stellt der Senat aus Vereinfachungsgesichtspunkten auf das Rechnungsdatum ab, da die Rechnung in der Regel kurz nach Erstellung an den Empfänger gelangt ist.
b)
Hiernach sind Vorsteuern von 908,42 € aus Rechnungen von Lieferungen bzw. Werklieferungen in Höhe von brutto 6.586,41 € nicht dem Zeitraum vom 01.07.2004 bis 02.12.2004 zuzuordnen. Bei der Ermittlung hat der Senat die (von der Prüferin korrigierte) Rechnungsaufstellung der Klägerin zugrunde gelegt, die auch Gegenstand der Umsatzsteuer-Sonderprüfung gewesen war. Danach bleiben die Rechnungen der Firmen Po & M vom 06.12.2004 sowie von verschiedenen Baumärkten G und H sowie der Firma M unberücksichtigt. Von einer Aufteilung der Vorsteuern in Höhe von 249,54 €, die aus laufenden Kosten wie Gas, Wasser Strom herrühren, sieht der Senat mit Blick auf die geringen Beträge ab. Die Kürzung der Vorsteuerbeträge von 513,87 €, die aus Rechnungen über den Erwerb der Anbauküche und Waschmaschine herrühren, ist zutreffend erfolgt und in der Aufstellung der Prüferin bereits mindernd abgezogen worden. Die vorsteuerbelasteten Ausgaben aus Notar- und Maklerrechnungen, deren Rechnungsdatum in der Aufstellung nicht mitgeteilt ist und die nach dem Geschehensablauf vermutlich vor dem 01.07.2004 in Rechnung gestellt worden sind, sind abzugsfähig, da sie als sonstige Leistungen nicht unter die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG fallen. Somit ist die lt. Prüfung in 2004 entstandene Vorsteuer über 10.120,55 € um 908,42 € (Vorsteuer aus Rechnungen für Lieferungen) zu kürzen, so dass die abzugsfähigen Vorsteuern sich auf 9.212,13 € belaufen.
II.
Allerdings hat die Klägerin eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG zu versteuern. Nach den Angaben des Bevollmächtigten sind die Eheleute im Anschluss an die Fertigstellung der Renovierungsarbeiten im November 2004 in das Haus eingezogen. Seither nutzen sie es auch zu eigenen Wohnzwecken. Gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen.
Die Bemessungsgrundlage für die anzusetzende Wertabgabe folgt aus § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG, wobei die Neufassung durch das EURLUmsG (vom 09.12.2004, BGBl. I 2004,3310) maßgebend ist, in der der Gesetzgeber eine Rückwirkung des Gesetzes auf den 01.07.2004 anordnete. Diese gesetzliche Rückwirkung hat der BFH nicht beanstandet, sondern sich lediglich gegen die „rückwirkende Interpretation” auf Zeiträume vor dem 01.07.2004 durch Verwaltungsregelung gewandt (BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04, BStBl. II 2007, 676; BMF-Schreiben vom 10.08.2007, IV A 5 - S-7206 / 07 / 0003, BStBl. I 2007, 690). Soweit – wie im Streitfall - die Herstellung eines Gebäudes nach dem 01.07.2004 erfolgte, ist § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG in der Fassung des EURUmsG anzuwenden. Dabei trifft der Senat keine Unterscheidung zwischen Herstellungskosten, die vor und nach dem 01.07.2004 entstanden sind, da es entscheidend auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für die unentgeltliche Wertabgabe in den Monaten November und Dezember 2004 ankommt. Für diese Zeiträume war die Vorschrift des § 10 Abs. 4 UStG in der Fassung des EURUmsG maßgebend.
Dies bedeutet, dass die Klägerin die unentgeltliche Wertabgabe nach den bei der Ausführung der Umsätze entstandenen Ausgaben zu bemessen hat, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Hierzu zählen auch die Herstellungskosten des dem Unternehmensvermögen zugeordneten und zur Wertabgabe verwendeten Wirtschaftsguts, hier; des Gebäudes. Die Herstellungskosten eines Gebäudes sind gleichmäßig auf den zehnjährigen Berichtigungszeitraum des § 15a UStG zu verteilen. Als Bemessungsgrundlage gelten die Herstellungskosten für das Gebäude ohne Umsatzsteuer, § 10 Abs. 4 Satz 2 UStG. Auszuscheiden sind die Herstellungskosten (und weitere Ausgaben), die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben (vgl. Abschn. 155 Abs. 3 UStR 2008), also auch solche, die gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG als nicht für das Unternehmen ausgeführt gelten und deshalb nicht abzugsfähig sind.
Die Herstellungskosten betrugen lt. Aufstellung der Klägerin in € (Bl. 33 f. HA) | 76.377,59 |
Davon sind abzuziehen (vgl. Korrekturen der Prüferin, Bl. 33 f. HA):
Nicht vorsteuerbelastete Ausgaben (Gebühren usw.): | -1.087,17 |
Nicht abzugsfähige Ausgaben (Einbauküche, Waschmaschine) | -6.935,98 |
Minderung Bemessungsgrundlage wegen Retouren | - 407,66 |
Herstellungskosten brutto | 67.946,74 |
nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht abzugsfähige Herstellungskosten (s.o.) | -6.586,41 |
Herstellungskosten brutto | 61.360,33 |
Herstellungskosten netto | 52.896,54 |
Die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG iVm. § 10 Abs. 4 Nr. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ermittelt sich wie folgt: (10 % von 52.896,54 =) 5.290,00 €. Die Umsatzsteuer beträgt 16 % von 5.290,00 € = 846,40 €, hiervon 2/12 = 141,06 €. Der zu Wohnzwecken genutzte Anteil macht 91 % an der Gesamtfläche aus, so dass die Umsatzsteuer gem. § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG für das Streitjahr 128,37 € beträgt. Der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch beträgt somit (128,37 € - 9.212,13 € =) 9.083,76 €.
III.
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin, die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben, bedurfte es nicht mehr, da auch der Senat die 10 %-Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nur zu einem Teil angewendet hat. Im Übrigen ist der Einwand, es sei nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden, unzutreffend. Denn die steuerlich beratene Klägerin hatte im Schreiben vom 31.08.2006 selbst mitgeteilt, dass die Rechtswidrigkeit des streitigen Bescheides bekannt sei, dies keiner weiteren Erläuterung bedürfe und sie deshalb um eine klagefähige Einspruchsentscheidung bitte. Angesichts dieses Sachverhaltes war der Beklagte nicht mehr zu weiteren Erläuterungsmaßnahmen verpflichtet. IV. Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO teilweise erfolgreich. Bei der Quotelung der Kosten hat der Senat das überwiegende Obsiegen der Klägerin berücksichtigt. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO iVm. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Schutzmaßnahmen gem. § 711 ZPO konnten nach § 713 ZPO unterbleiben. Der Senat sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO nicht vorliegen. Die Abweichung des Betrages im Tenor (von 128,37 €) vom verkündeten Betrag in Höhe von 126,95 € beruht auf der Berichtigung eines Rechenfehlers, § 107 Abs. 1 FGO.
Anmerkung
Revision eingelegt (BFH V R 48/10)