20.01.2011
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 27.05.2010 – 6 K 2712/07
Wird ein Zuschuss zum behindertengerechten Umbau eines Fahrzeugs gewährt, so ist für die Berechnung der tatsächlichen Fahrzeugkosten als Werbungskosten für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte die AfA in der Weise zu ermitteln, dass der Zuschuss von der Summe aus den Anschaffungskosten des Fahrzeugs und den Umbaukosten abzuziehen ist.
Wenn der Steuerpflichtige eine vom Finanzamt für erforderlich erachtete Auskunft nicht erteilt, weil er eine abweichende Rechtsauffassung vertritt, nach der diese Auskunft nicht erforderlich wäre, ist das Finanzamt berechtigt, die Auskunft von Dritten einzuholen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung von Fahrtkosten wegen Behinderung.
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger ist Funkelektroniker und hatte im Streitjahr 2004 Einkünfte aus zwei Gewerbebetrieben in Karlsruhe, sowie aus einer Beteiligung; sämtliche Einkünfte werden gesondert festgestellt. Die Klägerin war als Bilanzbuchhalterin nicht selbstständig tätig und bezog dem Progressionsvorbehalt unterliegende Lohnersatzleistungen. Beide Eheleute hatten zusammen negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt in M, S-Straße. Beide Kläger haben einen Grad der Behinderung von 100 % mit den Merkzeichen G, aG, H und RF.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2004 machten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 13.514 € geltend, darin enthalten Fahrzeugkosten von je 15.000 km pro Person. Bei den Fahrten der Klägerin zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war das Feld „Behinderungsgrad mind. 70 % ...” angekreuzt.
Der Beklagte erkannte im Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 26.05.2006 neben den Behinderten-Pauschbeträgen gemäß § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG und Aufwendungen für eine Haushaltshilfe außergewöhnliche Belastungen nur in Höhe von 6.314 € an. Dabei berücksichtigte er Fahrtkosten in Höhe von je 3.000 €, da es am Nachweis höherer Fahrtkosten fehle. Die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte der Klägerin wurden wie erklärt angesetzt, was zu einer Berücksichtigung der tatsächlich gefahrenen km in Höhe der Pauschale von 0,30 €/km führte.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 19.06.2006 Einspruch ein mit folgenden Begründungen:
Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung unter Bezugnahme auf das Verfahren beim BFH Az. X R 11/05; Einverständnis mit dem Ruhen des Einspruchsverfahrens
Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlages unter Bezugnahme auf das Verfahren beim BFH Az. VII B 324/05; Einverständnis mit dem Ruhen des Einspruchsverfahrens
Kürzung des Vorwegabzugs unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 22.02.2005 - 1 K 396/02 und das beim BFH anhängige Verfahren Az. X R 9/05; Einverständnis mit dem Ruhen des Einspruchsverfahrens
Einspruch gegen den Feststellungsbescheid betreffend die Firma X
Die Kürzung des Vorwegabzugs aus den Einkünften der Ehefrau dürfe max. i. H. des der Ehefrau zustehenden Vorwegabzuges von 3.068 € erfolgen, unter Bezugnahme auf ein angeblich beim BFH unter dem Az. XI R 58/03 anhängiges Verfahren
Anerkennung von jeweils 15.000 km Fahrtkosten für den Kläger und die Klägerin als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG
Am 24.07.2006 erfolgte eine Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, die zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führte.
Im Einspruchsverfahren teilten die Kläger mit, dass im Streitjahr mit den Fahrzeugen des Klägers insgesamt 18.771 km zurückgelegt wurden (darin enthalten 8.382 km für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte) und mit dem Fahrzeug der Klägerin insgesamt 13.899 km.
Im Einspruchsverfahren fand eine Erörterung statt, bei der Einigung in folgenden Punkten erzielt wurde:
die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte der Klägerin werden an Stelle der bisher angesetzten 0,30 €/km mit 1,59 €/km anerkannt, sofern die Anschaffungskosten des Fahrzeugs nachgewiesen werden
als außergewöhnliche Belastungen werden für den Kläger Fahrten in Höhe von 3.116,70 € und für die Klägerin in Höhe von 1.474,50 € anerkannt
die Kosten für Begleitpersonen für Konzerte werden ausnahmsweise anerkannt; künftig erfolgt eine Anerkennung jedoch nur noch für maximal sechs Konzerte im Jahr
die in der Gewinnfeststellung nicht geltend gemachten Fahrten des Klägers zur Betriebsstätte werden aus Billigkeitsgründen in Höhe von 1.474 € berücksichtigt
Im Anschluss an die Besprechung reichten die Kläger die Rechnung für den Umbau des Fahrzeugs ein (Bl. 52 - 56 Rb-Akte, Gesamtbetrag der Kosten für den behindertengerechten Umbau 109.757,07 €). Der Bearbeiter des Einspruchs fragte daraufhin bei den Klägern an, ob der Umbau bezuschusst worden sei. Der Bevollmächtigte der Kläger teilte daraufhin lediglich mit, dass der Umbau bezuschusst worden sei, nicht jedoch die Höhe des Zuschusses und bat um Mitteilung der Rechtsgrundlage für die Anrechnung des Zuschusses. Anschließend richtete der Beklagte an die BfA eine Anfrage nach der Höhe des Zuschusses, die diese mit 107.140,00 € mitteilte.
Am 16.07.2007 erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er Fahrtkosten der Klägerin in Höhe von 1.384,50 € und des Klägers in Höhe von 3.116,70 €, sowie Aufwendungen für Begleitpersonen bei Konzertbesuchen in Höhe von 3.818 € als außergewöhnliche Belastung und betriebliche Fahrten des Klägers in Höhe von 1.474 € anerkannte und den Bescheid hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen und der Nichtberücksichtigung von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweg genommene Werbungskosten gemäß § 165 AO für vorläufig erklärte. Er erklärte den Einspruch damit für erledigt.
Dabei wurden auch für das Fahrzeug der Klägerin nur 0,30 €/km an Stelle des beantragten Betrages von 1,59 €/km angesetzt, da von den Anschaffungskosten incl. behindertengerechten Umbaus von 109.757,07 € der von der BfA gewährte Zuschuss in Höhe von 107.140,00 € abzuziehen sei.
Am 20.07.2007 stellten die Kläger einen Antrag auf Änderung des Bescheides vom 16.07.2007. Sie beantragten, den Kilometersatz für die Fahrten der Klägerin mit 1,59 €/km anzusetzen und den Vorwegabzug für den Kläger in Höhe von 3.068 € zu gewähren.
Am 27.07.2007 legten die Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 16.07.2007 mit identischer Begründung ein.
Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 30.07.2007 ab.
Am 01.08.2007 legten die Kläger Einspruch ein gegen die Ablehnung ihres Antrags auf schlichte Änderung.
Der Beklagte entschied mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.11.2007 über den Einspruch vom 19.06.2006 gegen den Einkommensteuerbescheid vom 26.05.2006 und wies diesen bezüglich der als Werbungskosten bei der Klägerin, bzw. außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Fahrtkosten als unbegründet zurück. Nicht entschieden wurde über den Einspruch bezüglich der Streitpunkte
Kürzung des Vorwegabzugs bei Zusammenveranlagung getrennt für jeden Ehegatten im Hinblick auf das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 587/01
beschränkter Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Hinblick auf das Verfahren beim BVerfG 2 BvR 325/07
Mit ihrer Klage wenden die Kläger sich gegen die Kürzung der Anschaffungskosten für das Fahrzeug der Klägerin um den Zuschuss.
Zur Begründung tragen die Kläger vor, der Zuschuss zu den Anschaffungskosten sei nicht in Abzug zu bringen. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.08.1999 Az. GrS 2/97. Es handele sich bei dem Zuschuss nicht um Drittaufwand, sondern um bei der Klägerin zu berücksichtigende Anschaffungskosten, da die Zahlung durch die BfA direkt an die Autowerkstatt im Wege des abgekürzten Zahlungs-, bzw. Vertragswegs erfolgt sei. Nach den Urteilen des BFH vom 15.11.2005 - IX R 25/03 und vom 15.01.2008 - IX R 45/07 hindere dies nicht den Werbungskostenabzug.
Gleiches gelte auch für die Berechnung der außergewöhnlichen Belastungen, wie sich aus dem Urteil des BFH vom 22.10.2009 - VI R 7/09 ergebe.
Zudem habe der Beklagte rechtswidrig die Informationen über den Zuschuss erlangt, weil er unter Verletzung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO bei der BfA angefragt habe. Diese Anfrage habe er bereits deshalb nicht durchführen dürfen, weil die Angaben für die Bearbeitung des Steuerfalles irrelevant gewesen seien und die Kläger deshalb nicht von sich aus zur Auskunft verpflichtet gewesen seien.
Für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte seien bei der Klägerin 9.284 tatsächlich gefahrene km anzusetzen. Die Kosten je km seien unter Ansatz der Anschaffungskosten einschließlich des behindertengerechten Umbaus mit 1,59 € zu berücksichtigen.
Dies ergebe sich auch aus einer Broschüre des Finanzministeriums Thüringen, die die gesetzlichen Grundlagen zutreffend wiedergebe und für den Beklagten deshalb verbindlich sei.
Die vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung zur Stützung seiner Rechtsauffassung angeführten Urteile beträfen andere Sachverhalte und seien nicht geeignet, seine Rechtsauffassung zu stützen. Für Werbungskosten gälten andere Grundsätze als für Gewinneinkünfte.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 26. Mai 2006 in der Fassung der Teil-Einspruchsentscheidung vom 13. November 2007 dahin zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 14.752,76 € anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
1.
Der Beklagte hat zu Recht über den ursprünglichen Einspruch gegen den erstmaligen Einkommensteuerbescheid 2004 vom 26.05.2006 entschieden.
Es liegt kein Einspruch gegen einen Vollabhilfe-Bescheid vor. Denn der Beklagte hatte fälschlich angenommen, dass bei der Erörterung eine Einigung erzielt worden sei und der Einspruch mit dem Änderungsbescheid vom 16.07.2007 deshalb erledigt sei. Tatsächlich bestand nämlich weiterhin ein Dissens über den Ansatz der Kosten je km. Damit war - anders als in dem vom BFH mit Urteil vom 18.04.2007 - XI R 47/05 entschiedenen Fall - nicht über den Einspruch vom 27.07.2007 zu entscheiden, sondern das ursprüngliche Einspruchsverfahren fortzusetzen.
2.
Hinsichtlich der Höhe des Ansatzes der Fahrzeugkosten je km nimmt das Gericht Bezug auf die Begründung der Einspruchsentscheidung, die es für zutreffend erachtet (§ 105 Abs. 5 FGO).
Ergänzend wird dazu ausgeführt:
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Vorschrift enthält keine Definition des Begriffs der Anschaffungskosten, so dass § 255 Abs. 1 HGB gilt.
Der Senat schließt sich insoweit den nachfolgenden Ausführungen des FG Hamburg mit Urteil vom 20.08.2007 - 7 K 99/04 (EFG 2008, 107) an:
„Obwohl in § 255 Abs. 1 Satz 3 das Gesetz in dem Begriff „Anschaffungspreisminderungen” den Wortteil „Preis” statt „Kosten” verwendet, gilt die Vorschrift nicht nur für Kaufpreisnachlässe, sondern nach dem Zweck der Aktivierungsnorm ganz allgemein für Ermäßigungen der Anschaffungskosten und damit für Rückflüsse von im Zusammenhang mit dem Erwerb geleisteten Aufwendungen, die nicht sofort abziehbar, sondern auf die Zeit der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zu verteilen gewesen wären, wie es sich z.B. verhält, wenn Anschaffungsnebenkosten zurückgezahlt oder Anschaffungsausgaben von Dritten erstattet oder vergütet werden, sofern hierin nicht ein Entgelt für eine Leistung des Empfängers liegt (BFH vom 14.7.1988 IV R 78/85, BStBl. II. 1989, 189, 191). Der Minderungsvorgang muss mit dem Anschaffungsgeschäft so verbunden sein, dass der Zufluss von Gütern in Geld oder Geldeswert als Ermäßigung (Rückführung) von Anschaffungskosten bewertet werden kann. Nicht notwendig ist dabei eine rechtliche oder gar synallagmatische Verknüpfung. Ausreichend ist vielmehr ein wirtschaftlicher Zusammenhang, der gegeben ist, wenn der maßgebende Anlass für den Minderungsvorgang in der Anschaffung liegt (BFH vom 26.2.2002 IX R 20/98, BStBl. II 2002, 796(797) mit weiteren Nachweisen aus Rspr. und Lit.).”
Im Rahmen des § 6 EStG sind dabei Zuschüsse - soweit sie nicht ausschließlich privat veranlasst sind - mit den Anschaffungskosten zu verrechnen, bzw. direkt als Einnahme auszuweisen (Korn/Strahl in Korn/Carlé/Stahl/Strahl § 6 EStG, Rz. 187 m.w.N.).
§ 6 EStG gilt für die Gewinneinkünfte. Soweit die Systemunterschiede nicht eine abweichende Beurteilung gebieten, sind die zu den Gewinneinkünften geltenden Grundsätze jedoch auf die Überschusseinkünfte übertragbar.
Dass der Anschaffungskostenbegriff für den Werbungskostenabzug identisch ist, folgt aus der Verweisung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG auf § 6 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 EStG.
Im Streitfall geht es nicht um die direkte Abschreibung eines beruflich genutzten Gegenstandes. Die AfA wirkt sich allerdings insoweit aus, als aufgrund der Behinderung der Klägerin gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte nicht nur die Entfernungspauschale abzugsfähig ist, sondern darüber hinaus die tatsächlichen Kosten je km.
Die Behinderung der Klägerin ist also ursächlich für die Möglichkeit des Ansatzes der tatsächlichen Kosten und damit für das Einfließen der AfA für das Fahrzeug in die Berechnung dieser Kosten. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Zuschuss zu den Umrüstungskosten nicht außer Betracht bleiben bei dieser Berechnung, denn die Klägerin war letztlich nur mit den um den Zuschuss verminderten Kosten belastet. Da der Zuschuss aufgrund der Behinderung gezahlt wurde und bezwecken sollte, die Klägerin von behinderungsbedingten Kosten zu entlasten, kann er nicht einer privaten Schenkung, die sich auf die Höhe der Anschaffungskosten nicht auswirkt, gleich gestellt werden.
Aus den Beschlüssen des Großen Senats des BFH vom 23.08.1999 - GrS 1/97, BStBl II 1999, 778 und GrS 2/97, BStBl II 1999, 782 ergibt sich nichts anderes. Vielmehr ergibt sich aus dem Grundsatz der persönlichen Leistungsfähigkeit, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen, deren Berücksichtigung er begehrt, auch getragen haben muss.
Das Gericht ist an Verwaltungsanweisungen nicht gebunden. Im Übrigen lässt sich auch aus der der Klagebegründung beigefügten Broschüre nicht entnehmen, dass bei der Gewährung von Zuschüssen gleichwohl die ungekürzten Anschaffungskosten anzusetzen seien.
Die aus der Auskunft durch die BfA gewonnene Information über die Höhe des Zuschusses unterliegt nicht einem Verwertungsverbot. Es kann dahin stehen, ob ein solches überhaupt in Betracht kommen kann, denn der Beklagte war gemäß § 93 Abs. 1 AO zur Einholung der Auskunft berechtigt, nachdem trotz mehrmaliger Korrespondenz von den Klägern hierüber nur unzureichende Auskünfte erteilt worden waren. Das Vertreten einer anderen Rechtsansicht berechtigt nicht zur Verweigerung von Auskünften.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere liegt eine Abweichung von den von der Klägerin zur Stützung ihrer Rechtsauffassung angeführten BFH-Urteilen nicht vor, da diesen Urteilen andere Sachverhalte zugrunde lagen.
Anmerkung
Revision eingelegt (BFH VI R 89/10)