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  • 20.01.2011

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 16.11.2010 – 6 K 290/09

    Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nach § 38 Abs. 5 KStG errechnet sich (nur) aus dem ausschüttbaren Gewinn (Eigenkapital abzüglich Nennkapital, vgl. § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG).


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Höhe des anzusetzenden Eigenkapitals bei der Berechnung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG.

    Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

    Mit Schreiben vom 30.07.2008 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie den Körperschaftserhöhungsbetrag, der sich nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG ergebe, zum 30.09.2008 gemäß § 38 Abs. 7 KStG in einer Summe entrichten wolle. Am 23.09.2008 überwies sie den von ihr ermittelten Betrag in Höhe von 84.162 € an den Beklagten.

    Mit Bescheid vom 13.08.2009 setzte der Beklagte den Körperschaftsteuererhöhungsbetrags nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG auf 83.052 € fest. Dabei ging er von einem Eigenkapital laut Steuerbilanz in Höhe von 193.788 € aus. In diesem Betrag enthalten war auch das Nennkapital der Klägerin in Höhe von 103.000 €. Ebenfalls mit Bescheid vom 13.08.2009 ermittelte der Beklagte auf der Grundlage des festgesetzten Erhöhungsbetrags von 83.052 € und unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung von 84.162 € einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.110 € sowie einen abgezinsten Zahlungsbetrag in Höhe von 0 €.

    Die Klägerin legte gegen diese Bescheide am 15.09.2009 Einspruch ein. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, dass das Nennkapital nicht im Sinne von § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG für eine Ausschüttung verwendet werden könne; die Rückzahlung von Nennkapital sei keine Ausschüttung. Für die Berechnung des Erhöhungsbetrags sei daher von dem ausschüttbaren Gewinn in Höhe von 90.788 € auszugehen. Der Erhöhungsbetrag belaufe sich auf 3/7 dieses Betrags, also auf 38.909 €, der abgezinste Körperschaftsteuererhöhungsbetrag auf 30.491 €.

    Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 23.10.2009, dass dem Einspruch insoweit abgeholfen werde, als eine Abzinsung des festgestellten Betrags durchzuführen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei jedoch das Nennkapital als ausschüttbares Eigenkapital zu behandeln. Daraus ergebe sich folgende Bemessungsgrundlage:

    Nennkapital103.000 €
    Gewinnrücklage1.300 €
    Vertragl. Rücklage53.210 €
    And. Gewinnrücklage36.276 €
    Bilanzgewinn5.150 €
    Gesamt:198.937 €


    Von dieser Bemessungsgrundlage seien 3/7 als Körperschaftsteuererhöhungsbetrag anzusetzen, also 85.258 €. Da dieser Betrag niedriger sei als 3/100 des EK 02 (3/100 von 3.527.841 € = 105.835 €), sei nach § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG der niedrigere Betrag anzusetzen. Daraus ergebe sich eine Erhöhung des bisher festgesetzten Betrags, was zu einer Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO führe.

    Die Klägerin hielt ihren Einspruch gleichwohl aufrecht.

    Mit Entscheidung vom 27.11.2009 setzte der Beklagte den Körperschaftsteuererhöhungsbetrag auf 85.258 € sowie den abgezinsten Betrag auf 67.798 € fest und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte der Beklagte ergänzend aus: Unstreitig betrage das Eigenkapital der Kläger zum 31.12.2006 insgesamt 198.937 €. Der Gesetzgeber mache in § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG keinen Unterschied zwischen den einzelnen Eigenkapitalbestandteilen, sondern knüpfe an das „bestehende Eigenkapital laut Steuerbilanz” ab. Einschränkungen ergäben sich aus dem Wortlaut nicht. Dass das gezeichnete Kapital für eine Gewinnausschüttung normalerweise nicht zur Verfügung stehe, sei irrelevant; denn es handle sich bei § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG um eine gesetzliche Fiktion. Da die Klägerin bereits 84.162 € gezahlt habe, sei ein Betrag in Höhe von 16.363 € zu erstatten.

    Am 17.12.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Die vom Gesetzgeber angestrebte „Besteuerung aufgrund einer fiktiven Ausschüttung” bedeute, dass der Steuerpflichtige in Bezug auf die Körperschaftsteuererhöhung wie bei einer tatsächlichen Ausschüttung gestellt werden solle. Die Körperschaftsteuererhöhung könne sich daher nur auf den „ausschüttbaren Gewinn” als Bemessungsgrundlage beziehen. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG gelte als ausschüttbarer Gewinn das um das gezeichnete Kapital geminderte (in der Steuerbilanz ausgewiesene) Eigenkapital. Andernfalls würde eine Ausschüttung fingiert und besteuert werden, die nach den Vorschriften des GmbHG und des KStG unzulässig wäre. Überdies verstoße die Regelung des § 38 KStG gegen Art. 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie; denn die Körperschaftsteuererhöhung bewirke einen unzulässigen Steuerabzug an der Quelle.

    Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 13.08.2009 über die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2009 dahin gehend zu ändern, dass der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag auf 41.115 € festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt ergänzend vor: Der Gesetzgeber habe in § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG in Bezug auf die einzelnen Eigenkapitalbestandteile keine Unterteilung vorgenommen. Die Regelung beziehe sich lediglich auf das „bestehende Eigenkapital laut Steuerbilanz” und somit auf alles, was laut Steuerbilanz zum Eigenkapital gehöre, einschließlich des gezeichneten Kapitals. Einschränkungen bzw. Abzugsbeträge wie beispielsweise im Falle des § 27 KStG, der das Nennkapital ausdrücklich ausnehme, enthalte § 38 KStG gerade nicht.

    Dem Gericht haben ein Band Feststellungsakten und ein Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten vorgelegen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags ist um das Nennkapital der Klägerin zu kürzen.

    1. Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 1 KStG beträgt der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag 3/100 des nach § 38 Abs. 4 Satz 1 festgestellten Endbetrags. Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG ist der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag auf den Betrag begrenzt, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft oder Personenvereinigung ihr am 31.12.2006 oder an dem nach Absatz 4 Satz 2 maßgebenden Zeitpunkt bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde.

    Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag ist gemäß § 38 Abs. 6 Satz 1 KStG innerhalb eines Zeitraums von 2008 bis 2017 in zehn gleichen Jahresbeträgen zu entrichten (Zahlungszeitraum), wenn nicht die Körperschaft oder deren Rechtsnachfolger nach § 38 Abs. 7 Satz 1 KStG die Entrichtung in einer Summe beantragt. In diesem Fall ist der Betrag nach Maßgabe des § 38 Abs. 7 Satz 3 KStG abzuzinsen.

    2. § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG enthält eine Begrenzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags der Höhe nach.

    Dabei bezieht sich die Regelung zwar einerseits ausdrücklich auf das „Eigenkapital laut Steuerbilanz”; sie greift demnach nicht auf das Eigenkapital nach der Handelsbilanz zurück (vgl. auch Danelsing, in: Blümich, KStG, § 38 Rz. 34). Den Gesetzesmaterialien zufolge soll dies der Steuervereinfachung dienen (s. Begründung des Regierungsentwurfs zum Jahressteuergesetz 2008, Bundestags-Drucksache 16/6290, 75). Da zum Eigenkapital laut Steuerbilanz auch das Nennkapital gehört, spricht dieser Gesichtspunkt zunächst einmal für die Rechtsauffassung des Beklagten.

    Andererseits legt die Regelung mit ihrer konditionalen Verknüpfung „wenn die Körperschaft ... ihr ... Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde” schon dem Wortlaut nach fest, dass nur dasjenige Eigenkapital in die Bemessungsgrundlage eingehen soll, welches - überhaupt - für eine Ausschüttung zur Verfügung steht. Der erkennende Senat versteht dies als Verweisung auf § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG, wonach als ausschüttbarer Gewinn das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagenkontos gilt. Dies muss dementsprechend auch für § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG gelten. Die Regelung lautet eben nicht: „Der Erhöhungsbetrag ist begrenzt auf 3/7 des Eigenkapitals laut Steuerbilanz”.

    Zu dem gleichen Ergebnis gelangt auch Frotscher (in: Frotscher/Maas, KStG, § 38 Rz. 54) im Hinblick auf den Sinn und Zweck der genannten Vorschrift: Es solle diejenige Körperschaftsteuererhöhung als Höchstgrenze ermittelt werden, die bei einer (fiktiven) Auskehrung des Eigenkapitals eintreten würde.

    Auf diese Weise lässt sich auch vermeiden, dass § 27 KStG und § 38 KStG im Hinblick auf den „ausschüttbaren Gewinn” auseinanderfallen (s. dazu auch: Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 38 KStG Rz. 14a und 66, der die anderweitige Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls für „nicht sachlich überzeugend” hält).

    3. Im Streitfall beläuft sich die Bemessungsgrundlage dementsprechend auf 95.937 €. Dies ergibt einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag in Höhe von 41.115 € (3/7 von 95.937 €).

    4. Ob die Regelung des § 38 KStG gegen Art. 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie verstößt (so Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 38 Rz. 37a), kann dahingestellt bleiben.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

    6. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen worden.

    Anmerkung

    Revision eingelegt (BFH I R 107/10)

    VorschriftenKStG § 38 Abs. 5, KStG § 27 Abs. 1 Satz 5