22.12.2010
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 03.03.2010 – 8 K 1902/09
1. Das von einem Busunternehmen in Zusammenhang mit der Beförderung von Touristen auf Stadtrundfahrten im genehmigten Linienverkehr vereinnahmte Entgelt, unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993.
2. Dem steht nicht entgegen, dass die Fahrgäste die Beförderung als Rundfahrt nutzen, da die aussteigenden Fahrgäste ihre Fahrten mit späteren Bussen fortsetzen können und während der Fahrten Informationen über Sehenswürdigkeiten durch eine Bandansage erfolgen. Auch Vergnügungsfahrten erfüllen den Begriff der Beförderung.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 8. Senat unter Mitwirkung von Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 3.3.2010
für Recht erkannt:
1. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 vom 23.06.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2009 wird dahin geändert, dass die Umsatzsteuer um 345.366,43 Euro vermindert wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Klägerin ausgeführten Leistungen insgesamt dem Umsatzsteuersatz von 19 % oder zu einem wesentlichen Teil dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen.
Die Klägerin nimmt ganz überwiegend für Touristen mit Kraftomnibussen Stadtrundfahrten in D. (und Umgebung) vor. Sie bedient vier Linien. So führt die Linie 1 vom T.-Str. in D. über 22 Haltestellen zurück zum T.-Str.. Die Klägerin fährt die Haltestellen an, so dass Gelegenheit besteht, aus- bzw. einzusteigen. Wer aussteigt, kann einen späteren Bus zur Weiterfahrt nutzen. Der Fahrgast erhält über Bandansage Informationen zu den Sehenswürdigkeiten, die an der Fahrstrecke gelegen sind. Die Klägerin erhob im Streitjahr 2007 für die Gesamtfahrt auf der Linie 1 ein Entgelt von 18 Euro, das auch zur Teilnahme an Führungen etwa durch den Z.-Sehenswürdigkeit oder rund um die F.-Sehenswürdigkeit berechtigt. Das Angebot, an geführten Besichtigungen teilzunehmen, nahmen nur ca. 14 % der Fahrgäste wahr. Abendfahrten in der Zeit von 18.00 bis 22.00 Uhr, die ohne Führungen angeboten werden, kosteten 12 Euro.
Der Linienverkehr der Linie 1 ist durch das Regierungspräsidium D. mit Bescheid v. 14.7.2006 nach § 42 PBefG genehmigt worden. Die Genehmigung legt die Haltestellen, die Abfahrzeiten und das Entgelt fest. Danach beträgt das Entgelt für die Gesamtfahrt 18 Euro, für eine Teilstrecke 3 Euro.
Laut Genehmigungsurkunde v. 5.6.2008 beträgt das genehmigte Beförderungsentgelt der Linie 1 für eine Gesamtfahrt 19 Euro. Die Klägerin wies ihren Fahrpreis für diese Strecke seit August 2008 mit 20 Euro aus.
Die Linie 2 mit dem Ausgangspunkt und Endpunkt P.-Str. in D. ist am 9.11.2001 und am 17.1.2005, die Linie 3 zum P.-Sehenswürdigkeit ist am 5.4.2001 und die Linie 4 vom K.-Str. in D. nach M. ist am 5.4.2001 genehmigt worden. Diese Genehmigungen nehmen auf § 43 PBefG Bezug. Sie bestimmen die Linienführung, enthalten aber keine Vorschriften zu Beförderungsentgelten oder einen Fahrplan. Im Laufe des Jahres 2008 wurden vom Regierungspräsidium für diese Linien neue Genehmigungen auf der Grundlage des § 42 PBefG erteilt und neben der Fahrstrecke auch Abfahrzeiten und Entgelte vorgeschrieben. Die im Jahre 2007 erhobenen und die im Jahr 2008 in die Genehmigungsurkunde aufgenommenen Entgelte stimmen überein.
In ihren monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2007 wandte die Klägerin auf die Entgelte, die sie für die Beförderung auf ihren Rundfahrtlinien vereinnahmte, den Umsatzsteuersatz von 7 % an. In einer Umsatzsteuersonderprüfung zum Prüfungszeitraum 01-07/2007 kam das Finanzamt D. ausweislich des Berichtes v. 30.11.2007 zu dem Schluss, dass sämtliche Umsätze der Klägerin (steuerfreie Umsätze ausgenommen) einem Steuersatz von 19 % unterlägen. Der Beklagte erließ danach von den Umsatzsteuervoranmeldungen abweichende Vorauszahlungsbescheide, welche die angemeldeten Umsätze zu 7 % einem Steuersatz von 19 % unterwarfen. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Am 23.6.2009 erging ein Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 auf Schätzungsgrundlage, nachdem die Klägerin eine Umsatzsteuerjahreserklärung trotz Aufforderung nicht abgegeben hatte. In diesem Umsatzsteuerjahresbescheid wird Umsatzsteuer in Höhe von 399.300 Euro, durch Einspruchsentscheidung v. 28.9.2009 geändert zu 400.105,76 Euro, festgesetzt. Umsätze werden dort nicht zu 7 %, sondern auf einer Bemessungsgrundlage von 3.288.834 Euro zu 19 % versteuert.
Am 5.10.2009 erhob die Klägerin gegen die Vorauszahlungsbescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidung v. 2.9.2009 Klage. Sie ist der Meinung, dass ihr der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG zugute komme. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen vor, insoweit sie Leistungen durch Beförderung von Personen im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen erbringe. Die Klägerin leiste die Beförderung von Personen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG, da sie eine der Raumüberwindung für Personen dienende Tätigkeit entfalte. Dem stehe nicht entgegen, dass die Fahrgäste die Beförderung als Rundfahrt nutzen. Denn auf den Zweck der Beförderung komme es nach einem noch zum Beförderungsteuergesetz ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofes nicht an. Danach erfüllten auch Vergnügungsfahrten den Begriff der Beförderung. Auf eine Ausnahmeregelung zu § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG für den Freizeit- und Tourismusverkehr habe der Gesetzgeber bewusst verzichtet. Vielmehr habe er im Jahressteuergesetz 2008 nunmehr auch Beförderungen mit Berg- und Drahtseilbahnen, die zuvor von der Vergünstigung ausgeschlossen waren, in den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG gebracht.
Ein genehmigter Linienverkehr liege ausweislich der Genehmigungsurkunden unbestritten vor. Die Finanzbehörde habe sich an diese Verwaltungsentscheidungen zu halten.
Der Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Leistung könne nicht dazu führen, die Beförderungsleistung der Klägerin dem regulären Steuersatz zu unterwerfen. Die Möglichkeit, an Führungen durch Sehenswürdigkeiten der Stadt D. teilzunehmen, sei ebenso wie die Information durch Bandansage im Omnibus eine Nebenleistung von untergeordneter Bedeutung. Dies zeige (bezogen auf das Verhältnis des im Jahr 2008 genehmigten Beförderungsentgelts zu den in diesem Jahr dem Kunden abverlangten Preise) sowohl der geringe Entgeltanteil als auch die Tatsache, dass nur 14 % der Fahrgäste an Führungen teilnehmen. Für die Beurteilung als bloße Nebenleistung sei entgegen der Interpretation des Beklagten nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes v. 15.1.2009 sehr wohl der geringe Entgeltanteil maßgebendes Kriterium. Die Nebenleistung teile aber die umsatzsteuerliche Beurteilung der Hauptleistung.
Wollte man in dem Zusatzangebot der Klägerin, das über die Beförderungsleistung hinausgeht, keine Nebenleistung erkennen, müsste man insoweit von einer selbständigen Hauptleistung ausgehen. In diesem Fall komme eine Ausdehnung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf die Beförderungsleistung der Klägerin nicht in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung v. 28.9.2009 aufzuheben,
die Umsatzsteuer für das Jahr 2007 vermindert um 345.366,43 Euro festzusetzen,
im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, bei den Stadtrundfahrten der Klägerin handele es sich um eine einheitliche Leistung eigener Art, die nicht durch die Personenbeförderung gekennzeichnet sei, so dass die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG nicht anwendbar sei. Den Fahrgästen der Klägerin komme es auf die Kombination aus Führungen, Museumseintritten und Beförderung in der Stadt D. an. Diese Leistungen seien nicht selbständig. Der geringe Anteil des Pauschalpreises für die über die Beförderung hinausgehenden Leistungen habe keine entscheidende Bedeutung, da der Beförderungspreis durch die Genehmigungen des Regierungspräsidiums festgeschrieben sei.
Auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des Beklagten wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Personenbeförderung auf den genehmigten Rundfahrtlinien der Klägerin unterfällt § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG und ist mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu versteuern.
Die Klägerin befördert Personen mit Kraftfahrzeugen. Denn sie entfaltet eine die Raumüberwindung für Personen dienende Tätigkeit (BFH v. 14.12.1951, II 176/51 U, BStBl III 1952, 22). Auf den Zweck der Beförderung kommt es für den Begriff der Personenbeförderung im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) UStG nicht an (Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zur Umsatzsteuer, Oktober 2008, § 12 Abs.2 Nr.10 UStG, Rnr. 16). Auch Vergnügungsfahrten stellen Beförderungsfahrten dar (BFH v. 14.12.1951, a.a.O.).
Die Beförderung von Personen durch die Klägerin mit Kraftfahrzeugen findet ausweislich der unstreitig erteilten Genehmigungen des Regierungspräsidiums L. im genehmigten Linienverkehr statt. Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b) aa) bzw. bb) UStG erfüllt sind, sind die Beförderungsleistungen der Klägerin mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu versteuern. Der Auffassung des Beklagten, dass die Klägerin eine andere Leistung als eine Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen im genehmigten Linienverkehr erbringe, nämlich eine Leistung, bei der es dem Kunden auf eine Kombination aus Führungen, Museumseintritten und Beförderung ankomme, ohne dass den einzelnen Aspekten dieser Leistung eine selbständige Bedeutung oder gar der Beförderung die Hauptbedeutung zukomme, kann sich der Senat nicht anschließen. Eintrittsgeld für Museen oder etwaiges Entgelt für die Teilnahme an Führungen ist im Entgelt, das die Klägerin im Streitjahr für die Beförderung erhoben hat, nicht enthalten. Der Kunde bezahlt also im Wesentlichen für die Beförderung. Dass er durch die Vorbeifahrt an Sehenswürdigkeiten, erläuternde Bandansagen und die Möglichkeit, an Führungen teilzunehmen, Vergnügen empfindet und Annehmlichkeiten erfährt, macht die Beförderungsfahrt, da es auf ihren Zweck nicht ankommt und unter ihren Begriff auch Vergnügungsfahrten fallen, nicht zu einer anderen Leistung.
Auf die Entgelte, die die Klägerin für die Beförderung auf ihren Rundfahrten vereinnahmte, ist demnach der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzusetzen. Nach der übereinstimmenden Berechnung der Klägerin und des Beklagten ergibt sich demnach für das Jahr 2007 eine um den Betrag von 345.366,43 Euro verminderte Umsatzsteuer.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.