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  • 22.12.2010

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 14.09.2010 – 4 K 300/08

    1. Wollte der volljährige Sohn nach dem Abitur zuerst seinen Zivildienst abwarten und erst nach Beendigung desselben ein Studium aufnehmen, so kann er in dieser Wartezeit nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder c EStG berücksichtigt werden.

    2. Hat der Sohn unmittelbar nach dem Abitur den Grundwehrdienst angetreten, dann aber abgebrochen und sich zur Ableistung eines Zivildienstes entschlossen, so ist für das Vorliegen einer viermonatigen Übergangszeit i.S. von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auf die Zeit zwischen der Beendigung der Schulausbildung und dem Beginn des Zivildienstes abzustellen; insoweit ist der abgebrochene Grundwehrdienst nach Auffassung des Senats nicht zu berücksichtigen.

    3. Die Regelung über die Gewährung von Kindergeld während einer Übergangszeit von maximal vier Monaten (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dass das Kind ggf. keinen Einfluss auf die Dauer der Übergangszeit hat, ist insoweit unbeachtlich.

    4. Eine Berücksichtigung des volljährigen Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG kommt nicht in Betracht, wenn das nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Kind nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet war und lediglich wegen einer Studienberatung bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen hat.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 4. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. September 2010 durch die Richterin am Finanzgericht Gradl als Vorsitzende, den Richter am Finanzgericht Keilig, die Richterin am Finanzgericht Kuhtz, die ehrenamtliche Richterin … und den ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um Kindergeld für den Zeitraum August 2007 bis Februar 2008 für den Sohn der Klägerin C., geboren … 1986.

    Der Sohn der Klägerin besuchte bis Juli 2007 das …-Gymnasium in S. Mit Antrag vom 08. Oktober 2007 beantragte die Klägerin Kindergeld. Sie gab an, dass C. in seiner Wehrdienstzeit von Juli bis September 2007 insgesamt 1.035,66 EUR Einnahmen hatte und dass der im unmittelbaren Anschluss an den Schulabschluss am 01. Juli 2007 begonnene Wehrdienst aufgrund anerkannter Kriegsdienstverweigerung zum 26. August 2007 beendet worden sei.

    Ausweislich des Internen Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystems (VerBIS) der Beklagten wurde der Sohn am 17. September 2007 als „ratsuchend” in der Berufsberatung aufgenommen („wünscht Anmeldung zur BB”). In dem folgenden Termin am 09. Oktober 2007 erörterte die Berufsberaterin L. mit dem Sohn verschiedene Studienmöglichkeiten. Der Sohn gab an, sich weiter informieren und ggf. erneut an die Berufsberatung wenden zu wollen. Die Beraterin meldete den Sohn daraufhin mit der Begründung „Beratung ohne weitere Veranlassung” ab. Der nächste Kontakt erfolgte am 17. Juni 2008, als der Sohn telefonisch um eine Anmeldung zur Berufsberatung bat. In dem Beratungsgespräch vom 10. Juli 2008 wurden die Aufnahme eines Studiums und die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger besprochen.

    Mit Bescheid vom 19. Oktober 2007 lehnte die Beklagte den Antrag vom 08. Oktober 2007 mit der Begründung ab, dass der Sohn bisher nicht bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sei und eine Ausbildung nicht bzw. nicht mehr angestrebt werde. Eigene Bemühungen seien nicht bzw. nicht ausreichend nachgewiesen worden.

    Mit ihrem Einspruch trug die Klägerin vor, dass der Sohn seinen Grundwehrdienst geleistet habe und laut Einberufungsbescheid vom 23. Oktober 2007 vom 03. März 2008 bis 06. Oktober 2008 Zivildienst leisten werde und anschließend ein Studium anstrebe. Bei der Agentur für Arbeit sei der Sohn registriert worden und habe am 09. Oktober 2007 ein Berufsberatungsgespräch mit Frau L. geführt.

    Nachfolgend forderte die Beklagte die Klägerin auf, die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nachzuweisen. Diese teilte darauf mit Schreiben vom 01. Februar 2008 erneut mit, dass der Sohn seinen Wehrdienst geleistet habe, am 09. Oktober 2007 bei der Berufsberaterin vorstellig geworden sei und nun zum 04. Februar 2008 seinen Zivildienst antrete. Die Klägerin beantragte Kindergeld für den Zeitraum 29. August 2007 bis 03. Februar 2008.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 06. Februar 2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass der Sohn bei einer Agentur für Arbeit weder als Arbeitssuchender noch als Ausbildungsstellensuchender gemeldet sei und keine ernsthaften eigenen Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nachgewiesen worden seien. Dass das Kind in weiter Zukunft vielleicht einmal ein Studium aufnehmen möchte, reiche nicht aus.

    Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2008, bei Gericht am 29. Februar 2008 eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Meldung bei der Agentur für Arbeit am 09. Oktober 2007 zu einem Kindergeldanspruch führe. Bereits am 17. September 2007 habe der Sohn bei der Arbeitsagentur vorgesprochen und am 23. Oktober 2007 habe er seinen Einberufungsbescheid für den Zivildienst erhalten. Aufgrund der Beendigung des Wehrdienstes zum 26. August 2007 sei es nicht mehr möglich gewesen, im Ausbildungsjahr 2007 einen Ausbildungsplatz zu erhalten. C. habe davon ausgehen können, in Kürze zum Zivildienst einberufen zu werden, wobei der Einberufungstermin nicht von ihm zu beeinflussen gewesen sei. Es sei ihm nicht zuzumuten, im August 2007 eine Ausbildung zu beginnen, die dann im Februar 2008 abgebrochen werden müsste.

    Der Sohn habe sich in einer Übergangszeit zwischen seinem Abitur und seinem Studium befunden. Der Berücksichtigungszeitraum von vier Monaten erscheine willkürlich, unrealistisch, grundgesetzwidrig und gehe zu Lasten des Kindes. Darüber hinaus liege eine Regelungslücke vor, da die Besonderheiten eines während des Grundwehrdienstes kriegdienstverweigernden Kindes nicht ausreichend berücksichtigt würden. Die Klägerin meint daher, dass der 4-Monatszeitraum erst nach Beendigung des Wehrdienstes beginnen dürfe.

    Warum der Sohn aus der Berufsberatung abgemeldet worden sei, ergebe sich nicht aus den Akten; auch sei die von der Agentur gewählte Wortwahl für den berufslosen Sohn ohne Bedeutung. Die Beklagte verhalte sich zudem widersprüchlich, wenn einerseits von einer Arbeitslosmeldung abgesehen werde, weil der Sohn eine Zivildienststelle in Aussicht habe und wenn andererseits dem Sohn vorgeworfen werde, dass er sich nicht um eine Ausbildung bemühe.

    Des Weiteren gibt die Klägerin an, dass der Zivildienst vom 04. Februar 2008 bis 07. September 2008 gedauert habe und der Sohn bereits am 21. August 2007 von der zukünftigen Zivildienststelle (Diakoniewerk W.), eine Mitteilung bekommen habe, dass er dort seinen Zivildienst leisten könne. Am 04. Oktober 2007 habe dies das Diakonische Werk bestätigt, wobei noch vom vorgeschlagenen Beginn 03. März 2008 ausgegangen worden sei.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Oktober 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 06. Februar 2008 ihr Kindergeld für C. für den Zeitraum August 2007 bis Februar 2008 zu gewähren

    und die Revision zuzulassen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen

    und die Revision für den Fall der Stattgabe zuzulassen.

    Die Beklagte weist darauf hin, dass der Sohn weder als Arbeitssuchender noch als Ausbildungsplatzsuchender bei einer Agentur für Arbeit gemeldet war, sich nicht um eine Ausbildungsstelle bemüht habe und eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten bzw. zwischen einem Ausbildungsabschnitt und Wehr-/Zivildienst nicht gegeben sei. Die Übergangszeit habe zudem mehr als sechs Monate betragen. Es sei dem Sohn zuzumuten, in der Zeit zwischen Beendigung des Wehrdienstes und Beginn des Zivildienstes, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

    Der Senat hat C. W. zu seinen Bemühungen um einen Ausbildungs- / Arbeitsplatz im Zeitraum August 2007 bis Februar 2008 als Zeugen gehört. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Die Kindergeldakte der Beklagten hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Antrag auf Kindergeld für den Zeitraum August 2007 bis Februar 2008 abgelehnt. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Eine Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) kommt nicht in Betracht, da das nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Kind nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet war. Zwar verlängert sich der Berücksichtigungszeitraum nach § 32 Abs. 5 EStG für das das 21. Lebensjahr im September 2007 vollendende Kind aufgrund des zweimonatigen Wehrdienstes bis zum November 2007. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da es an der Arbeitssuchendmeldung fehlt. Eine Arbeitslosmeldung wurde zu keinem Zeitpunkt bei einer Agentur für Arbeit aufgenommen, der Sohn wollte sich lediglich hinsichtlich eines Studiums beraten lassen. Der Sohn hat im Rahmen seiner Zeugenvernehmung auch eingeräumt, sich nicht arbeitslos melden zu wollen und auch nicht gewusst zu haben, dass er sich arbeitslos hätte melden müssen oder können. Es gibt auch keine Verpflichtung der Agentur für Arbeit, lediglich Ratsuchende als Arbeitssuchende aufzunehmen und zu registrieren. Eine reine Vorsprache bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit reicht nicht aus, um als Arbeitssuchender registriert zu werden.

    Des Weiteren fehlt es an der Verwirklichung der Tatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und 2c EStG. Das Kind befand sich unstreitig nicht in Berufsausbildung und hat sich auch nicht um einen Ausbildungsplatz bemüht oder war als ausbildungsplatzsuchend bei einer Agentur für Arbeit registriert. Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz oder um ein Studium gab es nicht, was der Sohn der Klägerin auch in seiner Zeugenvernehmung bestätigte. Er gab an, sich lediglich informativ bei der …-Universität erkundigt zu haben; Bewerbungen um einen Studienplatz habe er jedoch nicht abgegeben. Des Weiteren habe er sich für die Zeit nach dem Zivildienst umgesehen. Die bei der Agentur für Arbeit gemachten (und vermerkten) Äußerungen des Sohnes sind zudem nicht geeignet, konkrete Ausbildungsbemühungen zum nächsten Ausbildungstermin zu belegen. Der Sohn hat in der Zeugenvernehmung klar zum Ausdruck gebracht, dass er auf seinen Zivildienst gewartet habe und erst nach Beendigung desselben ein Studium aufnehmen wollte.

    Ebenfalls scheidet ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG aus, weil die Übergangszeit den Zeitraum von vier Monaten überschritten hat.

    Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG wird ein Kind berücksichtigt, wenn es das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes liegt.

    Nach Ansicht des erkennenden Senats liegt eine Übergangszeit im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG vor, welche mit Abschluss der Schule im Juli 2007 begann und mit Beginn des Zivildienstes im Februar 2008 endete. Zwar hat der Sohn der Klägerin nach Schulbeendigung zunächst seinen Grundwehrdienst begonnen, der erkennende Senat ist jedoch der Ansicht, dass bezüglich des Beginns der Übergangszeit weiterhin auf das Ende der Schulzeit abzustellen ist. Ein Abstellen auf das Ende des Grundwehrdienstes ist nicht vom Gesetzeswortlaut gedeckt, denn dieses spricht von einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes. Das Ableisten des Grundwehrdienstes stellt jedoch grundsätzlich keinen Ausbildungsabschnitt dar, denn der Grundwehrdienst dient im Regelfall nicht der Vorbereitung auf einen konkreten Beruf (vgl. BFH, Urteil vom 16.03.2004 – VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242, zur vergleichbaren Situation des Zivildienstes).

    Dagegen entspricht es sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes, im Streitfall unberücksichtigt zu lassen, dass der Sohn der Klägerin bereits kurzfristig Wehrdienst ableistete. Zwar hat er sich aus freien Stücken entschlossen, diesen abzubrechen, jedoch hat er den Zeitpunkt des Beginns des Zivildienstes genauso wenig zu vertreten, wie ein Kind, das sich von Anfang an für den Zivildienst entscheidet.

    Unter Berücksichtigung diesen Ausführungen beträgt die Übergangszeit im Streitfall acht Monate und überschreitet damit den Zeitraum von vier Monaten.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nach Ansicht des erkennenden Senats der gesetzliche 4-Monatszeitraum ausreichend lang bemessen und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

    Mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074) hat der Gesetzgeber die Übergangszeiten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes den Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gleichgestellt und in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG ausdrücklich geregelt. Auf diese Weise wird ein Kind, das seine Ausbildung wegen Ableistung des Grundwehrdienstes unterbricht, für jeweils einen Übergangszeitraum von bis zu vier Monaten sowohl vor als auch nach diesem Dienst berücksichtigt (BTDrucks 14/6160, S. 11). Die Regelung bestätigt die frühere Verwaltungspraxis, wonach u.a. Zwangspausen von höchstens vier Monaten Dauer vor und nach der Ableistung des gesetzlichen Wehr- bzw. Zivildienstes wie Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten berücksichtigt wurden (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA-FamEStG – Stand Mai 2000, 63.3.3 Abs. 3, BStBl I 2000, 636, 639, 664 und R 180a EStR 2001). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Übergangszeiten zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes von mehr als vier Monaten Dauer planwidrig unberücksichtigt gelassen hat, sind nicht ersichtlich (vgl. FG Hamburg Urteil vom 02.05.2005 – I 319/04, Haufe-Index 1380657).

    Die Regelung über die Gewährung von Kindergeld während einer Übergangszeit von maximal vier Monaten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG) beruht auf einer gesetzgeberischen Typisierung. Dass der Gesetzgeber einen Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen hat, ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12, 27 und BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, m.w.N.). Er darf atypische Fälle unberücksichtigt lassen, wenn eine Einbeziehung nur unter Schwierigkeiten zu bewältigen wäre und hiervon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen ist (BVerfG-Urteil vom 28. April 1999 1 BvL 22, 34/95, BVerfGE 100, 59, 90, m.w.N., auch BFH Beschluss vom 07.09.05 – III B 30/05, BFH/NV 2006, 50). Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 9/842, S. 54) ergibt sich, dass der Gesetzgeber in typisierender Betrachtungsweise davon ausging, dass ein Kind, welches Übergangs- und Wartezeiten von mehr als vier Monaten zu überbrücken hat, sich darauf einstellen kann und muss, während dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Gegen diese Beschränkung im Wege der gesetzgeberischen Typisierung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das gilt selbst dann, wenn das Kind nicht mit einem Überschreiten der Übergangszeit von vier Monaten rechnen musste (vgl. BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BStBl II 2003, 841 m.w.N.; vom 16. März 2004 VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242 und vom 24. August 2004 VIII R 101/03, BFH/NV 2005; BFH-Beschluss vom 2. April 2004, VIII B 175/03, Juris; FG Köln, Urteil vom 22. Januar 2004 10 K 1859/03, EFG 2004, 815; FG Köln, Urteil vom 6. November 2003 10 K 3432/03, EFG 2004, 271; FG Hamburg, Beschluss vom 29. Juli 2005 I 162/05, Juris; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2005 5 K 456/03, Juris; FG Hamburg, Urteil vom 3. Januar 2006 III 119/05, Juris, vgl. FG Baden-Württemberg Urteil vom 05.06.2007 – 4 K 349/06, EFG 2007, 1609, Revision anhängig BFH III R 61/07).

    Der Umstand, dass der Sohn keinen Einfluss auf die Dauer der Übergangszeit hatte, ist nach dem Gesetzeswortlaut unbeachtlich. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG stellt nicht auf die Verantwortung des Kindes für die Dauer der Übergangszeit ab (vgl. auch FG Köln, Urteil vom 17.11.06, 8 K 674/06, Haufe-Index 1812132, Revision anhängig BFH III R 41/07; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.05 – 5 K 456/03, Haufe-Index 1711622 Revision anhängig BFH III R 5/07 und Urteil vom 05.06.07 – 4 K 349/06, EFG 2007, 1609; Niedersächsisches FG, Urteil vom 02.03.09 – 16 K 380/08, Haufe-Index 2187116, Revision anhängig BFH III R 25/09). Denn der Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG stellt nicht auf ein Verschulden ab. Entscheidend für den Anspruch auf Kindergeld ist nur, ob die Übergangszeit vor Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes mehr als vier Monate betragen hat.

    Der Senat sieht auch keinen Ansatzpunkt für eine Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums des Kindergeldes führt. Äußerste Grenze der Auslegung einer Rechtsnorm ist der natürliche Wortsinn der Rechtsvorschrift. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG enthält mit der Formulierung „Übergangszeit von höchstens vier Monaten” ein deskriptives, kein normatives Tatbestandsmerkmal. Jede Gesetzesauslegung, die auch eine Übergangszeit von mehr als vier Kalendermonaten genügen lassen würde, wäre nicht mehr durch den Gesetzeswortlaut gedeckt; das Gericht würde in verfassungswidriger Weise seine Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) missachten und unter Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung seine Wertungen an Stelle des insoweit allein dazu berufenen unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebers setzen. Eine Gesetzesauslegung, die zu einer Verlängerung der Übergangszeit wegen vom Kind nicht zu vertretender Umstände führt, kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil das Gesetz durchaus Verlängerungstatbestände kennt. So kann beispielsweise nach § 32 Abs. 5 EStG die Bezugsdauer des Kindergeldes über das 25. Lebensjahr hinaus um die Dauer des Grundwehr- oder Zivildienstes verlängert werden. Es kann deshalb nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass das Fehlen eines Verlängerungstatbestandes innerhalb des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht (vgl. auch Niedersächsisches FG Urteil vom 02.03.2009 – 16 K 380/08, EFG 2009, 1477, Revision anhängig BFH III R 25/09).

    Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG. Bei der Festsetzung von Kindergeld werden die Familienkassen als Leistungsverwaltung tätig. Unmittelbare Leistungsansprüche können dem Grundgesetz indes nicht ohne weiteres entnommen werden. Verfassungsrechtliche Bedenken könnten gegen die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG nur dann bestehen, wenn diese Regelung zu einer gleichheits- und systemwidrigen Benachteiligung einzelner Anspruchssteller führen würde. Davon kann aber nicht die Rede sein.

    Die Gesetzessystematik des § 32 Abs. 4 EStG stellt darauf ab, ob eine typische Unterhaltssituation gegeben ist. Eine solche besteht bei volljährigen Kindern nur noch, wenn diese Aktivitäten in Bezug auf die Erlangung einer Berufstätigkeit oder einer Berufsausbildung entfalten. Von diesem Grundsatz stellt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG eine den Kindergeldberechtigten begünstigende Ausnahme dar, indem er trotz Fehlens einer typischen Unterhaltssituation dennoch einen Kindergeldanspruch begründet. Diese Ausnahme findet ihre Rechtfertigung in dem Umstand, dass sie mit dem Beginn und/oder dem Ende eines Ausbildungsabschnitts verknüpft wird und nur eine kurze Zeitspanne umfasst, für die es sich für das Kind nicht recht lohnt, sich eine befristete Beschäftigung zu suchen. Würde die Übergangsphase verlängert, würde der Systembruch, den § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG im System der Kindergeldtatbestände bedeutet, nicht vermindert, sondern verschärft. Die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz Nr. 2b EStG benachteiligt auch nicht einseitig Wehr- und Zivildienstleistende. Übergangszeiten können grundsätzlich jedes Kind treffen. So ist zum Beispiel daran zu denken, dass ein Ausbildungsbetrieb kurz vor Ausbildungsbeginn in Insolvenz fällt und das Kind erst zu einem späteren Zeitpunkt einen anderen Ausbildungsplatz findet oder ein Studienplatz erst im nachfolgenden Semester zur Verfügung steht (vgl. Niedersächsisches FG Urteil vom 02.03.2009 – 16 K 380/08, EFG 2009, 1477, Revision anhängig BFH III R 25/09).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Zur Frage der Übergangszeit des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG sind eine Vielzahl von Verfahren beim BFH anhängig (III R 61/07, III R 25/09, III R 5/07, III R 41/07).

    VorschriftenEStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, EStG § 32 Abs. 4 S. 2