08.11.2010
Finanzgericht Köln: Urteil vom 10.03.2010 – 5 K 305/09
Kann ein wesentlich Beteiligter nicht nachweisen, dass er die Stammeinlage eingezahlt hat, ist der Verlust der Stammeinlage für die Höhe der Anschaffungskosten seiner Beteiligung im Insolvenzfall der Gesellschaft unbeachtlich.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Senat in der Sitzung vom 10.03.2010 in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin Sozialversicherungsfachangestellte … ehrenamtlicher Richter Bahnbeamter … aufgrund mündlicher Verhandlung
für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Klägerin geltend gemachter Veräußerungsverlust nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin war Gesellschafterin der A GmbH (GmbH), die am 29.07.1986 gegründet wurde. Am Stammkapital in Höhe von 50.000,00 DM (25.564,59 EUR) hatte sich die Klägerin mit 16.500,00 DM (8.436,32 EUR) beteiligt. Die Stammeinlagen waren zur Hälfte sofort bar einzuzahlen. Die weiteren Einzahlungen sollten nach Anforderung der Geschäftsführer erfolgen. Diesbezüglich wird auf die Gründungsurkunde vom 29.07.1986 verwiesen.
Mit Beschluss vom 23.06.2006 lehnte das Amtsgericht B (Az. …) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse ab. Die Löschung der GmbH im Handelsregister erfolgte am 19.09.2006.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin u. a. den hier streitigen Verlust aus der Beteiligung an der GmbH nach § 17 EStG in Höhe von 4.218,00 EUR im Halbeinkünfteverfahren geltend.
Im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13.05.2008 ließ der Beklagte den geltend gemachten Auflösungsverlust jedoch unberücksichtigt. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung vom 02.01.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung trug der Beklagte wie folgt vor:
Die Berücksichtigung des Verlustes scheitere daran, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die Stammeinlage in voller Höhe eingezahlt worden sei. Die Klägerin, die zur Einzahlung der Stammeinlage originär nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verpflichtet sei, habe den Nachweis der Erfüllung der Einlageverpflichtung nicht geführt. Diese Verpflichtung entfalle auch nicht dadurch, dass seit der Gründung der GmbH geraume Zeit verstrichen sei. Ebenso wenig führe der zeitliche Abstand zu einer Beweiserleichterung. Dass das Stammkapital in den Jahresabschlüssen als eingezahlt verbucht und die Einzahlung des Stammkapitals bei der Insolvenz nie in Frage gestellt worden sei, sei als Beweis nicht ausreichend. Auch der Umstand, dass in der Gründungsurkunde bzw. dem Gesellschaftsvertrag vom 29.07.1986 versichert worden sei, dass 50 % Stammkapital sofort und der Rest auf Anforderung der Geschäftsführung, die in den Jahren 1994 und 1995 erfolgt sei, einzuzahlen sei, beweise nicht, dass die Zahlungen tatsächlich erfolgt seien. Im Übrigen bestehe auch von notarieller Seite keine Verpflichtung, die tatsächliche Erbringung von übernommenen Einlageverpflichtungen zu überprüfen. Auch der Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 09.07.2007 II ZR 222/06, DB 2007, 2028, rechtfertige keine andere Entscheidung. Im dortigen Fall sei die Frage streitig gewesen, welche Darlegungslast der Insolvenzverwalter bei der Klage auf eine rückständige Stammeinlage gegen einen Geschäftsanteilserwerber 20 Jahre nach dem Erwerbsvorgang habe. Da die Klägerin die objektive Beweislast habe, gingen verbleibende Unsicherheiten zu ihren Lasten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Einlageverpflichtung nicht erfüllt worden sei.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage trägt die Klägerin wie folgt vor:
Die Forderung des Beklagten nach Zahlungsbelegen zum Nachweis der Einzahlung der Stammeinlage sei rechtswidrig. Die Klägerin, die die Anteile an der GmbH im Privatvermögen gehalten habe, sei steuerlich nicht verpflichtet gewesen, für die bei Gründung der GmbH im Jahre 1986 noch für die bei Einforderung der ausstehenden Einlagen geleisteten Zahlungen auf ihre Stammeinlagen in den Jahren 1994 und 1995 Zahlungsbelege bzw. Buchungsbelege bis zu einer etwaigen in der Zukunft in Betracht kommenden Auflösung der GmbH aufzubewahren. Auszüge eines ausschließlich für private Zwecke genutzten Bankkontos fielen nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 4 Abgabenordnung (AO). Für die GmbH selber sei bereits bei ihrer Auflösung im Jahre 2006 die zehnjährige steuerliche Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege nach § 147 Abs. 3 Satz 1 AO abgelaufen. Über die Regelung des § 147 Abs. 3 AO hinausgehende außersteuerliche Aufbewahrungspflichten seien steuerrechtlich nicht verpflichtend. Im Übrigen habe auch der Beklagte im Besteuerungsverfahren weder vor noch nach der Auflösung den die Zahlungen auf die Stammeinlagen betreffenden Buchungsbelegen erkennbar eine steuerliche Bedeutung beigemessen. Der Beweis der Erfüllung der Stammeinlagenverpflichtung könne zivilrechtlich auch durch Indizien erbracht werden, insbesondere wenn die Gründung bereits Jahrzehnte zurück liege. Die streitigen Einzahlungen der Klägerin auf die Stammeinlagen seien jedoch durch Indizien nachgewiesen und glaubhaft gemacht. Bereits die Bestimmungen in § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG begründeten unabhängig vom Gesellschaftsvertrag der GmbH die Vermutung, dass die Stammeinlage zumindest mit ¼ eingezahlt worden sei. Da die Gesellschafter nach § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG den auf mindestens 25.000,00 DM festgelegten Gesamtbetrag der Zahlung auf die Stammeinlagen zu erbringen gehabt hätten, erhöhe sich die gründungsbezogene Zahlungsvermutung für die Klägerin auf 50 % der von ihr gezeichneten Stammeinlage. Ein weiteres wichtiges Zahlungsindiz ergebe sich aus der Bilanzierung der GmbH. Die im Rahmen des letzten Jahresabschlusses vor der Auflösung der GmbH von der C und Partner auf den 31.12.2005 erstellte Bilanz weise wie die Vorjahresbilanzen für die Stichtage ab dem 31.12.1996 auf der Passivseite unter „A. Eigenkapital I. Gezeichnetes Kapital” das volle Stammkapital und auf der Aktivseite keine ausstehenden Einlagen mehr aus. Dadurch werde indiziiert, dass die Stammeinlagen vor Auflösung der GmbH in vollem Umfang eingezahlt worden seien. Dieses Indiz sei gewichtig, da diesbezügliche falsche Angaben insbesondere nach § 82 GmbHG sanktioniert würden.
Auch die Anlage 2 des Berichtes des Finanzamts B vom 07.01.1999 über die Außenprüfung bei der GmbH weise in der Prüferbilanz für die Stichtage 31.12.1993, 31.12.1994 und 31.12.1995 in Übereinstimmung mit den entsprechenden Handels- und Steuerbilanzen auf der Passivseite als gezeichnetes Kapital jeweils den Betrag von 50.000,00 DM aus. Die vorgenannten Bilanzen bezifferten auf der Aktivseite die ausstehenden Einlagen zum 31.12.1993 mit 0,00 DM dagegen zum 31.12.1994 und 31.12.1995 mit je 5.878,78 DM. Eine Nachprüfung habe aber ergeben, dass der auf der Aktivseite der Bilanzen zum 31.12.1994 und 31.12.1995 angegebene Betrag von 5.878,78 DM tatsächlich nicht ausstehende Einlagen umfasst habe, sondern aus einem von der vorherigen Betriebsprüfung im Hinblick auf eine Abstimmungsdifferenz gebildeten steuerlichen Ausgleichsposten herrühre, wie sich aus Anlage 6 zum Prüfungsbericht vom 07.01.1999 ergebe. Seitens der Betriebsprüfung sei nicht festgestellt worden, dass die Angaben zu den Stammeinlagen unzutreffend seien.
Angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten der Klägerin, die Zahlungen durch Zahlungsbelege nachzuweisen, verstoße das Nachweisverlangen des Beklagten gegen das Übermaßverbot, zumal der Beklagte sein Verlangen nicht auf konkrete Zweifel oder gar Verdachtsmomente stützen könne. Nach § 88 Nr.1 des Anwendungserlasses zur AO vom 02.01.2008 sei jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Im Übrigen könne die Finanzbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass die Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung vollständig und richtig seien, wie sich schon aus dem BFH-Urteil vom 17.04.1969 V R 21/66, BStBl II 1969, 474, ergebe. Demnach könne die Finanzbehörde den Angaben eines Steuerpflichtigen Glauben schenken, wenn nicht greifbare Umstände vorlägen, die darauf hindeuteten, dass seine Angaben falsch oder unvollständig seien (BFH-Urteil vom 17.07.1978 VIII R 120/75, BStBl II 1978, 57). Damit habe der Beklagte sein Ansinnen auf Vorlage von Zahlungsbelegen jedoch gerade nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13.05.2008 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 02.01.2009 unter Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes aus Liquidation der A GmbH in Höhe von 4.218,00 EUR neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die Stammeinlage von 16.500,00 DM (8.436,32 EUR) zu Recht nicht als Anschaffungskosten für die Beteiligung der Klägerin an der GmbH nach § 17 EStG berücksichtigt.
1. Nach § 17 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens ein vom Hundert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste. Veräußerungsgewinn bzw. -verlust ist nach § 17 Abs. 2 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Auflösungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
Im Streitfalle gilt Folgendes: Die Klägerin war seit 1986 an der GmbH mit 33 %, also wesentlich im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt. Die Klägerin hielt diese Beteiligung auch in ihrem Privatvermögen.
2. Die Stammeinlage in Höhe von 16.500,00 DM war nicht als Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Zwar ist eine Stammeinlage grundsätzlich Teil der Anschaffungskosten für die Beteiligung an einer GmbH. Dies gilt jedoch nur, soweit die Stammeinlage auch eingezahlt wurde. Vorliegend hat die Klägerin aber nicht nachgewiesen, dass sie die Stammeinlage tatsächlich erbracht hat.
Die Beweislast für die Erfüllung der Einlageverpflichtung liegt entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei dem sich darauf berufenden Gesellschafter (Urteile des BGH vom 22.06.1992 II ZR 30/91, NJW 1992, 2698, 2699 und vom 13.09.2004 II ZR 137/02, DStR 2004, 2112, 2113; Urteil des Brandenburgischen OLG vom 05.04.2006 4 U 156/05, DB 2006, 996; Baumbach/Hueck, 18. Auflage, § 19 GmbHG, Rz. 9). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zahlungsvorgänge sehr lange Zeit zurückliegen (BGH-Urteil in DStR 2004, 2112 f). Zum Nachweis sind grundsätzlich zweifelsfreie und unanfechtbare Unterlagen erforderlich. In der Regel ist ein Zahlungsbeleg vorzulegen.
Einen Zahlungsbeleg über die Einzahlung der Stammeinlage im Jahre 1985 kann die Klägerin, wie sie selbst einräumt, nicht vorlegen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin reichen die vorgelegten Bilanzen zum Nachweis der Zahlung der Bareinlage durch die Klägerin nicht aus. Die Bilanzen erbringen lediglich den Nachweis darüber, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin nicht einmal vorgetragen hat, die Einzahlung der Bareinlage sei durch den mit der Bilanzerstellung Beauftragten überprüft worden.
Gleiches gilt für die Prüferbilanz in Anlage 2 des Berichtes des Finanzamtes B vom 07.01.1999. Denn regelmäßig wird die Prüferbilanz auf Grundlage der vorgelegten Bilanzen erstellt, ohne dass der Prüfer die Einzahlung der Stammeinlage gesondert überprüft hat. Dafür, dass dies vorliegend anders gewesen ist, bestehen keine Anhaltspunkte, und auch die Klägerin hat insoweit nichts vorgetragen.
Der Umstand, dass in der Gründungsurkunde bzw. dem Gesellschaftsvertrag vom 29.07.1986 versichert wurde, dass 50 % Stammkapital sofort und der Rest auf Anforderung der Geschäftsführung einzuzahlen sei, beweist ebenfalls nicht, dass die Zahlungen tatsächlich erfolgt sind. Allenfalls dient die Vertragsurkunde als Beweis für die Abgabe der Erklärung durch die Klägerin, nicht aber als Beweis der Zahlungsvorgänge. Im Übrigen prüft der Notar nicht die Richtigkeit der Erklärung eines GmbH-Beteiligten.
Auch der Umstand, dass die GmbH eingetragen wurde und dies nach § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG grundsätzlich die vorherige Einzahlung eines Viertels des Stammkapitals erfordert, ist als Nachweis nicht ausreichend. Wie sich aus § 8 Abs. 2 GmbHG ergibt, erfolgt die Eintragung durch die Amtsgerichte regelmäßig auf Basis einer entsprechenden Versicherung der GmbH-Beteiligten. Ein Nachweis über die Einzahlung ist lediglich in Ausnahmefällen erforderlich (vgl. hierzu Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27.05.1992 20 W 134/92, NJW-RR 1992, 1253). Dass die Klägerin die Einzahlung gegenüber dem Amtsgericht ausnahmsweise nachweisen musste, ist jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
Das Verlangen nach weiteren Nachweisen über die Einzahlung der Stammeinlage ist auch nicht unverhältnismäßig. Unabhängig von den steuerlichen Aufbewahrungspflichten obliegt es einem GmbH-Beteiligten im eigenen Interesse, nicht nur für den Fall von steuerlichen, sondern auch von zivilrechtlichen Streitigkeiten über die Einzahlung des Stammkapitals Zahlungsnachweise hierüber aufzubewahren.
Eine Ausnahme von den strengen Beweisanforderungen war im Streitfalle nicht zu machen. Zwar sind nach der Zivilrechtsprechung diesbezügliche Ausnahmen grundsätzlich möglich, so etwa bei besonders langem Zeitablauf, nach Erbfall oder bei Verlust von Nachweisen aufgrund höherer Gewalt und gleichzeitigem Zeugenbeweis. Der Klägervortrag bietet jedoch hierfür keinen Anlass.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.