Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 16.04.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 11.10.2007 – 2 K 675/07

    Das durch das StBereinG 1999 vom 22.12.1999 mit Wirkung zum 1.1.1999 eingeführte Kumulierungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 4 InvZulG 1999 dient nur der Klarstellung und ist auf Investitionen im Jahr 1999 anzuwenden. Der rückwirkende Ausschluss der Investitionszulage für nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Gebäude, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.


    Tatbestand


    Streitig ist, ob der Gewährung von Investitionszulage gemäß § 3 InvZulG 1999 für 1999 und 2000 das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 4 InvZulG 1999 entgegensteht.


    Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 23. September 1997 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Ankauf, die Sanierung, die Verwaltung und die Veräußerung von Immobilien.


    Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 20. November 1998 das bebaute Grundstück D.-straße 11 in L. und veräußerte es mit notariellem Vertrag vom 7. November 1998 an die Seh. & F. GbR. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin das Gebäude vertragsgerecht herzustellen. Das Gebäude wurde bis zum 29. Dezember 1999 fertig gestellt. Die Herstellungskosten beliefen sich auf DM 1.305.200,13. Die zu entgeltlichen Wohnzwecken überlassene Nutzungsfläche betrug 876 m². Der Erwerber nahm Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch.


    Mit notariellen Verträgen vom 24. November 1998 erwarb die Grundinvest L. GbR, deren Gesellschafterinnen die Klägerin und die L-Konzept Baumanagement GmbH waren, das bebaute Grundstück M. Straße 35 in L. sowie das bebaute Grundstück R.-straße 12 in L. und veräußerte die Grundstücke am 7. Dezember 1998 an S.V. und E. St. bzw. M.B.. Zugleich verpflichtete sich die Grundinvest L. GbR die Gebäude vertragsgerecht herzustellen. Am 8. Mai 2000 vereinbarten die Klägerin und die L-Konzept Baumanagement GmbH, dass Bauträger hinsichtlich der Grundstücke R.-straße 12 und M. Straße 35 die Klägerin sein sollte, die die gesamte Abwicklung der Baumaßnahmen übernimmt. Die Sanierung des Gebäudes M. Straße 15 erfolgte bis zum 15. Dezember 1999, die des Gebäudes R.-straße 12 bis zum 1. Februar 2000. Die Sanierung der Gebäude hatte die Klägerin mit Generalunternehmerverträgen vom 22. April 1999 und 23. Juli 1999 der H. Schm. GmbH & Co. Generalbau KG übertragen. Die Herstellungskosten für das Gebäude M. Straße 35 beliefen sich auf DM 869.089,26, die für das Gebäude R.-straße 12 sich 1999 auf DM 361.108,00 und 2000 auf DM 1.317.480,00. Die zu entgeltlichen Wohnzwecken überlassene Nutzungsfläche des Gebäudes M. Straße 35 betrug 621 m² und die des Gebäudes R.-straße 12.706 m². Die Erwerber beider Grundstücke nahmen Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch.


    Am 19. Dezember 2003 und 23. Dezember 2004 reichte die Klägerin für 1999 und 2000 Investitionszulagenanträge nach § 3 InvZulG 1999 für nachträgliche Herstellungskosten an den Gebäuden D.-straße 11, M. Straße 35 und R.-straße 12 ein. Mit Bescheiden vom 10. Februar 2005 setzte der Beklagte die Investitionszulage auf jeweils EUR 0 fest, da die Erwerber Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch genommen hatten. Die dagegen am 8. März 2005 und 10. März 2005 eingelegten Einsprüche wies der Beklagte am 7. März 2007 zurück. Mit der am 5. April 2007 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


    Die Klägerin bringt vor, ihr stehe als wirtschaftlicher Eigentümerin die Investitionszulage zu. Das in § 3 Abs. 1 S. 4 InvZulG mit der Gesetzesänderung vom 22. Dezember 1999 aufgenommene und zum 1. Januar 1999 rückwirkend in Kraft getretene Kumulationsverbot stelle eine verfassungswidrige faktisch echte, zumindest aber unechte, Rückwirkung dar. Sie habe durch den Ankauf und den Verkauf mit Sanierungsverpflichtung 1998 verbindliche Investitionsentscheidungen auch im Hinblick auf die Gewährung der Investitionszulage getroffen. Diese von ihr getroffenen Dispositionen seien schutzwürdig, denen keine zwingenden Gründe des allgemeinen Wohls entgegenstehen würden. Der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 18. Mai 2006 sei entgegenzuhalten, dass sich der Steuerpflichtige auf die Gesetzgebung verlassen können müsse. Es könne nicht erwartet werden, dass sie bei der Interpretation und Anwendung eines Gesetzes aus eigenen Überlegungen heraus und aus dem Studium der Entstehungsgeschichte des InvZulG 1999 selbst eine Lücke erkennen solle. Da die alte Fassung des § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 bereits diverse Kumulationsverbote enthalten habe, habe auch kein Anlass bestanden zu vermuten, dass der Gesetzeswortlaut im Hinblick auf die Kumulierung von Investitionszulage und Sonderabschreibung unvollständig sein könnte. Die vom Bundesfinanzhof vorgenommene teleologische Reduktion sei nicht mit den anerkannten Grundsätzen der Gesetzesauslegung vereinbar. Weder in den Gesetzesmaterialien noch in der Gesetzessystematik fänden sich Anknüpfungstatsachen für die vom Bundesfinanzhof vorgenommene Auslegung des Gesetzes. Des Weiteren stehe die Entscheidung vom 18. Mai 2006 auch im Widerspruch zu der Entscheidung vom 14. Dezember 2006, in der er das Kumulationsverbot für Investitionszulage mit erhöhten Absetzungen für Investitionen, die vor der endgültigen Beschlussfassung des InvZulG am 20. Dezember 1999 begonnen worden sind, für nicht anwendbar erachtet habe.


    Die Klägerin beantragt,


    die Bescheide über die Investitionszulage 1999 und 2000 vom 10. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2007 dahingehend zu ändern, dass ihr eine Investitionszulage für 1999 in Höhe von EUR 165.083,98 und für 2000 in Höhe von EUR 64.591,51 bewilligt wird.


    Der Beklagte beantragt,


    die Klage abzuweisen.


    Der Beklagte bringt vor, dem Anspruch der Klägerin stehe das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 4 InvZulG 1999 entgegen. Das durch das StBereinG 1999 in § 3 InvZulG aufgenommene Kumulationsverbot diene nur der Klarstellung und beinhalte keine unzulässige Rückwirkung.


    Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die zu Gericht gereichten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2007 Bezug genommen.

     

    Entscheidungsgründe


    Die zulässige Klage ist unbegründet.


    I. Die angegriffenen Investitionszulagenbescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).


    Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999. Die Klägerin ist zwar wirtschaftliche Eigentümerin der Gebäude, für die sie die angegebenen Aufwendungen getätigt hat, dem Anspruch der Klägerin steht jedoch das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 S. 4 InvZulG 1999 entgegen.


    Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1999 sind – neben weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen – begünstigte Investitionen nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind. Im Falle nachträglicher Herstellungsarbeiten kann Satz 1 nur angewendet werden, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude keine Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt (§ 3 Abs. 1 S. 4 InvZulG 1999). Die Erwerber haben jedoch vorliegend Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietgesetz in Anspruch genommen.


    Das Kumulierungsverbot ist auch wirksam. § 3 Abs. 1 S. 4 InvZulG 1999 wurde durch Art. 8 Nr. 2, Art. 28 des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22. Dezember 1999 (Steuerbereinigungsgesetz, BGBl 1999 I S. 2601) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 eingeführt. Es ist auf – wie vorliegend – Investitionen im Jahr 1999 anzuwenden, da der Anspruch auf Investitionszulage gemäß § 3 Abs. 3 InvZulG 1999 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Investitionen vorgenommen worden sind, entsteht. Der rückwirkende Ausschluss der Investitionszulage für nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Gebäude, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, da er nur der Klarstellung dient (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2006, BStBl 2006 II S. 776). Bereits nach § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 in seiner ursprünglichen Fassung vom 18. August 1997 ( BGBl 1997 I S. 2070) war der entgegen dem Gesetzeszweck zu weit gefasste Wortlaut im Wege der ergänzenden Rechtsfortbildung dahingehend einzuschränken, dass dem Veräußerer, der das Gebäude hergestellt oder Sanierungsmaßnahmen durchgeführt hat, keine Investitionszulage zustand, wenn der Erwerber Sonderabschreibungen nach dem Fördergebiets- oder Investitionszulagengesetz für Anzahlungen auf Anschaffungskosten in Anspruch genommen hatte (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2006, a.a.O.). Es besteht kein Anlass von der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 18. Mai 2006 (a.a.O.) abzuweichen. Diese Entscheidung steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 14. Dezember 2006 (III R 27/03, BStBl. 2007, 332). Darin hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass das mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22. Dezember 1999 (a.a.O.) in § 3 Abs. 1 S. 2 InvZulG 1999 rückwirkend eingeführte Kumulationsverbot von Investitionszulage mit erhöhten Absetzungen nicht wirksam ist. Anders als bei der Mehrfachbegünstigung durch Investitionszulage nach dem InvZulG 1999 und Sonderabschreibungen nach dem Fordergebietsgesetz scheidet bei der Doppelbegünstigung durch Investitionszulage beim Bauträger und erhöhten Absetzungen beim Erwerber jedoch eine ergänzende Rechtsfortbildung aus, die für das Zusammentreffen von Investitionszulagengesetz und Fördergebietsgesetz vorlag. Dem InvZulG 1999 liegt zwar kein Prinzip zugrunde, wonach jede Doppelförderung ausgeschlossen ist, aus der fehlenden Doppelförderung nach dem Fördergebietsgesetz und den bereits vor der Änderung des § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 durch StBereinG 1999 bestehenden Kumulationsverboten ergibt sich jedoch, dass eine Doppelförderung durch Sonderabschreibungen und Investitionszulage ausgeschlossen werden sollte. Da es sich insoweit nur um eine Klarstellung des Gesetzgebers handelte, steht auch der bei einer echten Rückwirkung geltende Vertrauens- und Dispositionsschutz nicht entgegen.


    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenInvZulG 1999 § 3 Abs. 1 S. 4