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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 16.12.2008 – 8 K 4495/07 E

    - Der Verbrauch des Freibetrages für Veräußerungsgewinne gem. § 16 Abs. 4 EStG tritt auch dann ein, wenn er in der Vergangenheit zu Unrecht gewährt worden ist und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.


    - Dies gilt auch bei einem zwischenzeitlichen Wechsel der Einkunftsart, da die Einmaligkeit des Freibetrages personenbezogen ist.


    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs. 4 des

    Einkommensteuergesetzes (EStG).

    Die Kläger sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Arzt und war im Veranlagungszeitraum 1997 an der Arztpraxis A & B beteiligt. Aus dieser Beteiligung erzielte er im Veranlagungszeitraum 1997 neben laufenden Einkünften einen Veräußerungsgewinn i.H. von 50.000 DM. In der Einkommensteuererklärung 1997 gab der Kläger die laufenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 288.278 DM an und trug auf der Anlage GSE zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb in der Zeile „Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wird nicht beantragt oder ist nicht zu gewähren” (Zeile 14) einen Betrag von 50.000 DM ein. Des Weiteren wies er in der Anlage GSE auf eine Beteiligung an C hin. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zog bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 01. Oktober 1998 von dem Veräußerungsgewinn i.H. von 50.000 DM einen Freibetrag von 50.000 DM ab, sodass der Veräußerungsgewinn im Ergebnis unberücksichtigt blieb. In der Folgezeit änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1997 wegen geänderter Feststellungsbescheide mehrmals. Im Änderungsbescheid vom 19. Mai 1999 erfasste es einen um 50.000 DM höheren Gewinn aus der Praxisbeteiligung des Klägers. Mit Einspruchsschreiben vom 27. Mai 1999 wies der Kläger darauf hin, dass der Veräußerungsgewinn i.H. von 50.000 DM doppelt erfasst worden sei. Das FA gab dem Einspruch statt und korrigierte diesen Fehler im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 28. Juni 1999.

    In der Einkommensteuererklärung 2003 (Streitjahr) wiesen die Kläger in der Anlage GSE auf die Beteiligung des Klägers an C hin, machten aber keine Angaben zur Höhe der Einkünfte. Dem Einkommensteuerbescheid 2003 vom 27. Juli 2004 und dem Änderungsbescheid vom 08. September 2004 lagen keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu Grunde. Aufgrund eines Feststellungsbescheides 2003 vom 14. März 2005, in dem das Finanzamt Y neben laufenden Einkünften und Sonderbetriebsausgaben auch ein „anzusetzendes Veräußerungsergebnis” von 71.928,52 Euro festgestellt hatte, änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 2003 am 11. Mai 2005 erneut. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie den Ansatz des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG beantragten. Für den Veranlagungszeitraum 1997 habe der Kläger keinen Freibetrag beantragt. Ein solcher habe ihm damals auch nicht zugestanden, da er erst am 17. Juli 1998 das 55. Lebensjahr vollendet habe. Nachdem das FA den Einkommensteuerbescheid 2003 aus hier nicht maßgeblichen Gründen am 17. August 2007 erneut geändert hatte, wies es den Einspruch mit Entscheidung vom 30. Oktober 2007 als unbegründet zurück.

    Mit ihrer Klage führen die Kläger aus, der vom FA im Einkommensteuerbescheid 1997 erfasste Freibetrag von 50.000 DM sei materiell fehlerhaft berücksichtigt worden, da ohne Antrag und Erfüllung der Altersvoraussetzungen die Tatbestandsmerkmale des § 16 Abs. 4 EStG nicht erfüllt gewesen seien. Bei sorgfältiger Bearbeitung des wegen der Doppelerfassung des Veräußerungsgewinns eingelegten Einspruchs hätte das FA den Fehler feststellen müssen. Damals sei eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1997 auch noch möglich gewesen. Bis zum 31. Dezember 2002 hätte das FA den Einkommensteuerbescheid 1997 nach § 129 der Abgabenordnung (AO) berichtigen können. Da der Einkommensteuerbescheid 1997 materiell rechtswidrig sei, sei der Anspruch auf den Freibetrag nicht verbraucht und könne bei der Einkommensteuerveranlagung 2003 noch berücksichtigt werden.

    Die Kläger beantragen,

    unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 17. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2007 die Einkommensteuer 2003 in der Weise herabzusetzen, dass ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F. i.H. von 51.200 Euro berücksichtigt wird.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung trägt es unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vor, es sei unbeachtlich, dass der Freibetrag im Veranlagungszeitraum 1997 zu Unrecht gewährt worden sei, denn der Einkommensteuerbescheid 1997 habe Wirksamkeit erlangt. Der Kläger habe den Freibetrag für den Veranlagungszeitraum 1997 zwar nicht beantragt, aber er habe die unzutreffende Einkommensteuerfestsetzung gegen sich gelten lassen. Dies auch dann noch, als der Veräußerungsgewinn Gegenstand eines Einspruchsverfahrens geworden sei. Da der Antrag weder an eine Form noch an eine Frist gebunden sei, könne dieses Verhalten als Antrag gewertet werden. Unabhängig davon sei der Freibetrag in der Weise objektbeschränkt, dass er jedem Steuerpflichtigen in seinem Leben nur einmal zu gewähren sei. Damit sei er durch die Berücksichtigung im Veranlagungszeitraum 1997 bereits verbraucht. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 sei nicht mehr möglich gewesen, als die Kläger die Minderung des Veräußerungsgewinns 2003 durch einen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG beantragt hätten.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Zu Recht hat das FA im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2003 keinen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG berücksichtigt, denn dem Kläger ist bereits im Veranlagungszeitraum 1997 ein solcher Freibetrag gewährt worden.

    1. Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 51.200 Euro übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 1 EStG a.F., heute 45.000 Euro). Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG ist der Freibetrag dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren, wobei Veräußerungen und Betriebsaufgaben vor dem 01. Januar 1996 nicht angerechnet werden (§ 52 Abs. 34 Satz 5 EStG).

    2. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F. kann dem Kläger im Veranlagungszeitraum 2003 nicht (nochmals) gewährt werden, da er ihm bereits für den Veranlagungszeitraum 1997 gewährt worden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Ansicht des FA zuzustimmen ist, die widerspruchslose Hinnahme eines vom FA erfassten Freibetrages stelle einen Antrag dar. Auch wenn der Freibetrag im Einkommensteuerbescheid 1997 ohne Antrag des Klägers berücksichtigt worden sein sollte und dieser Verwaltungsakt damit an zwei Rechtsfehlern (Nichtvollendung des 55. Lebensjahres im Jahr 1997 und fehlender Antrag) leiden würde, änderte dies nichts daran, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG tatsächlich bei der Einkommensteuerfestsetzung 1997 berücksichtigt worden ist.

    Der Verbrauch des Freibetrages tritt auch dann ein, wenn er in der Vergangenheit zu Unrecht gewährt worden ist und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 02. Juni 2008 5 V 61/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1294; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08. März 1994 IX R 12/90, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 1994, 785, unter 2. der Gründe, zur vergleichbaren Problematik beim Objektverbrauch nach § 7b EStG a.F.). Als die Kläger den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG für den Veranlagungszeitraum 2003 beantragten, konnte seine Erfassung im Einkommensteuerbescheid 1997 nicht mehr rückgängig gemacht werden. Für die Einkommensteuerfestsetzung 1997 war mit Ablauf des Jahres 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten.

    Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Freibetragsgewährung an. Vielmehr ist maßgeblich, dass die Steuervergünstigung nach § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen wurde, die sich auch auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat. Wenn der Kläger sich den Freibetrag nicht schon für den Veräußerungsgewinn im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Arztpraxis A & B im Jahr 1997 hätte gewähren lassen, sondern sich die Inanspruchnahmemöglichkeit für einen späteren Veräußerungsgewinn vorbehalten wollen, hätte er die Einkommensteuerfestsetzung 1997, in der das FA den Freibetrag ohne Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen angesetzt hatte, mit dem Einspruch anfechten oder einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO stellen müssen. Den Klägern war aus der im Einkommensteuerbescheid 1997 enthaltenen Berechnung der Einkünfte und auch aus dem später von ihnen geführten Einspruchsverfahren wegen der „Doppelerfassung” des Veräußerungsgewinns von 50.000 DM bekannt, dass das FA einen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG berücksichtigt hatte.

    3. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG ist dem Kläger im Streitjahr 2003 auch nicht deshalb zu gewähren, weil er ihn für einen Veräußerungsgewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb begehrt. Zwar hat das FA den Freibetrag im Veranlagungszeitraum 1997 für einen Veräußerungsgewinn bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit im Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an einer Arztpraxis und damit für eine andere Einkunftsart berücksichtigt. Allerdings gilt der in § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG enthaltene Grundsatz der Einmalgewährung absolut und damit einkünfteübergreifend. Der Freibetrag für den als Mitunternehmer an einem Gewerbebetrieb beteiligten Steuerpflichtigen ist verbraucht, wenn der Steuerpflichtige ihn als an einer freiberuflichen Praxis beteiligter Mitunternehmer in Anspruch genommen hat (ebenso Kanzler, Finanz-Rundschau -FR- 2000, 1245, 1254; Reiß in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., 2008, § 16 Rz. 508; Kaufmann in Frotscher, EStG, § 16 Rz. 257; R 139 Abs. 13 Satz 5 Einkommensteuer-Richtlinien -EStR- 2003, und R 16 Abs. 13 Satz 5 EStR 2007). Der Freibetrag ist nicht einkunftsart-, sondern personenbezogen zu berücksichtigen.

    Der Senat vermag sich der gegenteiligen Ansicht, der Freibetrag sei für jede der drei Gewinneinkunftsarten je einmal zu gewähren (so Paus, Die Information über Steuer und Wirtschaft, 1995, 577, 586; Wendt, FR 2000, 1199 Fn. 5; Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl., 2008, § 16 Rz. 581; Kobor in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Anm. 530; Gänger in Bordewin/Brandt, EStG, § 16 Rz. 258; Stahl in Korn, EStG, § 16 Rz. 418), nicht anzuschließen. Sowohl § 14 Satz 2 EStG (mit Einschränkung) als auch § 18 Abs. 3 EStG erklären § 16 Abs. 4 EStG für entsprechend anwendbar. Dabei handelt es sich nicht um eine Rechtsfolgen-, sondern um eine Rechtsgrundverweisung (Kanzler, FR 2000, 1245, 1254), mit der Folge, dass der Freibetrag nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist. § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG regelt, dass der Freibetrag „dem Steuerpflichtigen” nur einmal zu gewähren ist. Damit kann dem Selbständigen, gleich ob er einen Veräußerungsgewinn aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, aus einem gewerblichen Betrieb oder einer freiberuflichen Praxis erzielt, nur insgesamt einmal (mit Ausnahme der für vor dem 01. Januar 1996 in Anspruch genommenen Freibeträge) ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG gewährt werden. Es handelt sich stets um denselben „Steuerpflichtigen”, für den der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nur einmal (in seinem Leben) zu gewähren ist.

    4. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG einkunftsartbezogen ist oder nicht, zugelassen.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 16 Abs. 4 Satz 1, EStG § 16 Abs. 4 Satz 2, EStG § 18 Abs. 3