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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.06.2007 – 11 K 5026/04 L

    1) Beruft sich ein Geschäftsführer einer GmbH darauf, am Fälligkeitstag der Lohnsteuerabführung von gerichtlicher Seite den Rat erhalten zu haben, keine weiteren Zahlungen zu leisten, so muss er dies zur Abwendung der Haftung auch beweisen. Dies gilt ebenso für einen vorgetragenen Ratschlag eines Insolvenzverwalters, der drei Tage nach Fälligkeit erfolgt sein soll.

    2) Die Haftung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es u.U. zu einer Insolvenzanfechtung der Zahlung der Lohnsteuer an das Finanzamt hätte kommen können, da dieser Geschehensablauf nur hypothetisch ist. Insoweit folgt der Senat nicht der Rechtsprechung des FG Berlin v. 27.2.2006 - 9 K 9114/05, EFG 2005, 1122 und FG Rh.-Pf. v. 13.10.2005 - 6 K 2803/04, EFG 2005, 83.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 22.06.2007, an der teilgenommen haben:

    Vorsitzender Richter am Finanzgericht …

    Richter am Finanzgericht …

    Richterin am Finanzgericht …

    Ehrenamtliche Richterin …

    Ehrenamtlicher Richter …

    auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.

    Der Kläger war zusammen mit Herrn S. E. Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer der … GmbH (im Folgenden kurz: GmbH). Mehrheitsgesellschafter mit einem Anteil von über 75 % war Herr L1. C. Q.. Die Gesellschaft entwickelte Software.

    Die Lohnsteueranmeldung 07/2001 über insgesamt … DM / … EUR ging am 06.08.2001 beim Finanzamt ein. Am 10.08.2001 stellten der Kläger und Herr E. für die GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht C1. (… IN …/01). Mit Beschluss vom gleichen Tage (Bl. 66 der Akte) beauftragte die Richterin C. Herrn Rechtsanwalt I. mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Am 10.09.2001 wurde Herr I. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und am 31.10.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

    Mit Haftungsbescheiden vom 16.04.2003 nahm der Beklagte sowohl den Kläger als auch Herrn E. für die Lohnsteuer 07/2001 nebst Kirchensteuer, Solidaritätszuschlägen und Säumniszuschlägen i.H.v. insgesamt … EUR in Haftung. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos.

    Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des an ihn gerichteten Haftungsbescheides.

    Er ist der Ansicht, dass ihm keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung i.S.d. § 69 AO vorzuwerfen sei. Dazu, dass die Lohnsteuer 07/2001 nicht bei Fälligkeit am 10.08.2001 entrichtet worden sei, sei es wie folgt gekommen:

    Zu dem Zeitpunkt, als die Gehälter für Juli 2001 ausgezahlt worden seien, sei die GmbH zahlungsfähig gewesen, so dass kein Anlass bestanden habe, die Gehälter zu kürzen. Zwar habe am 31.07.2001 eine buchmäßige Überschuldung von fast 8 Mio EUR vorgelegen, welche jedoch nicht zur Zahlungsunfähigkeit geführt habe, da der Hauptgesellschafter Q. die Finanzierung der Gesellschaft während der Entwicklung der Software „…” durch Darlehen mit Rangrücktritt gesichert habe. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei erst am 03.08.2001 eingetreten, nachdem Herr Q. bekannt gegeben habe, dass er die Finanzierung der GmbH nicht länger abdecken könne. Dies sei völlig überraschend gekommen, da Herr Q. noch eine Woche zuvor sein Interesse an der Fortführung der GmbH bekräftigt und einen Teilbetrag von 350.000 DM auf das am 29.06.2001 vereinbarte Darlehen über 950.000 DM (Bl. 71-75 der Akte) eingezahlt habe.

    Zunächst habe man noch versucht, andere Geldquellen zu finden. Da die Bemühungen jedoch erfolglos geblieben seien und absehbar gewesen sei, dass die GmbH die Gehälter für August 2001 nicht mehr würde zahlen können, sei er – der Kläger – am Freitag, dem 10.08.2001, zusammen mit Herrn E. zum Amtsgericht C1. gegangen, um dort einen Insolvenzantrag zu stellen.

    Nachdem sie den Insolvenzantrag ausgefüllt und unterschrieben hätten, hätten sie darum gebeten, mit einem Richter sprechen zu können. Diese Bitte sei zunächst als unüblich abgetan worden, jedoch hätten sie dann einen Termin bei der Richterin C. bekommen. Nach ungefähr einer halben Stunde Wartezeit hätten sie für ungefähr 10 bis 15 Minuten mit der Richterin sprechen können. Der Richterin sei zunächst die Sachlage dargelegt worden und dann sei sie explizit danach gefragt worden, was für Zahlungen der Kläger und Herr E. für die GmbH noch vornehmen dürften. Hieraufhin habe die Richterin gesagt, dass zunächst sämtliche Zahlungen eingestellt werden sollen. Darüber hinaus sei mit der Richterin darüber gesprochen worden, ob die GmbH einen Insolvenzverwalter zur Seite gestellt bekommen könne. Dieser Punkt sei ebenfalls besonders wichtig gewesen, da der Kläger und Herr E. an der Rettung des Unternehmens interessiert gewesen seien. Die Richterin habe darauf hingewiesen, dass sie mit der auf der anderen Straßenseite gelegenen Kanzlei K. und Partner, insbesondere mit Herrn Rechtsanwalt I., bisher gute Erfahrungen gemacht habe.

    Nach dem Gespräch mit der Richterin seien der Kläger und Herr E. daher sofort zu der besagten Kanzlei gegangen und hätten um einen Termin bei Herrn I. gebeten.

    Nach einiger Wartezeit hätten sie mit Herrn I. sprechen können, diesem die Situation geschildert und dabei auch wiederholt, was die Richterin gesagt habe. Herr I. habe erwidert, dass er im Moment keine Zeit habe und zu der Sache nichts sagen könne, er werde jedoch am daraufkommenden Montag (13.08.2001) vorbeikommen. So sei es auch geschehen. Bei dem Gespräch am Montag sei die ganze Sachlage noch einmal ausführlich besprochen worden. Dabei habe Herr I. ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger und Herr E. keine weiteren Zahlungen mehr leisten sollten. Diese Äußerung habe er auch gegenüber dem Leiter der Finanzen Herrn L2. gemacht. Herrn I. sei explizit auf die rückständige Lohnsteuer angesprochen worden. Er habe dabei bestätigt, dass diese nicht gezahlt werden solle. Deshalb sei die Zahlung in der Folgezeit auch nicht – insbesondere nicht innerhalb der fünftägigen Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO – nachgeholt worden.

    Am 31.07.2001 seien liquide Mittel i.H.v. … EUR und Aktivforderungen i.H.v. … EUR vorhanden gewesen und am 31.08.2001 liquide Mittel i.H.v. … EUR und Aktivforderungen i.H.v. … EUR (Bl. 76 der Akte); zudem habe die Möglichkeit bestanden, bei der Hausbank kurzfristig ein Darlehen aufzunehmen. In dem Zeitpunkt, als der Insolvenzantrag gestellt worden sei, habe die GmbH somit über genügend Mittel verfügt, um die Lohnsteuer 07/2001 i.H.v. rd. … EUR zu zahlen. Aufgrund der Äußerungen der Richterin C. und des Rechtsanwalts I. hätten der Kläger und Herr E. sich jedoch nicht länger berechtigt gefühlt, Zahlungen für die GmbH anzuweisen.

    Der Kläger ist der Ansicht, dass überhaupt nicht die Rede davon sein könne, dass die Nichtzahlung der Lohnsteuer 07/2001 auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhe. Denn schließlich hätten er und Herr E. sich aktiv darum bemüht, in Erfahrung zu bringen, ob sie noch Zahlungen an Gläubiger erbringen dürften, und auf die Auskünfte der Richterin C. und des Rechtsanwalts I. vertraut.

    Außerdem verbiete es § 64 Abs. 2 GmbHG, Zahlungen an Dritte zu erbringen, nachdem die drohende Zahlungsunfähigkeit erkannt worden sei. Sollte er sich hinsichtlich der Rechtsfolgen des § 64 Abs. 2 GmbHG geirrt haben, liege ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor, der ein grob fahrlässiges Handeln ebenfalls ausschließe.

    Dass sie – der Kläger und Herr E. – ihre Geschäftsführerposten gewissenhaft und pflichtbewusst ausgeübt hätten, werde auch dadurch bestätigt, dass sie den Insolvenzantrag schon zu einem Zeitpunkt gestellt hätten, in dem eigentlich noch Mittel vorhanden gewesen seien, die Zahlungsunfähigkeit jedoch absehbar gewesen sei. Hierdurch sei der Bestand des Vermögens der GmbH gesichert worden.

    Wäre die Lohnsteuer 07/2001 gezahlt worden, wäre die Zahlung nach den Aussagen des Insolvenzverwalters I. im Übrigen angefochten worden. Selbst wenn man eine Pflichtverletzung annehmen wolle, sei diese für den Steuerausfall nicht kausal.

    Der Haftungsbescheid sei auch in formeller Hinsicht rechtswidrig, da er nicht erkennen lasse, wie der Beklagte auf die im Haftungsbescheid genannten Werte komme. Im Schreiben des Finanzamts vom 23.11.2001 sei die offene Lohnsteuer noch mit … EUR beziffert worden, im Haftungsbescheid dagegen nur mit … EUR, ohne dass erkennbar sei, wie die Differenz zustande gekommen sei.

    Rechtswidrig sei es auch, die Haftungssumme von beiden Geschäftsführern in voller Höhe und damit doppelt einzufordern, obwohl sie nur einmal geschuldet sei.

    Auch habe der Beklagte nicht begründet, warum er weder die GmbH noch die Arbeitnehmer für die Lohnsteuer in Haftung genommen habe. Der Haftungsbescheid sei daher ermessensfehlerhaft.

    Der Kläger beantragt,

    den Haftungsbescheid vom 16.04.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 24.08.2004 aufzuheben.

    Der Beklagte ist damit einverstanden, dass die Haftung für die Säumniszuschläge aufgehoben wird, und beantragt im Übrigen,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Ansicht, dass die Nichtzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt ein grob fahrlässiges Verhalten indiziere und der Kläger seine Behauptung, er sei insoweit einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen, nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Steuerakte verwiesen.

    Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen C., I. und L2.. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

    Gründe

    II.

    Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

    Der Beklagte hat den Kläger für die rückständige Lohnsteuer 7/2001 – mit Ausnahme für die Säumniszuschläge – rechtmäßigerweise nach §§ 69, 34, 35 AO in Haftung genommen.

    1. Der Kläger handelte objektiv pflichtwidrig, da er als Geschäftsführer dafür verantwortlich war, die für den Monat 7/2001 einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer bis zum 10. des Folgemonats (§ 41 a Abs. 1 EStG) an das Finanzamt abzuführen, und er dies unterlassen hat. Der Umstand, dass im Laufe des 10.08.2001 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist, änderte an der Verpflichtung des Klägers, die Lohnsteuer 7/2001 bis zum Ablauf des 10.08.2001 zu entrichten, nichts. Die bloße Antragstellung hat auf die Verfügungsbefugnis des Geschäftsführers keinen Einfluss. Diese entfällt erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. mit der Bestellung eines sog. „starken” vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 22 Abs. 1 InsO. Beides lag im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuerschuld nicht vor.

    Der Kläger handelte auch – zumindest – grob fahrlässig. Denn ihm war bewusst, dass die Lohnsteuer 7/2001 am 10.08.2001 fällig war, und er hat diese dennoch nicht an das Finanzamt entrichtet.

    Soweit sich der Kl. auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe beruft, vermochte er diese nicht ausreichend glaubhaft zu machen. Insbesondere ist es ihm nicht gelungen zu beweisen, dass ihm die Richterin C. am 10.08.2001 gesagt habe, er solle alle Zahlungen einstellen. Der Senat sieht es zwar als bewiesen an, dass ein Gespräch stattgefunden hat, jedoch ist der Inhalt des Gesprächs unklar. Die Zeugin C. konnte sich an den Vorfall nicht mehr erinnern, was vor dem Hintergrund, dass die Zeugin seitdem eine Vielzahl anderer Insolvenzverfahren bearbeitet hat, nicht unglaubhaft erscheint. Die Zeugen I. und L2. konnten ebenfalls nicht bestätigen, dass dem Kläger schon am 10.08.2001 gesagt worden sei, dass die Lohnsteuer nicht mehr zu zahlen sei. Zwar wird der Vortrag des Klägers von dem anderen Geschäftsführer, Herrn E., bestätigt, jedoch wird dieser in gleicher Sache vom Finanzamt in Haftung genommen und ist daher nicht als neutraler Zeuge zu werten. Bei seiner Beweiswürdigung hat der Senat zu Gunsten des Kl. berücksichtigt, dass dieser dadurch, dass er den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens alsbald nach Erkennen der drohenden Zahlungsunfähigkeit gestellt hat, sehr umsichtig gehandelt hat. Auch im Übrigen macht der Kl. einen sehr pflichtbewussten Eindruck. Dies allein reichte jedoch nicht aus, um den Senat vollends davon zu überzeugen, dass die Richterin C. am 10.08.2001 gesagt haben soll, dass der Kl. alle Zahlungen einstellen solle. Denn es war für den Senat schwer vorstellbar, dass die Richterin, die sich tagtäglich mit Insolvenzsachen befasste, eine aus ihrer Sicht sehr einfache Frage wie die nach der Verfügungsbefugnis nach Insolvenzantragstellung dermaßen falsch beantwortet haben soll. Die verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten des Klägers, da dieser die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die Umstände trägt, die seine pflichtwidrige Nichtzahlung der Lohnsteuer rechtfertigen oder entschuldigen können.

    Auch die Geschehnisse von Montag, dem 13.08.2001, oder Dienstag, dem 14.08.2001 vermögen an der Haftung des Klägers nichts zu ändern. So ist bereits fraglich, ob Geschehnisse, die erst nach Vollendung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung – hier der Nichtzahlung der Lohnsteuer 7/2001 zum 10.08.2001 – eintreten, überhaupt geeignet sind, die Haftung nachträglich entfallen zu lassen. Die Frage kann jedoch dahinstehen, da der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt ist, dass der Zeuge I. dem Kläger untersagt hat, die Lohnsteuer 7/2001 zu bezahlen. Der Zeuge I. konnte sich an das Gespräch nicht mehr konkret erinnern, räumt jedoch ein, dass er in Erstberatungsgesprächen häufiger zum Ausdruck bringe, dass er selbst – wenn er in der Position des Geschäftsführers wäre –, nicht mehr zahlen würde. Dies mag zusammen mit dem Hinweis auf eine etwaige Insolvenzanfechtung oder auf etwaige Schadensersatzpflichten nach § 64 Abs. 2 GmbHG bei dem Kläger den Eindruck erweckt haben, es sei besser, die Lohnsteuer nicht zu zahlen. Wenn dem so war, beruhte die Nichtzahlung der Lohnsteuer jedoch auf der freien Entscheidung des Klägers und nicht auf einem Irrtum über seine Verfügungsberechtigung. Der Zeuge L2. hat zwar ausgesagt, dass Herr I. in seiner Gegenwart gesagt habe, dass keinerlei Zahlungen mehr geleistet werden dürften, räumt jedoch gleichzeitig ein, dass auf die Lohnsteuer nicht konkret eingegangen worden sei. Dies steht in Widerspruch zu der Behauptung des Klägers, dass nach der Lohnsteuer explizit gefragt worden sei. Zudem legte die Befragung des Zeugen L2. ein mögliches Motiv für die Nichtzahlung offen. Denn der Zeuge L2. gab zu erkennen, dass es eine – zumindest konkludente – Absprache mit Herrn I. gegeben haben könnte dergestalt, dass die Geschäftsführer ihrerseits die Insolvenzmasse nicht durch irgendwelche Zahlungen schmälern und dafür mehr Zeit für die Suche nach neuen Investoren bekommen. Sollte dies zutreffend sein, läge ebenfalls eine bewusste Entscheidung der Geschäftsführer vor und kein Rechtsirrtum.

    § 64 Abs. 2 GmbHG steht einer Haftungsinanspruchnahme ebenfalls nicht entgegen. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung entfällt nicht dadurch, dass sie möglicherweise mit privat-rechtlichen Schadensersatzverpflichtungen konkurriert. Aus § 64 Abs. 2 GmbHG ergeben sich daher keine Entschuldigungsgründe für den Kläger (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1998, VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745).

    2. Die Nichtzahlung der Lohnsteuer war auch kausal für den Steuerausfall.

    Zwar verneinen einige Finanzgerichte in den Fällen, in denen eine Steuerzahlung nach den Vorschriften der Insolvenzordnung angefochten werden könnte, die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, da der Steuerausfall aufgrund der Anfechtung des Insolvenzverwalters auch dann eintreten würde, wenn sich der Haftungsschuldner pflichtgemäß verhalten hätte (z.B. FG Berlin, Urteil vom 27.02.2006 – 9 K 9114/05, EFG 2006, 1122; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.10.2005 – 6 K 2803/04, EFG 2005, 83 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH). Der Senat schließt sich dieser Auffassung jedoch nicht an, da hypothetische Geschehensabläufe – hier eine eventuelle Anfechtung durch den Insolvenzverwalter – generell nicht zu berücksichtigen sind (so auch FG Münster, Urteil vom 16.11.2006 – 8 K 2598/04, juris; FG Köln, Urteil vom 12.09.2005 – 8 K 5677/01, EFG 2006, 86; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteile vom 01.12.2005 – 2 K 101/04, EFG 2006, 1398 und 2 K 174/04, EFG 2006, 321; FG Düsseldorf; Urteil vom 31.01.2006 – 9 K 4573/03 H, EFG 2006, 706).

    Im Übrigen ist es im Streitfall äußerst fraglich, ob eine am 10.08.2001 erfolgte Zahlung überhaupt anfechtbar wäre. Unklar ist insoweit bereits, ob es sich bei der Abführung der Lohnsteuer um ein sogenanntes Bargeschäft gemäß § 142 InsO handelt mit der Folge, dass eine Anfechtung nur unter den erschwerten – im Streitfall nicht vorliegenden – Bedingungen des § 133 Abs. 1 InsO erfolgen darf, oder ob sich die Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 InsO richtet (s. BFH, Beschluss vom 09.12.2005 – VII B 124/05, BFH/NV 2006, 897). Selbst wenn man zu der Entscheidung käme, dass § 130 Abs. 1 InsO anwendbar ist, wäre die Anfechtungsmöglichkeit weiter zweifelhaft, da diese Vorschrift Kenntnis des Zahlungsempfängers von dem Eröffnungsantrag oder der Zahlungsunfähigkeit voraussetzt, Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 InsO am 10.08.2001 jedoch noch nicht vorlag. Diese Fragen sind jedoch nicht entscheidungserheblich, wenn man einen Einfluss einer etwaigen Anfechtbarkeit auf die Kausalität – so wie vom Senat vertreten – stets verneint.

    3. Hinsichtlich der Säumniszuschläge fehlt es an einer hinreichenden Begründung, denn es ist nicht erkennbar, für welchen Zeitraum die Säumniszuschläge erhoben werden. Unklar ist auch, ob es sich bei den … EUR um Säumniszuschläge nur auf die Lohnsteuer und/oder auch auf den Solidaritätszuschlag handelt. Der Haftungsbescheid war daher aufzuheben, soweit sich dieser auf die Säumniszuschläge erstreckt.

    Im Übrigen ist der Haftungsbescheid formell rechtmäßig. Insbesondere bedurfte es keiner ausführlichen Begründung, durch welche Umbuchungen/ Tilgungsmaßnahmen sich die ursprünglich angemeldete Steuerschuld bis zum Zeitpunkt des Haftungsbescheids reduziert hat.

    Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Im Haftungsbescheid sind zwar keine Ermessenserwägungen dargestellt, jedoch ist ein etwaiger Ermessensnichtgebrauch durch die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung geheilt. Der Beklagte hat in der Einspruchsentscheidung insbesondere begründet, warum er weder eine vorrangige Inanspruchnahme der GmbH noch der Arbeitnehmer für geboten hält. Die Ausführungen lassen keinen Ermessenfehler i.S.d. § 102 FGO erkennen, zumal es vor dem Hintergrund, dass die Inanspruchnahme einer sich bereits im Insolvenzverfahren befindlichen GmbH regelmäßig nicht erfolgversprechend ist, insoweit keiner umfangreichen Darlegung des Auswahlsermessens bedurfte. Dies gilt auch im Hinblick auf eine etwaige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer, da die Lohnsteuer einbehalten und angemeldet worden ist und die Voraussetzungen des § 42 d Abs. 3 Satz 4 EStG daher offensichtlich nicht vorlagen.

    Dass der Beklagte sowohl den Kläger als auch Herrn E. jeweils in voller Höhe in Haftung genommen hat, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Denn Personen, die nebeneinander für dieselbe Leistung haften, sind gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 AO Gesamtschuldner und jeder Gesamtschuldner schuldet gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 AO die gesamte Leistung.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Die Revision wurde im Hinblick darauf, dass die Frage, welche Auswirkungen eine etwaige Anfechtbarkeit einer Zahlung auf die Haftung eines Geschäftsführers hat, innerhalb der Finanzgerichtsbarkeit unterschiedlich entschieden wird, nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenAO § 34, AO § 35, GmbHG § 64 Abs. 2, AO § 69