08.01.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 26.01.2006 – 10 K 99/03
Nach der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 ist bei der Ermittlung der im Veranlagungszeitraum 2001 abziehbaren Schuldzinsen davon auszugehen, dass das Anfangskapital im ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr Null DM betragen hat. Eine Berücksichtigung von Überentnahmen oder Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1.1.1999 endeten, ist danach ausgeschlossen.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 10. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2006 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Anschrift: Finanzgericht Baden-Württemberg – Außensenate Karlsruhe –, Postfach 10 01 08, 76231 Karlsruhe
Dienstgebäude: Moltkestraße 80, 76133 Karlsruhe
Fernsprecher: 0721 926 5282, Fax: 926 5292, E-Mail: Poststelle@FGKarlsruhe.justiz.bwl.de
Verkehrsverbindung: Haltestelle Moltkestraße
Tatbestand
Streitig ist, ob im Veranlagungszeitraum 2001 bei der Ermittlung der nichtabziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG auch Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem An- und Verkauf von Immobilien. Nach der für das Streitjahr 2001 vorgelegten Bilanz überstiegen die Entnahmen den Gewinn und die Einlagen wie folgt (Überentnahmen):
Entnahmen | 949.178,17 DM |
- Gewinn | -391.728,01 DM |
- Einlagen | -342.674,12 DM |
= Überentnahmen | 214.776,04 DM |
Im Jahr 1999 betrugen die Überentnahmen 447.907,75 DM, im Jahr 2000 lagen Unterentnahmen in Höhe von 296.902,75 DM vor. Das Anfangskapital zum 1. Januar 1999 war mit 514.336,55 DM positiv. In ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2001 machte die Klägerin Darlehenszinsen in Höhe von 14.376,50 DM geltend, die im Zusammenhang mit der Finanzierung von Umlaufvermögen angefallen waren. Das Finanzamt wandte auf die Darlehenszinsen die Vorschrift des § 4 Abs. 4 a EStG wie folgt an:
Überentnahmen 1999 | 447.907,75 DM |
Unterentnahmen 2000 | -296.902,75 DM |
Überentnahmen 2001 | 214.776,04 DM |
= Überentnahmen zum 31.12.2001 | 365.781,04 DM |
Bei dem nach § 4 Abs. 4 a EStG anzuwendenden typisierten Zinssatz von 6 % kam das Finanzamt auf einen Hinzurechnungsbetrag von 21.946,86 DM. Diesen begrenzte es auf den Höchstbetrag gemäß § 4 Abs. 4 a Satz 4 EStG (Darlehenszinsen abzgl. 4.000 DM = 10.376,50 DM).
Gegen den hierauf ergangenen Gewerbesteuermessbescheid für 2001 – zuletzt – vom 6. März 2003 wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren mit vorliegender Klage.
Die Hinzurechnung der Darlehenszinsen sei rechtswidrig. Würde bei der Berechnung der Überentnahmen auch das positive Kapitalkonto zum 1. Januar 1999 einbezogen werden, so ergäben sich zum 31. Dezember 2001 per Saldo keine Überentnahmen. § 4 Abs. 4 a EStG käme dann nicht zum Zuge. § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG 2001 stehe einer Berücksichtigung von Unterentnahmen aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 nicht entgegen. Die Vorschrift habe keine rechtsbegründende, sondern nur klarstellende Wirkung. § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG 2001 führe nicht zu einer völligen Neuberechnung der Überentnahmen rückwirkend ab 1. Januar 1999. Die Vorschrift könne lediglich an dem Bestand an Unter- und Überentnahmen ansetzen, der nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage ermittelt worden sei. Hierzu habe der Bundesfinanzhof entschieden, dass in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 auch Unterentnahmen vor dem 1. Januar 1999 zu berücksichtigen seien. Ohne ein Ansatz der Werte aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 abgelaufen seien, würde § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG. 2001 zu einer Neuberechnung von Über- und Unterentnahmen führen, die nach der für das Jahr 2000 geltenden Rechtslage nicht gegeben waren und damit eine unzulässige „Rückbewirkung von Rechtsfolgen” begründen.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbesteuermessbescheid für 2001 – zuletzt – vom 6. März 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2003 insoweit abzuändern, als dass der Gewerbesteuermessbetrag um 520 DM auf 14.735 DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
In den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 sei in der Tat zweifelhaft gewesen, ob bei der Berechnung der nichtabziehbaren Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4 a EStG die Über- und Unterentnahmen vor 1999 außer Acht zu lassen seien. Insoweit habe eine gesetzliche Regelung gefehlt. Für das Streitjahr liege jedoch eine eindeutige gesetzliche Regelung vor. Nach der ab dem 1. Januar 2001 geltende Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG 2001 dürften bei der Berechnung der Über- und Unterentnahmen die Gewinne, Einlagen und Entnahmen aus den Jahren vor 1999 nicht berücksichtigt werden. Eine verfassungswidrige gesetzliche Rückwirkung sei dadurch nicht zu beklagen.
Der vorstehende Sach- und Streitstand ist den Gerichtsakten und den vom Beklagten vorgelegten Akten (§ 71 Abs. 2 FGO) entnommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde (§ 90 Abs. 2 FGO), ist unbegründet. Der Beklagte hat den Gewerbeertrag der Klägerin zu Recht um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4 a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG 2001 erhöht.
Gemäß § 4 Abs. 4 a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 vom Hundert der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen und abzüglich der Unterentnahmen der vorangegangenen Wirtschaftsjahre ermittelt. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000 DM verminderte Betrag der tatsächlichen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Über- und Unterentnahmen von Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, bleiben dabei nach § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG 2001 unberücksichtigt. Im Streitfall sind die oben genannten Voraussetzungen zur Berücksichtigung eines Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4 a EStG für das Streitjahr 2001 erfüllt. Zutreffend hat der Beklagte einen Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 21.946,86 DM errechnet und dementsprechend den Gewerbeertrag der Klägerin für das Jahr 2001 erhöht.
§ 52 Abs. 11 Satz 2 EStG ist erstmals im Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden (Art. 39 Abs. 1 StÄndG 2001). Für das vorliegend zu entscheidende Streitjahr 2001 ist damit eine eindeutige gesetzliche Regelung vorhanden, die verbietet bei der Berechnung der Überentnahmen ab 2001 Über- und Unterentnahmen von Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, zu berücksichtigen. Folglich können im Veranlagungszeitraum 2001 bei der Ermittlung der Überentnahmen auch nicht Unter- oder Überentnahmen angesetzt werden, die unter Berücksichtigung der Gewinne, Einlagen und Entnahmen aus den Jahren vor 1999 ermittelt worden sind. Die Anwendungsregelung bewirkt vielmehr, dass für die Ermittlung der nichtabziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand „Null DM” auszugehen ist.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die Anwendung des § 4 Abs. 4 a EStG mit seiner ergänzenden Regelung in § 52 Abs. 11 i.d.F. des StÄndG 2001 zur Nichtanrechnung von Überentnahmen und Unterentnahmen, die vor dem 1. Januar 1999 entstanden sind, teilt der erkennende Senat nicht. Insbesondere ist für die hier zu entscheidende Fallgestaltung des Streitjahres 2001 eine verfassungsrechtliche unzulässige Rückwirkung nicht gegeben (vgl. FG Münster vom 10. Februar 2005 – 8 K 3745/03 F,EFG 2005, 1177).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO benannten Zulassungsgründe vorliegt.