08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 22.02.2006 – IV 303/03
Die Ankündigung und Durchführung einer allgemeinen Betriebsprüfung unterbricht nicht die Verjährung
Tatbestand
Mit Ausfuhranmeldung vom 21.03.1995 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt H - Zollamt Z - insgesamt 30 Stück lebende Rinder (Schlachtrinder) zur Ausfuhr in den Libanon an und beantragte dafür die Zahlung der Ausfuhrerstattung. Mit Bescheid vom 07. Juli 1995 gewährte der Beklagte die Ausfuhrerstattung in Höhe von 38.999,41 DM.
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Marktordnungsprüfung mit Prüfungsbeginn vom 24.06.1998 wurde festgestellt, dass bei der Entladung des Lkw im Hafen Koper (Slowenien) ein Tier mit einem Gewicht von 669 kg auf Grund von deformierten Hinterbeinen notgeschlachtet werden musste und somit das Bestimmungsdrittland nicht erreichte.
Mit Bescheid vom 25.09.2001 forderte der Beklagte daraufhin unter Bezug auf Art. 11 Abs. 3 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 insgesamt 1.949,01 DM zurück (1.299,34 DM für das notgeschlachtete Tier plus den halben Unterschied zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung (649,67 DM)).
Mit Schreiben vom 19.10.2001 legte die Klägerin dagegen Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 07.03.2000 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 05.04.2002, zu deren Begründung die Klägerin u.a. Folgendes vorträgt:
Sie habe für das fragliche Rind bereits keine Ausfuhrerstattung beantragt, der entsprechende Betrag sei von ihr „abgeschrieben” worden. Außerdem sei die Rückforderung der Ausfuhrerstattung verjährt.
Die Klägerin beantragt, den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 25.09.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung vom 07.03.2002, worauf Bezug genommen wird. Ergänzend trägt er u.a. Folgendes vor:
Es sei nicht zutreffend, dass das notgeschlachtete Tier bereits bei Beantragung der Ausfuhrerstattung abgeschrieben worden sei. Auch sei die Rückforderung der Ausfuhrerstattung nicht verjährt. Es gelte die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB.
Die Sachvorgänge des Beklagten haben vorgelegen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Rechtsgrundlage der Rückforderung der Erstattung und der Anforderung der Sanktion gem. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 ist Art. 11 Abs. 3 der genannten Verordnung.
Gem. Art. 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 3 sowie 18 Abs. 1 der vorgenannten Verordnung müssen die Schlachtrinder in unverändertem Zustand in das Drittland eingeführt worden sein. Sie müssen das Bestimmungsland tatsächlich erreicht haben, um dort vermarktet zu werden. Die Überführung in den freien Verkehr begründet lediglich die Vermutung, dass die Waren den Markt tatsächlich erreicht haben.
2. Mit der Notschlachtung unmittelbar nach dem Transportende (bei der Entladung) hat das fragliche Tier den Markt des Bestimmungsdrittlandes tatsächlich nicht in unverändertem Zustand erreicht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin dieses Tier mit einem Gewicht von 669,9 kg bereits bei der Beantragung der Ausfuhrerstattung abgeschrieben haben will. Dort wurde lediglich ein Tier mit einem Gewicht von 583 kg als tot vermerkt.
Bezüglich dieses Tieres hat die Klägerin somit i.S.d. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 eine höhere als die ihr tatsächlich zustehende Ausfuhrerstattung beantragt.
3. Der Rückforderungsanspruch ist aber nach Art. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 verjährt. Gem. der Rechtsprechung des Senates (u.a. Urteil vom 21. April 2005, IV 181/03) gilt die 4-jährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Verordnung Nr. 2988/95 auch für die vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung am 26.12.1995 entstandenen Sachverhalte. Bei Erlass des Rückforderungsbescheides vom 25.09.2001 war der Rückforderungsanspruch somit bereits verjährt.
Der Beklagte hat nicht dargelegt und nachgewiesen, dass in nicht verjährter Zeit eine Unterbrechung der Verjährung gem. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 eingetreten ist. Die Ankündigung und Durchführung einer allgemeinen Betriebsprüfung unterbricht nicht (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2004, Rs. C-278/02 - Handelbauer -, Rz. 40 der Entscheidungsgründe, juris). Wie der EuGH, a.a.O., festgestellt hat, unterbricht eine Prüfungshandlung der nationalen Behörden die Verjährung nur dann, wenn diese im Zusammenhang mit dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten in Bezug auf hinreichend genau bestimmte Geschäfte steht.
Wie der Beklagte selber vorgetragen hat, ist der Betriebsprüfungsbericht der Klägerin vermutlich am 10.05.2000 übergeben worden. Einzelne Prüfungsfeststellungen seien dem damals bei der Klägerin tätigen kaufmännischen Angestellten Herrn M von Fall zu Fall - spätestens im Dezember 1999 - bekannt gegeben worden. Beide Zeitpunkte liegen aber in verjährter Zeit, so dass durch Prüfungshandlungen zu diesem Zeitpunkt eine Unterbrechung der Verjährung nicht herbeigeführt werden konnte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, Urteil vom 13. März 2003, Az. T-125/01 ist geklärt, dass Art. 3 Verordnung Nr. 2988/95 auch für vor In-Kraft-Treten der Verordnung (26. Dezember 1995) entstandene Sachverhalte gilt. Durch das Urteil des EuGH vom 24. Juni 2004, Az. C-278/02 - Handelbauer - ist geklärt, dass die Verjährungsvorschrift des Art. 3 Verordnung Nr.2988/95 (auch) auf die Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung anzuwenden ist.
Anmerkung
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 95/06)