08.01.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.10.2006 – 11 K 2025/06 F
- Nach Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits wegen einer Haftungsforderung durch das Finanzamt wandelt sich das Anfechtungsverfahren kraft Gesetzes in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren.
- Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides, sondern die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle. Dieses Klageziel verfolgt die ursprünglich beklagte Finanzbehörde nunmehr als Kläger.
- Das Finanzamt hat in diesem Verfahren weiterhin die Möglichkeit, dem Widerspruch des Insolvenzschuldners durch eine Feststellungsklage die Wirkung zu nehmen, um nach Abschluss des Insolvenzverfahrens aus dem Tabellenauszug zu vollstrecken.
- Da Kommanditisten grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen haften, ist es für die Begründung der Haftung gemäß § 74 AO erforderlich, dass die Bereitstellung des Gegenstandes nicht nur von untergeordneter Bedeutung sein darf. Vielmehr muss die Verwirklichung des Steuertatbestandes dem Gesellschafter aufgrund eines wesentlichen Beitrages zurechenbar sein.
- Die Voraussetzungen des Haftungstatbestandes „Überlassen des Gegenstandes” und „wesentliche Beteiligung” müssen nur bei Entstehen der betrieblichen Steuerschulden, nicht aber bei Inanspruchnahme des Haftungsschuldners vorgelegen haben.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt als Kläger zu Recht einen Haftungsanspruch gemäß § 74 Abgabenordnung (AO) gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) für Steuerschulden der Firma C- GmbH & Co. KG zur Insolvenztabelle angemeldet hat.
Der Beklagte zu 1 ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten zu 2 (Herrn C). Der Beklagte zu 2 (Herr C) betrieb unter der Firma C…ein Einzelunternehmen. Gegenstand des Unternehmens war die Verpachtung von Betriebsgrundstücken und Maschinen sowie die Überlassung von Patenten, Lizenzen und Know-how im Rahmen der von ihm beherrschten C-Gruppe. Die C-Gruppe, der zahlreiche Unternehmen in der Rechtsform der Kapital- bzw. Personengesellschaft im In- und Ausland angehörten, war als Zulieferer…tätig.
Zu den Gesellschaften der C-Gruppe gehörte auch die C-GmbH & Co. KG (im Weiteren: KG), an der der Beklagte zu 2 (Herr C) als Kommanditist zu 100 % beteiligt war. Über das Vermögen der KG wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 08.11.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) hat mit der KG am 10.08.1995 einen Pachtvertrag über die Grundstücke mit Geschäfts-, Fabrik- und anderen Bauten in N-Stadt, T-Str. 1-3, 9 und 11 sowie über die Maschinen und maschinellen Anlagen, die Betriebs- und Geschäftsausstattung und den Fuhrpark abgeschlossen. Die Verpachtung erstreckte sich auch auf die von dem Beklagten zu 2 (Herrn C) in Zukunft zu erwerbenden Gegenständen des Sachanlagevermögens. Wegen der Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf Blatt 76 ff. der FG-Akte 11 K 3350/02 H Bezug genommen. Der jährliche Pachtzins belief sich auf 840.000,00 DM netto. Neben dem Pachtzins war die jeweils gültige Umsatzsteuer zu bezahlen.
Mit Haftungsbescheid vom 08.11.2000 nahm das Finanzamt den Beklagten zu 2 (Herrn C) nach vorheriger Anhörung gemäß § 69 AO und § 74 AO für Steuerrückstände der KG in Anspruch. Die Haftungssumme betrug 2.350.693,62 DM. Sie setzte sich zusammen aus Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Juni 1999, Juli 1999, August 1999, September 1999, Oktober 1999, Dezember 1999 und Januar bis August 2000 sowie Zinsen und Verspätungszuschlägen. Wegen der Einzelheiten der Steuerforderungen wird auf die Anlage zum Haftungsbescheid Bezug genommen. Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 74 AO führte das Finanzamt aus, dass es, da der Beklagte zu 2 (Herr C) die Schreiben vom 24.08.2000 und 28.09.2000 nicht beantwortet habe, auf Grund seiner sich aus den Akten ergebenden Kenntnisse zu entscheiden habe. Daraus ergäbe sich, dass der Beklagte zu 2 (Herr C) zu mehr als 25 % an der KG beteiligt und Eigentümer der Grundstücke T-Str. 1-3, 9 und 11 sei, welche der KG in vollem Umfang seit Beginn des Unternehmens bis zum heutigen Tage dienten. Die Grundstücke stellten wesentliche Betriebsgrundlagen der KG dar. Da die Haftung gemäß § 74 AO auf Betriebssteuern beschränkt sei, hafte der Beklagte zu 2 (Herr C) gemäß § 191 AO i. V. m. § 74 AO für einen Betrag von 2.235.136,62 DM. Eine Inanspruchnahme der KG selbst habe nicht zum Erfolg geführt. Das Finanzamt halte es deshalb für ermessensgerecht, den Beklagten zu 2 (Herrn C) als die für die Nichtzahlung verantwortliche Person zur Haftung heranzuziehen. Unabhängig davon werde geprüft, ob noch andere Personen auf Grund der zur Verfügung stehenden Haftungsvorschriften für eine Haftung in Frage kämen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Haftungsbescheides wird auf den Haftungsbescheid vom 08.11.2000 Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte der Beklagte zu 2 (Herr C) fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung berief er sich darauf, dass es sich bei dem Grundbesitz nicht um dem Unternehmen dienende Gegenstände i. S. dieser Vorschrift gehandelt habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2002 setzte das Finanzamt die Haftungssumme auf 2.051.931,60 DM (1.049.136,00 €) herab, außerdem begrenzte es die Haftung auf § 74 AO und nach Maßgabe dieser Regelung gegenständlich auf das Grundstück T-Str. 1-3, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt-Nr. 006, Flur 01, Flurstück xx1), das Grundstück T-Str. 9, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt-Nr. 007, Flur 01, Flurstücke xxx2, xxx3, xx5) und das Grundstück T-Str. 11, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgericht N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt-Nr. 004, Flur 01, Flurstücke xx6, xx8, xx7, xx12, xx15, xxx8, xxx9) und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung führte das Finanzamt u. a. aus, dass die Voraussetzungen des § 74 AO erfüllt seien. Die im Haftungsbescheid vom 08.11.2000 bezeichneten Grundstücke seien im Besteuerungszeitraum Gegenstände gewesen, die dem Unternehmen der KG i. S. d. § 74 AO dienten. Es habe sich um Sonderbetriebsvermögen der KG gehandelt. Die Grundstücke hätten dem Unternehmen vertragsgemäß u. a. als Geschäfts- und Fabrikgebäude uneingeschränkt und in vollem Umfang ausschließlich für betriebliche Zwecke zur Verfügung gestanden.
Der Haftungsbescheid berücksichtige hinsichtlich der rückständigen Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Juli bis Oktober 1999, Dezember 1999 bis August 2000 zutreffend die zeitlichen Beschränkungen, die § 74 AO für eine Haftung fordere. Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen seien in einem Zeitraum entstanden, in dem sowohl eine wesentliche Beteiligung des Beklagten zu 2 (Herrn C) an der KG bestanden habe als auch seine Grundstücke dem Betrieb der KG dienten. Wegen des eindeutigen Wortlauts des § 74 Abs. 1 Satz 2 AO komme es allein auf den Zeitpunkt des Entstehens, nicht aber der Fälligkeit der Umsatzsteuer-Vorauszahlung an. Da die Haftung gemäß § 74 AO sich nur auf Steuern und nicht auf steuerliche Nebenleistungen erstrecke, sei die Haftungssumme insoweit reduziert worden.
Die Entscheidung, den Beklagten zu 2 (Herrn C) nach § 74 AO in Haftung zu nehmen, bewege sich im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens. Eine Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sei nicht möglich, da über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und eine Zahlung an das Finanzamt nicht mehr erwartet werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Einspruchsentscheidung wird auf diese Bezug genommen.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) erhob am 24.06.2002 Klage (Az.: 11 K 3350/02 H). Zur Begründung seiner Klage berief sich der Beklagte zu 2 (Herr C) darauf, dass der Pachtvertrag vom 10.01.1992 mit der KG auf der Verpächterseite nicht von ihm, sondern von der Frau C GbR abgeschlossen worden sei und zunächst auch nicht das Grundstück T-Str. 11 umfasst habe. Zu einem späteren Zeitpunkt seien allerdings sämtliche hier in Rede stehende Grundstücke ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Beklagten zu 2 (Herrn C) bei der KG gewesen.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) vertrat die Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 74 AO im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung nicht mehr vorgelegen hätten, denn zu diesem Zeitpunkt sei der Grundbesitz nicht mehr der KG überlassen worden. Bereits am 31.07.2000 sei durch die Geschäftsführung der KG ein Insolvenzantrag gestellt und das Insolvenzverfahren sei durch Beschluss des Amtsgerichts L-Stadt vom 08.11.2000 eröffnet worden. Entgegen der Auffassung des Klägers müssten die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 74 AO im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung noch vorliegen. Zur Begründung für diese Rechtsansicht beruft sich der Beklagte zu 2 (Herr C) auf das BFH-Urteil V 298/56 U vom 27.06.1957, BStBl. III 1957, 279. In dieser Entscheidung habe es der BFH ausdrücklich zur Voraussetzung des Vorläufers von § 74 AO gemacht, dass der in Anspruch Genommene im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung noch Eigentümer des Gegenstandes sein müsse. Während das FG Köln in seinem Urteil vom 17.09.1997 6 K 5459/91, EFG 1998, 162 davon ausgehe, die Überlassung des Gegenstandes sowie die wesentliche Beteiligung des Haftenden müssten nur bei Entstehung der betrieblichen Steuerschulden vorgelegen haben, sei der BFH in dem zitierten Urteil ausdrücklich anderer Auffassung.
Außerdem hätten die Grundstücke in N-Stadt, T-Str. 1-3, 9 und 11 während des Haftungszeitraums (Juli 1999 bis August 2000) nicht vollständig der KG gedient, weil der Pachtvertrag vom 10.08.1995 am 31.05.2000 fristlos gekündigt worden sei. Danach sei die Verpachtung an eine andere Gesellschaft erfolgt. Seit dem 01.08.2001 sei die C-GmbH Pächterin des gesamten betrieblichen Grundbesitzes, die diesen an die Produktionsgesellschaft der C-Gruppe unterverpachtet habe. Aber auch während des Pachtzeitraums bis zum 31.05.2000 habe der Grundbesitz nicht in vollem Umfang der KG gedient sondern teilweise auch anderen Produktions- und Vertriebsgesellschaften der C-Gruppe. Auch aus diesem Grunde verbiete sich der Erlass des angefochtenen Haftungsbescheides, da die drei Grundstücke nicht teilbar seien.
Davon abgesehen sei seine Inanspruchnahme nach Wegfall des haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmals des „Dienens”, also der Nutzungsüberlassung durch den Beklagten zu 2 (Herrn C), auch ermessensfehlerhaft. Denn das Finanzamt hätte im Rahmen der Ausübung des Entschließungsermessens über eine Haftungsinanspruchnahme des Beklagten zu 2 (Herrn C) berücksichtigen müssen, dass der Nutzungszusammenhang zwischen dem Beklagten zu 2 (Herrn C) und der KG bei Erlass des Haftungsbescheides bereits gelöst gewesen sei, da die KG in Folge des Insolvenzantrags längst inaktiv gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als auch das Finanzamt am 04.08.2000 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beantragt habe und ihm als für sämtliche Unternehmen der C-Gruppe zuständiges Finanzamt bekannt gewesen sei oder jedenfalls auf Grund gebotener Sachaufklärung hätte bekannt sein müssen, dass andere Gesellschaften die Produktionstätigkeit schon länger übernommen und auch den betrieblichen Grundbesitz genutzt hätten. Bei der Ermessensausübung hätte somit berücksichtigt werden müssen, dass mit der gegenständlichen Beschränkung der Haftung auf den betrieblichen Grundbesitz die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Betätigung eines fremden Dritten verbunden sei.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) beantragte im Verfahren 11 K 3350/02 H, 1.) festzustellen, dass a) der Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung und b) sein Widerspruch gegen die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung in Höhe von 1.049.136 € begründet sind, 2.) den Haftungsbescheid vom 08.11.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2002 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragte, 1.) festzustellen, dass die Forderung in Höhe von 1.049.136 € zu Recht zur Insolvenztabelle als Forderung angemeldet wurde sowie festzustellen, dass die Widersprüche des Insolvenzverwalters und des Beklagten zu 2 (Herrn C) gegen diese Forderungen unbegründet sind, 2.) den Antrag zu 2 des Beklagten zu 2 (Herrn C) abzuweisen.
Das Finanzamt berief sich zur Begründung seines Klageabweisungsantrages darauf, dass die im Haftungsbescheid bezeichneten Grundstücke Dreh- und Angelpunkt der C-Gruppe gewesen seien. Der Beklagte zu 2 (Herr C) überlasse diese Grundstücke seinen Gesellschaften gezielt und mit wirtschaftlicher Berechnung nur solange, solange diese nicht in Konkurs oder in Insolvenz gefallen seien. Seien die Gesellschaften überschuldet und für die wirtschaftlichen Interessen des Beklagten zu 2 (Herrn C) nicht mehr tauglich, so verlagere der Beklagte zu 2 (Herr C) seine unternehmerischen Aktivitäten in kurzfristig neugegründete Gesellschaften und überlasse nunmehr diesen seine Grundstücke. Nicht selten sei die Buchführung im Unternehmensbereich des Beklagten zu 2 (Herrn C) so undurchsichtig und verschleiert, dass nicht geprüft werden könne, welche Umsätze welche Gesellschaften wann erzielt hätten. Oftmals ließen sich Umsätze zwischen den Gesellschaften des Beklagten zu 2 (Herrn C) nur erkennen, weil die leistungsempfangende Gesellschaft des Beklagten zu 2 (Herr C) den Vorsteueranspruch aus Rechnungen einer anderen Gesellschaft des Beklagten zu 2 (Herrn C) geltend mache, die wiederum wegen der eigenen Insolvenz die entsprechende Umsatzsteuer nicht bezahlt oder nicht einmal dem Finanzamt angemeldet habe.
Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 74 AO entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2 (Herrn C) im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung nicht mehr vorliegen müssten, insbesondere müssten die Gegenstände dem Unternehmen nicht mehr dienen oder gar noch vorhanden sein. Das von dem Beklagten zu 2 (Herrn C) genannte Urteil des BFH vom 27.06.1957 sei im Streitfall nicht einschlägig. In dem vom BFH entschiedenen Nachkriegsfall sei es um die Haftung eines Angehörigen gegangen, der dem Unternehmer einen einzelnen, für die Führung des Betriebes nicht erforderlichen und sich nicht einmal in seinem Eigentum befindlichen Gegenstand für einen minimalen Zeitraum überlassen habe.
Die Haftung gemäß § 74 AO könne nicht dadurch rückwirkend entfallen, dass der potentielle Haftungsschuldner den Gegenstand dem Unternehmen nicht mehr überlasse und der Gegenstand ab diesem Zeitpunkt dem Unternehmen nicht mehr dienen könne. Es sei gesetzlich weder gewollt, noch zugelassen, dass ein Haftungsschuldner nach eigenem Gutdünken über die weitere Existenz eines einmal entstandenen Haftungsanspruchs befinden könne.
Selbst wenn man unterstelle, dass die vom Beklagten zu 2 (Herrn C) behauptete Kündigung des Mietvertrages tatsächlich erfolgt sei, sei zu berücksichtigen, dass die Grundstücke der KG weiterhin zur Verfügung gestellt worden seien. Nur so sei es der vom Beklagten zu 2 (Herrn C) beherrschten Gesellschaft möglich gewesen, auch nach der behaupteten Kündigung Umsätze in Millionenhöhe zu erzielen.
Außerdem habe der BFH mit Urteil vom 23.02.1988 VII R 99/85, BFH/NV 1988, 617 entschieden, dass § 74 AO bzw. die Vorgängervorschrift § 115 AO nicht voraussetze, dass der Haftungsgegenstand ausschließlich dem gewerblichen Unternehmen des an diesem beteiligten Eigentümers gedient haben müsse. Es genüge, wenn das in Frage stehende Grundstück dem Unternehmen, wenn auch unter Mitbenutzung anderer Unternehmen, im Haftungszeitraum gedient habe.
Die Haftungsinanspruchnahme des Beklagten zu 2 (Herrn C) sei im Streitfall auch ermessensgerecht, denn der Beklagte zu 2 (Herr C) habe durch Bereitstellung der Grundstücke zur unternehmerischen Tätigkeit der KG und damit zur Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis beigetragen. Nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn des § 74 AO bewege sich die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2 (Herrn C) nicht nur im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens sondern auch innerhalb verfassungsrechtlicher Grundsätze. Für die Begründung dieser Rechtsansicht beruft sich das Finanzamt auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.12.1966 1 BvR 496/65.
Über das Vermögen des Beklagten zu 2 (Herrn C) wurde am 27.03.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Insolvenzverfahren haben sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Beklagte zu 2 (Herr C) als Schuldner der Forderung, Umsatzsteuern für die Zeit von Juli 1999 bis August 2000 in Höhe von 1.049.136,00 € zu zahlen, widersprochen. Nachdem der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt hatte, haben der Beklagte zu 2 (Herr C) und das Finanzamt den Rechtsstreit aufgenommen.
Mit Schriftsatz vom 02.06.2004 erklärte das Finanzamt, dass es von seinem Recht zur Aufnahme des Verfahrens Gebrauch mache und beantrage, das Klageverfahren gemäß §§ 180 Abs. 2, 184 Satz 2, 185 InsO fortzusetzen. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass sofern das Finanzamt im Klageverfahren obsiege, es entgegen der Auffassung des Insolvenzverwalters nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) gemäß § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO betreiben könne.
Mit Urteil vom 3. Juni 2004 hat das Finanzgericht Düsseldorf die Klage des Beklagten zu 2 (Herrn C) – damals Kläger – und den Feststellungsantrag des Finanzamtes abgewiesen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2004 11 K 3350/02 H, Juris-Dokument Nr. STRE200571107). Der Feststellungsantrag des Finanzamtes war nach Ansicht des Finanzgerichts unzulässig, weil das Finanzamt kein berechtigtes Interesse an einer Feststellung gehabt habe, da es seine Insolvenzforderung gemäß § 251 Abs. 3 AO durch Feststellungsbescheid feststellen konnte. Dieses Urteil ist vom Bundesfinanzhof durch Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573 aufgehoben worden und die Sache ist an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen worden. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil u. a. dargelegt, dass es sich im Streitfall nicht um einen Aktivprozess, sondern um einen Passivprozess handele, der vom Kläger als Insolvenzschuldner nicht aufgenommen werden könne.
Am 17.05.2006 hat der Senat gemäß den Vorgaben des Bundesfinanzhofes im Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05; a. a. O.; beschlossen, der bisherige Kläger, der Beklagte zu 2 (Herr C), wird aus dem Verfahren 11 K 2025/06 F gewiesen.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten zu 2 (Herrn C) hat am 2. Juni 2006 erklärt, dass er den Rechtsstreit statt des ausgeschiedenen Schuldners fortführe.
Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2006 hat das Finanzamt angekündigt, dass es unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, a. a. O., beantragen werde, seine Forderung in Höhe von 1.049.136 € zur Beseitigung des vorliegenden Widerspruchs zur Tabelle festzustellen. Zur Begründung dieses Antrags wiederholt das Finanzamt seine bereits im Verfahren 11 K 3350/02 H und im Revisionsverfahren VII R 11/05 dargelegten Argumente. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 18. Juli 2006 Bezug genommen. Ergänzend trägt das Finanzamt noch vor, dass ihm auf Grund der Verschleierungshandlungen des Beklagten zu 2 (Herrn C) bis heute nicht bekannt sei, welche der vielen in Insolvenz gefallenen Beteiligungsunternehmen wann und in welchem Umfang den Grundbesitz T-Str. 1 - 3, 9 und 11 genutzt hätten.
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2006 kündigte das Finanzamt an, dass es außerdem beantragen werde, dass festgestellt wird, dass der Widerspruch des Insolvenzschuldners gegen die zur Tabelle angemeldete Haftungsforderung in Höhe von 1.049.136 € unbegründet sei und die angemeldete Haftungsforderung als Insolvenzforderung festgestellt werde. Zur Begründung dieses Antrags beruft sich das Finanzamt darauf, dass die Forderung nicht nur vom Insolvenzverwalter, sondern auch vom Insolvenzschuldner bestritten worden sei. Ziel des Finanzamtes sei es, unter Beachtung der in der Insolvenzordnung bestimmten Grundsätze alle erhobenen Widersprüche zu beseitigen und über die angemeldete Haftungsforderung einen widerspruchsfreien Tabellenauszug zu erhalten. Dazu sei das unterbrochene Klageverfahren fortzuführen und die Haftungsforderung nach den Vorschriften der Insolvenzordnung festzustellen. Da der Widerspruch des Insolvenzschuldners dazu führe, dass nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gegen ihn auf Grund der Insolvenztabelle nicht vollstreckt werden könne, könne das Finanzamt den Rechtsstreit auf der Grundlage von § 184 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 185 InsO auch gegen den Insolvenzschuldner fortsetzen. Entscheide das Gericht rechtskräftig zu Gunsten des Finanzamtes, so erhalte es einen Tabellenauszug ohne den Widerspruch des Insolvenzschuldners, aus dem gemäß § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Vollstreckung unmittelbar nach Beendigung des Insolvenzverfahrens möglich wäre.
Der Kläger (Finanzamt) beantragt,
1.) die Forderung des Finanzamtes N-Stadt über Umsatzsteuern für die Zeit von Juli 1999 bis August 2000 in Höhe von 1.049.136 € mit der Einschränkung zur Insolvenztabelle festzustellen, dass die auf der Haftung nach § 74 Abgabenordnung (AO) gründende Insolvenzforderung gegenständlich begrenzt ist auf die Grundstücke T-Str. 1 bis 3, N-Stadt, (Grundbuch des Amtsgerichtes N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt Nr. 006, Flur 01 Flurstück xx1), T-Str. 9, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt Nr. 007, Flur 01, Flurstücke xxx2, xxx3, xx5) und das Grundstück T-Str. 11, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt Nr. 004, Flur 01, Flurstücke xx6, xx8, xx7, xx12, xx15, xxx8, xxx9) und festzustellen, dass der Widerspruch des Insolvenzverwalters unbegründet ist;
2.) festzustellen, dass die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung über Umsatzsteuern für die Zeit von Juli 1999 bis August 2000 in Höhe von 1.049.136 €, basierend auf der Haftung nach § 74 AO gegen Herrn C mit der Einschränkung besteht, dass die Haftung nach § 74 AO gegenständlich begrenzt ist auf die Grundstücke T-Str. 1 bis 3, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt , Gemarkung ..., Grundbuchblatt Nr. 006, Flur 01, Flurstück xx1), T-Str. 9, N-Stadt (Grundbuch des Amtsgerichts N.-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt Nr. 007, Flur 01, Flurstücke xxx2, xxx3, xx5) und das Grundstück T-Str. 11, n-Stadt, (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt Nr. 004, Flur 01, Flurstücke xx6, xx8, xx7, xx12, xx15, xxx8, xxx9) und dass der Widerspruch des Herrn C unbegründet ist;
3.) hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte zu 1 (Insolvenzverwalter) beantragt,
1.)Klageabweisung mit der Maßgabe, dass der Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen die Anmeldung der Steuerforderung des Finanzamtes zur Tabelle begründet ist,
2.) hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Insolvenzverwalter ist der Ansicht, das Finanzamt könne den Rechtsstreit nicht gemäß § 184 Satz 2 InsO gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) aufnehmen, weil es den Rechtsstreit bereits in dem Verfahren 11 3350/02 H aufgenommen habe. Außerdem habe es im Revisionsverfahren VII R 11/05 bereits die Meinung vertreten, gemäß § 184 Satz 2 InsO habe auch der damalige Revisionskläger, der Beklagte zu 2, die Stellung eines Verfahrensbeteiligten erlangt. Der Bundesfinanzhof habe sich jedoch umfassend mit § 184 Satz 2 InsO auseinandergesetzt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich weder aus dem Widerspruch des Insolvenzschuldners im Prüfungstermin noch aus § 184 Satz 2 InsO eine Beteiligtenfähigkeit des Insolvenzschuldners ableiten lasse. Deshalb sei - wie geschehen - der Insolvenzschuldner aus dem Rechtsstreit zu verweisen gewesen. Eine fehlende bzw. vom Bundesfinanzhof aberkannte Beteiligtenfähigkeit des Insolvenzschuldners könne durch das Finanzamt nicht wiederhergestellt werden. Insoweit bestehe außerdem eine Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs gemäß § 126 Abs. 5 FGO.
Außerdem sei Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites ausschließlich die Geltendmachung einer Insolvenzforderung mit dem Ziel der Beseitigung des Widerspruchs des Insolvenzverwalters durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Insolvenztabelle. Es gehe im anhängigen Rechtsstreit nicht um die Durchsetzung der Haftungsforderung. Der Widerspruch des Insolvenzschuldners sei in seiner beschränkten Auswirkung nur dem Bereich der Zwangsvollstreckung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zuzuordnen. Der anhängige Rechtsstreit habe jedoch weder im 1. noch im 2. Rechtszug die Erhebung der vom Finanzamt geltend gemachten Forderung bzw. die Zwangsvollstreckung wegen dieser betroffen.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) ist der Ansicht, das Finanzamt könne den Rechtsstreit nicht gemäß § 184 Satz 2 InsO gegen ihn aufnehmen.
Gründe
Die Klage ist bezüglich beider Beklagter zulässig und begründet.
Die Feststellungsanträge des Finanzamtes als Kläger sind zulässig.
Der Rechtsstreit war zunächst infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten zu 2 gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen, denn das Verfahren betrifft die Insolvenzmasse. Die Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens durch ein Insolvenzverfahren dauert so lange, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (§ 155 FGO i. V. m. § 240 Satz 1 ZPO). Im Streitfall wurde das Verfahren nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen.
Das Finanzamt hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 26. November 2003 gemäß § 179 Abs. 1 InsO i. V. mit § 180 Abs. 2 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter aufgenommen. Diese Aufnahmebefugnis steht dem Finanzamt unabhängig von der Obliegenheit des Insolvenzverwalters, den Rechtsstreit gemäß § 179 Abs. 2 InsO i. V. mit § 180 Abs. 2 InsO aufzunehmen, zu (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573). Nach Aufnahme des Rechtsstreits durch das Finanzamt hat sich das Anfechtungsverfahren kraft Gesetzes in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren gewandelt. Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides, sondern die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle. Soweit für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht gegeben ist, ist die Feststellung nach § 185 Satz 1 InsO bei dem zuständigen anderen Gericht - im Streitfall also beim Finanzgericht - zu betreiben (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573).
Der veränderten Prozesssituation haben die Beteiligten durch eine Umstellung ihrer Anträge Rechnung getragen. Auf Grund der Wandlung vom Anfechtungsverfahren in ein vom Finanzamt als Gläubiger i. S. des § 179 Abs. 1 InsO zu betreibendes Insolvenz-Feststellungsverfahren ist aus dem Finanzamt als ursprünglichem Beklagten der Kläger geworden. Die Eigenschaft des Finanzamtes als Kläger und die des Insolvenzverwalters als Beklagter beruht nach Ansicht des Senates auf der gesetzlichen Umwandlung des Rechtsstreits vom Anfechtungsverfahren in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren. Dass die Beteiligtenstellung des Finanzamtes sich geändert hat, ergibt sich schon daraus, dass das Finanzamt nicht mehr die Abweisung der Klage, sondern die Feststellung der Umsatzsteuerforderung zur Tabelle beantragt. Im Übrigen könnte der Insolvenzverwalter, wenn das aufnehmende Finanzamt nach wie vor Beklagter wäre, als Kläger durch Klagerücknahme das Begehren des Finanzamtes „ins Leere laufen” lassen. Da das Finanzgericht dann keine Entscheidung in der Sache mehr trifft, besteht die Gefahr, dass auf Grund eines Einstellungsbeschlusse die Insolvenztabelle beim Amtsgericht nicht korrigiert wird. Denn die Rücknahme des Widerspruches des Insolvenzverwalters gegen eine angemeldete Insolvenzforderung muss gegenüber dem Insolvenzgericht als dem Gericht erklärt werden, das für die richtige Protokollierung der Feststellungen verantwortlich ist (vgl. AG Bremen, Beschluss vom 4. Februar 2005 40 IN 881/02 B, Juris-Dokument Nr. JURE060021288). Zwar könnte eine Klagerücknahme des Insolvenzverwalters als eine konkludente Rücknahme des Widerspruches ausgelegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573). Da aber nicht hinreichend sicher ist, ob das Insolvenzgericht eine derartige Auslegung vornimmt, muss das Finanzamt die Möglichkeit haben, dem Widerspruch durch eine Feststellungsklage die Wirkung zu nehmen.
Das Finanzamt hat außerdem mit Schriftsatz vom 25. Juli 2006, wie bereits mit Schriftsatz vom 2. Juni 2004, den Rechtsstreit gemäß § 184 Satz 2 InsO i. V. mit § 185 InsO gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) aufgenommen. Das Finanzamt muss die Möglichkeit haben, dem Widerspruch des Beklagten zu 2 (Herrn C) durch eine Feststellungsklage die Wirkung zu nehmen. Denn durch die Feststellung zur Tabelle wird auch ein früherer Steuerbescheid als Titel „aufgezehrt”, so dass die Grundlage für eine spätere Vollstreckung (§ 251 Abs. 2 Satz 2 AO) ausschließlich der Tabellenauszug ist (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzrecht, § 201 Rn. 10 m. w. N.). Ohne diesen Tabellenauszug ohne Widerspruch des Insolvenzschuldners kann das Finanzamt nach Abschluss des Insolvenzverfahrens die Steuerforderung nicht mehr durchsetzen.
Zwar hat der Senat gemäß den Vorgaben des Bundesfinanzhofes im Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, am 17.05.2006 beschlossen, der bisherige Kläger, der Beklagte zu 2 (Herr C), wird aus dem Verfahren 11 K 2025/06 F gewiesen. Durch die Aufnahme die Rechtsstreites seitens des Finanzamtes gemäß § 184 Satz 2 InsO i. V. mit § 185 InsO gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) ist dieser jedoch nicht mehr als Kläger sondern als Beklagter Verfahrensbeteiligter geworden.
Da sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Beklagte zu 2 (Herr C) als Schuldner der Forderung des Finanzamtes im Insolvenzverfahren widersprochen haben, kann das Finanzamt als Gläubiger den Rechtsstreit gegenüber beiden gemeinsam aufnehmen. Insolvenzverwalter und Schuldner sind in dem Prozess einfache Streitgenossen im Sinne des § 59 FGO i. V. m. § 60 ZPO (vgl. Schumacher in Münchner Kommentar zur InsO, § 184 Tz. 5 unter Berufung auf das BGH-Urteil vom 11. November 1979 I ZR 13/78, ZIP 1980, 23).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, nicht, dass das Finanzamt als Kläger den Rechtsstreit nicht gemäß § 184 Satz 2 InsO i. V. m. § 185 InsO gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) aufnehmen kann. Der Bundesfinanzhof hat sich mit der jetzt vorliegenden Fallkonstellation, dass der Insolvenzverwalter das Verfahren aufgenommen hat und das Finanzamt gleichzeitig mit der Feststellung seiner Insolvenzforderung eine Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners begehrt, nicht befasst.
Das Finanzamt hat auch ein berechtigtes Interesse, die Wirkung des Widerspruchs des Beklagten zu 2 (Herrn C) zu beseitigen. Zwar steht der Widerspruch des Beklagten zu 2 (Herrn C) als Insolvenzschuldner der Feststellung einer Forderung im Sinne des § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht entgegen. Der Widerspruch schließt es jedoch aus, dass das Finanzamt als Gläubiger nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) betreiben kann (vgl. § 201 Abs. 2 InsO). Daher hat das Finanzamt als Gläubiger ein berechtigtes Interesse, den Widerspruch des Schuldners zu beseitigen, denn dann steht die Forderung gemäß § 201 Abs. 1 Satz 2 InsO einer nicht bestrittenen Forderung gleich. Die Beseitigung des Widerspruchs kann das Finanzamt als Gläubiger auch schon während des Insolvenzverfahrens im Wege der Klage oder, wenn wie im Streitfall schon ein Rechtsstreit anhängig war, im Wege der Aufnahme dieses Rechtsstreites erreichen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zu § 212 InsO, zitiert nach Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 184 Tz. 3).
Ohne Bedeutung ist, dass der Senat mit Urteil vom 3. Juni 2004 den Feststellungsantrag des Finanzamtes abgewiesen hat. Denn dieses Urteil ist vom Bundesfinanzhof durch Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, ohne Einschränkung aufgehoben und die Sache ist an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen worden.
Die Klage ist begründet.
Das Finanzamt hat den Beklagten zu 2 (Herrn C) zu Recht gemäß § 74 AO für Umsatzsteuerschulden in Höhe von 2.051.931,60 DM (1.049.136,00 €) - unter Beschränkung der Haftung auf die Grundstücke T-Str. 1-3, 9 und 11 - in Anspruch genommen, da die von ihm der KG zur Verfügung gestellten Grundstücke der KG gedient haben, und diese Forderung damit zu Recht zur Insolvenztabelle angemeldet.
Bei der Inanspruchnahme eines gemäß § 74 AO Haftenden handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom Gericht nur darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Gemäß § 74 AO haften Personen, die an einem gewerblichen Unternehmen wesentlich beteiligt sind, mit den in ihrem Eigentum stehenden Gegenständen, die dem gewerblichen Unternehmen dienen, für diejenigen Steuern des Unternehmens, die sich – wie die Umsatzsteuer – auf den Betrieb des Unternehmens gründen. Den Haftungsgrund nach dieser Vorschrift bildet dabei nicht die wesentliche Beteiligung am Unternehmen als solche, sondern der objektive Beitrag, den der Gesellschafter durch die Bereitstellung von Gegenständen, die dem Unternehmen dienen, für die Weiterführung des Gewerbebetriebes geleistet hat. Da Kommanditisten grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen haften, ist es für die Begründung der Haftung gemäß § 74 AO erforderlich, dass die Bereitstellung des Gegenstandes nicht nur von untergeordneter Bedeutung sein darf. Die Überlassung eines Gegenstandes ist zur Begründung der Haftung gemäß § 74 AO nur dann hinreichend, wenn es sich um einen wesentlichen Beitrag handelt, der die Verwirklichung des Steuertatbestandes dem Gesellschafter zurechenbar macht (vgl. FG Köln, Urteil vom 17. September 1997 6 K 5459/91, EFG 1998, 162; FG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2000 II 427/99, Juris-Dokument StRE 200171131; BFH-Beschluss vom 15. September 2000 V B 93/00, BFH/NV 2001,199).
Die Grundstücke waren im Haftungszeitraum Gegenstände, die der KG i. S. d. § 74 AO dienten. Die Grundstücke waren nach Aktenlage wesentliche Betriebsgrundlagen der KG und leisteten damit einen wesentlichen Beitrag zur Fortführung des Unternehmens. Ihre Überlassung war für die Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestandes seitens des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung. Ohne Bedeutung ist, dass der Beklagte zu 2 (Herr C) den Mietvertrag mit der KG im Juni 2000 kündigte. Denn offensichtlich wurden die Grundstücke weiter der KG zur Nutzung überlassen, denn ohne diese Grundstücke hätte sie keine Umsätze in der angemeldeten Höhe erzielen können. Ohne Bedeutung ist auch, wann die vorangemeldete Umsatzsteuer fällig wurde, denn § 74 Abs. 1 Satz 2 AO stellt auf das Entstehen nicht auf die Fälligkeit der Steuer ab.
Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2 (Herrn C) ist es auch ohne Bedeutung, dass die Grundstücke auch von anderen Unternehmen mitbenutzt wurden. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, reicht es für eine Haftung gemäß § 74 AO aus, dass der Haftungsgegenstand dem Unternehmen, wenn auch unter Mitbenutzung anderer Unternehmen, im Haftungszeitraum gedient hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juni 1994 VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89; vom 23. Februar 1988 VII R 99/85, BFH/NV 1988, 617).
Die Voraussetzungen des Haftungstatbestandes „Überlassen des Gegenstandes” und „wesentliche Beteiligung” müssen nur bei Entstehen der betrieblichen Steuerschulden nicht aber bei Inanspruchnahme des Haftungsschuldners vorgelegen haben (vgl. FG-Köln, Urteil vom 17. September 1997 6 K 5459/91, EFG 1998, 162). Zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme muss der Haftungsschuldner allenfalls noch Eigentümer der in Betracht kommenden Gegenstände gewesen sein (vgl. FG-Köln, Urteil vom 9. Dezember 1999 15 K 1756/91, EFG 2000, 203). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2 (Herrn C) auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 27. Juni 1957 V 298/56 U, BFHE 65, 122, BStBl III 1957, 279, denn in diesem Urteil heißt es lediglich, Voraussetzung für die Anwendung des § 115 AO, der Vorgängervorschrift des § 74 AO, sei, dass der in Anspruch Genommene Eigentümer der in Betracht kommenden Gegenstände sei, und zwar zu der Zeit, zu der die Haftung geltend gemacht werde.
Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1 musste das Finanzamt im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens nicht berücksichtigen, dass während des Zeitraums der pachtweisen Überlassung der Betriebsgrundstücke an die KG auch andere Produktions- und Vertriebsgesellschaften der C-Gruppe diesen Grundbesitz nutzten. Zum einen war dem Finanzamt diese Mitbenutzung der Grundstücke weder vor Erlass des Haftungsbescheides noch vor Erlass der Einspruchsentscheidung bekannt. Der Beklagte zu 2 bzw. sein Bevollmächtigter haben erstmals mit Schriftsatz vom 16. September 2002 behauptet, dass der Grundbesitz nicht in vollem Umfang der KG gedient habe. Zum anderen reicht es für eine Haftung gemäß § 74 AO, wie oben bereits dargelegt, aus, dass der Haftungsgegenstand dem Unternehmen, wenn auch unter Mitbenutzung anderer Unternehmen, im Haftungszeitraum gedient hat. Die Behauptung, dass die Grundstücke auch von anderen Unternehmen genutzt worden seien, ist somit für die Entscheidung, den Beklagten zu 2 in Haftung zu nehmen, nicht von Bedeutung gewesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 FGO bis auf die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens, die gemäß dem BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11BStBl II 2006, 573 nicht zu erheben sind.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.