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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 17.05.2006 – 1 K 2003/03

    Für Leergut, das sich am Bilanzstichtag noch beim Kunden befindet, ist in der Bilanz des Getränkehändlers eine Forderung „verauslagte Pfandgelder” gegenüber dem Abfüller/der Brauerei nicht auszuweisen.


    Tatbestand

    Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin einen „Erstattungsanspruch verauslagte Pfandgelder” bilanzieren muss.

    Die Klägerin wurde mit notariellem Vertrag vom 4. Februar 1997 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Groß- und Einzelhandel mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken und sonstigen Artikeln der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, sowie Anpachtungen von Gaststätten und alle artverwandten Geschäfte. Die Klägerin verfügt nach den Angaben ihres Prozessbevollmächtigten über vier Getränkeabholmärkte.

    Im Jahr 2001 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999 statt. Dabei stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, dass für den Anspruch gegen den Getränkehersteller auf die Rückerstattung des an ihn verauslagten Pfandgeldes eine Forderung auszuweisen sei. Die Höhe dieser Forderung richte sich nach der Rückstellung, die die Klägerin für die an ihre Kunden zurückzuzahlenden Pfandgelder gebildet habe. Dem Händler stehe für die an den Abfüller verauslagten Pfandgelder ein hinreichend konkretisierter Anspruch auf Rückerstattung zu; dieser Anspruch sei zu aktivieren.

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den geänderten Bericht über die Außenprüfung vom 2. Januar 2002, insbesondere die Tnr. 1.04, Bl. 70 ff. Bp-Berichtsakten, verwiesen.

    Der Beklagte erließ den Prüfungsfeststellungen folgend am 21. März 2002 für die Jahre 1998 und 1999 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Steuerbescheide. Für das Jahr 2000 ergingen am 4. April 2002 entsprechende Steuerbescheide.

    Gegen sämtliche Bescheide hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den sie im Wesentlichen damit begründet, dass eine Forderung auf Erstattung von Pfandgeldern zum jeweiligen Bilanzstichtag nicht zu erfassen sei. Nach den Vereinbarungen zwischen Getränkefachgroßhändler und dem jeweiligen einzelnen Abfüller, auf den abzustellen sei, sei Voraussetzung für die Erstattung des Pfandgeldes die Rückführung des Leergutes in ordnungsgemäßem Zustand an den Brauer oder Brunnen. Dies bedeute, dass vertraglich keinesfalls schon im Zeitpunkt der Zahlung der Rechnung des Brauers oder des Brunnens und damit der Zahlung des Pfandgeldes der Getränkefachgroßhändler gegenüber seinem Lieferanten einen Anspruch auf Rückerstattung des verauslagten Pfandgeldes habe. Es sei nach vertraglichen Grundsätzen vielmehr eine unabdingbare Voraussetzung, dass das Leergut körperlich an den Getränkefachgroßhändler zurückgekommen sei und von diesem an den Lieferanten ordnungsgemäß auf dessen Hof oder Lager zurückgeführt worden sei. Des Weiteren sei erforderlich, dass der Lieferant die Rückgabe des Leergutes als ordnungsgemäße Rücklieferung anerkenne.

    Mit der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 hat das beklagte Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen: Bilanzsteuerlich erwerbe ein Getränkehändler, der von einem Abfüller Getränke mit der Verpflichtung erhalte, die mitgelieferten Behältnisse (Flaschen und Kisten) zurückzugeben, an diesen Behältnissen kein Eigentum. Dieses verbleibe beim Abfüller. Aus diesen Gründen könne das Pfandleergut auch nicht als Teil des Warenvorrates behandelt werden. Dem Getränkehändler stehe für die an den Abfüller verauslagten Pfandgelder eine Forderung auf Rückerstattung zu. Diese sei im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 1978,BStBl II 1978, Seite 370, zu aktivieren. Im Zeitpunkt der Verauslagung, d.h. der Zahlung sei der Anspruch des Händlers gegen den Abfüller entstanden. Es sei von Seiten des Händlers auf jeden einzelnen Vertragspartner abzustellen und der Zeitpunkt der Zahlung der Pfandgelder festzuhalten. Sei das Pfandgeld verauslagt, sei die Forderung auf Rückerstattung ausreichend konkret. Ein Verstoß gegen das Vorsichtsprinzip in der Form des Realisationsprinzips nach § 254 Abs. 1 Nr. 4 HGB liege nicht vor. Durch die Konkretisierung „Zahlung” sei der Vermögensanspruch wirtschaftlich nutzbar und stelle einen realisierbaren Vermögenswert dar.

    Mit dagegen erhobener Klage verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass zwischen den Geschäftsbeziehungen zu den Abfüllern einerseits und ihren Kunden andererseits zu unterscheiden sei. Des Weiteren seien zwei verschiedene Warenströme zu unterscheiden, einmal der Warenstrom des Vollgutes mit dem Ablauf Abfüller zum Getränkefachhändler zum Endkunden und zum anderen den Warenstrom des Leergutes mit dem Ablauf Endkunde zum Getränkefachhändler und dann zum Abfüller.

    Der Warenstrom des Vollgutes und dessen steuerliche Behandlung sei zwischen ihr und dem Finanzamt unstreitig.

    Was den Warenstrom des Leergutes betreffe, so sei das Rückbringen des Leergutes von einem Kunden zu genau diesem Getränkefachhändler u.a. auf Grund der verschiedenen Distributionswege und Rückgabemöglichkeiten der Kunden ein nicht vorhersehbarer Tatbestand. Hierzu seien auch die Änderungen der Vertriebs- und Rückgabewege des Leergutes in den letzten Jahren zu berücksichtigen. Erst wenn der Kunde das Leerbehältnis beim Getränkefachhandel zurückgebracht habe, stehe ihm das Pfandgeld zu. Sobald der Getränkefachhändler wiederum diese Leerbehältnisse an den Abfüller verbringe, erstatte ihm der Abfüller das Pfand für die Leerbehältnisse, wenn diese unbeschadet übergeben würden. In den letzten Jahren hätten sich jedoch die Vertriebswege der Voll- und Leergutgetränkebehältnisse stark verändert und zu Verzerrungen zwischen Voll- und Leergutströmen geführt: So könnte der Endkunde die beim Getränkefachgroßhändler erworbenen Leergutbehältnisse bei Supermärkten oder an Tankstellen ebenfalls zurückgeben, um dort auch z.B. noch spät Abends volle Kästen zu erwerben. Der Endverbraucher habe somit eine Vielzahl von Möglichkeiten, sein Leergut zurückzugeben und dort sein Pfandgeld erstattet zu bekommen. Der Getränkefachhändler erhalte somit das Leergut nicht zurück und könne daher dem Abfüller hierfür - entgegen der Ansicht des Finanzamts - „nicht Pfand in Rechnung stellen”. Als weitere branchenmäßige Besonderheit würde sich in den letzten zwei Jahren die auseinander gehenden Vertriebswege von Vollgut und Leergut bei Mineralbrunnen zeigen. So gäbe es einige Mineralbrunnen, die besondere Aktionen zu Großkunden (z.B. die Getränkemärkte der Supermarktketten) derart auflegen würden, dass nur das Vollgut an diese Supermarktkunden geliefert werde. Der Mineralbrunnen nehme das Leergut von diesem Kunden nicht zurück. Das Leergut gehe dann nach aller Wahrscheinlichkeit an Getränkefachhändler und dann wiederum zu dem betroffenen oder anderen Brunnen zurück, soweit es sich um brunnenneutrale Kästen handle. Der Händler, der das Vollgut nicht erhalten habe, müsse dann das Leergut vom Endkunden zurücknehmen.

    Der Auffassung des Finanzamts, dass eine Forderung auf Rückerstattung der verauslagten Pfandgelder gegen die Abfüller schon bereits im Zeitpunkt der Zahlung des Pfandgeldes an den Abfüller zu aktivieren sei, könne nicht zugestimmt werden, da dies gegen das Realisationsprinzip verstoße. Das Finanzamt stütze sich u.a. bei seiner Vorgehensweise auf das Schreiben des BMF vom 8. November 1999 IV C 2 Seite 2133. Vom Grundsatz her könne diesem BMF-Schreiben zugestimmt werden. Jedoch werde in diesem BMF-Schreiben nicht im Detail unterschieden, ab welchem Zeitpunkt der Pfandgeldanspruch gegen den Abfüller aktiviert werden müsse. Dies sei jedoch das zentrale Kriterium. Folgende Zeitpunkte möglicher Forderungsansprüche seien zu unterscheiden:

    Zeitpunkt 1: Der Abfüller liefere das Vollgut an den Getränkefachhändler und stelle diesem das Pfand in Rechnung. Nach Ansicht des Finanzamts sei nach der Einspruchsentscheidung zu diesem Zeitpunkt schon der Erstattungsanspruch gegen den Abfüller zu aktivieren, dem sei ihres Erachtens nicht zuzustimmen.

    Zeitpunkt 2: Der Kunde, der den vollen Getränkekasten vom Händler erhalten habe, habe diesen Kasten beim gleichen Händler noch nicht zurückgegeben. Nach Ansicht der Betriebsprüfung wäre jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt auch eine Forderung gegen den Abfüller zu aktivieren, da der Pfandgeldanspruch gegen den Abfüller entstanden wäre. Dieser Ansicht könne ebenfalls nicht zugestimmt werden.

    Zeitpunkt 3: Der Kunde, der den Getränkekasten vom Händler erhalten habe, habe diesen Kasten beim Händler wieder zurückgegeben. Sie - die Klägerin - habe in der Vergangenheit und in den Streitjahren den Anspruch auf Pfandgelderstattung gegen die Abfüller bereits zu diesem Zeitpunkt aktiviert, zwar nicht als Posten „Forderung, Auslieferung und Leistung” sondern nach langjähriger Praxis als Vorräte gem. § 266 Abs. 2 B I 1 ausgewiesen. Die in den Vorräten aktivierten Beträge für Leergut hätten in den Streitjahren zum 31. Dezember 1998 77.056,00 DM, am 31. Dezember 1999 99.183,00 DM und am 31. Dezember 2000 111.265,00 DM betragen. Dass in den Bilanzen die zurückgegebenen Leergutbehältnisse und die damit verbundenen Pfandgeldansprüche schon materiell aktiviert gewesen seien, sei ihres Erachtens unzulässigerweise seitens des Finanzamts ignoriert worden.

    Zeitpunkt 4: Der Getränkefachhändler habe das Leergut an den Abfüller ordnungsgemäß zurückgegeben. Erst zu diesem Zeitpunkt sei nach den Vertragsvereinbarungen zwischen Abfüller und Getränkefachhändler der Pfandgeldanspruch des Getränkefachhändlers gegen den Abfüller konkretisiert, da das Leergut unbeschädigt dem Abfüller zurückgegeben worden sei. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Abfüller sei Voraussetzung für die Erstattung des Pfandgeldes die ordnungsgemäße Rückführung des Leergutes in ordnungsgemäßem Zustand an den Abfüller, wobei sich der Abfüller vorbehalte, nicht ordnungsgemäßes Leergut dem Getränkefachgroßhandel wieder ohne Pfandgelderstattung zur Verfügung zu stellen.

    Die Einbuchung einer Forderung und damit die Einbuchung einer Gewinnerhöhung sei nach dem Vorsichtsprinzip in der Form des Realisationsprinzip nach § 242 Abs. 1 Nr. 4 HGB, das nach § 5 Abs. 1 EStG auch für die Steuerbilanz gelte, erst dann möglich, wenn ein Kaufmann seine Leistung erbracht bzw. seine Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt habe. Der Gewinnverwirklichungszeitpunkt (Realisationszeitpunkt) sei grundsätzlich in der Regel dann anzunehmen, wenn der Vertrag wirtschaftlich erfüllt sei oder das wirtschaftliche Eigentum an einem Wirtschaftsgut übergehe. Die Aktivierung einer Forderung gegen den Abfüller sei ihres Erachtens in dem vom Finanzamt angenommenen Zeitpunkt 1 auf keinen Fall möglich. Die Einbuchung einer Pfandgeldforderung zu diesem Zeitpunkt wäre ein strikter Verstoß gegen das Realisationsprinzip, da der Händler noch keinen konkreten Anspruch auf Erstattung des Pfandgeldes - für zurückgegebenes Leergut - gegen den Abfüller habe. Eine Aktivierung des Pfandgeldanspruches in der Handels- und Steuerbilanz sei erst im Zeitpunkt 4 nach allgemeinen bilanziellen Grundsätzen möglich.

    Für den vorliegenden Fall der zeitlichen Erfassung eines Pfandgelderstattungsanspruchs beziehe sich das Finanzamt auch auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BStBl II Seite 370. Dieses Urteil beziehe sich auf einen Großhändler aus der Flachglasbranche, der von seinen Lieferanten eine „der Höhe nach feststehende Umsatzprämie erhalten habe, die - wie in der Praxis üblich - erst im folgenden Jahr ausgezahlt würde. In dieser Situation sei nach BFH-Meinung der Prämienanspruch im abgelaufenen Jahr zu aktivieren, da die Lieferanten nach den tatsächlichen Umständen und wirtschaftlich betrachtet, mit der Zahlung der Umsatzprämien hätten fest rechnen können und müssen. Übertrage man die Grundsätze aus diesem BFH-Urteil auf die Frage des Zeitpunktes der Einbuchung eines Pfandgelderstattungsanspruchs gegen den Abfüller, so könnten ihres Erachtens folgende bilanziellen Schlüsse gezogen werden:

    Allein der Tatbestand, dass der Getränkehändler von dem Abfüller Vollgut unter Einbehalt von Pfand erhalten habe, führe noch nicht automatisch bzw. zwangsläufig dazu, dass diese Kästen als Leergut vom einzelnen Kunden über den gleichen Händler wieder zurück an den Abfüller gelangen würden, vielmehr sei es oftmals bei Getränkekunden so, dass die Leergutkisten auch bei anderen Händlern zurückgegeben werden und dort zu Pfandgeldzahlungen gegenüber dem Kunden und anschließenden Pfandgeldansprüchen gegenüber dem Abfüller führen würden. Aus diesen Gründen sei somit in den Zeitpunkten 1 bis 3 der Anspruch des Händlers gegen den Abfüller nicht ausreichend konkretisiert.

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 1998 bis 2000, die Bescheide über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG für 1998 bis 2000, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998 und 31. Dezember 1999, die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1998 und 31. Dezember 1999 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998 und 31. Dezember 1999, sämtliche Bescheide vom 21. März 2002 bzw. 4. April 2002, und die Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2003 dahingehend zu ändern, dass die Aktivierung des Pfandgeldanspruchs für verauslagtes Pfandgeld gegenüber Abfüllern zum 31. Dezember 1998 von 96.982,00 DM, zum 31. Dezember 1999 von 103.849,00 DM und zum 31. Dezember 2000 von 103.849,00 DM rückgängig gemacht wird,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Er verweist zunächst auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung, da die zur Begründung der Klage vorgetragenen Argumente im Ergebnis an seiner Rechtsauffassung nichts ändern würden. Unzutreffend sei die Behauptung, er habe bisher wichtige geschäftliche „Wechselbeziehungen”, nämlich die Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu Abfüllern bzw. zu Kunden und die daraus resultierenden „Warenströme” des Vollguts bzw. des Leerguts „ignoriert”, da bereits während des Einspruchsverfahrens auf diese Gesichtspunkte durch die Klägerin aufmerksam gemacht worden sei und er dazu mit Schreiben vom 31. Oktober 2002 und in der Einspruchsentscheidung die Meinung vertreten habe, es sei entscheidend jeweils auf den einzelnen Vertrag mit einem bestimmten Abfüller und die in diesem Rahmen verauslagten Pfandgelder abzustellen. An dieser Ansicht und den daraus von ihm gezogenen, nachstehend näher erläuterten Folgerungen werde festgehalten. Er teile die Beurteilung der Klägerin, dass der Rücklauf des Leerguts wegen der verschiedenen Distributionswege und Rückgabemöglichkeiten der Kunden ein „nicht vorhersehbarer Tatbestand” sei. So spreche der Bundesfinanzhof bereits im Urteil vom 7. Mai 1987 (BStBl II Seite 582) davon, dass sich die „Spur des Leerguts” für den jeweiligen Lieferanten verliere, weil der Endabnehmer weitgehend frei über das Leergut verfügen könne. Daraus folge für ihn zweierlei: Die zunehmende Komplexität und Unübersichtlichkeit der Leergutströme zwinge dazu, für Zwecke der steuerlichen Erfassung die einzelnen Marktstufen (Abfüller/Fachgroßhändler/Endabnehmer) gesondert zu betrachten. Dies sei durch die Einzelbetrachtung der vertraglichen Beziehungen zwischen den Abfüllern und der Klägerin durch ihn geschehen. Da außerdem auch nicht anzunehmen sei und auch nicht behauptet werde, dass es wegen der Vielzahl von Rückgabemöglichkeiten zu statistisch signifikanten „Rückgabeschwerpunkten” komme und deshalb etwa die Klägerin mangels Leergut ihren Rückgabeverpflichtungen gegenüber dem Abfüller nicht hätte nachkommen können, könne der Betrachtungsweise der Klägerin, nach der die unterschiedlichen Marktstufen zueinander in Beziehung zu setzen und deshalb nach verschiedenen „Zeitpunkten” differierende finanzielle Schlüsse zu ziehen seien, weder für die Frage der Aktivierung des Pfanderstattungsanspruchs dem Grunde nach noch hinsichtlich des Zeitpunkts dieser bilanziellen Darstellung entscheidende Bedeutung zukommen.

    Bezogen auf die hier allein zu entscheidende Frage des Zeitpunkts der Aktivierung folge für ihn ein weiteres: Betrachte man vor dem geschilderten Hintergrund nur die Vertragsbeziehung Abfüller/Pfandhändler und nehme weiter an, das vom Händler an den Abfüller verauslagte Pfand sichere lediglich dessen Interesse an der Rückgabe des Leerguts, zumal die Kosten der Lieferung nicht gedeckt werden, so sei der entsprechende Erstattungsanspruch bereits im Zeitpunkt der Pfandverauslagung zu aktivieren. Denn in diesem Zeitpunkt seien die wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen für das Entstehen der Forderung begründet, verfüge der Händler (hier die Klägerin) über einen wirtschaftlich ausnutzbaren, realisierbaren vermögenswerten Vorteil, mit dem auch fest zu rechnen sei. Dieser Handhabung stehe die Tatsache, dass das Pfand erst nach vom Abfüller akzeptierter Rückgabe des Leerguts ausgezahlt werde, nicht entgegen. Denn insofern handle es sich lediglich um einen die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des Anspruchs betreffenden Umstand. Ähnliches gelte für die in den AGB der Abfüller vorgesehenen Modalitäten bei nicht ordnungsgemäßem Zustand des Leerguts.

    Als Fazit bleibe: Pfandgelderstattungsansprüche des Händlers gegen den Abfüller seien im Zeitpunkt ihrer Verauslagung, d.h. Entstehung zu aktivieren. Diese Aktivierungspflicht werde nicht dadurch berührt, dass die bepfandete Ware vom Händler an seinen Kunden weitergegeben werde, d.h.: das Geschehen auf einer anderen als der hier zu betrachtenden Marktstufe bleibe insofern unberücksichtigt. Allein die Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs werde bis zur Rückgabe des Leerguts hinausgeschoben, was kein besonderes Ereignis darstelle, welches erst die wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen für das Entstehen der Forderung begründe. Bilanzsteuerrechtlich werde so das Vermögen des Kaufmanns, hier der Klägerin, richtig abgebildet. Die von der Klägerin behauptete Verletzung des Realisationsprinzips finde nicht statt.

    Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Klagebegründung vom 15. Juli 2003, Bl. 36 ff. PA, die Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 5. Dezember 2003, Bl. 77 ff. PA und vom 19. Februar 2004, Bl. 113 f. PA sowie die Stellungnahme des Finanzamts vom 27. Oktober 2003, Bl. 67 ff. PA und vom 12. Januar 2004, Bl. 106 ff. PA, Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Die angefochtenen Bescheide vom 21. März 2002 bzw. 4. April 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2003 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat zu Unrecht die Aktivierung eines Pfandgelderstattungsanspruches gegenüber den Lieferanten der Klägerin für Leergut gefordert, das sich noch beim Kunden der Klägerin zu den jeweiligen Bilanzstichtagen befunden hat.

    Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GOB) auszuweisen ist. Nach dem in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz Handelsgesetzbuch -HGB- ausdrücklich geregelten Realisationsprinzip sind Gewinne nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlusstag realisiert sind. Ein Gewinn ist in diesem Sinn realisiert, wenn z.B. bei gegenseitigen Verträgen der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht, d.h. seine Verpflichtung wirtschaftlich erfüllt hat, so dass dem Schuldner der Gegenleistung die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB nicht mehr zusteht. Damit ist dem Leistenden der Anspruch auf die Gegenleistung (die Zahlung) so gut wie sicher (vgl. BFH-Urteile vom 3. August 2005 - I R 94/03, BFH/NV 2005, 2281 und vom 10. September 1998 - IV R 80/96, BFH/NV 1999, 260). Ohne Bedeutung ist, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt worden ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (BFH-Urteile vom 3. August 2005 - I R 94/03 a.a.O.).

    Nach diesen Grundsätzen konnte der Senat auf Grund der gesamten Umstände des Streitfalls nicht die Überzeugung gewinnen, dass zu den jeweiligen Bilanzstichtagen eine Forderung der Klägerin „verauslagte Pfandgelder” gegenüber dem Abfüller bzw. der Brauerei für das Leergut (z.B. Kästen, Mehrwegflaschen usw.), das sich noch beim Kunden der Klägerin befunden hat, auszuweisen ist. Denn die Klägerin hat ihre Verpflichtung zur Rückgabe des Leergutes zu den jeweiligen Bilanzstichtagen noch nicht erfüllt. Die Rückgabe hängt davon ab, ob das Leergut von den Kunden an die Klägerin zurückgegeben wird und zwar in einem ordnungsmäßigen Zustand, damit die Klägerin ihrerseits das Leergut an den Abfüller bzw. die Brauerei zurückgeben kann. Nach den weitgehend identischen Regelungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Lieferanten der Klägerin bleibt das zur Wiederverwendung bestimmte Leergut unveräußerliches Eigentum der Brauerei/des Brunnens und wird dem Kunden nur zur bestimmungsgemäßen Verwendung überlassen und ist an die Brauerei/den Brunnen unverzüglich zurückzuführen. Dabei ist die Brauerei/der Brunnen nur verpflichtet, Kästen und Paletten mit den jeweils hierfür von ihr/ihm vorgesehenen und ausgelieferten Flaschen und Kästen (sog. sortiertes Mehrwegleergut) zurückzunehmen. Zur Sicherung seines Eigentums und des Anspruchs auf Rückgabe ist der Lieferant berechtigt, ein Barpfand zu erheben. Nur für ordnungsgemäß zurückgeführtes Leergut erfolgt die Pfanderstattung.

    Im Streitfall konnte die Klägerin das Leergut, das sich noch bei ihren Kunden befunden hat, noch nicht an die Brauereien bzw. an die Abfüller zurückgeben. Ihr war zu den Bilanzstichtagen auch nicht bekannt, ob ihre Kunden das Leergut überhaupt zurückgeben werden bzw. in welchem Zustand sich das Leergut befinden wird. Die Klägerin hatte deshalb ihre Verpflichtungen aus den allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Abfüller bzw. der Brauerei, nämlich die Rückgabe des Leergutes, zu den jeweiligen Bilanzstichtagen noch nicht erfüllt, so dass der Anspruch auf Erstattung des Pfandgeldes noch nicht entstanden ist. Dies folgt aus den Vorschriften der §§ 1204 ff. BGB, die auch auf das Flaschenpfand als unregelmäßiges Pfandrecht Anwendung finden, soweit sich nicht Besonderheiten aus der Übereignung des „Pfandes” ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 21.11.1958 - III 208/56 U, veröffentlicht in juris). Nach § 1223 BGB ist der Pfandgläubiger zur Rückgabe des Pfandes (= Pfandgeld) erst nach dem Erlöschen des Pfandrechts verpflichtet. Im Regelfall tritt das Erlöschen des Pfandrechts nach § 1252 BGB erst dann ein, wenn auch die Forderung, zu deren Sicherung es bestellt ist, erlischt. Das bedeutet für das Pfandgeld, dass der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des Pfandgeldes erst mit der Rückgabe des Leergutes entsteht (vgl. BFH-Urteil vom 21.11.1958 - III 208/56 U, a.a.O.). Denn zur Sicherung dieser Rückgabeverpflichtung ist das Flaschenpfand erhoben worden und erst mit der Erfüllung dieser Verpflichtung seitens der Klägerin endet der Sicherungszweck des Pfandgeldes, so dass auch erst von diesem Zeitpunkt an auf Seiten der Brauerei/des Abfüllers die Verpflichtung zur Rückgewähr des Pfandgeldes an die Klägerin besteht. Unter diesen Umständen hätte die Aktivierung der Forderung einen Verstoß gegen das vom Vorsichtsgedanken beherrschende Realisationsprinzip bedeutet.

    Der Auffassung des beklagten Finanzamtes unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BStBl II 1978, 370, wonach der Klägerin für die an den Abfüller verauslagten Pfandgelder eine Forderung auf Rückerstattung zusteht, die zu aktivieren ist, vermag der Senat nicht zu folgen, weil der Anspruch der Klägerin auf Erstattung gegenüber ihren Lieferanten im Zeitpunkt der Verauslagung gerade nicht entstanden ist, wie oben ausgeführt. Im Übrigen ist der Sachverhalt in dem dortigen Verfahren mit dem des vorliegenden Verfahrens nicht vergleichbar. Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass das Gericht an die Verwaltungsanweisungen (vgl. BMF vom 14. März 1997 IV B 2 S-21337/97, BMF vom 18. September 1997 IV B 2 S-213322/97 und BMF vom 8. November 1999 IV C 2 S 21332/99), wonach dem Getränkehändler für die an den Abfüller verauslagten Pfandgelder eine Forderung auf Rückerstattung, die zu aktivieren ist, zusteht, nicht gebunden ist.

    Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO- stattzugeben.

    Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 155, 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 115 Abs. 2 FGO).

    VorschriftenKStG § 8 Abs. 1, HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz, BGB § 1223, BGB § 1252