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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 11.02.2004 – 7 K 5227/00 E

    1) Die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2 Abs. 3 EStG verstößt zumindest bei sog. „unechten” Verlusten nicht gegen das objektive Nettoprinzip, wenn dem Steuerpflichtigen ohne Berücksichtigung der den Verlust begründenden erhöhten Abschreibungen ein ausreichender und disponibler Gesamtbetrag der Einkünfte verbleibt.

    2) Eine nach Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG verbleibende Gesamtbelastung von 40,8% des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 42,3% des zu versteuernden Einkommens führt zu keinem Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.

    3) Der Halbteilungsgrundsatz hat für die Einkommensteuer keine Bedeutung.

    4) Die Änderung des § 2 Abs. 3 EStG stellt eine verfassungsrechtlich zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) dar. Ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der uneingeschränkten Verlustverrechnungsmöglichkeit kann auch im Hinblick auf bereits mehrere Jahre vor der Gesetzesänderung erfolgte wirtschaftliche Dispositionen nicht angenommen werden.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 7. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 11.02.2004, an der teilgenommen haben:

    Vorsitzender Richter am Finanzgericht …

    Richter am Finanzgericht …

    Richterin …

    Ehrenamtlicher Richter …

    Ehrenamtlicher Richter …

    auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit des beschränkten Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002.

    Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie verfügten im Streitjahr 1999 über positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger und nicht selbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 1.699.659,– DM.

    Der Kl. hat gemeinsam mit seinem Bruder in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) das sog. T-center in E erstellt. Die Planungen hierfür erfolgten bereits im Kalenderjahr 1995, wegen Schwierigkeiten bei der Umsetzung wurde das Objekt jedoch erst zum 01.07.1999 fertig gestellt. Aus der Beteiligung (90 v. H.) an diesem Gebäude, in dem u. a. ein Altenheim betrieben wird, entstand dem Kl. im Streitjahr ein Verlust in Höhe von 2.269.370,70 DM. Die anteiligen Einnahmen aus der Beteiligung betrugen 646.261,20 DM, die Ausgaben 2.915.631,90 DM. Hiervon entfielen u. a. auf Schuldzinsen 1.522.456,20 DM und auf erhöhte Abschreibungen nach § 7 Abs. 5 EStG 1.231.600,50 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der T-center C GbR mit der Feststellungserklärung eingereichte „Anlage V” und die „Anlage zur Feststellungserklärung 1999” verwiesen.

    Der Beklagte (Bekl.) berücksichtigte von dem erklärten Verlust aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 2 Abs. 3 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 lediglich einen Betrag von insgesamt 949.829,– DM als Verlustausgleich, errechnete ein zu versteuerndes Einkommen von 723.115,– DM und setzte die Einkommensteuer auf 304.608,– DM fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den ESt-Bescheid 1999 vom 06.07.2000 ergänzend Bezug genommen.

    Hiergegen legten die Kl. Einspruch ein, mit dem sie die Auffassung vertraten, die vom Bekl. vorgenommene eingeschränkte Verlustverrechnung gemäß § 2 Abs. 3 EStG stelle einen erheblichen Eingriff in ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dar. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass der Gesetzgeber mit einer neuen Gesetzesvorschrift die Verlustverrechnung derart reduziere. Insoweit stünde ihnen Vertrauensschutz zu.

    Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erließ der Bekl. am 03.08.2000 einen gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid, der gemäß § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde.

    Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 08.08.2000 wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Seiner Auffassung nach sei nicht erkennbar, inwieweit die Einführung der Mindestbesteuerung durch Beschränkung des Verlustabzugs gegen verfassungsrechtliche Normen verstoße. Der Gesetzgeber sei befugt, neue Gesetze zu erlassen, wobei er keine Rücksicht auf die Freizügigkeit der Dispositionsfreiheit eines jeden Steuerbürgers nehmen könne. Die Kläger müssten sich insoweit an den allgemeinen Kriterien des Unternehmerrisikos messen lassen.

    Mit der hiergegen am 24.08.2000 erhobenen Klage tragen die Kl. vor, sie hätten die Absicht gehabt, durch die Anfangsverluste des T-centers ihre hohen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu kompensieren, um die so ersparten Steuerzahlungen neu zu investieren. Sie planten, ein weiteres Altenpflegeheim zu eröffnen, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen würden. Das für dieses Altenpflegeheim erforderliche Startkapital sollte zum Teil aus den ESt-Erstattungen 1998 und 1999 resultieren. Auf Grund der Gesetzeslage sei man nun gezwungen, teures Fremdkapital aufzunehmen.

    Die Kl. sind der Auffassung, § 2 Abs. 3 EStG stelle einen enteignungsgleichen Vorgang und damit einen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentum der Bürger dar, welches durch Art. 14 Nr. 1 Grundgesetz (GG) besonders geschützt sei. Der Vertrauensschutz besage, dass der Bürger einen Anspruch darauf habe, geplante wirtschaftliche Aktivitäten auch dem im Rahmen der bestehenden Gesetze gewollten wirtschaftlichen Ergebnis zuführen zu können. Dieses sei auch zwingend notwendig, da sonst zu Lasten der aktiven Bürger finanzielle und wirtschaftliche Risiken aufgebaut würden, die zu einer Existenzgefährdung und Eigentumsvernichtung führen könnten.

    Wegen der Länge der Bauphase dürften sie Vertrauensschutz gegenüber dem Gesetzgeber in Anspruch nehmen. Die neu eingeführte Einschränkung der Verlustverrechnung sei zu Beginn der Bauphase nicht absehbar gewesen. Jeder Steuerpflichtige müsse im Rahmen geltender Gesetze die Möglichkeit haben, geplante steuerliche Vorhaben ohne Einschränkung zu beenden. Es sei nicht hinnehmbar, dass tatsächlich entstandene negative Einkünfte nur teilweise der Verlustverrechnung unterworfen würden. Für die ab dem Kalenderjahr 1999 geltende Einschränkung der Verlustverrechnung sei daher entweder eine Übergangsregelung zwingend notwendig, um den Vertrauensschutz sowie die Rechte der Steuerpflichtigen zu gewährleisten, oder sie dürfte nur für zukünftige Investitionen gelten.

    Die durch die unvorhersehbare Steuerbelastung ausgelöste notwendige Fremdfinanzierung sei eine nicht durch das Gesetz gedeckte Kreditierung der Steuern zu Lasten des Bürgers. Dieses wirtschaftliche Risiko habe bei der Planung der Investition nicht bestanden.

    Ferner verletze § 2 Abs. 3 EStG das Prinzip der Besteuerung nach der Jahresleistungsfähigkeit. Zur Feststellung und Besteuerung eines Gewinns bedürfe es einer festgelegten Periode. Die Maßgeblichkeit der Gewinnermittlungsperiode für die Besteuerungsperiode werde durch § 2 Abs. 3 EStG verletzt.

    Dadurch, dass nicht mehr sämtliche Einkünfte eines Kalenderjahres saldiert würden, komme es im Streitjahr überdies zu einer Übermaßbesteuerung, welche die verfassungsmäßig vorgesehene Begrenzung auf 50 % erheblich überschreite.

    Die Kl. beantragen,

    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08.08.2000 und des geänderten ESt-Bescheids 1999 vom 10.04.2003 die ESt auf 0,– DM festzusetzen;

    hilfsweise das Verfahren auszusetzen und die Sache zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 2 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen;

    weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Bekl. beantragt,

    die Klage abzuweisen;

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Er vertritt weiterhin die Auffassung, ein Steuerpflichtiger könne nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen aufrecht erhalte. Dieser sei insoweit nicht vor jeder Enttäuschung seiner Erwartungen in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage geschützt. Im Übrigen verweist der Bekl. auf seine Ausführungen in der EE, auf die ergänzend Bezug genommen wird.

    Der Bekl. hat während des Klageverfahrens zuletzt mit Änderungsbescheid vom 10.04.2003 einen nach § 2 Abs. 3 EStG ausgleichsfähigen Verlust in Höhe von insgesamt 953.089,– DM berücksichtigt, einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 753.088,– DM und ein zu versteuerndes Einkommen von 726.273,– DM festgestellt sowie die Einkommensteuer auf 307.016,– DM festgesetzt.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der Einkommensteuerbescheid 1999 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

    1. Auf der Grundlage des ab dem 01.01.1999 geltenden Einkommensteuerrechts – seine Verfassungsmäßigkeit unterstellt – hat der Beklagte zu Recht den von dem Kläger erzielten Verlust aus Vermietung und Verpachtung lediglich im Rahmen der Grenzen des § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG zur Verrechnung zugelassen.

    Durch die Neuregelung des § 2 Abs. 3 EStG können Verluste einer oder mehrerer Einkunftsarten nur noch bis 100.000,– DM mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten uneingeschränkt ausgeglichen werden. Darüber hinausgehende negative Einkünfte sind lediglich bis zur Hälfte der verbliebenen positiven Einkünften ausgleichbar. Bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, besteht überdies die Möglichkeit, eigene negative Einkünfte im Rahmen des beschränkten Verlustausgleichs mit denen des Ehepartners zu verrechnen. Verbliebene nicht ausgleichbare negative Einkünfte können nur im Wege des Verlustvortrags bzw. Verlustrücktrags nach Maßgabe des § 10d Abs. 1 Sätze 2, 3 EStG innerhalb derselben Einkunftsart bzw. innerhalb der Betragsgrenzen des § 2 Abs. 3 Sätze 3 ff. EStG ausgeglichen werden.

    Vorliegend führte die Anwendung des für das Streitjahr geltenden § 2 Abs. 3 EStG dazu, dass von der Summe der negativen Einkünfte i. H. v. 2.056.709,– DM lediglich 953.089,– DM mit positiven Einkünften verrechnet werden konnten.

    2. Die Sache war auch nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vorzulegen, weil nach Auffassung des erkennenden Senats die Anwendung dieser Norm im Streitfall verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

    a) § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG n. F. verstößt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 und Art. 20 GG), soweit den Klägern von ihrem im Streitjahr Erworbenen nach Abzug tatsächlich geflossener steuerlicher Aufwendungen mehr als das Existenzminimum verbleibt.

    Eine Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzip ist das sog. Nettoprinzip. Das objektive Nettoprinzip gebietet den Abzug von (erwerbssichernden) Aufwendungen, die mit der Einkunftserzielung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Es ist von Verfassungs wegen nicht notwendigerweise in jedem einzelnen – aus rein erhebungstechnischen Gründen gewählten – Veranlagungszeitraum zu verwirklichen.

    Der Gesetzgeber respektiert in § 2 Abs. 3 EStG das objektive Nettoprinzip, indem er die grundsätzliche Abziehbarkeit der entstandenen Verluste nicht in Frage stellt. Er schränkt das Prinzip allerdings dadurch ein, dass er den sofortigen Ausgleich von positiven und negativen Einkünften verschiedener Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) von einer bestimmten Höhe an nicht mehr zulässt; der überschießende Anteil an negativen Einkünften wird auf andere Veranlagungszeiträume rück- bzw. vorgetragen.

    Die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs verhindert nicht den Abzug erwerbssichernden Aufwandes und verstößt nicht gegen das allgemeine Leistungsfähigkeitsprinzip (a. A. Handzik, in Littmann/Bitz/Hellwig, § 2 EStG Rdnr. 210, Günkel/Fenzl, DStR 1999, 649, Birk/Kulosa, FR 1999, 433). Dieses Prinzip verlangt nicht, dass jedwede Verluste sofort zu verrechnen sind. Es genügt vielmehr, dass die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, HFR 1999, 44). Der Gesetzgeber kann daher danach differenzieren, durch welche Umstände die Minderung der Leistungsfähigkeit eingetreten ist. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip stets im Rahmen der Rechts- und Sozialordnung zu interpretieren ist, kann der Gesetzgeber berücksichtigen, dass Verluste häufig planvoll und bewusst zur Verrechnung mit positiven Einkünften herbeigeführt werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. März 2003 XI B 7/02, BStBl. II 2003, 516, vom 9. Mai 2001 XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552).

    Ob der Gesetzgeber verpflichtet war, zwischen „echten” Verlusten, die sich aus unternehmerischen Tätigkeiten ergeben, und Verlusten, die insbesondere aus der Inanspruchnahme von erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen entstehen, zu unterscheiden und „echte Verluste” aus dem Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung herauszunehmen, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Denn im Streitfall liegt ein durch erhöhte Abschreibungen entstandener („unechter”) Verlust vor. Die Summe der positiven Einkünfte betrug insgesamt 1.706.177,– DM, die Summe der negativen Einkünfte 2.056.709,– DM, so dass unter Nichtberücksichtigung des § 2 Abs. 3 EStG ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte von 350.532,– DM entstanden wäre. Nach Abzug der erhöhten Abschreibungen in Höhe von 1.231.600,50 DM verbleibt den Klägern daher ein (disponibler) positiver Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 881.068,50 DM.

    Der Beschluss des BFH vom 6. März 2003 XI B 7/02 (a. a. O.), in dem dieser Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 2 Abs. 3 EStG geäußert hat, wenn dem Steuerpflichtigen von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt, findet somit auf den Streitfall keine Anwendung.

    Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob der Senat der Auffassung des FG Niedersachsen (Beschluss vom 13. Juni 2003 13 V 131/03, EFG 2003, 1316) folgt, wonach auch für den Fall Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG bestehen, dass aufgrund dieser Vorschrift Einkommensteuer festgesetzt wird, die wesentlich höher ist als derjenige Betrag, der dem Steuerpflichtigen nach Abzug der erwerbs- und existenzsichernden Aufwendungen von dem Erworbenen verbleibt.

    Im Streitfall beträgt die festgesetzte Einkommensteuer 307.016,– DM und ist damit erheblich niedriger als der disponible positive Gesamtbetrag der Einkünfte von 881.068,50 DM abzüglich etwaiger existenzsichernder Aufwendungen.

    Der Senat setzt sich auch nicht in Widerspruch zu den Beschlüssen des FG Düsseldorf vom 6. Januar 2003 11 V 6077/02 A (E) (DStRE 2003, 856), vom 8. Mai 2002 3 V 4838/01, DStRE 2003, 799 und vom 4. März 2002 3 V 5245/01 A (E), EFG 2002, 921, des FG Münster vom 7. November 2002 8 V 4220/02 E (EFG 2003, 244), des FG Berlin vom 4. März 2002 6 B 6333/01 (EFG 2002, 597) und des FG Hessen vom 4. Dezember 2001 11 V 3177/01 (EFG 2002, 776), in denen jeweils Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 2 Abs. 3 EStG geäußert wurden. In sämtlichen o. g. Verfahren hätten bei Nichtberücksichtigung der Verlustausgleichsbeschränkung „echte Verluste” und nicht erhöhte Abschreibungen bzw. Sonderabschreibungen zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte geführt.

    b) Nach Auffassung des erkennenden Senats stellt § 2 Abs. 3 EStG auch keinen Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dar.

    Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum allgemein (BVerfG-Beschluss vom 3. Juli 1985 1 BvL 55/81, BVerfGE 70, 219, 23). Zwar reicht der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz insoweit weiter als der zivilrechtliche, als er sich auch auf dinglich nicht gesicherte vermögenswerte Rechtspositionen erstreckt. Kein Eigentum in diesem Sinne ist aber das Vermögen an sich, das selbst kein Recht verkörpert, sondern den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstellt (BVerfG-Urteil vom 8. April 1997 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267).

    Steuertatbestände begründen eine allgemeine Geldleistungspflicht, da sie dem Steuerschuldner unspezifisch die Zahlung eines Geldbetrags auferlegen, der aus beliebigen Einnahmequellen, etwa aus gewerblichen Einkünften, Arbeitseinkommen oder Verkaufserlösen erbracht werden kann. Sie berühren nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (BVerfG-Beschlüsse vom 31. Mai 1988 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232 und vom 23. Juni 1993 1 BvR 133/89, BVerfGE 89, 48).

    Eine Steuerpflicht kann die Eigentumsgarantie ausnahmsweise nur berühren, wenn sie den Steuerpflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt. Davon ist nur auszugehen, wenn die Belastung über jedes Maß ansteigt (BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1990 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159) und damit zu einer Existenzgefährdung führen würde „Erdrosselung”).

    Obwohl der Senat vorliegend nicht verkennt, dass die Belastung mit Einkommensteuer im Streitjahr erheblich war, hält er auch bei einer Belastung von 40,8 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 42,3 % des zu versteuernden Einkommens die Grenze zur übermäßigen Belastung für nicht erreicht. Derartige Steuerbelastungen werden aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifs nur bei höheren Einkommen erreicht, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen entsprechend erhöhen und ihm im Regelfall trotz Steuerbelastung eine hinreichende Existenzgrundlage belassen. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass den Klägern im Streitjahr unter Außerachtlassung des § 2 Abs. 3 EStG ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte verblieben wäre, d. h. trotz steuerlicher Verluste Einkommensteuer festgesetzt worden wäre. Denn wie bereits dargelegt, sind außerordentliche Abschreibungen ursächlich für die Entstehung der Verluste. In diesem Umfang liegt tatsächlich keine Minderung des (disponiblen) Einkommens vor.

    c) Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt § 2 Abs. 3 EStG auch nicht gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Halbteilungsgrundsatz.

    Das BVerfG hat entschieden, dass die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten dürfe, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibe (BVerfG-Beschluss vom 22.06.1995 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655).

    Für Ertragsteuern lässt sich der Verfassung ein solcher „Halbteilungsgrundsatz” indes nicht entnehmen. In dieser Hinsicht besteht auch keine Bindung gemäß § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) an den Vermögensteuerbeschluss des BVerfG (vgl. BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 77/97, BFHE 189, 413, BStBl. II 1999, 771).

    Selbst wenn ein verfassungsrechtlicher Halbteilungsgrundsatz vorliegend Geltung beanspruchen würde, wären die Kläger davon nicht betroffen. Denn ihre Einkommensteuergesamtbelastung liegt deutlich unterhalb von 50 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte und auch des zu versteuernden Einkommens.

    d) Die Änderung des § 2 Abs. 3 EStG durch das StEntlG stellt auch keine verfassungswidrige Beeinträchtigung ihres Vertrauensschutzes wegen der bereits vor dem Streitjahr von ihnen durchgeführten Baumaßnahmen dar; insbesondere liegt kein rückwirkender Eingriff in gesicherte Rechtspositionen der Kläger vor.

    Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 241, BStBl. II 1986, 628, 641). Der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm bestimmt, in welchem Zeitpunkt die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung eintreten sollen. Grundsätzlich erlaubt die Verfassung nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, „echte” Rückwirkung), ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Urteil vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Der von einem Gesetz Betroffene muss grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200). Dieser Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.

    Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung „unechte” Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt” worden sind. Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte und unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997, a. a. O.). Da die Steuerpflicht im Regelfall erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, also mit Ablauf des Kalenderjahres eintritt (§ 25 Abs. 1 EStG), sind die vom BVerfG entwickelten Grundsätze zur tatbestandlichen Rückanknüpfung anzuwenden, wenn nicht schon der gesamte gesetzliche Steuertatbestand vor Inkrafttreten des Gesetzes verwirklicht worden ist.

    Im Streitfall ist von einer verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen tatbestandlichen Rückanknüpfung auszugehen. Das StEntlG ist am 04.03.1999 vom Bundestag beschlossen worden und am 31.03.1999 in Kraft getreten. Die Rechtsfolge der geänderten Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG 1999 – beschränkte Verlustverrechnung – trat erst mit Beendigung des bei Verkündung der Norm laufenden Veranlagungszeitraums 1999 ein. Beim Inkrafttreten der Gesetzesänderung war der steuerliche Verlust somit noch nicht entstanden.

    Vor dem Rechtsstaatsprinzip des GG bedarf es aber auch bei einer unechten Rückwirkung einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als einer Grundbedingung freiheitlicher Verfassung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seiner Disposition ausgehen durfte. Die Annahme, jede Erhöhung der Einkommensteuer sei bis zu deren Entstehen i. S. des § 36 Abs. 1 EStG, d. h. bis zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres/Veranlagungszeitraums verfassungsrechtlich zulässig, findet zumindest in der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG keine Stütze (vgl. z. B. BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, HFR 2002, 831).

    Andererseits ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht grundsätzlich daran gehindert, die steuerrechtlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden, von schützenswertem Vertrauen getragenen Verhaltens für die Zukunft zu verschärfen und auf veränderte soziale Gegebenheiten mit einer Änderung des Normenwerks zu reagieren. Steuerpflichtige sind daher in ihrer Erwartung des Fortbestehens einer Steuerbegünstigung grundsätzlich nicht geschützt. Gesetze dürfen allerdings nicht ohne sachlichen Grund geändert werden und sich nicht über höher zu gewichtendes schutzwürdiges Vertrauen hinwegsetzen. Es ist daher in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, a. a. O.; BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, 618).

    Nach den o. g. Grundsätzen können sich die Kl. wegen der bereits seit 1995 von ihnen durchgeführten Planungen nach Auffassung des erkennenden Senats nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Dispositionen der Art, wie sie der Kl. vorgenommen hat, können nicht im Hinblick auf steuerliche Erwartungen getroffen werden, so dass vorliegend das öffentliche Interesse an einer rückwirkenden Gesetzesänderung das schutzwürdige Vertrauen der Kl. in den Fortbestand der alten Rechtslage überwiegt.

    Das von der GbR errichtete T-center war erkennbar auf einen längeren Investitions- bzw. Verlustentstehungszeitraum ausgelegt. Der Vortrag der Kl., man habe mit den Anfangsverlusten andere Einkünfte kompensieren wollen, um das Geld erneut zu investieren, macht deutlich, dass sie nicht nur mit dem für das Streitjahr erwarteten steuerlichen Verlust kalkuliert haben. Die Kl. konnten daher nach Auffassung des erkennenden Senats nicht darauf vertrauen, dass sich über einen Zeitraum von mindestens 5 – 10 Jahren seit Beginn der Bauplanung – und damit auch für das Streitjahr – die Gesetzeslage hinsichtlich der Verlustverrechnung nicht ändern würde. Darüber hinaus hing die von den Klägern angestrebte Steuerersparnis davon ab, dass sich auch die Gesetzeslage hinsichtlich der erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten des § 7 Abs. 5 EStG nicht ändern würde; denn wie bereits dargelegt, beruht der nicht verrechenbare Verlust im Streitjahr auf dem Abschreibungsvolumen in Höhe von 1.231.600,50 DM.

    Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Der BFH hat zwar zuletzt mit Beschluss vom 06.03.2003 XI B 7/02 (BStBl. II 2003, 516) entschieden, dass er grundsätzlich keine Zweifel an der Verfassungsgemäßigheit des § 2 Abs. 3 EStG habe. Es besteht jedoch ein allgemeines Interesse an der Klärung der Frage, ob das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der uneingeschränkten Verlustverrechnungsmöglichkeit des § 2 Abs. 3 EStG a. F. schützenswert ist, wenn er im Hinblick hierauf bereits mehrere Jahre vor der Gesetzesänderung wirtschaftlich disponiert hat.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 2 Abs 3, GG, GG, GG, GG, GG, GG, EStG § 2