08.01.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 05.05.2000 – 11 K 7518/99 Kg
1) Ein Ausländer, der aufenthaltsrechtlich nur geduldet ist und nicht darüber hinaus als Flüchtling oder sonstiger politisch Verfolgter anerkannt ist, hat keinen Anspruch auf Kindergeld.
2) Die Einschränkung ist vor Art. 3 GG gerechtfertigt, weil von nur geduldeten Ausländern nicht erwartet wird, dass sie auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland bleiben werden.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 05.05.2000, an der teilgenommen haben:
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Gründe
Streitig ist, ob ausländischen Steuerpflichtigen mit Aufenthaltsbefugnis Kindergeld zusteht.
Die Klägerin stammt aus dem Libanon. Nach Aktenlage hält sie sich seit 1987 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zu ihrem Haushalt gehören die fünf Kinder No, Ma, Mo, Fa und Fat. Ihr Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte ist erfolglos geblieben. Ihr ist nach einem Erlaß des Bundesministers des Inneren (BMI) eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden, die zum Daueraufenthalt berechtigt. Sie ist erwerbstätig und erhält dazu ergänzende Sozialhilfe.
Ihren Antrag vom 20.09.1999 auf Festsetzung von Kindergeld lehnte das Arbeitsamt – Familienkasse – mit Bescheid vom 22.04.1999 ab. Es verwies darauf, daß nach § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) ausländische Staatsangehörige einen Anspruch einen Kindergeld nur haben, wenn sie im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis (§ 15 Ausländergesetz – AuslG –) oder einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) sind. Aufgrund der Sonderregelungen für anerkannte Flüchtlinge, Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge gem. § 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge könnten Kindergeldleistungen ebenfalls nicht zuerkannt werden.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie macht geltend, daß sie für ihre fünf Kinder kindergeldberechtigt sei. Würde ihr das beantragte Kindergeld bewilligt, würde der sozialhilferechtliche Bedarf für sie und ihre Kinder durch das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit und dem Kindergeld vollständig gedeckt, so daß keine Sozialhilfe mehr bezogen werden müßte. In diesem Fall könnte dann auch die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt werden. Zur Zeit scheitere die Einbürgerung an dem Bezug von Sozialhilfe. Für den Fall der Leistung von Erziehungsgeld habe der Europäische Gerichtshof mit in Ablichtung vorgelegtem Urteil vom 10.10.1996 – Az.: C 245/94 und 312/94 (Hoever und Zachow) entschieden, daß die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden nationalen Regelungen mit europäischem Recht nicht vereinbar seien. Aus den Urteilsgründen sei zu folgern, daß auch solchen Menschen ein Anspruch auf Erziehungsgeld zustünde, die als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention anerkannt seien und lediglich eine Aufenthaltsbefugnis hätten.
Darüber hinaus verstoße die Ablehnung von Kindergeld gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es gebe keine die Ungleichbehandlung rechtfertigenden wesentlichen Unterschiede zwischen Flüchtlingen, die – wie im Streitfall – eine Aufenthaltsbefugnis hätten und Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen und -berechtigungen bzw. als Asylberechtigte anerkannten Flüchtlingen. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden habe, daß soziale Ansprüche als dem Eigentumsrecht des Zusatzprotokolls zur europäischen Menschenrechtskonvention unterfallend anzusehen seien und aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine Diskriminierung verboten sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 22.09.1999 und der Einspruchsentscheidung vom 25.10.1999 ab dem 01.10.1999 Kindergeld für die fünf Kinder No, Ma, Mo, Fa und Fat festzusetzen.
Das Arbeitsamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung macht es geltend, daß der Klägerin Kindergeld nicht zustehe, da sie lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei. Diese Auffassung entspreche auch der ständigen Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit, u. a. Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.08.1997 VI B 43/97 (Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1998, 169).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die Arbeitsamtsakten verwiesen.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die Klage ist unbegründet.
Das Arbeitsamt hat die begehrte Festsetzung von Kindergeld zu Recht abgelehnt.
Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG hat ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) oder einer Aufenthaltserlaubnis ist (§ 15 AuslG). Eine solche Berechtigung oder Erlaubnis ist der Klin. nicht erteilt worden. Darüber besteht kein Streit.
Die Klin. ist nur in Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Diese Art der Aufenthaltsgenehmigung ist in § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht aufgeführt. Sie genügt daher nicht für eine Berechtigung der Klin., daß ihr gegenüber Kindergeld festzusetzen ist. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des BFH, nach der Ausländer mit lediglich einer Aufenthaltsbefugnis keinen Anspruch auf Kindergeld haben (vgl. BFH-Beschluß vom 14.08.1997 VI B 43/97, a.a.O., sowie BFH-Beschluß vom 01.12.1997 VI B 147/97, BFH/NV 1998, 696).
Zwar gilt der grundsätzliche Ausschluß des Anspruchs auf Kindergeld für aufenthaltsrechtlich nur geduldete Ausländer nicht für solche Personen, die nach der Genfer Konvention als Flüchtlinge und sonstige politisch Verfolgte i.S.d. § 3 des Asylverfahrensgesetzes AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 AuslG anerkannt sind. Auch diese Voraussetzung wird aber von der Klin. nicht erfüllt. Nach ihrem eigenen Vortrag ist ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden.
Verfassungsrechtliche Bedenken vermag der Senat nicht zu sehen. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vor. Ein solcher Verstoß ist nicht bereits dann anzunehmen, wenn ein bestimmter Sachverhalt bezogen auf verschiedene Normadressaten vom Gesetzgeber unterschiedlich geregelt wird, sondern erst dann, wenn es für die ungleiche Behandlung keinen rechtfertigenden Grund gibt (vgl. Dürig Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Artikel 3 Rdnr. 303 ff). Für die Regelung, daß ein Ausländer mit einer bloßen Aufenthaltsbefugnis keinen Anspruch auf Kindergeld haben soll, besteht aber ein sachlich einleuchtender Grund. In diesem Fall hat nämlich der Ausländer – anders als eine Person, die nach der Genfer Konvention als Flüchtling oder politisch Verfolgter anerkannt ist – keinen Anspruch auf ein auf Dauer angelegtes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland.
Aus diesem Grund liegt auch keine gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßende unterschiedliche Behandlung gegenüber solchen Ausländern vor, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltsbefugnis sind (§§ 15, 27 AuslG). Denn von einem Ausländer mit einer solchen Berechtigung bzw. Erlaubnis kann erwartet werden, daß er auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland bleiben wird (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.08.1996 10 R Kg 2/96, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1997, 94).
Aus dem in Ablichtung vorgelegten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10.10.1996 – C 245/94 und 312/94 (Hoever und Zachow) folgt keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, daß es in diesem Urteil um die Berechtigung des Bezugs von Erziehungsgeld ging, waren von dem Urteil Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union betroffen (sog. „EG-Freizügigkeitsberechtigte”). Demgegenüber stammt die Klin. nicht aus einem Staat der Europäischen Union. Eine Ausdehnung der Urteilsgrundsätze auf alle Ausländer ist nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.