08.01.2010
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 26.11.2003 – 2 K 354/01
Bei dem Verlustrücktrag vom Veranlagungszeitraum 1999 in den Veranlagungszeitraum 1998 ist für den Veranlagungszeitraum eine Rechnung nach § 2 Abs. 3 EStG 1999 durchzuführen, um das Verlustrücktragsvolumen nach § 10 d EStG zu ermitteln
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe ein Verlustabzug gemäß § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) aus dem Jahre 1999 im Streitjahr 1998 zu berücksichtigen ist (Verlustrücktrag).
Der Kläger ist verheiratet und beantragte gemeinsam mit seiner Ehefrau für das Kalenderjahr 1998 die getrennte Veranlagung.
Der Kläger erzielte 1998 die folgenden Einkünfte:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | 349.326 DM |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit | 3.760 DM |
Einkünfte aus Kapitalvermögen | 43.600 DM |
Summe der positiven Einkünfte | 396.686 DM |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | - 244.185 DM |
Summe der Einkünfte / Gesamtbetrag der Einkünfte | 152.501 DM |
Die Veranlagung zur Einkommensteuer (ESt) 1998 erfolgte durch Bescheid vom 19. Juni 2000. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2000 Einspruch ein. Mit dem Einspruch beantragte der Kläger die Berücksichtigung eines höheren Betrages an beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben. Bevor über diesen Einspruch entschieden wurde, erfolgte durch Änderungsbescheid vom 31. Mai 2001 zur Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 1999 eine Berichtigung des ESt-Bescheides 1998 gemäß § 10d EStG.
Aus dem ESt-Bescheid für 1999 vom 01. Juni 2001 ergaben sich nach einem Verlustausgleich gemäß § 2 Abs. 3 EStG verbleibende negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) in Höhe von 35.410 DM. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Anlage zum ESt-Bescheid für 1999 vom 01. Juni 2001 verwiesen.
Der Verlustrücktrag aus 1999 wurde im Änderungsbescheid für 1998 vom 31. Mai 2001 auf einen Betrag in Höhe von 4.158 DM begrenzt. Die Berechnung teilte das Finanzamt dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juni 2001 mit. Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG seien die negativen Einkünfte aus VuV und der Verlustrücktrag von anderen Einkunftsarten bei dem 100.000 DM übersteigenden Betrag nur zur Hälfte abzuziehen. Die Berechnung des sog. vertikalen Verlustausgleichs habe wie folgt zu erfolgen:
Summe der positiven Einkünfte: | 396.686 DM |
unbeschränkter Ausgleich bis 100.000 DM | 100.000 DM |
296.686 DM | |
davon (beschränkter Ausgleich) | 148.343 DM |
Höchstbetrag für den Verlustausgleich | 248.343 DM |
Verlust aus Vermietung und Verpachtung | - 244.185 DM |
verbliebenes Volumen für den Verlustrücktrag | 4.158 DM. |
Der volle Verlustrücktrag in Höhe von 35.410 DM dürfe daher nicht abgezogen werden.
Gegen den Änderungsbescheid für 1998 vom 31. Mai 2001 legte der Einspruchsführer am 08. Juni 2001 erneut Einspruch ein. Mit dem Einspruch beantragte der Kläger die Berücksichtigung des vollen Verlustrücktrags aus 1999 in Höhe von 35.410 DM. Zur Begründung führte er aus, dass eine Begrenzung des Verlustabzugs nach § 10d Abs. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG 1999 noch nicht für das Kalenderjahr 1998 gelte.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2001 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 10d EStG seien negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 2 Mio. DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen (Verlustrücktrag). Die negativen Einkünfte seien zunächst jeweils von den positiven Einkünften derselben Einkunftsart abzuziehen, die nach der Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG verblieben. Soweit in diesem Veranlagungszeitraum durch einen Ausgleich nach § 2 Abs. 3 Satz 3 oder einen Abzug nach Abs. 2 Satz 3 die dort genannten Beträge nicht ausgeschöpft seien, minderten die nach der Anwendung des Satzes 2 verbleibenden negativen Einkünfte die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bis zu einem Betrag von 100.000 DM, darüber hinaus bis zur Hälfte des 100.000 DM übersteigenden Teils der Summe der positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten. § 10d EStG sei in dieser Fassung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei den in den Veranlagungszeitraum 1998 zurückzutragenden Verlusten handele es sich um Verluste, die nach Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes1999/2000/2002 entstanden seien. Die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 25 Satz 1 EStG n. F. gelte nur für den verbleibenden Verlustvortrag, der am Schluss des Veranlagungszeitraums 1998 festgestellt worden sei. Für alle anderen Fälle gelte die allgemeine Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 EStG n. F. mit der Folge, dass das Verlustrücktragsvolumen aus dem Veranlagungszeitraum 1999 in den Veranlagungszeitraum 1998 nach neuem Recht zu berechnen sei. Dies bedeute, dass für den Veranlagungszeitraum 1998 eine fiktive Rechnung nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 EStG n. F. durchzuführen sei, um festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Verlustrücktrag aus 1999 in den Veranlagungszeitraum 1998 noch möglich sei. Hiernach sei die Begrenzung des Verlustrücktrags auf einen Betrag in Höhe von 4.158 DM nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat am 20. Dezember 2001 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das Finanzamt sich zu Unrecht auf § 52 Abs. 1 EStG n. F. berufe, woraus es entnehme, dass bei der Berechnung der Einkünfte 1998 § 2 Abs. 3 EStG n. F. anzuwenden sei. Aus § 52 Abs. 1 EStG n. F. ergebe sich aber genau das Gegenteil. Danach sei § 2 Abs. 3 EStG n. F. für 1998 ausdrücklich nicht anzuwenden. Die ESt sei damit nach den für 1998 geltenden Vorschriften zu berechnen. Im Übrigen sei es schon sachlich nicht möglich, für 1998 Einkünfte im Sinne des § 10d Abs. 1 Satz 2 ff EStG n. F. mit einem Betrag größer als 0 DM zu ermitteln, da für die in 1998 entstandenen Einkünfte § 2 Abs. 3 EStG n. F. nicht anzuwenden sei. Verluste aus 1998 könnten bei der Berechnung des Volumens des § 10d Abs. 1 Satz 2 ff i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG n. F. nicht berücksichtigt werden, da für sie die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG n. F. gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG ausdrücklich nicht anzuwenden sei. In 1998 sei § 10d Abs. 1 Satz 2 ff EStG n. F. nur auf die in 1999 entstandenen und zurückgetragenen Verluste anzuwenden. Die in 1998 entstandenen Verluste schieden bei der Anwendung von § 2 Abs. 3 EStG n. F. aus. Ein Verlustrücktrag in Höhe von 35.410 DM liege aber unter der Grenze von 100.000 DM. Weitere Verluste gemäß § 2 Abs. 3 EStG n. F. gebe es in 1998 nicht.
Mit Änderungsbescheid für ESt 1999 vom 28. Dezember 2001 berechnete das Finanzamt nach einem Verlustausgleich gemäß § 2 Abs. 3 EStG verbleibende negative Einkünfte aus VuV in Höhe von 37.516 DM. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Anlage zum ESt-Bescheid für 1999 vom 28. Dezember 2001 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuer 1998 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrages aus 1999 in Höhe von 37.516 DM gegenüber dem Bescheid vom 31. Mai 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2001 geändert festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Dass in dem geänderten ESt-Bescheid vom 28. Dezember 2001 nach einem Verlustausgleich verbleibende negative Einkünfte aus VuV in Höhe von 37.516 DM festgestellt worden seien, habe keine Auswirkung auf die Höhe des Verlustrücktrags nach 1998, weil dieser nur begrenzt in Höhe von 4.158 DM möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen ESt-Akten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene ESt-Bescheid für 1998 vom 31. Mai 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2001 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch nicht in seinen Rechten; er ist deshalb nicht zu ändern (§ 100 Abs. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat den Verlustrücktrag dem Gesetz entsprechend vorgenommen.
Nach § 10d Abs. 1 EStG sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 2 Mio. DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Die negativen Einkünfte sind zunächst jeweils von den positiven Einkünften derselben Einkommensart abzuziehen, die nach der Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG verbleiben. Soweit in diesem Veranlagungszeitraum durch einen Ausgleich nach § 2 Abs. 3 Satz 3 oder einen Abzug nach Abs. 2 Satz 3 EStG die dort genannten Beträge nicht ausgeschöpft sind, mindern die nach der Anwendung des Satzes 2 verbleibenden negativen Einkünfte die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bis zu einem Betrag von 100.000 DM, darüber hinaus bis zur Hälfte des 100.000 DM übersteigenden Teils der Summe der positiven Einkünfte aus anderen Einkommensarten (§ 10d Abs. 1 Satz 1 bis 3 in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes1999/2000/2002 vom 24. März 1999, Bundesgesetzblatt -BGBl- I 402 (EStG n.F.)).
Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. ist diese Fassung des Gesetzes, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Nach § 52 Abs. 25 Satz 1 EStG n. F. ist auf den am Schluss des Veran-lagungszeitraums 1998 festgestellten verbleibenden Verlustabzug § 10d in der Fassung des Gesetzes vom 16. April 1997 (BGBl. I S. 821) anzuwenden.
Nach diesen Gesetzesvorschriften hat das Finanzamt zu Recht den Verlustrücktrag aus dem Jahre 1999 in das Jahr 1998 auf einen Betrag in Höhe von 4.158 DM begrenzt. Denn der Verlustrücktrag ist gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG n. F. nach § 10d EStG n. F. vorzunehmen, da es sich um Verluste aus dem Jahre 1999 handelt, die im Veranlagungszeitraum 1999 ermittelt werden. Die Ermittlung der Höhe dieser Verluste hat nach dem Wortlaut des § 10d EStG n. F. nach § 2 Abs. 3 zu erfolgen. Dies kann nur die neue Fassung des Gesetzes sein. Denn Verweisungen auf andere Vorschriften des Gesetzes können sich nur auf die aktuelle Fassung des Gesetzes beziehen. Ansonsten hätte in der Vorschrift des § 10d EStG n. F. oder in der Übergangsvorschrift des § 52 EStG n. F. ausdrücklich eine Anwendung des § 2 Abs. 3 alter Fassung vorgeschrieben werden müssen. Dies ist indes gerade nicht der Fall. Denn § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG n. F. schreibt ausdrücklich vor, dass für den Veranlagungszeitraum 1999 das EStG n. F. anzuwenden ist. Bestätigt wird dies auch durch § 52 Abs. 25 Satz 1 EStG n. F., wonach auf den am Schluss des Veranlagungszeitraums 1998 festgestellten verbleibenden Verlustabzug § 10d in der Fassung des Gesetzes vom 16. April 1997 (BGBl. I S. 821) anzuwenden ist. Dies betrifft aber eben nur den Verlustvortrag, der sich aus vor dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes1999/2000/2002 vom 24. März 1999 entstandenen nicht ausgeglichenen Verlusten ergibt. Da es im Streitfall aber um einen Verlustrücktrag aus 1999 geht, ist dieser nach der allgemeinen Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 EStG n. F. nach neuem Recht, d.h. nach § 10d und § 2 Abs. 3 EStG n. F. zu berechnen. Dies bedeutet, dass entsprechend der R 115 Abs. 6 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1999 für den Veranlagungszeitraum 1998 eine Berechnung nach § 2 Abs. 3 EStG n. F. durchzuführen ist, also eine beschränkte Verrechnung mit anderen Einkünften gilt (so Broudré, Geänderte Verlustverrechnungsmodalitäten im Ertragsteuerrecht, Neue Wirtschaftsbriefe -NWB- Nr. 17 vom 25. April 2000, Fach 3, S.11015, 11032; Schmidt/Heinicke, EStG-Kom-mentar, 22. Auflage, § 10d Rz. 11; siehe auch Lindberg in Frotscher, EStG-Kommentar, Stand 6/1999, § 10d Rz. 102).
Gegen die Auffassung des Klägers spricht auch der Sinn und Zweck der Neuregelung der §§ 10d und 2 Abs. 3 EStG n. F., den Verlustabzug zu beschränken. Würde im Streitfall der Verlustrücktrag aus 1999 nach 1998 unbeschränkt erfolgen, würde der Kläger sowohl gegenüber anderen Steuerpflichtigen, die ihre in 1999 entstandenen Verluste mit beschränkter Verrechnungsmöglichkeit gemäß § 10d i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG n. F. vortragen, als auch gegenüber Steuerpflichtigen, die ihre nach 1999 entstandenen Verluste mit beschränkter Verrechnungsmöglichkeit gemäß § 10d i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG n. F. zurücktragen müssen, ohne sachlichen Grund bevorzugt.
Gegen die Berechnung der Höhe des Verlustrücktrages aus 1999 hat der Kläger keine Einwände erhoben. Fehler sind insoweit auch nicht erkennbar.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, in Zukunft könne der Verlustvortrag nach § 10d EStG problematisch werden, wenn der Gesetzgeber die verschiedenen Einkunftsarten abschaffen würde, begründet keine grundsätzliche Bedeutung für den Streitfall, da eine solche Gesetzesänderung nicht vorliegt.