08.01.2010
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 11.04.2006 – II 356/2004
Die Lieferung und das gleichzeitige Einpflanzen von Pflanzen im Kundenauftrag stellt keine wirtschaftlich einheitliche, dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Leistung dar.
Tatbestand
Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 6 - 9 der Anlage 2.
Der Kläger betreibt eine Baumschule. Im Rahmen einer für die Jahre 1998 bis 2000 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Kläger auf Wunsch der Kunden auch das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen übernahm. Ca. 20 % seines Umsatzes aus Pflanzenverkauf waren mit Einpflanzarbeiten verbunden, wobei der Pflanzenpreis regelmäßig höher war als der nach dem Zeitaufwand berechnete Arbeitslohn. Umsatzsteuerlich teilte er diese Leistungen in eine begünstigte Pflanzenlieferung und in nicht begünstigte sonstige Arbeiten auf. In den Rechnungen wurden die gelieferten Pflanzen unter Ansatz des ermäßigten Steuersatzes und die Pflanzarbeiten unter Ansatz des Regelsteuersatzes gesondert ausgewiesen. Der Prüfer war der Auffassung, dass es sich hier um einheitliche Leistungen in Form von Werklieferungen handele und unterwarf die gesamten Leistungen dem allgemeinen Steuersatz. Die Aufteilung in begünstigte Pflanzenlieferungen einerseits und nicht begünstigte Arbeiten andererseits lehnte er nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ab. Dementsprechend minderte er die bisher mit einem Steuersatz von 7 % veranlagten Lieferungen und sonstige Leistungen für 1998 um 49.837 DM, für 1999 um 98.980 DM und für 2000 um 119.320 DM und rechnete diese Lieferungen und sonstige Leistungen den Umsätzen mit 15 % (teilweise für 1998) bzw. 16 % zu. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 07.06.2002 verwiesen.
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und erließ am 23.08.2002 gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die Umsatzsteuer für 1998 auf 25.591 DM, für 1999 auf ./. 64.380 DM und für 2000 auf 43.945 DM festsetzte. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2000 vom 23.08.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2004 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 1998 um 3.840,21 DM, die Umsatzsteuer für 1999 um 7.679,40 DM und die Umsatzsteuer für 2000 um 9.257,68 DM herabgesetzt wird.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Lieferung von Pflanzen und die im Auftrag der Kunden vorgenommenen Einpflanzarbeiten entgegen der Auffassung des Finanzamts keine einheitliche Werklieferung darstellten, die dem Regelsteuersatz unterliege. Die Leistung sei vielmehr in eine begünstigte Pflanzenlieferung einerseits und in eine dem allgemeinen Steuersatz unterliegende sonstige Leistung andererseits aufzuteilen. Eine getrennte Abrechnung hinsichtlich der Pflanzenlieferung und der Einpflanzarbeiten sei zulässig und möglich. Er verweise auf die Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung einer Lieferung von einer sonstigen Leistung (EuGH vom 25.02.1999 Rs. C-349/96 - Card Protection Plan Ltd. - Slg. 1999, I-973, DStRE 1999, 271) sowie auf das Urteil des BFH zur getrennten Abrechnung einer Lieferung von Saatgut und der Einsaat als sonstige Leistung (BFH-Urteil vom 09.10.2002 V R 5/02, BStBl. II 2004, 470). Die hier entwickelten Grundsätze seien auf den Streitfall übertragbar und dürften nicht von der Finanzverwaltung als Einzelfallentscheidung behandelt werden.
Die Auffassung der Finanzverwaltung, die Pflanzenlieferungen und die Einpflanzarbeiten seien einheitlich mit dem Regelsteuersatz zu besteuern, verteuere erheblich den Endpreis, da er überwiegend Leistungen an Endverbraucher ohne Vorsteuerabzugsberechtigung erbringe. Im Übrigen sei die Abgrenzung, ob die erbrachten Leistungen als einheitliche oder getrennte Leistungen abzurechnen seien, bei den verschiedenen Geschäftsvorfällen kaum möglich. Teilweise werde der Pflanzauftrag so-fort erteilt, teilweise aber auch erst nach Tagen oder Wochen.
Gartenarchitektonische Entwürfe oder Beratungen biete er nicht an, er berate lediglich - auch vor Ort - hinsichtlich Bepflanzung und Pflanzenwahl. Wegebau und größere Erdbewegungen mache er nicht.
Zur Begründung führt es aus, dass nach dem für die Finanzverwaltung bindenden Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF-Schreiben vom 16.11.1993, BStBl. I 1993, 956 - für Umsätze, die bis 31 .07.2004 ausgeführt worden sind -) eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung nur vorliege, wenn der Unternehmer die Pflanzen liefere und außer dem Transport keine weiteren Tätigkeiten ausführe, die ihrer Art nach sonstige Leistungen seien (z.B. das Einsetzen der Pflanzen in das Erdreich und damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten). Führe der Unternehmer neben der Lieferung der Pflanzen derartige Tätigkeiten aus, beste-he die gesamte Leistung umsatzsteuerrechtlich im Erstellen einer nicht begünstigten gärtnerischen Anlage, Grabanlage usw. Eine solche Leistung unterliege auch bei Verwendung begünstigter Gegenstände als Werklieferung gem. § 3 Abs. 4 UStG ins-gesamt dem allgemeinen Steuersatz. Vorliegend bestehe die Lieferung in eingepflanzten Bäumen, Büschen oder sonstigen Pflanzen. Eine Aufteilung in eine begünstigte Pflanzenlieferung einerseits und in nicht begünstigte sonstige Arbeiten andererseits sei nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung nicht zulässig. Das Aufteilungsverbot gelte auch dann, wenn Pflanzenlieferungen und andere Arbeiten zwar getrennt ausgeschrieben, der Auftrag aber letztlich an einen Unternehmer vergeben werde. Das vom Kläger zitierte Urteil des BFH vom 09.10.2002 V R 5/02 (a.a.O.) sei hier nicht anwendbar, da dieses Urteil nach dem BMF-Schreiben vom 05.08.2004 (BStBl. I 2004, 638) nur für die Lieferung und Einsaat von Saatgut gelte (Rz 35 Nr. 1, Rz 62). Wegen der zeitlichen Trennung zwischen der Lieferung des Saatguts und der Einsaat und weiterer besonderer Umstände, handele es sich um einen Einzelfall.
Gründe
Die Klage hat Erfolg. Die Lieferung der Pflanzen und das Einpflanzen als sonstige Leistung stellen entgegen der Auffassung des Finanzamts keine einheitliche Leistung dar. Es handelt sich hier vielmehr um zwei selbständige Leistungen, die getrennt zu beurteilen sind.
Grundsätzlich ist jede Lieferung und jede Dienstleistung (sonstige Leistung) als eigene, selbständige Leistung zu betrachten (vgl. EuGH-Urteil vom 25.02.1999 Rs. C-349/96 - Card Protection Plan Ltd.- a.a.O.). Umsatzsteuerlich umfasst der Umsatz nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung weitere Umsätze nur, wenn sie mit dem Leistungsgegenstand so abgestimmt sind, dass sie in ihm aufgehen und ihre Selbständigkeit verlieren (vgl. BFH-Beschluss vom 18.12.1980 V B 24/80, BStBl. II 1981, 197 unter 1). Einheitliche wirtschaftliche Vorgänge dürfen andererseits umsatzsteuerlich grundsätzlich nicht in mehrere selbständige Leistungen zerlegt werden, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und ein unteilbares Ganzes bilden. Entsprechend werden Nebenleistungen, das sind Leistungen, die im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich sind, sie wirtschaftlich ergänzen, abrunden und üblicherweise zusammen mit der Hauptleistung ausgeführt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.12.1985 V R 15/80, BStBl. II 1986, 499 unter 2), umsatzsteuerlich nicht selbständig, sondern ebenso wie die Hauptleistung beurteilt. Ob umsatzsteuerlich mehrere zu einer Gesamtleistung zusammengefasste und aufeinander abgestimmte Einzelleistungen als einheitliche Leistung, als Haupt- und Nebenleistung oder als mehrere von einander zu unterscheidende Leistungen zu qualifizieren sind, ist regelmäßig aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (EuGH-Urteil vom 25.02.1999 a.a.O.).
Unter Zugrundelegung vorstehender Grundsätze und Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls sind aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Pflanzenlieferung einerseits und die sonstige Leistung des Einpflanzens andererseits als zwei selbständige Leistungen zu beurteilen.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts handelt es sich im Streitfall nicht um eine wirtschaftlich einheitliche Leistung in Gestalt einer dem Regelsteuersatz unterfallenden Werklieferung. Denn das Einpflanzen, das für sich allein als sonstige Leistung zu werten ist, verliert durch die vorhergehende Pflanzenlieferung nicht seine Selbständigkeit. Das Interesse des Verbrauchers, der Pflanzen in einer Baumschule oder Gartencenter erwirbt, richtet sich in erster Linie auf die Erlangung der Verfügungsmacht über die Pflanzen. Dies wird belegt durch das Verhältnis der Umsätze des Klägers aus reinen Pflanzenlieferungen (80%) und der Umsätze aus Pflanzenlieferungen verbunden mit Pflanzarbeiten (20 %). Das Angebot des Einpflanzens stellt sich als naheliegendes Zusatzangebot dar. Nimmt der Verbraucher dieses Zusatzangebot wahr, verliert er deswegen nicht sein primäres Interesse an der Pflanzenlieferung. Es tritt vielmehr ein weiteres Interesse in Gestalt einer sachgemäßen Einpflanzung hinzu. Aus Sicht des Verbrauchers besteht die Leistung des Klägers nicht in der Lieferung eines eingepflanzten Baumes oder Busches, sondern in der Erbringung zweier selbständiger Leistungen. Denn es geht weder die sonstige Leistung des Einpflanzens in der Pflanzenlieferung noch die Pflanzenlieferung in dieser sonstigen Leistung auf. Es wird auch nicht etwas selbständiges „Drittes” im Sinne beispielsweise einer gärtnerischen Anlage unter Verwendung von Pflanzen geschaffen. Dass die streitgegenständlichen Pflanzarbeiten mit der Errichtung einer Gartenanlage entsprechend einem Gesamtkonzept durch den Kläger zusammenhängen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Das Einpflanzen stellt weder üblicherweise eine Ergänzung der Hauptleistung dar noch wird es üblicherweise stets mit der Hauptleistung angeboten und ausgeführt, so dass es auch nicht als bloße Nebenleistung zur Pflanzenlieferung mit der Folge der ermäßigten Besteuerung der gesamten Leistung angesehen werden kann. Der Käufer der Pflanzen entscheidet vielmehr im Einzel-fall, ob er die in der Baumschule gekauften Pflanzen selbst einpflanzt und ob er den Kläger oder einen fremden Dritten mit der Bepflanzung beauftragt.
Gründe für ein Abweichen von der Regel, dass jede Leistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, sind nicht ersichtlich (vgl. BFH-Urteil vom 09.10.2002 V R 5/02, BStBl. II 2004, 470). In dem dort entschiedenen Fall hat der BFH die getrennte Abrechnung einer Getreidelieferung und der Einsaat als sonstige Leistung für zulässig erachtet. Dagegen ist der Streitfall nicht mit dem vom BFH mit Urteil vom 21.06.2001 V R 80/99 (BStBl. II 2003, 810) entschiedenen Fall, bei dem den im Rahmen der Grabpflegeleistungen ausgeführten Pflanzenlieferungen gegenüber den beim Grabpflegedienst im Vordergrund stehenden sonstigen Leistungen umsatzsteuerlich kein selbständiges Gewicht zukam, vergleichbar. Denn vorliegend hat der Verbraucher sowohl an der Pflanzenlieferung selbst als auch an dem Einpflanzen ein nicht unbedeutendes Interesse.
Die Pflanzenlieferung einerseits und das Einpflanzen als sonstige Leistung andererseits lassen sich regelmäßig auch ohne Schwierigkeiten in eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 6-9 der Anlage 2) und in eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung (§ 12 Abs. 1 UStG) trennen. Für den Durchschnittsverbraucher wäre es im Übrigen nicht verständlich, wenn der für die Pflanzenlieferung anzuwendende Steuersatz davon abhinge, wer die Pflanzen später einpflanzt.
Danach war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
Einer Sicherheitsleistung oder Hinterlegung seitens des Beklagten bedarf es nicht, weil die Einbringlichkeit der Kostenforderung gesichert erscheint (so auch FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, Urteil vom 26.02.1991 4 K 23/90, EFG 1991, 356).