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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 13.03.2007 – 6 K 120/05

    Zuwendungen, die betriebswirtschaftlich eigenkapitalersetzenden Charakter haben, sind keine „Geschäftsbeziehungen” i.S.d. § 1 Außensteuergesetzes i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes.

    Unentgeltliche Patronatserklärungen zu Gunsten einer unterkapitalisierten Konzern-Finanzierungsgesellschaft berechtigen insofern nicht zu einer Einkünftekorrektur gemäß § 1 AStG i.d.F. des StandOG.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Garantieerklärung einer Konzern-Obergesellschaft zu Gunsten einer ausländischen Finanzierungsgesellschaft die Rechtsfolgen des § 1 AStG auslöst.

    Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland, war im Streitjahr 1995 Mutterunternehmen i.S.d. § 290 HGB diverser Tochtergesellschaften im In- und Ausland. Mit notarieller Urkunde vom ...1994 errichtete die Klägerin in den Niederlanden die A B.V., eine 100%ige Tochtergesellschaft, die im Wesentlichen als Konzern-Finanzierungsgesellschaft fungieren sollte. Das autorisierte Kapital der A B.V. betrug 200.000 NLG. Im Februar 1994 nahm die A B.V. eine Anleihe in Höhe von ... Mio. DM auf und zeichnete in entsprechender Höhe Inhaberschuldverschreibungen. Für die ordnungsgemäße Bedienung der sich aus den Schuldverschreibungen ergebenden Verbindlichkeiten übernahm die Klägerin gemäß § 8 der Anleihebedingungen eine unbedingte und unwiderrufliche Garantie. Garantiegebühren berechnete die Klägerin der A B.V. aus der von ihr übernommenen Garantie nicht. Gemäß Darlehensvertrag vom 12. April 1994 reichte die A B.V. an die Klägerin ein Darlehen in Höhe der Anleihe aus. Die Darlehenskonditionen waren fremdüblich. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag der A B.V., die Anleihebedingungen, den Vorstandsbeschluss der Klägerin vom 11. Januar 1994, den Darlehensvertrag (Loan Agreement) vom 12. April 1994 sowie die 1. Ergänzung zum Darlehensvertrag (1. Amendment of the Loan Agreement) vom 18. Januar 1995 verwiesen.

    Der Beklagte sah in der Abgabe der Garantieerklärung eine Leistung der Klägerin, für die zwischen fremden Dritten ein Entgelt vereinbart worden wäre. Der Beklagte erhöhte die von der Klägerin erklärten Einkünfte deshalb gemäß § 1 AStG um ... DM (= 0,125 % Garantiegebühr auf ... Mio. DM) und erließ unter dem 04. Mai 2004 entsprechende Änderungsbescheide für 1995 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG sowie über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1995. Auf die hiergegen erhobenen Einsprüche vom 03. Juni 2004 entschied der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2005.

    Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 20. Juni 2005 (Eingang bei Gericht) erhobene Klage.

    Gemäß § 1 AStG hätten keine fiktiven Garantiegebühren angesetzt werden dürfen. Die Garantieerklärung sei nicht im Rahmen einer „Geschäftsbeziehung” erfolgt. Dies habe der BFH in seinem Urteil vom 29. November 2000 (I R 85/99, BStBl II 2002, 790) zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausdrücklich entschieden. Doch selbst wenn man dem Grunde nach von einer Zulässigkeit einer Gewinnberichtigung gemäß § 1 AStG ausgehen wollte, so müsste der Berichtigungsbetrag mit 0 DM angesetzt werden. Denn in diesem Fall seien im Rahmen des Vorteilsausgleichs bei der Bemessung des Berichtigungsbetrags erhöhte Zinsaufwendungen für das von der A B.V. gewährte Darlehen zu berücksichtigen.

    Nach zwischenzeitlicher Änderung des Bescheids zum 31.12.1995 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG aus anderen, hier nicht streitigen Gründen unter dem 03. Januar 2006 beantragt die Klägerin, die Einspruchsentscheidung vom 01.06. 2005 aufzuheben und den Bescheid für 1995 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG 1999 vom 04.05.2004 sowie den Bescheid zum 31.12.2000 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1999 vom 03.01.2006 dahin zu ändern, dass die Hinzurechnung des Berichtigungsbetrags nach § 1 AStG in Höhe von ... DM entfällt und die festzusetzende Körperschaftsteuer sowie die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals entsprechend berichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Der Gewinn der Klägerin sei zu Recht gemäß § 1 AStG berichtigt worden. Zwischen der Klägerin und der A B.V. habe eine Geschäftsbeziehung i.S. der Norm vorgelegen. Der Garantievertrag sei ein Vertrag eigenständiger Art, für den das allgemeine Schuldrecht gelte. Er beinhalte eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 354 HGB bzw. § 675 BGB, die im Geschäftsleben nicht unentgeltlich erfolge. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AStG seien somit erfüllt. Die Garantie verliere ihre Eigenschaft einer Geschäftsbeziehung nicht dadurch, dass sie einen Ausgleich für eine nicht funktionsgerechte Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaft darstellt. Soweit der BFH in seiner Entscheidung vom 29. November 2000 (I R 85/99, BStBl II 2002, 720) Maßnahmen, die betriebswirtschaftlich eigenkapitalersetzende Funktion hätten, aus dem Anwendungsbereich des § 1 AStG ausgeklammert hat, widerspreche dies den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 05. Februar 1992 (I R 127/90, BStBl II 1992, 532). Dort habe der BFH entschieden, dass ein Darlehen eines Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft auch dann Fremdkapital der Gesellschaft bleibe, wenn die Darlehensgewährung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei. Eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital habe der BFH insoweit abgelehnt und den Betriebsausgabenabzug der Darlehenszinsen zugelassen. Nichts anderes könne für die hier streitige Garantie gelten. Auch diese könne nicht in Eigenkapital und damit in eine gesellschaftsrechtliche Beziehung umgedeutet werden.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Schriftsätze der Klägerin vom 21. Juli und 07. November 2005, den Schriftsatz des Beklagten vom 14. September 2005 und den Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der Klägerin zum 31. Dezember 1995.

    Dem Gericht lagen zu der Steuernummer ... drei Bände Steuerakten vor, nämlich

    1 Bd. Betriebsprüfungsakten (Prüfungszeitraum 1995-1998)

    1 Bd. Körperschaftsteuerakten (Bd. 19)

    1 Bd. Akten betr. Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (Bd. 5)

    Gründe

    Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, § 90a Abs. 1 FGO.

    Die zulässige Klage ist begründet.

    Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die klägerischen Einkünfte hätten nicht gemäß § 1 AStG um den Betrag von ... DM berichtigt werden dürfen. Die Übernahme der Garantie durch die Klägerin ist nicht im Rahmen einer „Geschäftsbeziehung” zu der A B.V. erfolgt und unterfällt damit nicht dem Anwendungsbereich des § 1 AStG.

    1. Nach § 1 Abs. 1 AStG sind, wenn Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert werden, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.

    Gemäß § 1 Abs. 4 AStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Standortsicherungsgesetzes (StandOG) vom 13. September 1993 (BStBl I 1993, 774) liegen Geschäftsbeziehungen im Sinne der Absätze 1 und 2 vor, wenn die den Einkünften zugrunde liegende Beziehung entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu der Rechtslage vor Einführung des § 1 Abs. 4 AStG durch das StandOG lagen keine „Geschäftsbeziehungen” i.S.d. AStG vor, wenn eine Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft Zuwendungen erbrachte, die betriebswirtschaftlich eigenkapitalersetzende Funktion hatten. Denn § 1 AStG habe nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht Vorgänge erfassen wollen, die nicht als Leistungsaustausch zu qualifizieren, sondern - wie die Zuführung von Eigenkapital - im Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen seien. Diese Vorgänge seien nicht nach § 1 AStG, sondern ausschließlich nach den allgemein geltenden Regeln zu behandeln gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2000, I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720).

    Diesem Gesetzesverständnis schließt sich das erkennende Gericht auch für die Auslegung des Begriffs „Geschäftsbeziehung” in der für das Streitjahr geltenden Fassung an. Denn an den Grundsätzen der zitierten Entscheidung hat sich mit der Einführung des § 1 Abs. 4 AStG durch das StandOG nichts geändert (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Dezember 2001, 1 K 250/99, EFG 2002, 381 m.w.N.; FG Münster, Urteil vom 24. August 2006, 6 K 2655/03, EFG 2007, 92). Da sich die dort getroffene Definition der Geschäftsbeziehung in der Umschreibung des Zusammenhangs, in dem eine Beziehung zu einer bestimmten Einkunftsart des Steuerpflichtigen oder der nahe stehenden Person stehen muss, um Geschäftsbeziehung zu sein, erschöpft, bedarf es auch für die Anwendung des § 1 Abs. 4 AStG i.d. Fassung des StandOG zunächst der Klärung, welche Anforderungen an eine Beziehung zu stellen sind, um Geschäftsbeziehung zu sein. Erst danach kann der Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart geprüft werden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Dezember 2001, 1 K 250/99, EFG 2002, 381 m.w.N.). Insofern hat der BFH aber in seiner Entscheidung vom 29. November 2000 I R 85/99 überzeugend dargelegt, dass Vorgänge, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und keine schuldrechtliche Leistungsbeziehung darstellen, aus dem Begriff der Geschäftsbeziehung auszuklammern sind. Dass diese Grundsätze mit der Änderung des § 1 Abs. 4 AStG durch das Gesetz vom 16. Mai 2003 (BGBl. I 2003, 660) ihre Gültigkeit verloren haben, ändert an deren Maßgeblichkeit für die hier zu beurteilende Rechtslage nach dem StandOG hingegen nichts (vgl. auch FG Münster, Urteil vom 24. August 2006, 6 K 2655/03, EFG 2007, 92).

    Gesellschaftsrechtliche Beziehungen, die somit nach den vorstehenden Grundsätzen aus dem Anwendungsbereich des § 1 AStG i.d. Fassung des StandOG auszuklammern sind, liegen aber nicht nur in der Gewährung von Eigenkapital. Vielmehr sind auch unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen im Gesellschaftsverhältnis begründet, wenn der Gesellschafter dadurch eine funktionsgerechte Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital ersetzt. Denn es macht im Zusammenhang mit § 1 AStG keinen Unterschied, ob die Gesellschaft eine für ihren Geschäftszweck ausreichende Kapitalausstattung erhält oder ob der Gesellschafter sie nur mit unzureichendem Eigenkapital versieht, zum Ausgleich hierfür aber die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft durch unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen ermöglicht. Auch dann handelt er nicht als Partner eines Austauschverhältnisses, sondern nur in seiner Eigenschaft als Gesellschafter. Ein solches Verhalten ist nicht in einem schuldrechtlichen Leistungsaustausch, sondern allein in der Nahestehensbeziehung begründet und unterfällt deshalb nicht dem Anwendungsbereich des § 1 AStG (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 29. November 2000, I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720; hieran anschließend FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Dezember 2001, 1 K 250/99, EFG 2002, 381; FG Münster, Urteil vom 24. August 2006, 6 K 2655/03, EFG 2007, 92).

    Im Streitfall ist - wie im Entscheidungsfall des BFH - eine solche Situation gegeben. Die Übernahme der Garantie durch die Klägerin war erkennbar allein deshalb erforderlich, weil die A B.V. die für den Konzern bestimmten Mittel anderenfalls nicht hätte beschaffen können. Es handelte sich mithin um eine Maßnahme, die es der A B.V. überhaupt erst ermöglichte, die ihr zugedachte Funktion als Konzernfinanzierungsgesellschaft tatsächlich wahrzunehmen. Dies lag vor allem darin begründet, dass die A B.V. nicht mit einem ihrer Rolle entsprechenden Eigenkapital ausgestattet worden war. Im Ergebnis wurde mithin durch die Garantieerklärung der Klägerin eine funktionsgerechte Kapitalausstattung der A B.V. ersetzt. Das schließt die Annahme einer „Geschäftsbeziehung” und damit die Anwendung des § 1 AStG auf diesen Vorgang aus.

    Dem Umstand, dass die Garantieerklärung im Zusammenhang mit einer Finanzierungsmaßnahme der A B.V. gegenüber der Klägerin selbst erfolgte, ist kein anderes Ergebnis geschuldet. Denn dadurch verliert die Garantieerklärung weder ihren eigenkapitalersetzenden Charakter noch wird sie damit zum Bestandteil der schuldrechtlichen Leistungsbeziehung „Darlehensverhältnis”. Auch das von dem Beklagten angeführte Urteil des BFH vom 05. Februar 1992 (I R 127/90, BStBl II 1992, 532) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Denn sie betrifft einen anderen Regelungsbereich als die Entscheidung vom 29. November 2000 (I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720). Mit der letztgenannten Entscheidung aber hat der BFH für den Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung eine an dem Sinn und Zweck des § 1 AStG orientierte Auslegung des Begriffs der „Geschäftsbeziehung” getroffen. Einen Verstoß gegen Kohärenzgesichtspunkte vermag das Gericht insoweit nicht zu erkennen.

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 155, § 151 Abs. 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

    Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

    Anmerkung

    Revision eingelegt (BFH I R 28/07)

    VorschriftenAStG § 1