02.11.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 20.02.2008 – 4 K 4000/04
1. Wird ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft erworben, der solchermaßen mit einer Berechtigung an einer konkreten Eigentumswohnung verbunden ist, dass der Erwerber seine Gesellschafterstellung ohne weiteres durch einseitige Erklärung in einen Anspruch auf Übereignung der jeweiligen Eigentumswohnung überleiten kann, so ersetzt der Erwerb des Anteils an der Gesamthand die an sich gebotene Übertragung des Grundstückseigentums, dessen Auswahl den Gesellschaftsanteil bestimmte.
2. Der Grunderwerbsteuer ist in einem solchen Fall gemäß § 42 Satz 2 AO die den wirtschaftlichen Umständen angemessene Gestaltung, nämlich die Verschaffung eines unbedingten und unbefristeten Anspruchs auf Übereignung des jeweiligen Wohnungseigentums, zugrunde zu legen.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkungdes Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …,des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2008
für Recht erkannt:
1. Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide vom 10.02.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27.07.2004 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (FA) zu Recht einen Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag einer grundbesitzenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterworfen hat.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 11.6.1999 war die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit eingeschränkter Gesellschafterhaftung „Eigentümergemeinschaft B” (i.f. GdbR) errichtet worden. Die Gesellschafter vereinbarten das Anwesen B gemeinsam zu erwerben, zu verwalten und soweit notwendig zu sanieren. Auf den Gesellschaftsvertrag im Einzelnen wird Bezug genommen. In Ergänzung zu diesem Gesellschaftsvertrag schlossen die Gesellschafter am 2.7.1999 eine Sondernutzungsvereinbarung mit dem Ziel, jedem Gesellschafter an einer oder mehreren sondernutzungsfähigen Einheiten ein Sondernutzungsrecht zuzuordnen. Diese Sondernutzungsvereinbarung sollte Grundlage für die Erstellung der Teilungserklärung nach dem WEG zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung der Gesellschaft sein. Jeder Gesellschafter konnte danach jederzeit, soweit dies bautechnisch und rechtlich zulässig war, die Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum verlangen, worauf die Gesellschaft unverzüglich das Teilungsverfahren einzuleiten hatte (vgl. Tz 4 der Vereinbarung, Bl 114 f FG-Akte).
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18.9.1999 erwarb die GdbR das genannte Grundstück.
In der Folgezeit schied ein „Alt”-Gesellschafter aus und die Kläger traten als Neugesellschafter der GdbR durch Anteilsübernahmeverträge (vgl. Bl.75 f FG-Akte) bei. Sie wurden jeweils zeitnah als weitere Gesamthandseigentümer im Grundbuch eingetragen. Im Rahmen des Beitritts wurde den Neugesellschaftern anhand eines Prospekts das Gesellschaftermodell detailliert dargestellt (vgl. Bl. 120f FG-Akte), insbesondere Fragen der Veräußerung des Gesellschaftsanteils, Haftungsfragen, Modernisierungsund Baufragen, Finanzierung des Gesellschaftsanteils und die Aufteilung in Eigentumswohnungen mit welcher jeder Gesellschafter alleiniger Eigentümer seiner Wohnung werden sollte. Die Vorgaben dieses Gesellschaftermodells wurden zunächst im Rahmen der Gesellschafterversammlungen (Protokolle 2001-2003 vgl. Bl. 105 f FG-Akte) umgesetzt.
Mit notariell beurkundetem Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag vom 19.12.2003 setzte sich die GdbR zum Zweck der vorzunehmenden Bildung von Wohnungs- und Teileigentum derart auseinander, dass den einzelnen Gesellschaftern Miteigentumsanteile verbunden mit den unter Abschnitt 3 der Urkunde gebildeten Sondereigentumseinheiten zugewiesen wurden. Unter Abschnitt 9 der Urkunde wurde der Wert des Grundstücks und der Baulichkeiten mit 2.590.000.– Euro beziffert.
Das FA sah im Erwerb dieser Miteigentumsanteile einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang und setzte mit Grunderwerbsteuerbescheiden vom 10.2.2004 gegen die Kläger GrESt fest, wobei es die Gegenleistung jeweils mit dem auf den jeweiligen Tausendstelanteil entfallenden Anteil an dem in der Urkunde ausgewiesenen Wert von 2.590.000.– Euro bemaß.
Mit dem Einspruch vom 5.3.2004 machten die Kl geltend, dass als grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage der Grundbesitzwert gem. § 8 Abs. 2 GrEStG heranzuziehen sei.
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidungen vom 27.7.2004 als unbegründet zurück.
Der Wert des Teilgrundstückes, das nach § 7 Abs. 2 GrEStG den Erwerbsgegenstand bilde, richte sich nach dem gemeinen Wert. Dies gelte auch für einen Grundstückstausch, dem eine Realteilung zugrunde liege. Ein Vorgang „auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage liege nicht vor, da der Erwerb von Wohnungs- und Teileigentum nur in den Mantel der GdbR gekleidet gewesen sei um die Aufnahme weiterer Gesellschafter zu ermöglichen. Es liege auch kein Erwerb „im Zuge der Auflösung der Gesellschaft” vor, da diese noch nicht aufgelöst sei.
Mit den Klagen, die der Senat zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, beantragen die Kl die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen aufzuheben, hilfsweise, die Besteuerung unter Beachtung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG durchzuführen. Sie beantragen weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie sind der Auffassung, dass die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu bestimmen sei, da ein Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage vorliege und eine Gegenleistung nicht vorhanden sei. Für den einzelnen Gesellschafter habe keine durchsetzbare Möglichkeit auf Übernahme einer bestimmten Eigentumswohnung bestanden. Eine Aufteilung in Wohnungseigentum sei in den ersten drei Jahren nach Gesellschaftserrichtung schon mangels Abgeschlossenheitserklärung nicht möglich gewesen. Zudem stehe dem Anspruch auf Aufteilung § 311 b BGB entgegen.
Das FA beantragt die Klage abzuweisen.
Der Grundbesitzwert als steuerrechtliche Bemessungsgrundlage widerspreche in Fällen wie dem vorliegenden Sinn und Zweck des Grunderwerbsteuerrechts.
Vor dem Senat hat am 20.2.2008 mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist begründet.
In dem Beitritt der Kläger zur Grundstücksgesellschaft und dem hiermit verbundenen Erwerb von Gesellschaftsrechten liegt ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) i.V.m. § 42 AO.
Das FA ist insoweit bei der Besteuerung des Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrages vom 19.12.2003 vom falschen zu besteuernden Lebenssachverhalt ausgegangen, da dieser Vertrag lediglich den letzten Teilakt, der durch den Beitritt zur Gesellschaft in einer Gesamtvereinbarung erworbenen Berechtigung ein Wohnungseigentum zu erwerben, darstellt. Da die Gesamtvereinbarung, die zum Erwerb des jeweiligen Wohnungseigentums führt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO zu besteuern ist, kommt eine Besteuerung nur dieses letzten Teilaktes nicht in Betracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft gesellschaftsvertraglich so ausgestaltet sein, dass dessen Erwerb im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des Eigentums an einem Grundstück –ggf. in Gestalt einer Eigentumswohnung – gleichkommt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 1.12.2004 II R 23/02, BFH/NV 2005, 721 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn die Beteiligung an einer Personengesellschaft mit einer besonderen Berechtigung an einem der Gesellschaft gehörenden Grundstück verbunden ist und der Gesellschafter ggf. durch einseitige Erklärung (hier: Aufteilungsverlangen) seine Gesellschafterstellung ohne weiteres in einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an diesem Grundstück „umwandeln” kann. Dann ergibt sich bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Gesellschaftsanteils für den Fall des Ausscheidens oder der Auflösung der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag ein konkreter Übereignungsanspruch. Wird ein derart ausgestalteter Gesellschaftsanteil erworben, ersetzt der Anteilserwerb die Übertragung des Grundstückseigentums, dessen Auswahl den Gesellschaftsanteil bestimmt hat. Denn die gewählte Konstruktion des Erwerbs derart ausgestalteter Gesellschaftsrechte ermöglicht infolge der Steuerfreiheit des Wechsels im Gesellschafterbestand eine Gesamthand sowie der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 oder § 7 Abs. 2 GrEStG eine grunderwerbsteuerfreie Überleitung des durch den Gesellschaftsanteil repräsentierten Grundstücks. Darin liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 (vgl. BFH in BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680, 682).
Im Streitfall haben die Kläger durch ihre Aufnahme in die GdbR jeweils einen Gesellschaftsanteil erworben, der solchermaßen mit einer Berechtigung an einer konkreten Eigentumswohnung verbunden war, dass sie ihre Gesellschafterstellung ohne weiteres durch einseitige Erklärung in einen Anspruch auf Übereignung der jeweiligen Eigentumswohnung überleiten konnten. Denn jeder Gesellschafter konnte nach Punkt 4 (Teilung nach WEG) der Sondernutzungsvereinbarung vom 2.7.1999 jederzeit, soweit dies bautechnisch und rechtlich zulässig war, die Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum verlangen, worauf die Gesellschaft das Teilungsverfahren unverzüglich einzuleiten hatte. Nach dem Gesellschaftermodell (Punkt 7.4) sollte nach der Aufteilung dann jeder Gesellschafter alleiniger Eigentümer seiner Wohnung werden.
Wird ein derart ausgestalteter Gesellschaftsanteil erworben, so ersetzt der Erwerb des Anteils an der Gesamthand die an sich gebotene Übertragung des Grundstückseigentums, dessen Auswahl den Gesellschaftsanteil bestimmte (vgl. Punkt 2.2 der Sondernutzungsvereinbarung). Denn diese vertragliche Gestaltung ist nur verständlich unter dem Gesichtspunkt der grunderwerbsteuerfreien, bzw. wie von den Klägern hilfsweise erstrebt, unter Anwendung des § 8 GrEStG grunderwerbsteuergünstigeren Überleitung des durch den Gesellschaftsanteil verkörperten Grundstücks auf den Erwerber des Gesellschaftsanteils. Damit ist der Besteuerung gem. § 42 S. 2 AO, die den wirtschaftlichen Umständen angemessene Gestaltung, nämlich die Verschaffung eines unbedingten und unbefristeten Anspruchs auf Übereignung des jeweiligen Wohnungseigentums, zugrunde zu legen.
Dem Umstand, dass das Verlangen auf Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum vom Vorliegen der bautechnischen Möglichkeit und der baurechtlichen Zulässigkeit abhängig gemacht wurde, kommt insoweit keine Bedeutung zu, da dies selbstverständliche Voraussetzung für die kataster- und grundbuchmäßige Aufteilung nach dem WEG darstellt. Denn es war erklärter Gesellschaftszweck, den Grundbesitz in bestimmte Wohnungseigentumseinheiten aufzuteilen und diese den entsprechenden Gesellschaftsanteilen zuzuordnen. Auch ein etwaiger Formmangel der Sondernutzungsvereinbarung wurde durch die Eintragung der Kläger im Grundbuch geheilt. Zwischenzeitlich haben die Kl das möglicherweise an diesem Formmangel leidende Gesamtvertragswerk bestehen lassen und durchgeführt (§ 41 Abs. 1 AO).
Der Senat sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Die Streitsache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch sind die tatbestandlichen Merkmale des § 115 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 FGO erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckung im Kostenpunkt auf §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.