Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.11.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 18.11.2009 – 1 K 2836/06

    1. Die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze ist als Pachtvertrag zu beurteilen, wenn nicht im Ausnahmefall die Hebung einer fest begrenzten Menge des Bodenschatzes vereinbart ist und damit ein Kauf vorliegt.

    2. Zuführungen zur Rekultivierungsrückstellung im Hinblick auf die Verpflichtung, das Grundstück nach Abschluss der Substanzausbeute zu rekultivieren, gehören nicht zu den gemäß § 8 Nr. 7 GewStG zum Gewerbeertrag hinzuzurechnenden Pachtzinsen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2009

    für Recht erkannt:

    1. Unter Änderung der Gewerbesteuermessbetrags-Änderungsbescheide für 1999 bis 2003 vom 22. April 2005 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2006 werden die hinzugerechneten Miet- und Pachtzinsen

    unter Beibehaltung der übrigen bisherigen Ansätze berücksichtigt und die Gewerbesteuermessbeträge (GewStMB) 1999 bis 2003 entsprechend festgesetzt.

    Die Berechnung der GewStMB für 1999 bis 2003 wird dem Finanzamt übertragen.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darfdurch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckungabwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    I.

    Streitig ist, ob Zuführungen zu einer Rekultivierungsrückstellung gewerbesteuerlich als Pachtzahlungen für eine Kiesausbeute zu beurteilen und daher zur Hälfte nach § 8 Nr. 7 Gewerbesteuergesetz (Fassung der Streitjahre – GewStG –) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind.

    Die Klägerin – eine Personengesellschaft – unterliegt als Bauunternehmen der Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages (GewStMB) für die Streitjahre 1999 bis 2003 durch den Beklagten – das Finanzamt (FA).

    Zu notarieller Urkunde vom 23. Januar 1978 räumte ein Nachbar des Betriebsgrundstücks (Verpächter) dem jeweiligen Eigentümer des Betriebsgrundstücks (herrschendes Grundstück) das Recht zur Gewinnung von Erdmaterial auf seinem Grundstück (dienendes Grundstück) ein und vereinbarte eine diesbezügliche Grunddienstbarkeit. Danach durfte die Klägerin das gesamte Erdmaterial des dienenden Grundstücks mit Ausnahme des Humus abbauen und wegfahren. Als Gegenleistung vereinbarten die Vertragsparteien ein Entgelt in Höhe von zunächst 0,… DM je Kubikmeter abgebauten und entnommenen Erdmaterials, verbunden mit einer Wertsicherungsklausel. Weiter verpflichtete sich der Eigentümer des herrschenden Grundstücks, nach Beendigung der Ausbeute auf seine Kosten das dienende Grundstück nach dem damals bereits genehmigten Plan des Landratsamts A zu rekultivieren.

    Nach einer Außenprüfung rechnete das FA dem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb für die Ermittlung des GewStMB die Pachtzahlungen an den Verpächter hinzu. Darüber hinaus behandelte es die Zuführungen der Klägerin zu einer Rekultivierungsrückstellung als Pachtzinsen i.S.d. § 8 Nr. 7 GewStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Den bis dahin von der Klägerin angesetzten Hinzurechnungsbetrag verwarf es. Im Einzelnen:

    (…)

    Die diese Änderung enthaltenden Änderungsbescheide über den GewStMB für die Streitjahre hat das FA am 22. April 2005 erlassen. Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese den Nichtansatz der Zuführungen zur Rückstellung als Pachtzinsen betrieben hat, hat das FA in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 22. Juni 2006 als unbegründet zurückgewiesen.

    Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor,

    das FA könne sich nicht auf das von ihm in Bezug genommene Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 11. Februar 1941 stützen, weil dieser Entscheidung ein vom hiesigen abweichender Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Die Rekultivierung sei nicht Gegenleistung für die Gestattung der Ausbeute, sondern öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Das habe das Finanzgericht (FG) Düsseldorf am 7. März 1978 in einem konkret vergleichbaren Fall ebenso beurteilt und die Zuführungen zur Rekultivierungsrückstellung nicht zu den Pachtzinsen gerechnet.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Änderung der Gewerbesteuermessbetrags-Änderungsbescheide für 1999 bis 2003 vom 22. April 2005 und der hierzu ergangenen EE vom 22. Juni 2006 die hinzugerechneten Miet- und Pachtzinsen

    im Jahr 1999 mit ….909 DM statt ….361 DM,

    im Jahr 2000 mit ….095 DM statt ….664 DM,

    im Jahr 2001 mit ….403 DM statt ….735 DM,

    im Jahr 2002 mit ….628 EUR statt ….725 EUR,

    im Jahr 2003 mit ….304 EUR statt ….461 EUR

    unter Beibehaltung der übrigen bisherigen Ansätze zu berücksichtigen und die GewStMB 1999 bis 2003 entsprechend festzusetzen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungenim Einzelnen verwiesen wird. Insbesondere seien die streitigen Rekultivierungsrückstellungen wie Erneuerungsrückstellungen im Urteil des RFH vom 11. Februar 1941 zu behandeln.Das FA verweist auf das Urteil des FG Hamburg vom 14. November 1969 und die Kommentierung bei Glanegger/Güroff, GewStG, die seine Auffassung stützten.

    II.

    Die Klage ist begründet.

    Nach § 8 Nr. 7 GewStG (in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung) sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzuzurechnen.

    1. Das FA hat zutreffend und im Übrigen unstreitig den Substanzausbeutevertrag als Pachtverhältnis und nicht als Kauf beurteilt. Der Bundesfinanzhof (BFH) beurteilt in ständiger Rechtsprechung die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze als Pachtverträge, wenn nicht im Ausnahmefall die Hebung einer fest begrenzten Menge des Bodenschatzes vereinbart ist und damit ein Kauf vorliegt (BFH-Urteile vom 6. Mai 2003 IX R 64/98, BFH/NV 2003, 1175; vom 21. Juli 1993 IX R 10/89, BFH/NV 1994, 696). Dass sich das Entgelt – wie im Streitfall – nach der Menge des gewonnenen Materials bemisst, genügt nach der Rspr. noch nicht zur Annahme eines Kaufvertrages (BFH-Urteil vom 6. Juli 1961 IV 333/60, HFR 1962, 8). Auch ist das Ausbeuterecht als gesondertes, vom Grundbesitz zu trennendes Wirtschaftsgut zu beurteilen, weshalb hierfür gezahlte Pachtzinsen grundsätzlich unter die Vorschrift des § 8 Nr. 7 GewStG fallen (std. Rspr., z.B. BFH in HFR 1962, 8).

    2. Die Zuführungen zur Rekultivierungsrückstellung sind nicht wie Pachtzinsen i.S.d. § 8 Nr. 7 GewStG zu behandeln.

    a) Die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 7 GewStG bezweckt die Gleichstellung desjenigen, der fremde Vermögensgegenstände in seinem Betrieb nutzt, mit dem selbstnutzenden Eigentümer (Gesetzesbegründung, zit. nach Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Auflage, § 8 Nr. 7 Rz. 1). Dieser Gesetzeszweck erfordert ein wirtschaftliches Verständnis des Begriffs der Miet- und Pachtzinsen. Er umfasst nicht nur die laufenden Barzahlungen des Pächters, sondern kann auch etwa vom Pächter getragene Aufwendungen für die Reparatur, Instandhaltungskosten und die Versicherung des gepachteten Wirtschaftsguts umfassen (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 1975 IV R 192/71, BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220, m.w.N.). Solche Aufwendungen gehören jedoch nach der Rspr. nur dann zu den Pachtzinsen i.S.d. § 8 Nr. 7 EStG, wenn der Pächter sich zu ihnen dem Verpächter gegenüber besonders verpflichtet hat und wenn und soweit diese nicht ohnehin nach den für den in Frage stehenden Vertragstyp gültigen Vorschriften – also den gesetzlichen Lastentragungsregeln – vom Pächter zu tragen wären. Dies leitet der BFH von der Überlegung ab, dass es anderenfalls den Vertragsparteien freistehe, den Zurechnungsbetrag bei gleichbleibendem Reinertrag durch eine von der vertragstypischen abweichende Lastentragungsregelung zu minimieren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220; BFH-Beschluss vom 23. September 1998 I B 34/98, BFH/NV 1999, 515). Eben diesen auf 50% der Pachtzinsen typisierten Reinertrag wolle der Gesetzgeber in § 8 Nr. 7 GewStG erfassen. Aus ähnlichen Überlegungen heraus hat bereits der RFH die Zuführungen zu einer Erneuerungsrücklage, zu deren Bildung sich der Pächter verpflichtet hatte, den Pachtzinsen gleichgestellt (RFH-Urteil vom 11. Februar 1941 I 398/40, RStBl 1941, 292).

    b) Vor Ergehen der bereits zitierten BFH-Entscheidung (in BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220), in der dieser die vertragstypische Lastentragungsregelung heranzieht, hatte die Rspr. ohne diese Differenzierung Erneuerungsrückstellungen und Ersatzbeschaffungsverpflichtungen in den Begriff der Pachtzinsen einbezogen (BFH-Urteil vom 11. November 1964 I 38/62 U, BFHE 84, 144, BStBl III 1966, 53). Dem entspricht auch die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg (Urteil vom 14. November 1969 II 98/66, EFG 1970, 246), die ebenfalls ohne nähere Differenzierung die Zuführungen zu einer Rückstellung für Wiederherstellung und Aufforstung einer Kiesgrube den Pachtzinsen zugerechnet hatte.

    c) Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des FG Düsseldorf (Urteil vom 7. März 1978 IX/II 23/71 G, EFG 1978, 561), in der dieses in einem dem Streitfall vergleichbaren Fall Rückstellungen für die Wiederauffüllung und Rekultivierung einer Kiesgrube nicht den Pachtzinsen zugeschlagen hatte, wendet die Differenzierung des BFH nach der vertragstypischen Lastentragungsregel auf den Rekultivierungsfall an und kommt zu dem Ergebnis, dass wegen der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Kiesgrubenbetreibers zur Wiederauffüllung und Rekultivierung dieser schon gegenüber dem Landratsamt und nicht aufgrund des Vertrages verpflichtet sei. Selbst wenn im Vertrag die Pflicht erwähnt sei, so entspreche dies der gesetzlichen Lastentragungsregel. Aufwendungen hierfür seien nicht hinzuzurechnen.

    d) Der erkennende Senat schließt sich den Grundsätzen der unter a) und c) dargestellten Rspr. an. Danach sind die streitigen Zuführungen zur Rückstellung nicht den Pachtzinsen zuzurechnen.

    Das ergibt sich bereits aus der eingangs dargestellten Ratio des Gesetzes, dem in Eigennutzung Kiesausbeutenden denjenigen gleichzustellen, der die Ausbeute im Rahmen einer Pacht unternimmt. In beiden Fallgestaltungen trifft den Kiesgrubenbetreiber gleichermaßen die öffentlich-rechtliche Wiederherstellungsverpflichtung (nach dem Bayerischen Abgrabungsgesetz bzw. den Naturschutzgesetzen). Der Gleichstellungsgedanke verbietet es daher von vorneherein, die Aufwendungen des Kiesgrubenbetreibers für die Wiederherstellung als Pachtzins zu betrachten. Der Eigennutzungs-Reinertrag ist ebenso durch die Wiederherstellung belastet, wie es auch der Gewinn des Pächters ist. Insofern ist auch die Argumentation des FG Düsseldorf zutreffend, dass der Pächter zur Wiederherstellung auch ohne Regelung im Pachtvertrag verpflichtet ist – zuallererst und vor dem Eigentümer der Abbauflächen.

    Im Übrigen entspricht es dem zivilrechtlichen Vertragstypus des Ausbeutevertrags, dass der Pächter/Ausbeuter die Wiederherstellungskosten trägt. Der Pächter hat nach § 581 Abs. 2, § 546 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch nach Beendigung des Pachtverhältnisses den Pachtgegenstand zurückzugeben, und zwar grundsätzlich in dem Zustand, in dem er sich bei Beginn der Nutzung befand (vgl. auch FG Düsseldorf, a.a.O.). Das bedeutet nach Ansicht des erkennenden Senats bei einem Ausbeutevertrag, dass das Grundstück – sofern in kultiviertem Zustand übergeben – auch rekultiviert zurückgegeben wird. Insofern unterscheidet sich die Rekultivierungsverpflichtung bei einem Ausbeutevertrag von der Instandhaltungsverpflichtung des Verpächters bei einem Landpacht- oder sonstigen Pachtvertrag. Die Rekultivierungsverpflichtung ist gerade keine Instandhaltungsverpflichtung, weil die Umgestaltung des Grundstücks durch den vertragsgemäßen Gebrauch des Pachtobjekts vorgegeben ist. Die Rückgestaltung in einen auch öffentlich-rechtlich ordnungsgemäßen Zustand ist daher grundsätzlich Rückgabe, nicht Instandhaltung (so im Ergebnis auch FG Düsseldorf, a.a.O.). Die Last für die ordnungsgemäße Rückgabe der Pachtsache aber trägt der Pächter.

    3. Die Revision wird zugelassen, weil angesichts der unterschiedlichen Rechtsprechung des FG Hamburg und des FG Düsseldorf zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung [FGO]). Auch erscheint es zur Fortbildung des Rechts erforderlich, dass Unschärfen der bisherigen – zitierten – Rechtsprechung des BFH, die ihre Anwendung auf Ausbeuteverträge erschweren, geklärt werden.

    4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    VorschriftenGewStG 1999 § 8 Nr. 7, GewStG 2002 § 8 Nr. 7, BGB § 546 Abs. 1, BGB § 581 Abs. 2