02.11.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.10.2009 – 16 K 1567/09 F
- Ist eine atypisch still an einer KG beteiligte GmbH ihrerseits Organgesellschaft einer Organträger-Personengesellschaft, deren Gesellschafter zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung des § 35 EStG berechtigt sind, muss der auf die atypisch stille Beteiligung entfallende Gewerbesteuer-Messbetrag in analoger Anwendung der für mehrstöckige Personengesellschaften geltenden Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 4 EStG a. F. in die Feststellung der anteiligen Gewerbesteuer-Messbeträge auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft einbezogen werden.
- Der Höhe nach ist die Durchleitung des – auf der Ebene der KG – für die Organgesellschaft festgestellten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags auf den Anteil beschränkt, zu dem die Organträger-Personengesellschaft an der Organgesellschaft beteiligt ist.
- Verfahrensrechtlich bedarf es hierzu keiner zwischengeschalteten Feststellung des auf den Organträger entfallenden anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags auf der Ebene der Organgesellschaft.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft (KG). Sie war im Streitjahr 2003 zu 93,6% an der F GmbH beteiligt, mit der sie im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses verbunden war. Ein entsprechender Gewinnabführungsvertrag bestand seit dem 1. Dezember 1982. Gemäß § 3 dieses Vertrages stand den Minderheitsgesellschaftern, die insgesamt quotal an der F GmbH mit 6,4% beteiligt waren, eine Garantiedividende zu, und zwar in Höhe einer jährlichen Ausgleichszahlung von 60.000 DM auf je 1% Anteil am Gesellschaftskapital.
Die F GmbH war im Streitjahr als Mitunternehmerin atypisch still an der A GmbH & Co Beteiligungs-KG (A KG) beteiligt, die ihrerseits weitere Beteiligungen an mehreren inländischen Tochtergesellschaften hielt. Für sämtliche weiteren an der A KG beteiligten Mitunternehmer, nicht aber für die F GmbH stellte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) jeweils gem. § 35 Abs. 3 Sätze 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der seinerzeit gültigen Fassung (zukünftig a.F.) einen Anteil am Gewerbesteuer-Messbetrag dieser Gesellschaft – unter Einbeziehung der Anteile an den Tochtergesellschaften – fest. Gegen ihre Nichtberücksichtigung legte die F GmbH erfolglos Einspruch ein. Die vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 16 K 1267/07 F erhobene Klage war dagegen erfolgreich. Das FG verpflichtete das FA im Urteil vom 22. Januar 2009 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2009, 756) dazu, für die F GmbH einen anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrag in Höhe von 450.988,28 EUR festzustellen. Gegen das Urteil hat das FA beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen IV R 8/09 Revision eingelegt.
Die Klägerin beantragte im Rahmen des für sie durchzuführenden Feststellungsverfahrens für das Streitjahr, diesen – anteilig auf die F GmbH entfallenden – Gewerbesteuer-Messbetrag in die Feststellung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. einzubeziehen, damit dieser den an der Klägerin beteiligten Kommanditisten für Zwecke der Anrechnung der Gewerbesteuer zur Verfügung stehe. Das FA lehnte eine Einbeziehung in die Feststellung mit Bescheid vom 24. November 2005, geändert durch Bescheid vom 22. Oktober 2008, ab. Den gegen den erstgenannten Feststellungsbescheid eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 31. März 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass gem. § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. nur die anteiligen Gewerbesteuer-Messbeträge aus einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft einzubeziehen seien. Eine solche habe aber zwischen der Klägerin und der A KG aufgrund der Zwischenschaltung der F GmbH nicht bestanden. Der Umstand, dass es sich bei der F GmbH um eine juristische Person handle, entfalte insoweit eine abschirmende Wirkung. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. rechtfertigen könne, liege nicht vor. Die Regelung des § 35 Abs. 2 EStG a.F. zeige, dass der Gesetzgeber die Organschaften nicht gänzlich vergessen habe. Daraus, dass keine Regelung zur „Durchleitung” geschaffen worden sei, ergebe sich, dass der Gesetzgeber von einer Abschirmwirkung ausgegangen sei. Dem Erlass der Einspruchsentscheidung stehe nicht entgegen, dass der Ausgang des Revisionsverfahrens beim BFH noch ungeklärt sei, da dieser Bescheid keine Bindungswirkung hinsichtlich der Feststellung für die Klägerin als Organträgerin entfalte (Hinweis auf BFH-Urteil vom 6. März 2008 IV R 74/05, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2008, 663).
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Das FA sei zu verpflichten, den auf die F GmbH entfallenden anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrag in die Feststellung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. auf der Ebene der Klägerin einzubeziehen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Berichterstatters hin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. September 2009 ihren Antrag dahingehend eingeschränkt, dass nur 93,6% des auf die Beteiligung der F GmbH an der A KG entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrags auf die Klägerin durchzuleiten sei. In Bezug auf die Rechtsfrage, inwieweit es infolge der Ausgleichszahlung zu einer Kürzung des durchzuleitenden Betrags komme, sei § 35 Abs. 3 Satz 2 EStG a.F. zu beachten. Danach sei der Anteil am Gewerbesteuer-Messbetrag nach dem Anteil am Gewinn nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels aufzuteilen. Bei der begehrten Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags analog § 35 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. sei die F GmbH infolge des bestehenden Gewinnabführungsvertrags wie eine Mitunternehmerschaft zu behandeln. Dies habe zur Folge, dass im Streitfall 93,6% des Gewerbesteuer-Messbetrags zugeteilt werden müssten.
Die Klägerin beantragt zuletzt (sinngemäß),
unter Aufhebung des insoweit eine Feststellung ablehnenden Feststellungsbescheides für 2003 vom 22. Oktober 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 31. März 2009 das FA zu verpflichten, im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. den auf die F GmbH entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrag in Höhe von 450.988,28 EUR zu 93,6% einzubeziehen und auf die unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kommanditisten der Klägerin gemäß ihren Anteilen an der KG zu verteilen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
Klageabweisung, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die vom FG aufgeworfene Frage, in welcher Höhe aufgrund der Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern an der Organgesellschaft die auf der Ebene der Klägerin festzustellenden Gewerbesteuer-Messbeträge zu kürzen seien, sei nicht entscheidungserheblich. Die gesetzliche Regelung der körperschaftsteuerlichen Organschaft gehe von der Zurechnungstheorie aus. Organgesellschaft und Organträger seien danach zivil- und steuerrechtlich als verschiedene Rechtsträger anzusehen, die ihr jeweiliges Einkommen selbständig ermitteln würden. Dem Organträger werde nach § 14 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nur das Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet, ohne dass die steuerliche Rechtsstellung des Organs insgesamt auf den Organträger übergehe. Es bleibe seinem Wesen nach Einkommen der Organgesellschaft. Hieran anknüpfend habe der BFH in seinem Urteil vom 22. Januar 2004 III R 19/02 (BStBl II 2004, 515) entschieden, dass Gewinne aus der Veräußerung von Teilbetrieben einer Organgesellschaft beim Organträger nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG zu unterwerfen seien und damit auch der Gewerbesteuer unterlägen. Zur Begründung habe der BFH ausgeführt, dass es ein Steuerpflichtiger letztlich selbst in der Hand habe, ob er eine Organschaft wähle oder nicht. Darüber hinaus habe auch das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 25. September 2006 10 K 5519/02 F (EFG 2007, 34) entschieden, dass Vergütungen, die der Gesellschafter einer Organträger-Personengesellschaft für die Geschäftsführung einer Organgesellschaft erhalte, keine Sondervergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellen würden. Sowohl der BFH als auch das FG Düsseldorf hätten damit einen Durchgriff durch die Organgesellschaft im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 34, 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht zugelassen. Aus Sicht des FA seine keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb im Gegensatz dazu ein solcher Durchgriff bei der Vorschrift des § 35 EStG zulässig sein sollte.
Gründe
Die Klage ist begründet.
I. Die Ablehnung der Einbeziehung des Anteils am Gewerbesteuer-Messbetrags, der aus der atypisch stillen Beteiligung der F GmbH an der A KG resultiert, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat vorliegend einen Anspruch darauf, dass der anteilige Gewerbesteuer-Messbetrag, der auf die atypisch stille Beteiligung der F GmbH an der A KG entfällt, in die Feststellung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. einbezogen wird. Dieser Anspruch ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 35 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F.. Denn die Klägerin ist nicht selbst als Mitunternehmerin an der A KG beteiligt, so dass die genannte Vorschrift von ihrem Wortlaut her nicht einschlägig ist. Die Rechtsgrundlage für die Einbeziehung ergibt sich jedoch aus einer analogen Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F.. Insoweit wird auf die Begründung im Urteil des entscheidenden Senats vom 22. Januar 2009 16 K 1267/07 F (EFG 2009, 756) unter II.2. Bezug genommen.
Soweit das FG Hamburg in seiner Entscheidung vom 26. August 2009 6 K 65/09 (abrufbar in juris) die Auffassung vertreten hat, dass der auf die Beteiligung einer Organgesellschaft an einer Mitunternehmerschaft entfallende anteilige Gewerbesteuer-Messbetrag nicht in die Feststellung der anteiligen Gewerbesteuer-Messbeträge auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft einbezogen werden könne, folgt der Senat dem nicht. Dass die gesetzliche Regelung in Bezug auf die hier maßgebliche Problematik – gemessen an dem mit ihr verfolgten Zweck – lückenhaft ist, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 22. Januar 2009 16 K 1267/07 F ausführlich dargestellt.
Im Vordergrund steht daher die sich daran anschließende Frage, ob es sich vorliegend um eine planwidrige Regelungslücke handelt, denn nur eine solche kann grds. im Wege der Analogie als einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch die Gerichte geschlossen werden. Dabei ist der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan in erster Linie aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 373). Der Senat hält auch in dieser Frage nach erneuter Prüfung an seiner Rechtsauffassung fest, dass vorliegend von einer Planwidrigkeit der Lücke auszugehen ist. Sowohl die teleologische als auch die historische Auslegung weisen, wie der Senat auch bereits in seiner Ausgangsentscheidung vom 22. Januar 2009 ausgeführt hat, darauf hin, dass der Gesetzgeber den Personengesellschaften und Einzelunternehmen als Ausgleich dafür, dass der Körperschaftsteuersatz für juristische Personen gesenkt wurde, die Anrechnung der Gewerbesteuer ermöglichen wollte. Es sollte eine „gleichwertige Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits” erreicht werden (vgl. den Entwurf des Steuersenkungsgesetzes, BT-Drucks. 14/2683, 97). Als Alternative zur seinerzeit noch vorgeschlagenen „Option zur Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft” sollten im sog. Basismodell „alle Unternehmen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieben erzielen und der Gewerbesteuer unterliegen, (…) durch eine Ermäßigung der Einkommensteuer um die Gewerbesteuer entlastet (werden)” (vgl. BT-Drucks. 14/2683, 97). Vor diesem Hintergrund hält der Senat daran fest, dass nach der dem § 35 EStG innewohnenden Teleologie eine gesetzliche Regelung sachgerecht gewesen wäre, die auch für den Fall der Beteiligung einer – mit dem Organträger im Wege einer gewerbesteuerlichen und körperschaftsteuerlichen verbundenen – Organgesellschaft an einer Mitunternehmerschaft eine Durchleitung des anteiligen, auf die Organgesellschaft entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrags auf den Organträger vorgesehen hätte. Das Fehlen einer solchen Regelung steht umgekehrt also im Widerspruch zum erkennbaren Gesetzesplan.
Soweit das FG Hamburg in seiner Entscheidung darauf hinweist, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des § 35 Abs. 2 EStG a.F. wiederholt mit der Organschaft befasst habe, steht dies nach Ansicht des Senats einer Planwidrigkeit der Lücke nicht entgegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn aus den Umständen der Entstehung bzw. der späteren Änderungen des § 35 Abs. 2 EStG a.F. (vgl. hierzu Korezkij, GmbH-Rundschau 2003, 1178) die Schlussfolgerung zu ziehen wäre, dass der Gesetzgeber in Bezug auf alle Organschaftskonstellationen eine Durchleitung in jedem Fall ausschließen wollte. Dies vermag der Senat aber nicht zu erkennen. § 35 Abs. 2 EStG a.F. wurde, wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, eingefügt, um eine „Doppelbegünstigung” auszuschließen, bei der der Steuerpflichtige von dem abgesenkten Körperschaftsteuersatz und der Anrechnung der Gewerbesteuer profitiert hätte (eingehend der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 22. Januar 2009 16 K 1267/07, EFG 2009, 756 unter II.2 d) cc)). Konkreter Anlass war die seinerzeit noch mögliche sog. „Nur-gewerbesteuerliche-Organschaft”. In der Einzelbegründung zum Entwurf des Steuersenkungsgesetzes (BT-Drucks. 14/2683, 116) heißt es hierzu:
Begünstigt werden sollen nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die im Gewerbebetrieb des Unternehmers erzielt werden. Gewerbeerträge von Kapitalgesellschaften, die im Rahmen der Gewerbesteuer wegen einer gewerbesteuerlichen Organschaft mit dem Gewerbeertrag des Organträgers zusammengerechnet werden, sollen nicht begünstigt sein. Außerdem sollen Gestaltungen über eine gewerbesteuerliche Organschaft vermieden werden, die nur mit der Zielsetzung
gewählt werden, die Vergünstigung des § 35 EStG zu erreichen.
Der Umstand, dass der Gesetzgeber im § 35 Abs. 2 EStG a.F. gezielt die Anrechnung bei der nur gewerbesteuerlichen Organschaft begrenzt hat, lässt sich nach Ansicht des Senats nicht in einem solchen Sinne verallgemeinern, dass damit alle organschaftsrelevanten Probleme erkannt, geschweige denn abschließend geregelt werden sollten. Hierfür sind den Gesetzesmaterialien auch keine Hinweise zu entnehmen. Selbst wenn man jedoch die historischer Auslegung insoweit als tendenziell unergiebig ansähe, spräche für die hier vertretene Auffassung der Gesetzestelos. Denn speziell im § 35 Abs. 2 EStG a.F. kommt die gesetzgeberische Zielsetzung zum Ausdruck, nur in Fällen einer Doppelbegünstigung eine Anrechnung auszuschließen. Dies spricht umgekehrt dafür, in der vorliegenden Organschaftskonstellation eine Anrechnung zuzulassen, da hier überhaupt keine Gefahr einer Doppelbegünstigung besteht.
Soweit das FG Hamburg ferner die Planwidrigkeit der Regelungslücke unter Hinweis auf § 35 Abs. 4 Satz 4 EStG a.F. verneint (vgl. unter 4.a.ee. der Entscheidungsgründe), stützt es sich dagegen auf systematische Erwägungen, die allerdings rechtsmethodisch regelmäßig wohl nicht zur Klärung der Frage, ob eine Regelungslücke planwidrig ist, herangezogen werden (vgl. Larenz, a.a.O., 373). Der Senat hält das Argument des FG Hamburg, dass der Umstand, dass das Gesetz in dieser Vorschrift ausdrücklich Grundlagen- und Folgebescheidverhältnisse für die Berücksichtigungsfähigkeit von Gewerbesteuer-Messbeträgen angeordnet habe und daher davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen bewusst gewählt und die hierdurch eintretenden Nachteile für Organschaften als hinnehmbar beurteilt habe, aber auch in der Sache für nicht überzeugend. Aus der rein verfahrensrechtlichen Regelung des § 35 Abs. 4 EStG a.F. ist nach Ansicht des Senats kein Rückschluss auf die Planmäßigkeit oder Planwidrigkeit der hier fraglichen Lücke möglich. Denn wenn der Gesetzgeber die Regelungsbedürftigkeit der Einbeziehung des Gewerbesteuer-Messbetrags bei an Personengesellschaften beteiligten Organschaften übersehen hat, liegt es nahe, dass aus dem gleichen Grund auch die Einfügung einer flankierenden verfahrensrechtlichen Regelung unterblieben ist.
Auch die Stellungnahme von Frotscher (Die Unternehmensbesteuerung 2009, 426) vermag den Senat nicht dazu zu veranlassen, von seiner in der Ausgangsentscheidung vertretenen Auffassung abzurücken. Frotscher beruft sich darauf, dass es für eine Durchleitung an der Rechtsgrundlage fehle. Dies sei systematisch auch zutreffend, denn in dem Ausgangswert des auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft ermittelten Gewerbesteuer-Messbetrags sei der auf die nachgeschaltete Personengesellschaft entfallende Gewerbesteuer-Messbetrag nicht enthalten. Nach Auffassung des Senats wird hier in einem Zirkelschluss argumentiert. Die zu stellende Frage, nämlich ob der anteilige Gewerbesteuer-Messbetrag, der auf die Organgesellschaft entfällt, in den Gewerbe-Steuermessbetrag der Organträger-Personengesellschaft einbezogen werden kann, wird von Frotscher gleichsam als Ergebnis vorweggenommen, verneint und dann argumentativ dazu herangezogen, das Fehlen einer Rechtsgrundlage zu legitimieren. Zutreffenderweise wäre aber zunächst die Ausgangsfrage zu klären, ob dem Gesetz nicht doch eine Rechtsgrundlage für die Durchleitung entnommen werden kann.
II. Der Höhe nach ist die „Durchleitung” unterdessen – wie von der Klägerin nach Einschränkung ihres ursprünglichen Klagebegehrens auch nur noch beantragt – auf den Anteil beschränkt, zu dem die Klägerin an der F GmbH beteiligt ist, im Streitfall also auf einen Betrag in Höhe von 422.125,03 EUR (93,6% von 450.988,28 EUR). Diese Beschränkung der Durchleitungsmöglichkeit ergibt sich aus der Besonderheit, dass hier auf der Ebene der Organgesellschaft (WP) Ausgleichszahlungen an die Minderheitsgesellschafter zu leisten sind. Das für die Ausgleichszahlungen notwendige Einkommen, in dem auch die Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft quotal enthalten sind, ist auf der Ebene der Organgesellschaft anteilig zu versteuern, und zwar unter Einbeziehung des „abgesenkten” Körperschaftsteuersatzes (dies ist bei dem Prozentsatz, zu dem die Organgesellschaft gem. § 16 KStG ihr Einkommen selbst zu besteuern hat, berücksichtigt). Um die vom Gesetzgeber nicht gewollte Doppelbegünstigung zu vermeiden, ist daher in Höhe der Beteiligung der Minderheitsgesellschafter eine Kürzung des weiter geleiteten Gewerbesteuer-Messbetrags erforderlich. Der Senat folgt insoweit dem in der Literatur vorgeschlagenen Berechnungsmodus (vgl. etwa Levedag, in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, § 35 EStG Anm. 47; Ritzer/Stangl, in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 35 Rn. 98a). Eine ebenfalls denkbare Kürzung unter Anknüpfung an die tatsächlich gezahlte Garantiedividende wäre deutlich komplizierter zu berechnen und stünde damit im Gegensatz zur Intention des Gesetzgebers, eine möglichst pauschale Berechnung vorzunehmen. Letzteres kommt insbesondere in der Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 2 EStG a.F. zum Ausdruck, wonach sich der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag nach seinem Anteil am Gewinn nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels richtet. Vorabgewinne und Sondervergütungen werden im Rahmen dieser groben Typisierung nicht berücksichtigt. Der Senat hält es vor diesem Hintergrund für gerechtfertigt, auch in Bezug auf die hier anzustellende Berechnung an die Höhe der Beteiligung an der Organgesellschaft anzuknüpfen.
Verfahrensrechtlich bedurfte es, anders als zunächst von der Klägerin möglicherweise für erforderlich gehalten, keiner zwischengeschalteten Feststellung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags auf der Ebene der F GmbH. Nach Ansicht des Senats besteht hierfür im Streitfall, ungeachtet der nur quotalen Weiterleitungsmöglichkeit, keine Notwendigkeit, so dass dahinstehen kann, ob eine Rechtsgrundlage für eine solche Feststellung überhaupt abgeleitet werden könnte. Der Feststellung des anteilig auf die Organgesellschaft entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrags kommt nach Ansicht des Senats damit zwar grds. Bindungswirkung für die Feststellung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft zu. Da die Durchleitung gem. § 35 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. analog aber nach dem Gesetzestelos insoweit zu beschränken ist, als eine Doppelbegünstigung mit dem „abgesenkten” Körperschaftsteuersatz besteht, ist über die endgültige Höhe des durchleitbaren Gewerbesteuer-Messbetrags im Rahmen der Feststellung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. beim Organträger – hier der Klägerin – zu entscheiden.
III. Da sich bei der Klägerin selbst im Streitjahr kein anzusetzender Gewerbesteuer-Messbetrag ergibt, beläuft sich die Summe der festzustellenden Gewerbesteuer-Messbeträge unter Einbeziehung des auf die F GmbH entfallenden Anteils auf 460.645,03 EUR. Diese Summe setzt sich wie folgt zusammen:.
Anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge aus Beteiligungen an:
Betrag | |
A KG | 29.190,00 EUR |
L KG | 9.330,00 EUR |
F GmbH | 422.125,03 EUR |
Summe | 460.645,03 EUR |
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Klägerin ist insoweit unterlegen, als der auf die F GmbH entfallende Gewerbesteuer-Messbetrag nur zu 93,6% weiter geleitet werden konnte, während ursprünglich die volle Durchleitung beantragt war. Hieraus ergab sich zugleich auch die Kostenquote.
VI. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.