02.11.2010
Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 02.09.2009 – 2 K 616/07
1. Die für die Gewährung der Stromsteuerbefreiung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG maßgebliche Nennleistung einer Stromerzeugungsanlage bemisst sich nach der dauernd abgebbaren Leistung; mithin von der in das öffentliche Stromnetz eingespeisten Leistung. Ein Abzug des Eigenbedarfs der Stromerzeugungsanlage ist nicht vorzunehmen, wenn der für den Eigenbedarf erforderliche Strom völlig unabhängig von der eingespeisten Strommenge dem öffentlichen Stromnetz entnommen wird.
2. Enthält eine sog. Errichter-Bescheinigung über die technischen Anlagenparameter eines Blockheizkraftkraftwerks keine rein technische Aussage über die Höhe der dauerhaft abgebbaren Leistung der Anlage, sondern wird aus verschiedenen technische Werten eine – auf bestimmter Gesetzesauslegung beruhende – Nennleistung ermittelt, besteht keine das FA im Rahmen der Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StomStG bindende Definition des Begriffs der Nennleistung.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 2. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. September 2009 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht …,
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für den von ihr in der Blockheizkraftwerk (BHKW)-Anlage „…” erzeugte Strom gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetz (StromStG) von der Stromsteuer befreit ist.
Im Laufe des Jahres 2005 nahm die Klägerin das von ihr errichtete BHKW … in … in Betrieb. Bei dieser Anlage handelte es sich um eine ortsfeste Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, in welcher gleichzeitig Wärme und Strom erzeugt werden. Der in dem BHKW erzeugte und in das Stromnetz der Klägerin eingespeiste Strom wurde in räumlichem Zusammenhang zu dem BHKW von der Klägerin an Letztverbraucher geliefert. Wegen der technischen Abläufe im Zusammenhang mit dem Betrieb des BHKW wird ergänzend auf ein von der Klägerin mit Schriftsatz vom 31. August 2009 übersandtes Schaltschema Bezug genommen.
Ausweislich einer am 22. Juni 2006 durch die … Energietechnik GmbH erstellten „Errichterbestätigung” über die technischen Anlagenparameter des BHKW … in … betrug die Brutto-Stromerzeugung der Anlage 2.020 kW; unter Abzug von Transformatorenverlusten in Höhe von 15 kW sowie eines Eigenbedarfs von 45 kW ergab sich eine „Nennleistung” des BHKW in Höhe von 1.960 kW (= 1,960 MW).
In ihrer vom 24. Mai 2006 datierenden und am 27. Mai 2006 beim Beklagten (HZA) eingereichten Stromsteueranmeldung 2005 behandelte die Klägerin (unter anderem) den von ihr im Jahre 2005 in dem besagten BHKW erzeugten (und an Letztverbraucher gelieferten) Strom (11.659,645 MWh) als stromsteuerbefreit. Abweichend von dieser Anmeldung unterwarf das HZA mit Stromsteuerbescheid vom 9. Juni 2006 die in dem BHKW erzeugte Strommenge dem Regelsteuersatz der Stromsteuer von 20,50 EUR/MWh.
Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Für die Frage, ob eine Anlage zur Stromerzeugung eine Nennleistung von bis zu 2 MW habe, komme es nicht auf die Leistung des in der Anlage verbauten Generators sondern vielmehr lediglich auf die Nettoleistung der betreffenden Anlage an; bei der Nettoleistung handele es sich um die Leistung des verbauten Generators abzüglich Transformatorenverluste und Eigenbedarf. Unter Berücksichtigung dieser Abzüge betrage die (Netto-)Nennleistung des hier in Rede stehenden BHKW lediglich 1,960 MW; die Leistung liege damit unter der von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG bestimmten Grenze, so dass eine Stromsteuerbefreiung nach dieser Vorschrift zu gewähren sei. Auch aus der Errichterbestätigung der … Energietechnik GmbH vom 22. Juni 2006 ergebe sich, dass die Nennleistung der hier in Rede stehenden Anlage lediglich 1,960 MW betrage; diese Nennleistung habe der Hersteller bescheinigt. Nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK-G) sei unter der Nennleistung einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage die vom Hersteller bescheinigte Nennleistung zu verstehen; im Geltungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG könne nichts anderes gelten. Dem öffentlichen Stromnetz werde im Übrigen lediglich die Netto-Nennleistung der Anlage zugeführt.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Stromsteuerbescheides vom 9. Juni 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2007 die Stromsteuer 2005 entsprechend der Steueranmeldung vom 24. Mai 2006 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das HZA steht auf dem Standpunkt, die Leistung der hier in Rede stehenden Anlage betrage 2,020 MW; dies folge aus der Errichterbestätigung für die Anlage. Im Übrigen könne es dahinstehen, ob für die Ermittlung der Nennleistung die Transformatorenverluste (in Höhe von 0,015 MW) abzuziehen seien. Denn jedenfalls sei ein Abzug des Eigenbedarfs der Stromerzeugungsanlage zur Ermittlung ihrer Nennleistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht vorzunehmen. Damit liege die Nennleistung der hier in Rede stehenden Anlage jedenfalls über 2 MW.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat das HZA die Gewährung der Stromsteuerbefreiung für den von der Klägerin in ihrem BHKW … erzeugten Strom verweigert, weil die Nennleistung des BHKW mehr als 2 MW beträgt. Im Einzelnen:
Unter der Nennleistung einer elektrischen Anlage ist laut Brockhaus-Enzyklopädie (19. Auflage 1991) – soweit es im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist – die höchste dauernd abgebbare Leistung einer Stromerzeugungsanlage gemäß den jeweiligen Lieferbedingungen zu verstehen. Als dauernd abgebbar in diesem Sinne ist nach Auffassung des Senats wenigstens eine Leistung von 2,005 MW anzusehen, denn diese Leistung wird von der hier in Rede stehenden Stromerzeugungsanlage zweifelsfrei dem öffentlichen Stromnetz zugeführt und durch einen entsprechenden Zähler als von der Klägerin eingespeiste Strommenge erfasst. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats eindeutig aus dem dem Schriftsatz der Klägerin vom 31. August 2009 beigefügten Schaltschema. Dort ist der erwähnte Zähler für die eingespeiste Strommenge als „Zählung 1” bezeichnet. Wie sich ebenfalls aus dem erwähnten Schaltschema ergibt, wird der für den Eigenbedarf des BHKW erforderliche Strom völlig unabhängig von der eingespeisten Strommenge dem öffentlichen Stromnetz entnommen. Diese Entnahme wird ebenfalls durch einen Zähler („Zählung 2” in dem erwähnten Schaltschema) vor der Zuführung zu der hier in Rede stehenden Anlage erfasst. Unter diesen Umständen kann nach Auffassung des Senats keine Rede davon sein, dass die dauernd abgebbare Leistung des BHKW – technisch gesehen – unter 2 MW liegt.
Zu einem anderen Ergebnis könnte man lediglich dann gelangen, wenn man – im Wege einer wirtschaftlichen oder ökologischen Betrachtung – die durch den Betrieb der hier in Rede stehenden Anlage zusätzlich erzeugte Strommenge ermitteln wollte. Aus dem Gesetzestext des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ergeben sich jedoch nach Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Nennleistung in einem derartigen wirtschaftlichen oder ökologischen Sinn zu verstehen ist.
Entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 14. Mai 2007 steht das vorstehende Ergebnis auch nicht in einem Widerspruch zu den Bestimmungen des KWK-G. Wenn die Klägerin darauf hinweist, dass nach dem KWK-G für den Begriff der Nennleistung auf die vom Hersteller bescheinigte Nennleistung abzustellen ist, so besagt dies noch nichts darüber, ob zur Ermittlung der Nennleistung einer Anlage der für den Betrieb der Anlage erforderliche Strom (Eigenbedarf) herauszurechnen ist. Zwar ergibt sich aus der Errichterbestätigung der … Energietechnik GmbH vom 22. Juni 2006 dass die Nennleistung des hier in Rede stehenden BHKW 1,960 MW betrage. Bei dieser Bestätigung handelt es sich jedoch offenkundig nicht um eine rein technische Aussage über die Höhe der dauerhaft abgebbaren Leistung der Anlage; vielmehr werden in der Bescheinigung verschiedene technische Werte (Brutto-Stromerzeugung, Transformatorenverluste sowie Eigenbedarf) aufgeführt und daraus ein Wert ermittelt, bei welchem es sich nach Auffassung der Kraftanlagen … GmbH um die Nennleistung der Anlage handelt. Eine derartige auf einer bestimmten Auslegung der gesetzlichen Vorschriften beruhende Bestätigung kann jedoch nicht bindend den Begriff der Nennleistung definieren und die Nennleistung der hier in Rede stehenden Anlage festlegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.