02.11.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 22.06.2009 – 4 K 1528/07
Es ist nicht gleichheitswidrig i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG und damit verfassungskonform, dass nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. b GrEStG nur ein Grundstückserwerb im Rahmen einer amtlichen Baulandumlegung nach den §§ 45 ff. des BauGB, nicht aber ein Grundstückserwerb im Rahmen einer „freiwilligen” Baulandumlegung von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht … der Richterin am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … ohne mündliche Verhandlung am 22. Juni 2009 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Grundstückserwerbe der Kläger im Rahmen einer freiwilligen Baulandumlegung von der Grunderwerbsteuer befreit sind.
Mit notariell beurkundetem städtebaulichem Vertrag vom 28. Juli 2005 erwarben die Kläger zum Miteigentum zu gleichen Teilen Grundstücke von der Gemeinde A. Im Gegenzug übertrugen die Kläger diverse Teilflächen ihnen gehörender Grundstücke auf die Gemeinde A. Der Erwerb erfolgte jeweils im Rahmen einer freiwilligen Baulandumlegung. Die Kläger erwarben eine Teilfläche von ca. 3.486 qm aus der FlNr. 181/209, eine Teilfläche von ca. 459 qm aus FlNr. 180, sowie eine Teilfläche von 473 qm aus FlNr. 180/2 in B, A.
Nach Tz. VI. 3. der Urkunde erfolgte ein Zahlungsausgleich für Mehr- bzw. Minderzuteilungen auf der Grundlage von 730 EUR/qm Geschossfläche. Aus der Gesamtfläche der getauschten Grundstücke von 171.759 qm und der darauf zulässigen Geschossfläche von 86.333 qm ermittelte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen Verkehrswert von 367 EUR/qm. Für die von den Klägern erworbene Teilfläche von 3.486 qm aus der FlNr. 181/209 ergab sich damit ein Verkehrswert von 1.279.362 EUR (3.486 qm × 367 EUR/qm); für die Teilfläche von 459 qm aus FlNr. 180 ergab sich ein Verkehrswert von 168.453 EUR; für die Teilfläche von 473 qm aus FlNr. 180/2 ergab sich ein Verkehrswert von 173.591 EUR.
Mit Bescheiden jeweils vom 19. Juni 2006 setzte das FA für den Erwerb der Kläger betreffend die FlNr. 181/209 aus einem Tauschwert von 426.454 EUR (1/3 von 1.279.362 EUR) Grunderwerbsteuer i.H.v. jeweils 14.926 EUR fest. Für den Erwerb der Kläger betreffend die FlNr. 180 setzte es mit Bescheiden ebenfalls vom 19. Juni 2006 aus einem Tauschwert von 56.151 EUR Grunderwerbsteuer i.H.v. 1.965 EUR gegen jeden Kläger fest. Mit weiteren Bescheiden vom 19. Juni 2006 setzte das FA für den Erwerb der Kläger betreffend die FlNr. 180/2 aus einem Tauschwert von 57.863 EUR jeweils Grunderwerbsteuer i.H.v. 2.025 EUR gegen die Kläger fest.
Die Einsprüche der Kläger gegen die Grunderwerbsteuerbescheide betreffend den Erwerb aus FlNr. 181/209 jeweils vom 14. Juli 2006 wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 5. April 2007, die Einsprüche gegen die Grunderwerbsteuerbescheide betreffend den Erwerb aus FlNr. 180 mit Einspruchsentscheidungen vom 10. April 2007 und die Einsprüche gegen die Grunderwerbsteuerbescheide betreffend den Erwerb aus FlNr. 180/2 mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 11. April 2007 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der Klage vom 30. April 2007 tragen die Kläger im Wesentlichen vor, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) stehe mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht in Einklang. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG dass zwar nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG die amtliche Umlegung, nicht aber die freiwillige Umlegung von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Zwischen der amtlichen Umlegung gem. §§ 45 ff. des Baugesetzbuchs (BauGB) und der auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB vorgenommenen freiwilligen Umlegung bestünden keine rechtlich relevanten Unterschiede, deshalb bestünden auch keine sachlichen Gründe, die eine grunderwerbsteuerliche Benachteiligung der freiwilligen gegenüber der amtlichen Umlegung rechtfertigen könnten.
Die Kläger beantragen,
den Grunderwerbsteuerbescheide gegen C D vom 19. Juni 2006 (StNr. 141/863/…, 5…, 5…), gegen E D (StNr. 141/863/5…5, 5…, 5…) und gegen F D (StNr. 141/863/5…, 5…, 5…) jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 5., 10. bzw. 11. April 2007 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. September 1988 II B 98/88, BStBl II 1988, 1008.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte, das Rechtsgutachten von Prof. Dr. G vom 12. September 2007 Bezug genommen.
Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen der Parteien ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Kläger haben von der Gemeinde A mit notariellem Vertrag vom 28. Juli 2005 Grundstücke erworben. Diese Vorgängeg unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 5 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Der Steuerbarkeit der Erwerbsvorgänge steht nicht entgegen, dass es sich dabei um den Rückerwerb von Ersatzgrundstücken im Rahmen einer freiwilligen Baulandumlegung gehandelt hat.
a) Die Kläger können sich nicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG berufen. Danach ist der Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem BauGB von der Besteuerung ausgenommen, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Diese Ausnahme von der Besteuerung beschränkt sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auf das förmliche Umlegungsverfahren und kann nicht auf die „freiwillige Umlegung” erstreckt werden (BFH-Beschluss vom 6. September 1988 II B 98/88, BStBl II 1988, 1008; vgl. auch BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 24/04, BFH/NV 2006, 365 und den hierzu ergangen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 23. August 2006 1 BvR 1024/05, juris; vgl. dazu auch Fischer in Boruttau, GrEStG, 16. Auflage 2007, § 1 Rz. 647).
b) Die Entscheidung des Gesetzgebers, nur amtliche, nicht aber auch freiwillige Baulandumlegungen von der Besteuerung auszunehmen, macht § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG nach Auffassung des beschließenden Senats nicht gleichheits- und damit verfassungswidrig.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (vgl. z.B. Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164-185). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Bei der Auswahl des Steuergegenstandes hat der Gesetzgeber zwar einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, er muss jedoch unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtiger bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i.S.d. Belastungsgleichheit umsetzen (Beschluss des BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27). Vom Gesetzgeber mit dem Normerlass zulässigerweise verfolgte Lenkungsziele können eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. In diesem Fall muss der Lenkungszweck mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein (Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121)
Grund für die Begrenzung des Ausnahmetatbestandes in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG auf das förmliche Umlegungsverfahren war die Absicht des Gesetzgebers, die Zahl der Ausnahmen von der Besteuerung möglichst klein zu halten. Nur auf diese Weise war das Ziel zu erreichen, das bisher durch zahlreiche Ausnahmeregelungen stark zersplitterte Grunderwerbsteuerrecht zu vereinheitlichen, es zu vereinfachen und den Steuersatz drastisch zu senken. Mit der eindeutigen Anknüpfung an die amtliche Umlegung wurden zahlreiche Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden. Wie etwa §§ 56 Abs. 2, 59 Abs. 4 Satz 1 BauGB zeigen, zeichnet sich selbst das förmliche Umlegungsverfahren durch eine besondere Elastizität zugunsten einvernehmlicher Regelungen zwischen den beteiligten Eigentümern aus. Eine Grundstückszuteilung kann deshalb auch im Rahmen der amtlichen Umlegung häufig nicht zweifelsfrei einer hoheitlich gesetzten Entscheidung zugeordnet werden. Hinzu kommt, dass auch eine einverständliche, auf privatrechtlicher Basis durchgeführte Grundstücksumlegung der sinnvollen Umsetzung der gemeindlichen Bauleitplanung dient und damit der Wahrnehmung der der Gemeinde obliegenden öffentlichen Aufgaben (vgl. BGH-Urteil vom 2. April 1981 III ZR 131/79, NJW 1981, 2124; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Februar 1990 1 BvR 1556/88, HFR 1990, 580). Wäre daher z.B. allein die Freiwilligkeit des Grundstücksmehrerwerbs entscheidend, so müssten die häufigen einvernehmlichen Regelungen allein für grunderwerbsteuerrechtliche Zwecke daraufhin überprüft werden, ob und in welchem Umfang einem Grundstückserwerber eine Geldleistungspflicht auch zwangsweise hätte auferlegt werden können. Derartige aufwendige Ermittlungen widersprechen dem Vereinfachungszweck des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG. Brauchbare Abgrenzungsergebnisse lassen sich daher nur erzielen, wenn der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG auf die Grundstückszuteilung im Rahmen des förmlichen Umlegungsverfahrens beschränkt bleibt (vgl. hierzu Urteil des FG Baden-Württemberg vom 19. November 2008 1 K 188/05, juris).
Auch wenn, wie im Gutachten des Prof. Dr. G vom 12. September 2007 zutreffend dargestellt, die freiwillige ebenso wie die amtliche Umlegung einer bauplanungsrechtlich erwünschten Bodenneuordnung dient und die freiwillige Umlegung sich regelmäßig an den Grundsätzen der amtlichen Umlegung orientiert, bleiben die amtliche und die freiwillige Umlegung doch strukturell verschiedene Neuordnungsverfahren, die von Verfassungs wegen grunderwerbsteuerrechtlich nicht gleichbehandelt werden müssen. Das zeigt sich bereits daran, dass sich ein Grundeigentümer einer amtlichen Umlegung nicht entziehen, sondern hiergegen nur öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Anders als bei der amtlichen Umlegung besteht bei der freiwilligen Umlegung auch keine Pflicht zur Entrichtung eines Vorteilsausgleichs. Der Grundsatz der Vorteilsausgleichung bedeutet, dass die sich bei der Zuteilung ergebenden Unter- oder Überschreitungen des Sollanspruchs bzw. des Anspruchs auf mindestens gleichwertige Zuteilung durch Zuteilung minder- oder höherwertiger Grundstücke grundsätzlich in Geld auszugleichen sind (vgl. z.B. § 57 letzter Satz, § 58 Abs. 2, § 59 Abs. 2 und 5 BauGB). Die grunderwerbsteuerliche Verteuerung der freiwilligen Umlegung kann sich daher im Vergleich zur amtlichen Umlegung auf einer anderen Ebene wieder ausgleichen, so dass nicht nur im Ausgangspunkt, sondern auch in den Folgen wesentliche Unterschiede zwischen beiden Umlegungsarten bestehen. Nach Ansicht des Senats ist die unterschiedliche Struktur der freiwilligen und der amtlichen Umlegung ein ausreichender sachlicher Differenzierungsgrund, der es erlaubt, nur die amtliche, nicht jedoch die freiwillige Umlegung von der Grunderwerbsteuer zu befreien.
Damit scheidet auch eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO aus.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.