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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 10.02.2010 – 4 K 4619/08 Z

    - Voraussetzung für die teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 150 Abs. 2 ZK (hier: bei der Lohnveredelung von Textilien in Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina ohne Zollpräferenz) ist, dass die Vorerzeugnisse in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sind.


    - Die bloße Bewilligung des passiven Veredelungsverkehrs reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die unterlassene Überführung ohne wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens geblieben ist.


    - Dies ist zu verneinen, wenn eine Prüfung der passiven Veredelung (Nämlichkeitsnachweis) aufgrund des Zeitablaufs allenfalls noch in buchmäßiger Form, nicht aber aufgrund einer Kontrolle der Ausfuhrwaren oder auch nur der später eingeführten Veredelungserzeugnisse möglich ist.


    Tatbestand

    Die Klägerin begehrt die Zollberechnung nach den Regeln passiver Veredelung für Einfuhren von Kleidung des Kapitels 62 aus Mazedonien, die nicht in dieses Zollverfahren überführt worden waren.

    Auf Antrag der Klägerin bewilligte ihr der Beklagte mit Verfügung vom 14.09.1999 eine zeitlich und mengenmäßig nicht begrenzte passive Veredelung u.a. bestimmter Gewebe der Positionen 5111, 5208-5216, 5309, 5902 und 5903 der Kombinierten Nomenklatur – KN als Waren der vorübergehenden Ausfuhr in Damenröcke und Damenhosen bestimmter Unterposition der Position 6104 und 6204 KN. Die Bewilligung sah vor, dass die Nämlichkeitssicherung von der Zollstelle geregelt wird, bei der die Waren der vorübergehenden Ausfuhr zur Veredelung abgefertigt werden. Das Verfahren des Standardaustauschs war nicht zugelassen. Die Veredelungserzeugnisse waren u.a. über das Zollamt (ZA) A des Beklagten wiedereinzuführen.

    Zum 07.12.2001 erweiterte der Beklagte die Bewilligung um Mazedonien als Veredelungsland und am 08.01.2002 um das ZA B des Hauptzollamts C als Zollstelle der vorübergehenden Ausfuhr und zur Abfertigung der Veredelungserzeugnisse. Mit Verfügung vom 03.07.2003 befristete der Beklagte die Bewilligung zum 30.06.2007.

    Eine Bewilligung für Bosnien und Herzegowina als Veredelungsland wurde nicht erteilt.

    Von der Bewilligung machte die Klägerin seit 2003 für ihre Einfuhren aus Mazedonien keinen Gebrauch, sondern ließ Kleidung des Kapitels 62 im Rahmen wirtschaftlicher Lohnveredelung unter Vorlage von Präferenznachweisen aus Mazedonien und aus Bosnien und Herzegowina in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Dabei wurden die Waren zollfrei belassen. Im Rahmen von Ermittlungen des Zollfahndungsamts D wurde später ohne Einschaltung der Behörden Mazedoniens und Bosnien und Herzegowinas festgestellt, dass die unter Vorlage von Warenverkehrsbescheinigungen EUR 1 aus Mazedonien und Bosnien und Herzegowina in den zollrechtlich freien Verkehr überführten Waren tatsächlich Oberstoffe türkischen und tschechischen Ursprungs enthielten. Die Oberstoffe waren teilweise aus der EU und auch von der Klägerin selbst, teilweise aus der Türkei zu den Herstellungsbetrieben ausgeführt worden. Soweit die Oberstoffe aus Tschechien stammten, fanden die Einfuhren vor dem Beitritt dieser Staaten zur EU statt. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem Schlussbericht vom 25.03.2008.

    Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 12.04.2006 nahm der Beklagte die Klägerin auf 64.717,80 EUR Zoll in Anspruch, da für die Einfuhren aus Mazedonien ein mazedonischer Ursprung nicht gegeben sei. Der Bescheid bezog sich auf Überführungen in den zollrechtlich freien Verkehr, die die Klägerin vom 15.04.2003 bis zum 31.03.2004 beim ZA B beantragt hatte.

    Mit weiterem Einfuhrabgabenbescheid vom 10.07.2006 nahm der Beklagte die Klägerin auf 209.805,70 EUR Zoll wegen gleichartiger Einfuhren über das ZA A des Beklagten für den Zeitraum vom 27.04.2004 bis zum 08.09.2005 in Anspruch.

    Wegen sechs Einfuhren von Waren des Kapitels 62 vom 13.04. bis zum 22.06.2005, die aus Bosnien-Herzegowina unter Vorlage von Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1 über das ZA A zollfrei in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden, aber unter Verwendung von Oberstoffen türkischen Ursprungs hergestellt worden waren, nahm der Beklagte die Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25.09.2006 auf 5.623,69 EUR Zoll in Anspruch.

    Gegen alle drei Einfuhrabgabenbescheide hatte die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt. Über die Einsprüche, mit der die Klägerin die in den Bescheiden nicht gewährten Zollermäßigungen durch Anwendung der Art. 150 Abs. 2, 151 und 153 ZK begehrt, ist noch nicht entschieden worden.

    Mit Telefax vom 20.06.2005 beantragte die Klägerin rückwirkend für ein Jahr die Einfuhren von Kleidung des Kapitels 62 im Rahmen wirtschaftlicher Lohnveredelung aus Mazedonien im Rahmen einer passiven Veredelung abzuwickeln.

    Diesen Antrag wertete der Beklagte als Antrag auf Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK und lehnte ihn mit Verfügung vom 20.10.2005 ab, da die Voraussetzungen des Art. 150 Abs. 2 ZK nicht gegeben seien.

    Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass eine nachträgliche Zulassung der passiven Veredelung nach der nunmehr geänderten Dienstanweisung möglich sei, wenn wie in ihrem Fall auf die passive Veredelung verzichtet worden sei, weil eine Präferenzbegünstigung in Anspruch genommen worden sei. Über die dafür erforderliche Voraussetzung, eine Bewilligung der passiven Veredelung auch in Mazedonien, verfüge sie.

    Die Heilung durch das Verfahren nach Art. 150 Abs. 2 ZK scheitere nicht an einem offenkundig fahrlässigen Verhalten ihrerseits, das nichts mit der passiven Veredelung zu tun gehabt habe. Auch nach dem Wortlaut der Vorschrift müsse sich der heilbare Verfahrensfehler nur im Rahmen der passiven Veredelung abgespielt haben.

    Im Streitfall aber werde ihr der Vorwurf eines Fehlers außerhalb der passiven Veredelung, nämlich in der Ausnutzung einer nicht gegebenen Präferenzbegünstigung gemacht.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da Art. 150 Abs. 2 ZK voraussetze, dass die Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden seien. Die nach Art. 150 Abs. 2 ZK heilbaren Verfehlungen müssten folglich innerhalb der passiven Veredelung stattfinden. Anders mache das Regel-Ausnahme-Verhältnis in dieser Vorschrift keinen Sinn. Davon sei auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof – öVwGH in seiner Erkenntnis vom 18.12.2006, 2004/16/0279-7, ausgegangen.

    Zur Begründung ihrer fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Art. 150 Abs. 2 ZK sei auch dann anzuwenden, wenn die Waren der vorübergehenden Ausfuhr nicht in die passive Veredelung überführt worden seien. Davon gehe sowohl die Dienstanweisung VSF Z 1601 in Abs. 94 Unterabs. 3 als auch die Kommentierung in Witte, ZK Art. 150 Rz. 18 aus.

    Art. 150 Abs. 2 ZK enthalte keine Regelung, aufgrund der das Fehlen grober Fahrlässigkeit notwendige Voraussetzung für eine Heilung sei. Eine diesbezügliche Ergänzung sei ebenso unzulässig wie die analoge Anwendung anderer Vorschriften wie die Art. 859 ff. ZKDVO.

    Zudem seien negative Auswirkungen der Verfehlungen der Klägerin auf das Verfahren der passiven Veredelung nicht zu erkennen.

    Sie habe von der Verwendung drittländischer Oberstoffe nichts gewusst.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2008 die Abgabenfestsetzungsbescheide vom 12.04.2006, 10.07.2006 und 25.09.2006 aufzuheben und insoweit den Beklagten zu verpflichten, die Abgabenfestsetzung unter Berücksichtigung der passiven Veredelung neu festzusetzen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, da Art. 150 Abs. 2 ZK eine Regelung im Rahmen der passiven Veredelung nach Titel IV Abschnitt 2 Buchstabe G des ZK sei, sei für deren Anwendung grundsätzlich die Überführung in dieses Verfahren notwendig. Davon gehe auch die Dienstanweisung aus. Eine Ausnahme sehe die Dienstanweisung nur bei erwarteter Präferenzbegünstigung vor.

    Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung damit einverstanden erklärt, dass die Einfuhrabgabenbescheide vom 12.04., 10.07. und 25.09.2006 entsprechend dem Klageantrag in das Klageverfahren einbezogen werden.

    Gründe

    Die Klage ist nur zum Teil begründet.

    Die Verfügung des Beklagten vom 20.10.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2008 war nach § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – aufzuheben, denn sie ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

    Eine gesonderte Feststellung der Anwendung der Regelungen der Art. 150 Abs. 2, 151, 153 der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - auf bestimmte Einfuhren ist weder nach dem ZK noch nach den §§ 179 ff. der Abgabenordnung – AO – vorgesehen, so dass es für die diesbezügliche angefochtene Verfügung des Beklagten in der Gestalt seiner Einspruchsentscheidung keine verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage gab.

    In den Art. 150 Abs. 2, 151, 153 ZK bezogen auf bestimmte Einfuhren ist nur der Umfang der Zollbelastung geregelt. Dabei handelt es sich um eine unselbständige Bemessungsgrundlage der Einfuhrabgabenbescheide, die nur im Rahmen der Rechtskontrolle dieser Bescheide überprüft werden kann.

    Die von der Klägerin beantragte Klageänderung, mit der die Einfuhrabgabenbescheide vom 12.04., 10.07. und 25.09.2006 in das Klageverfahren einbezogen worden sind, ist sachdienlich, § 67 Abs. 1 FGO. Zudem hat ihr der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.

    Die Klage gegen die Einfuhrabgabenbescheide vom 12.04., 10.07. und 25.09.2006 ist unbegründet.

    Der Beklagte hat von der Klägerin mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht den Zoll nach Art. 220 Abs. 1 Satz 1, Art. 221 Abs. 1 ZK nacherhoben. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 FGO.

    Für die von der Klägerin in den zollrechtlich freien Verkehr überführte Kleidung ist die Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 S. 1 ZK entstanden. Der dabei anzuwendende Abgabensatz ergibt sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif, im Streitfall aus der KN, Art. 20 Abs. 3 Buchst. a ZK.

    Dieser ist vorliegend für Einfuhren der Jahre 2003 bis 2005 in der Fassung der Verordnungen (EG) Nrn. 1832/2002 (ABl. EU Nr. L 290), 1789/2003 (ABl. EU Nr. L 281) und 1810/2004 (ABl. EU Nr. L 327) anzuwenden.

    Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf einen Präferenzzollsatz nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. d ZK in Verbindung mit den nachgenannten Bestimmungen über Zollpräferenzmaßnahmen.

    Die Präferenzgewährung für Erzeugnisse aus Bosnien und Herzegowina bestimmte sich für das Jahr 2005 nach den Art. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 2007/2000 des Rates vom 18.09.2000 zur Einführung besonderer Handelsmaßnahmen für die am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess der Europäischen Union teilnehmenden oder damit verbundenen Länder und Gebiete (ABl. EU Nr. L 240/1) in der Fassung der Änderung bis zur Verordnung (EG) Nr. 607/2003 (ABl. EU Nr. L 86/18) VO 2007/2000 in Verbindung mit den Regelungen der Art. 98 bis 123 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ZKDVO .

    Für Mazedonien galten diese Regelungen bis zum Inkrafttreten des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits (ABI EU Nr. L 84) Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. Danach galten die Bestimmungen dieses am 23.02.2004 mit Beschluss des Rates und der Kommission angenommenen Abkommens.

    Die Klägerin stand für die von ihr aus Mazedonien und Bosnien und Herzegowina eingeführten Textilwaren keine Zollpräferenz zu. Sie hat für die Textilwaren zwar Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 vorgelegt, wie dies Art. 109 Buchst. a ZKDVO und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 4 (Protokoll Nr. 4) über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in” oder „Ursprungserzeugnisse” und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (ABI EU Nr. L 84/108) erforderten. An diese Warenverkehrsbescheinigungen war das beklagte Hauptzollamt jedoch nicht gebunden, weil sie inhaltlich unrichtig waren (s. BFH Urteil vom 07.11.2002 VII R 37/01, BFHE 200, 444, BStBI II 2003, 145).

    Die in Mazedonien und Bosnien und Herzegowina hergestellten Textilwaren können nicht gemäß Art. 98 Abs. 1 ZKDVO und Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 als Ursprungserzeugnisse dieser Staaten angesehen werden. Sie wurden nicht aus Erzeugnissen hergestellt, die in diesen Staaten vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind (Art. 98 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Protokolls Nr. 4). Die für die Herstellung der Textilwaren verwendeten Oberstoffe türkischen und tschechischen Ursprungs sind in diesen Staaten auch nicht i.S. des Art. 100 ZKDVO oder des Art. 6 des Protokolls Nr. 4 in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden (Art. 98 Abs. 1 Buchst. b ZKDVO, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Protokolls Nr. 4). Die Voraussetzungen des Art. 100 ZKDVO in Verbindung mit Anhang 15 ZKDVO ex Kap. 62, ex Pos. 6202, 6204, 6206, 6209 und 6211 oder des Art. 6 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 i.V.m. Anhang II ex Kap. 62, ex Pos. 6202, 6204, 6206, 6209 und 6211 liegen nicht vor. Die Textilwaren wurden nicht nur aus Garnen mit Ursprung in der Türkei oder Tschechien hergestellt. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass die Textilwaren aus nicht bestickten Geweben hergestellt wurden, dessen Wert 40 v.H. des Ab-Werk-Preises der Waren nicht überschritten. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Toleranzregelungen der Einleitenden Bemerkungen 5.1, 5.2 und 6.1 zu Anhang 15 ZKDVO in Anhang 14 ZKDVO und der Einleitenden Bemerkungen 5.1, 5.2 und 6.1 des Anhangs I zum Protokoll Nr. 4.

    Die Klägerin kann weiter für die von ihr zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Textilwaren aus Mazedonien und Bosnien und Herzegowina keine teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben nach den Art. 150 Abs. 2, 151 und 153 ZK beanspruchen.

    Unverzichtbare Voraussetzung für die Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK ist, dass die Vorerzeugnisse in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sind (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2002 11 K 120/00, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 2002, 353; öVwGH, Erkenntnis vom 18.12.2006, 2004/16/0279; UFS, Berufungsentscheidung vom 08.08.2007, ZRV/0103-Z3K/05). Art. 150 Abs. 2 ZK stellt als Regelung innerhalb des Titels IV, Kapitel 2 Abschnitt 3 G nur eine nähere Ausgestaltung der Regelungen der passiven Veredelung dar, für die diese Vorschrift Ausnahmen vorsieht. Aufgrund dessen gibt es keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass für Waren die Zollermäßigung der passiven Veredelung gewährt werden kann, wenn sie nicht in dieses Zollverfahren überführt worden sind.

    Daran aber fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat weder die teilweise sogar von ihr ausgeführten Vormaterialien einschließlich der Oberstoffe türkischen oder tschechischen Ursprungs noch die aus der Türkei gelieferten Oberstoffe in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt. Von diesem Verfahren hat sie vielmehr keinen Gebrauch gemacht, sondern ist nur im Rahmen wirtschaftlicher Lohnveredelung tätig geworden.

    Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, Art. 150 Abs. 2 ZK könne auch in Fällen Anwendung finden, in denen zwar ein passiver Veredelungsverkehr bewilligt aber nicht in Anspruch genommen worden sei (Witte, ZK, Art. 150 Rz. 18; Müller-Eiselt, Der Veredelungsverkehr, I 41/16). Selbst dann, wenn diesen Auffassungen gefolgt wird, ergäbe sich kein anderes Ergebnis: Soweit die Klägerin Waren aus Bosnien und Herzegowina eingeführt hat, war ihr eine passive Veredelung weder bewilligt worden, noch hat sie die rückwirkende Erteilung einer diesbezüglichen Bewilligung nach Art. 508 ZKDVO beantragt.

    Aber auch hinsichtlich der aus Mazedonien eingeführten Waren wäre zugunsten der Klägerin trotz der Bewilligung einer passiven Veredelung die sich daraus ergebende Zollermäßigung nach Art. 150 Abs. 2, 151 und 153 ZK nicht anwendbar. Dabei kann auch dahin gestellt bleiben, ob die nach Art. 150 Abs. 2 ZK mögliche Zollermäßigung nur dann gewährt werden kann, wenn dem Zollschuldner nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (Witte, ZK Art. 150 Rz. 15 und 18; Kielmann in Dorsch, Zollrecht, ZK Art. 150 Rz. 8; a.A. Müller-Eiselt, Der Veredelungsverkehr, I 41/7 -8b).

    Voraussetzung der Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK ist nämlich auf jeden Fall, dass die Versäumnis ohne wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens geblieben ist. Das aber kann im Streitfall nicht mehr festgestellt werden. Eine Prüfung der passiven Veredelung ist bei den streitbefangenen Einfuhren allenfalls noch in buchmäßiger Form möglich, nicht aber aufgrund einer Kontrolle der Ausfuhrwaren oder auch nur der später eingeführten Veredelungserzeugnisse. Die Veredelungserzeugnisse sind nämlich schon in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt und weiter verkauft worden. Damit ist im Nachhinein nicht mehr feststellbar, dass und welche Waren tatsächlich veredelt worden sind. Selbst Stichproben bei der Prüfung von Veredelungserzeugnissen anlässlich der Wiedereinfuhr sind ausgeschlossen.

    Da bei dem der Klägerin bewilligten passiven Veredelungsverkehr ein Nämlichkeitsnachweis zu führen ist, kann auf die Möglichkeit einer derartigen Kontrolle bei der eingeführten Kleidung, deren genaue Zusammensetzung jetzt und im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden kann, nicht verzichtet werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei der Durchführung der wirtschaftlichen Veredelung nach eigenen Angaben nicht in der Lage war zu erkennen, dass sie wie geschehen in großem Umfang drittländische Waren verwenden ließ. Ein derartiger Umstand schließt das Vertrauen in eine auch buchmäßig nachvollziehbare Überwachung der passiven Veredelung aus.

    Ob die Prüfung der passiven Veredelung nur aufgrund der Buchhaltung ausreichend wäre, wenn die Klägerin an Stelle der von ihr ausgeführten äquivalente Waren hätte einsetzen dürfen, kann offen bleiben, weil ihr ein Standardaustausch nach den Art. 154 ff. ZK nicht bewilligt worden war.

    Das reibungslose Funktionieren der passiven Veredelung ist auch dadurch beeinträchtigt worden, dass die Klägerin das Kontrolldefizit selbst verursacht hat, indem sie von ihrer Bewilligung der passiven Veredelung gerade keinen Gebrauch gemacht hat, sondern zunächst zu Unrecht Zollpräferenzen für Mazedonien und Bosnien und Herzegowina in Anspruch genommen hat. Erst in dem Zeitpunkt, in dem die offensichtlich fehlende Präferenzbegünstigung aufgefallen war, hat sie die Inanspruchnahme der passiven Veredelung beantragt. In diesem Zeitpunkt aber waren die zollamtlichen Kontrollmöglichkeiten wie dargestellt schon so erheblich beeinträchtigt, dass eine reibungslose Abwicklung der passiven Veredelung ausgeschlossen erscheint.

    Der hier vertretenen Auslegung der wirklichen Folgen für das reibungslose Funktionieren der passiven Veredelung in Art. 150 Abs. 2 ZK steht weder entgegen, dass bei bestimmten Waren die unterlassene Überführung in die passive Veredelung die Gewährung der Zollvergünstigung nach den Art. 151 und 153 ZK ausscheiden lässt, noch dass fehlende Präferenzbegünstigungen die Anwendung der Vorschrift zulassen sollen (s. Dienstanweisung in VSF Z 1601 Abs. 94). Ob wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren der passiven Veredelung verneint werden können, stellt nämlich eine Entscheidung des Einzelfalles dar, die ganz von der Art der Waren und den zur Verfügung stehenden oder gegebenenfalls bewusst vereitelten Prüfungsmöglichkeiten abhängt.

    Im Hinblick darauf sieht der Senat auch keinen Anlass, in diesem Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 234 des EG-Vertrags vorzulegen.

    Gründe, nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK von der Nacherhebung abzusehen, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar geworden.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Bemessung des Anteils des Beklagten folgt in entsprechender Anwendung der Grundsätze für die Bemessung des Streitwerts bei einer einheitlichen Gewinnfeststellung (s. Gräber/Ruban FGO 6. Aufl. Vor § 135 Rz. 35 Stichwort: Einheitliche Gewinnfeststellung m.w.N.).

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEG) Nr. 2007/2000 Art. 1 Art. 2