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  • 16.12.2009

    Finanzgericht Münster – 15 K 5796/03 U


    Umsatzsteuer:


    Umsatzsteuersatz von Imbissbetrieben auf Volksfesten und Jahrmärkten

     

    Leitsatz


    1) § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG ist nicht in vollem Umfang richtlinienkonform. Eine Umqualifizierung von Lieferungen in sonstige Leistungen ist unzulässig.


    2) Umsätze von Imbissbetrieben auf Volksfesten und Jahrmärkten, bei denen die Kunden den Imbiss an „Verzehrvorrichtungen” in Gestalt von Verkaufstheken bzw. Ablagebrettern einnehmen, unterliegen dem Regelsteuersatz. Sofern der Kunde den Imbiss „mitnimmt”, unterliegen die Umsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.


    3) Dass der Imbissbetrieb die Speisen zubereitet, sie in Papierservietten oder Einwegschälchen mit Einweggabeln und „Verzehrvorrichtungen” bereithält, steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht entgegen.


    Gesetze:

    UStG § 3 Abs. 9 Satz 4 RL 77/388 E WG Art. 6 Abs. 1 UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1


    Instanzenzug:

    BFH - XI R 38/08 (Verfahrensverlauf)

     

     

    Tatbestand:


    Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt-)Festsetzungen für 1997 bis 2002, ob die Umsätze eines Imbissbetriebs aus der Abgabe von Speisen dem allgemeinen oder dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind.


    Die Klägerin (Klin.) war Gesellschafterin der M GbR (GbR). Bis zum 30. Juni 1999 waren JM und IM Gesellschafter der GbR. Die Klin. übernahm ab dem 1. Juli 1999 den Anteil von IM und ab dem 1. August 2003 auch den Anteil von JM. Die GbR verfügte in den Streitjahren über vier verschiedene Imbisswagen, die sie je nach Bedarf und Platz auf Volksfesten und Jahrmärkten einsetzte. Dort bot sie auf Papptellern von ihr essfertig zubereitete Speisen (Bratwurst, Curry-Wurst, Hot Dog, Hamburger, Pommes Frites) sowie teilweise auch den Ausschank von Getränken an.


    In den USt-Jahreserklärungen der Streitjahre 1997 bis 2002 gab die GbR folgende Umsätze an:


     










       


    1997    


    1998    


    1999    


    Lieferungen/sonstige Leistungen zu 15 % / 16 %    


    11.306 DM    


    14.193 DM    


    24.989 DM    


    Entnahme zu 15 % / 16 %    


    6.408 DM    


    6.408 DM    


    2.557 DM    


    Lieferungen/sonstige Leistungen zu 7 %    


    223.308 DM    


    191.453 DM    


    316.149 DM    


    Entnahme zu 7 %    


    1.200 DM    


    1.200 DM    


    1.800 DM    


    festgesetzte USt    


    2.751,64 DM    


    5.952,95 DM    


    9.427,00 DM    

     







       


    2000    


    2001    


    2002    


    Lieferungen/sonstige Leistungen zu 16 %    


    24.881 DM    


    17.681 DM    


    12.718 Euro    


    Entnahme zu 16 %    


    2.343 DM    


    0    


    0    


    Lieferungen/sonstige Leistungen zu 7 %    


    269.105 DM    


    284.087 DM    


    186.367 Euro    


    Entnahme zu 7 %    


    2.400 DM    


    2.400 DM    


    1.227 Euro    


    festgesetzte USt    


    2.491,47 DM    


    2.719,88 DM    


    ./. 1.863,48 Euro    

     

    Die GbR unterwarf dabei in den Streitjahren sämtliche Umsätze aus der Abgabe von Speisen dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.


    Der Beklagte (Bekl.) führte in den Jahren 2001/2002 eine Betriebsprüfung (BP) für die Streitjahre 1997 bis 1999 bei der GbR durch. In Tz. 8 des BP-Berichts vom 16. Mai 2002, auf den Bezug genommen wird, führte die Prüferin aus: Bei einer Betriebsbesichtigung vom 9. November 2001 auf der …-Messe in N sei festgestellt worden, dass am Verkaufsstand, der mit einem Dach und von drei Seiten mit einem Windschutz aus blechähnlichem Material versehen gewesen sei, sowohl ein Rundumtresen, als auch Stehtische vorhanden gewesen seien. Der Rundumtresen habe dem Verkauf, dem Abstellen und Verzehr der Waren sowie der Entgegennahme des Geldes und die Stehtische dem Verzehr der Waren gedient. Am 18. März 2002 sei auf dem …-Markt T eine weitere Betriebsbesichtigung vorgenommen worden. Dort seien ein Rundumtresen, ein Dach und an drei Seiten Windschutz aus blechähnlichem Material ohne Ablagebretter, Stützpfeiler ohne Tischplatte, Aschenbecher, Senf und Ketchup auf dem Rundumtresen vorhanden gewesen. Der Verkauf von Speisen an einem Imbiss-Stand unterliege der Umsatzbesteuerung nach dem Regelsteuersatz, wenn i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der bis 26. Juni 1998 geltenden Fassung eine sonstige Leistung oder eine Lieferung vorliege und die Speisen nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt gewesen seien, in räumlichem Zusammenhang mit dem Imbiss-Stand verzehrt zu werden und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit gehalten würden. In der ab 27. Juni 1998 gültigen Fassung des § 3 Abs. 9 UStG würden unter den gleichen Voraussetzungen nicht steuerbegünstigte sonstige Leistungen vorliegen. Die bisher mit dem ermäßigten Steuersatz versteuerten Umsätzen würden danach grundsätzlich der Regelbesteuerung unterliegen, da die Speisen essfertig zubereitet und auf Pappteller dargereicht würden und damit der sofortige Verzehr ermöglicht werde. Der örtliche und zeitliche Bezug werde ergänzend durch die Bereitstellung von Senf und Ketchup auf dem Verkaufstresen belegt. Zu den besonderen Vorrichtungen gehörten auch die an den Stützpfeilern bei der ersten Betriebsbesichtigung vorgefundenen Ablagebretter und der Rundumtresen, weil diese dem Verzehr an Ort und Stelle dienten. Dem Umstand, dass an den Stützpfeilern bei der zweiten Betriebsbesichtigung keine Ablagebretter angebracht gewesen seien, könne für die zutreffende Versteuerung keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, da diese nur Beweisanzeichen zur Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben würden, seien. Solle bei Lieferung essfertig zubereiteter Speisen die Anwendung des Regelsteuersatzes ausgeschlossen werden, habe der Steuerpflichtige darzulegen, dass die Speisen nach den Umständen der Warenabgabe dazu bestimmt seien, nicht an Ort und Stelle verzehrt zu werden. Da weder Aufzeichnungen noch Schätzungen über Umsätze im Zusammenhang mit verpackten Waren vorgelegen hätten, werde der Anteil der der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze mit 80 % geschätzt.


    Der Bekl. erließ nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen am 4. Juni 2002 geänderte USt-Bescheide für 1998 (nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO –) und 1999 (nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) und am 11. Juni 2002 für 1997 (nach § 164 Abs. 2 AO) für die GbR, wobei sie die folgenden Besteuerungsgrundlagen zugrunde legte:


     







       


    1997    


    1998    


    1999    


    Lieferungen / sonstige Leistungen zu 15 % / 16 %    


    177.525 DM    


    155.780 DM    


    258.286 DM    


    Entnahme zu 15 % / 16 %    


    6.408 DM    


    6.408 DM    


    2.557 DM    


    Lieferungen / sonstige Leistungen zu 7 %    


    44.661 DM    


    38.290 DM    


    63.229 DM    


    Entnahme zu 7 %    


    1.200 DM    


    1.200 DM    


    1.800 DM    


    festgesetzte USt    


    15.179 DM    


    17.528 DM    


    29.050 DM    

     

     

    Die GbR legte am 8. Juli 2002 gegen die Bescheide Einsprüche ein. Zur Begründung trug sie vor: Auf dem Rundumtresen hätten weder Aschenbecher noch Ketchup gestanden und würden dort auch niemals stehen. Ketchup wurde beim Verkauf gesondert berechnet und stehe somit nicht auf dem Tresen. Der örtliche und zeitliche Bezug werde dadurch nicht belegt. Es würden außer der Verkaufstheke des Imbisswagens keine besonderen Vorrichtungen bereit gehalten und auch keine Dienstleistungen erbracht. Die Ablagebretter dienten in erster Linie dem Verkauf der Waren und nicht dem Verzehr. Die Speisen seien nicht zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben worden, da keine Dienstleistungen im Darreichungsbereich erbracht worden seien. Auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung würden die Umsätze aus der Lieferung von Speisen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

    Der Bekl. wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30. September 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Die Steuer ermäßige sich im Streitfall nicht, da die Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben würden. Speisen und Getränke würden zum Verzehr an Ort und Stelle geliefert, wenn sie nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt seien, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang stehe, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit gehalten würden. Es sei fraglich, ob es sich im Streitfall überhaupt um die Lieferung von Speisen handele, da die Abgabe von Speisen und Getränken auf Festveranstaltungen aufgrund der Zubereitung und Darreichung auch als Restaurationsumsätze und damit als sonstige Leistungen qualifiziert werden könnten. Als sonstige Leistungen unterlägen die Umsätze zwingend dem Regelsteuersatz. Selbst wenn zugunsten der GbR angenommen würde, dass sie Lieferungen ausgeführt habe, handele es sich um Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle. Die bei der Betriebsbesichtigung festgestellte Rundumtheke und die Stehtische würden nach den Feststellungen der Prüferin zum Verzehr an Ort und Stelle genutzt. Es sei schon allein durch die Art der Veranstaltungen, auf denen die GbR ihre Imbissstände betreibe von einem Verzehr an Ort und Stelle auszugehen. Besucher von Jahrmärkten und Volksfesten würden nach allgemeiner Lebenserfahrung oft Stunden auf den Veranstaltungen verbleiben und dabei auch Speisen und Getränke verzehren. Sie kämen auch größtenteils nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Veranstaltungsortes, so dass eine Mitnahme der warmen Speisen eher als Ausnahme und mit 20 % des Umsatzes im Streitfall schon als maximaler Ansatz zu betrachten sei.


    Im Jahr 2003 führte der Bekl. bei der GbR eine USt-Sonderprüfung für die Streitjahre 2000 bis 2002 und das 1. Quartal 2003 durch. Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung schätzte der Prüfer auch für diese Jahre den Anteil der der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze mit 80 % (vgl. Tz. 15.1 des Berichtes über die USt-Sonderprüfung vom 11. Juni 2003).

    Der Bekl. erließ nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen am 18. Juli 2003 geänderte USt-Bescheide für 2000 und 2002 (nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO –) und am 20. August 2003 einen weiteren USt-Änderungsbecheid für 2000 (nach § 164 Abs. 2 AO), wobei er letztlich die folgenden Besteuerungsgrundlagen zugrunde legte:


     







       


    2000    


    2001    


    2002    


    Lieferungen / sonstige Leistungen zu 16 %    


    198.581 DM    


    209.637 DM    


    137.529 Euro    


    Entnahme zu 16 %    


    2.343 DM    


    0    


    0    


    Lieferungen / sonstige Leistungen zu 7 %    


    53.821 DM    


    56.817 DM    


    37.273 Euro    


    Entnahme zu 7 %    


    2.400 DM    


    2.400 DM    


    1.227 Euro    


    festgesetzte USt    


    15.213 DM    


    17.523 DM    


    7.668,96 Euro    


    Die GbR legte am 21. August 2003 gegen die Bescheide Einsprüche ein. Zur Begründung verwies sie auf die Einsprüche hinsichtlich der Jahre 1997 bis 1999.


    Der Bekl. wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 12. November 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte er seine Ausführungen aus der EE vom 30. September 2003.


    Am 3. November 2003 ist daraufhin Klage wegen USt 1997 bis 1999 (15 K 5796/03 U) und am 15. Dezember 2003 wegen USt 2000 bis 2002 und USt-Vorauszahlung für das I. Quartal 2003 (15 K 6704/03 U) erhoben worden. Im Rubrum war die GbR, vertreten durch die Gesellschafter bezeichnet. Mit Beschluss vom 12. Juni 2007 hat der Senat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. 15 K 5796/03 U verbunden. Mit Beschluss vom 11. Juli 2007 hat der Senat die Klage wegen USt-Vorauszahlung für das I. Quartal 2003 unter dem Az. 15 K 2906/07 U abgetrennt, nachdem die Klage insoweit zurückgenommen worden war.


    Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die GbR habe in den Streitjahren auf Volksfesten und Jahrmärkten Imbisswagen betrieben. Bei den abgegebenen Waren handele es sich im Wesentlichen um Bratwurst auf Papptellern mit Abrissstreifen, Currywurst und Pommes Frites in Pappschälchen mit Holzpieksern und Serviette und Hot Dogs in Spezialpapier mit Serviette. Die Getränke würden in Flaschen oder in Bechern abgegeben, wobei diese neuerdings einen Deckel aus Hartpapier und einen Strohhalm hätten. Glühwein werde nur im Spätherbst und zu Weihnachten verkauft. Handliche Senfbehälter aus Plastik stünden für die Kunden frei zugänglich auf dem Verkaufstresen. Für die Kunden seien Mayonnaise und Ketchup niemals frei zugänglich, da hier gesonderte Aufschläge beim Verkauf berechnet würden. Aschenbecher befänden sich nicht auf dem Tresen. Es würden keine Bestecke und auch kein Porzellan ausgegeben. Die Veranstalter sorgten durch entsprechende Anzahl von Mülleimern auf den Volksfesten und Messen und Jahrmärkten dafür, das die nicht essbaren Reste überall entsorgt werden könnten. Zur Veranschaulichung sind Fotos der verschiedenen Imbisswagen eingereicht worden, wobei zu einem der Imbisswagen Folgendes ausgeführt worden ist: Es handele sich um einem Stand, bei dem rundherum an allen vier Seiten Waren abgegeben werden könnten. Auf den Bildern sei der hintere und der seitliche Blechwindschutz zu erkennen, an dem niemals irgendwelche Bretter zum Verzehr angebracht gewesen sein. Der Blechschutz sei gesetzlich (Arbeitsstättenverordnung und Lebensmittelhygieneverordnung) vorgeschrieben. Im Betriebsprüfungsbericht und den entsprechenden Einspruchsentscheidungen werde jeweils behauptet, dass Stehtische bei der ersten Besichtigung vorhanden gewesen seien. Dies werde bestritten. Es habe keine Stehtische jedweder Art gegeben und gebe auch keine Stehtische. Es werde davon ausgegangen, dass die Betriebsprüferin sich diesbezüglich einfach nur geirrt habe. Ausweislich der Betriebsprüfungsakten habe sie die Schaustellerbetriebe der Familie M durcheinander gebracht. Es liege kein Verzehr an Ort und Stelle vor, da Einrichtungen und Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf von Waren dienten wie z. B. Verkaufstheken und -Tresen sowie Ablagebretter an Kiosken, Verkaufsständen und Würstchenbuden unabhängig von ihrer Form und Größe keine besonderen Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle darstellten. Darüber hinaus würden die Umsätze auch gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG im Rahmen der Tätigkeit als Schausteller dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.


    Hinsichtlich der Stehtische sind Bestätigungen der Stadt N, des Vereins reisender Schausteller sowie eines Schaustellers vorgelegt worden, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.


    Die Klin. beantragt,



    • den USt-Bescheid 1997 vom 11. Juni 2002 und die USt-Bescheide 1998 und 1999 vom 4. Juni 2002, jeweils in der Fassung der EE vom 30. September 2003, sowie die USt-Bescheide 2001 und 2002 vom 18. Juli 2003 und den USt-Bescheid 2000 vom 20. August 2003, jeweils in der Fassung der EE vom 12. November 2003, dahingehend zu ändern, dass die Umsätze aus dem Verkauf der Speisen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden.


    Der Bekl. beantragt,



    • die Klage abzuweisen.


    Der Bekl. verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der EE und führt ergänzend aus: Die behaupteten Missverständnisse und Verwechslungen hinsichtlich des Sachverhalts, insbesondere der Stehtische, würden zurückgewiesen. Die Prüferin habe ihre Feststellungen anlässlich der Betriebsbesichtigung auf der …-Messe in N aktenkundig gemacht. Wenig glaubhaft seien die eingereichten pauschalen Bestätigungen. Gerade weil die GbR darauf hinweise, dass sie nicht nur mit einem Verkaufswagen die Volksfeste bereist habe, erscheine es seltsam, dass sich die angeführten Personen für die vergangenen 6 Jahre ohne Aufzeichnungen erinnern könnten, dass keine Stehtische vorhanden gewesen sein sollten. Die von der Betriebsprüferin bei einer Besichtigung im Jahr 2001 registrierten Stehtische auf der Messe in N seien aber letztlich nur ein zusätzliches Indiz für die Annahme des Verzehrs an Ort und Stelle. Bereits die vorhandenen Ablagebretter seien nicht nur Verkaufstheken, sondern auch eine besondere Vorrichtung zum Verzehr an Ort und Stelle. Der vorgetragene zu 100 % stattfindende Außer-Haus-Verkauf sei bei dem Verzehr von Bratwurst, Hot Dogs und Pommes Frites im Zusammenhang mit Volksfesten nicht realistisch. Besucher verzehrten angesichts des Getümmels auf diesen Festen ihre warmen Speisen direkt am Stand durch Abstellen der Pappteller auf dem Rundumtresen oder stehend in unmittelbarer Nähe des Tresens. Besonders der durch den Blechwindschutz begrenzte und auch geschützte Raum des Imbissstandes werde zum Verzehr der Speisen genutzt. Auf den Fotos sei die Verzehrtheke auf mehreren Metern durch hohe Glasscheiben von dem Zubereitungsbereich abgetrennt. Der in dem Bereich befindliche Tresen sei offensichtlich ausschließlich als Verzehrtheke geeignet, da ein Verkauf an diesen Stellen auszuschließen sei. Der klassische Außer-Haus-Verkauf verpackt zum Mitnehmen sei bereits mit 20 % im oberen Rahmen geschätzt worden. Die Umsätze würden auch nicht zu den nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 d UStG ermäßigten Umsätzen gehören. Nach Abschnitt 169 Abs. 2 Satz 5 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) seien insbesondere Warenlieferungen ausgeschlossen.

     

     

    Entscheidungsgründe:


    Die Klage ist zulässig.


    Der Senat legt die Klage dahin gehend aus, dass sie von der Klin. als Rechtsnachfolgerin der GbR erhoben worden ist. Zwar ist, wenn sich ein USt-Bescheid oder ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid gegen eine GbR als Steuerschuldnerin richtet, grundsätzlich nur diese, und nicht ein Gesellschafter klagebefugt, und zwar auch dann, wenn die Personengesellschaft zivilrechtlich vollbeendet ist, da dies auf die steuerrechtliche Existenz der Gesellschaft keinen Einfluss hat; denn die Personengesellschaft ist steuerrechtlich so lange als materiell-rechtlich existent anzusehen, wie gegen sie noch USt- und Gewerbesteueransprüche geltend gemacht werden. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn ein Gesellschafter vereinbarungsgemäß das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft ohne Liquidation im Wege der Anwachsung übernimmt und hierdurch Gesamtrechtsnachfolger wird. In diesem Fall ist der USt- bzw. Gewerbesteuermessbetragsbescheid nicht an die Personengesellschaft zu richten, die durch Vollbeendigung sofort erloschen ist, sondern an den Gesamtrechtsnachfolger (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178, HFR 2001, 253). Da vorliegend die Kl. zum 1. August 2003 auch die Anteile des Gesellschafters JM übernommen hat, war die GbR zu diesem Zeitpunkt vollbeendet und erloschen. Die Klin. war als Gesamtrechtsnachfolgerin hinsichtlich der USt klagebefugt im Sinne des § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.


    Der Zulässigkeit der Klage steht auch § 44 Abs. 1 FGO nicht entgegen. Gemäß § 44 Abs. 1 FGO ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, eine Klage vorbehaltlich der §§ 45, 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Sinn der Vorschrift ist es, der Verwaltung Gelegenheit zu geben, im Interesse der Steuerpflichtigen und im eigenen Interesse (Selbstkontrolle) die Sach- und Rechtslage erneut zu überprüfen und die Gerichte nicht mit unzureichend vorbereiteten Verfahren zu belasten (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 111/94, BFH/NV 1996, 554). Ausgehend von diesen Grundsätzen lagen im Streitfall die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor. Die von dem Bekl. in Unkenntnis der Vollbeendigung der GbR am 12. November 2003 an die GbR bekannt gegebene EE ist ebenso wie der USt-Änderungsbescheid 2000 vom 20. August 2003 in der mündlichen Verhandlung an die Klin. als Inhaltsadressatin bekannt gegeben worden. Dadurch fand das Einspruchsverfahren seinen förmlichen Abschluss. Die in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erlassene EE sowie auch der USt-Änderungsbescheid 2000 erfüllen auch die gemäß § 366 AO bzw. § 157 Abs. 1 AO vorgeschriebene Schriftform und sind wirksam (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 17/97, BFH/NV 2001, 914).




    Die Klage ist auch teilweise begründet.


    Der USt-Bescheid 1997 vom 11. Juni 2002 und die USt-Bescheide 1998 und 1999 vom 4. Juni 2002, jeweils in der Fassung der EE vom 30. September 2003, sowie die USt-Bescheide 2001 und 2002 vom 18. Juli 2003 und der USt-Bescheid 2000 vom 20. August 2003, jeweils in der Fassung der EE vom 12. November 2003, sind rechtswidrig und verletzten die Klin. in ihren Rechten, soweit darin die Umsätze aus dem Verkauf der Speisen zu 80 % dem Regelsteuersatz und zu 20 % dem ermäßigten Steuersatz und nicht zu 65 % dem Regelsteuersatz und zu 35 % dem ermäßigten Steuersatz unterworfen worden sind (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).


    Die Umsätze der GbR aus der Abgabe von Speisen unterlagen im Streitjahr zum Teil dem ermäßigten und zum Teil dem Regelsteuersatz, und zwar in einem anderen Verhältnis, als vom Bekl. angenommen.


     

    Die Umsätze der GbR unterlagen allerdings nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 d UStG dem ermäßigten Steuersatz.


    Gemäß § 30 UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit des Schaustellers i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, die der Unternehmer auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbringt. Auf dieser Grundlage definiert die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Schausteller Personen, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken, also von Ort zu Ort ziehen (BFH-Urteile vom 20. April 1988 X R 20/82, BFHE 153, 454, BStBl 1988 II S. 796; vom 22. Juni 1972 V R 36/71, BFHE 106, 148, BStBl 1972 II S. 684; vom 22. Oktober 1970 V R 67/70, BFHE 100, 420, BStBl 1971 II S. 37). Nach dem Urteil des BFH vom 25. November 1993 V R 46/91, BFH/NV 1995, 349 ist Schausteller jemand, der, von Ort zu Ort ziehend, auf Messen und Jahrmärkten gewerbsmäßig ein Fahrgeschäft betreibt, etwas zeigt oder vorführt.


    Die GbR war keine Schaustellerin in diesem Sinne, da ihre Leistungen nicht auf unterhaltende Darbietungen gerichtet waren.


    Teile der Umsätze der GbR der Streitjahre aus der Abgabe von Speisen unterlagen aber dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.


    Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferung der in der Anlage (jetzt: Anlage 2) bezeichneten Gegenstände. Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers u.a. Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG). Dementsprechend gilt nach Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Lieferung eines Gegenstandes. Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes ist (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG a.F., der auf die Umsätze der GbR im Jahr 1997 und bis zum 26. Juni 1998 anzuwenden ist, galt die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht für die Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle. Mit gleicher Zielsetzung regelt § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG, der auf die seit dem 27. Juni 1998 ausgeführten Umsätze der GbR anzuwenden ist, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung ist. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle im Sinne dieser Vorschriften abgegeben/geliefert, wenn sie nach den Umständen der Abgabe/Lieferung dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Abgabe/Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden (§ 3 Abs. 9 Satz 5 UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 UStG a.F.).


    Zur Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen i.S. der Art. 5 und 6 der Richtlinie 77/388/EWG hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 2. Mai 1996 C-231/94 – Faaborg-Gelting Linien A/S – (Slg. 1996, I-2395) wörtlich ausgeführt:


    „Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.


    Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Dabei wird dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u.a.) als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen.


    Somit ist der Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Er ist daher als Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel „zum Mitnehmen” bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.”


    Hieran anschließend hat er im Urteil vom 10. März 2005 Rs. C-491/03 – Hermann – (Slg. 2005, I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210) zur Frage, ob die Frankfurter Getränkesteuersatzung (GetrStS) verbrauchsteuerpflichtige Waren (i.S. von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren – Richtlinie 92/12/EWG –) oder Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren erbracht werden, Folgendes ausgeführt:


    „Um zu bestimmen, ob die mit der GetrStS erhobene Steuer verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 oder eher die Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie erbracht werden, ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu berücksichtigen (vgl. analog Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 bis 14).


    Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegen-stands verbunden sind.


    Auch wenn die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle und damit an ein dienstleistungsbezogenes Element anknüpft, das sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung alkoholhaltiger Getränke verbunden sind, so lässt sich doch nicht allgemein sagen, dass bei allen in den Anwendungsbereich dieser Steuer fallenden Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird.


    Demnach ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende Element ist.




    Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Volkswirt Weinschänken GmbH eine Gaststätte betreibt, in der sie Speisen und Getränke serviert.


    Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Kunden im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit geht mit einer Reihe von Dienstleistungen einher, die sich von den Vorgängen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung solcher Waren verbunden sind. Es handelt sich um die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toiletten usw.) umfasst, um die Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, um die Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß, um die Bedienung bei Tisch und schließlich um das Abdecken der Tische und die Reinigung nach dem Verzehr (vgl. in diesem Sinne Urteil Faaborg-Gelting Linien A/S, RandNr. 13).


    Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit ist durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen.”


    Ausgehend hiervon ist mithin für jeden besteuerten Umsatz zu entscheiden, ob eine – dem ermäßigten Steuersatz unterliegende – Lieferung von Speisen oder eine – dem Regelsteuersatz unterliegende – Dienstleistung vorliegt, wobei es nicht auf ein quantitatives Überwiegen des Dienstleistungselements der Bewirtung gegenüber der Speisenlieferung ankommt, sondern darauf, ob das Dienstleistungselement qualitativ überwiegt ( BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 V R 58/04, V R 59/04 , BFHE 215, 360, BStBl 2007 II S. 487 m.w.N.).


    Dabei führt die Zubereitung von Speisen als Dienstleistungselement nicht generell zur Annahme einer Dienstleistung. Die Zubereitung der Speisen ist nämlich im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen; denn bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Abgabe einer fertig zubereiteten Speise gehört, dürfen nur solche Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind. Die notwendige Vorstufe der Vermarktung einer zubereiteten Speise ist jedoch ihre Zubereitung ( BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 V R 58/04, V R 59/04 , BFHE 215, 360, BStBl 2007 II S. 487).


    Auch dass Speisen „zum Mitnehmen” in Papierservietten oder Einwegschälchen und mit Einweggabeln abgegeben sowie auf Wunsch Senf, Ketchup, Mayonnaise beigefügt werden, ist insoweit unschädlich. Dies gilt auch für die Bereitstellung von Abfalleimern, da die Rücknahme von Verkaufsverpackungen notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden ist. Dies ergibt sich aus der Verpackungsverordnung und der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle, wonach Verkaufsverpackungen vom Vertreiber zurückzunehmen und beigefügte Einwegartikel (z.B. Einwegbesteck) als Verpackungen zu betrachten sind ( BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 V R 58/04, V R 59/04 , BFHE 215, 360, BStBl 2007 II S. 487).


    Das Vorhandensein von „Verzehrvorrichtungen” ist zwar ein Indiz dafür, dass der Unternehmer eine „Infrastruktur” i.S. der RandNr. 26 des EuGH-Urteils Hermann (in Slg. 2005, I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210) bereithält, die nicht notwendigerweise mit der Vermarktung von zubereiteten Speisen zusammenhängt. Allerdings ergibt sich umgekehrt aus RandNr. 23 des Urteils, dass der EuGH davon ausgeht, dass gemeinschaftsrechtlich nicht jede Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle eine Dienstleistung ist. Daraus folgt, dass der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG 1993 nicht in vollem Umfang richtlinienkonform ist (BFH-Urteil vom 10. August 2006 V R 55/04, BFHE 214, 474, BStBl 2007 II S. 48). Der deutsche Gesetzgeber darf insoweit nicht durch § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG 1993 eine Lieferung i.S. des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in eine sonstige Leistung (Dienstleistung) umqualifizieren ( BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 V R 58/04, V R 59/04 , BFHE 215, 360, BStBl 2007 II S. 487).


    Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die GbR bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers in den Streitjahren teilweise Dienstleistungen erbracht und teilweise Lieferungen ausgeführt.


    Dabei kann dahinstehen, ob die GbR in den Streitjahren Stehtische aufgestellt hatte. Denn nach Auffassung des Senats hat die GbR mit den an den von ihr verwendeten Imbisswagen vorhandenen Verkaufstheken bzw. Ablagebrettern eine Infrastruktur im o.g. Sinne bereit gestellt. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des BFH, der, soweit er im Urteil vom 26. Oktober 2006 ausgeführt hat.

     

    „Das FG hat den Streitfall insoweit dahin gehend gewürdigt, dass nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers an der Theke tatsächlich niemand Speisen zu sich nehme, weil an dem seitlichen Teil der Umrandung die durch Bratvorgänge entstehenden Fettspritzer und im Hauptteil der Umrandung der Kundenandrang dies nicht ermöglichten. Auch die Fässer mit Holzplatte seien keine Verzehreinrichtung. Die Ölfässer seien keine Stehtische, sondern Mülleimer, an denen der durchschnittliche Kirmesbesucher nicht gewillt sei, Speisen zu sich zu nehmen. Diese tatsächliche Würdigung des FG ist aufgrund der festgestellten Tatsachen und der in Bezug genommenen Lichtbilder möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).”


    offenbar weiterhin davon ausgeht, dass Verkaufstheken bzw. an den Verkaufswagen angebrachte Ablagebretter eine Infrastruktur im o.g. Sinne darstellen können. Allerdings ist – wie oben dargelegt – selbst wenn Verkaufstheken bzw. Ablagebretter als Verzehrvorrichtungen anzusehen sind, nicht jede Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle eine Dienstleistung.


    Angesichts der vorgelegten Fotos der von der GbR in den Streitjahren verwendeten Imbisswagen, die sämtlich mit breiten Verkaufstheken in einer zum Abstellen von Speisen geeigneten Höhe versehen sind, wobei diese zum Teil sogar rundum verlaufen und jedenfalls zum Teil noch mit einem Dach und einem seitlichen Windschutz versehen sind – ungeachtet dessen ob diese auch aus Arbeitsschutzgründen bzw. lebensmittelhygienischen Gründen anzubringen sind –, ist der Senat davon überzeugt, dass die Umrandungen dazu geeignet und auch bestimmt sind, um dort die Speisen abzustellen. Wie aus den Fotos ersichtlich ist, sind die Verkaufstheken im Zubereitungsbereich durch Glasscheiben vor Verschmutzung z.B. durch Fettspritzer geschützt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist auch davon auszugehen, dass Kunden diese Verkaufstheken/Ablagebretter auch zum Verzehr der Speisen genutzt haben. Zwar hat die GbR die Speisen auf Papptellern dargeboten bzw. die Hot Dogs in Spezialpapier ausgegeben. Insbesondere der Verzehr von Hot Dogs und Hamburgern, aber auch von Currywurst und Pommes Frites mit Mayonnaise und Ketchup, erscheint dem Senat „im Gehen” auf einem überfüllten Jahrmarkt nur schwer möglich. Diese Einschätzung des Senats wird belegt durch die vorgelegten Fotos, ausweislich derer die Verkaufstheken von den Kunden auch tatsächlich zum Verzehr genutzt worden sind. Insoweit hat die GbR mithin dem Regelsteuersatz unterliegende Dienstleistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erbracht. Beachtet man aber ferner, dass in Zeiten starken Kundenandrangs eine Nutzung der Verkaufstheken durch sämtliche Kunden zum Verzehr nicht möglich sein dürfte und sich dementsprechend Kunden nach der Abgabe der Speisen gänzlich vom Imbisswagen entfernen, um die Speisen an geeigneter Stelle zu verzehren, sowie dass einige Kunden – ungeachtet des Kundenandrangs und der Möglichkeit die Speisen am Imbisswagen zu verzehren – sich generell mit ihren Speisen vom Imbisswagen entfernen, so hat die GbR in diesen Fällen dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferungen erbracht. Dabei kommt es nach der Auffassung des Senats entgegen der Ansicht des Bekl. nicht darauf an, ob die Waren verpackt worden sind und die Kunden mit diesen das Gelände des Jahrmarktes verlassen haben. Das gesamte Jahrmarktgelände kann nicht als mit dem Imbisswagen in räumlichem Zusammenhang stehend angesehen werden.


    Da die GbR weder Aufzeichnungen darüber geführt hat, welchen Anteil am Gesamtumsatz die Umsätze hatten, bei denen sie ihren Kunden eine „Infrastruktur” bereitstellte, die nicht notwendigerweise mit der Vermarktung zubereiteter Speisen zusammenhing (= Ausführung einer Dienstleistung), und welchen Anteil am Gesamtumsatz der GbR die Umsätze hatten, bei denen sie die Speisen „zum Mitnehmen” (Ausführung einer Lieferung) abgegeben hat, noch sich der jeweilige Anteil im Nachhinein feststellen lässt, ist der jeweilige Anteil zu schätzen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO). Ausgehend von den obigen Ausführungen schätzt der Senat den Anteil der dem Regelsteuersatz unterliegenden Dienstleistungen mit 65 % und den der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Lieferungen mit 35 %, wobei die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze des Streitjahres 1998 im Verhältnis 3/12 (15 %) zu 9/12 (16 %) geschätzt werden.

     

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO, § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.


    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).