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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.03.2010 – 1 K 3692/07 E

    - Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung stellen Kosten der privaten Lebensführung dar und sind nach Aufhebung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit Wirkung zum 01.01.2006 nicht mehr als Sonderausgaben abzugsfähig.


    - Voraussetzung für einen Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist, dass die Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte anfallen.


    - Die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs der privaten Steuerberatungskosten ist verfassungsgemäß. Es handelt sich insbesondere nicht um zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand.


    - Nur wenn der Steuerpflichtige ohne die Geltendmachung seiner Rechte im Besteuerungsverfahren Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren, wird ein möglicher Abzug der Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen in Betracht zu ziehen sein.


    Tatbestand

    Die Kläger wenden sich gegen die Versagung der Berücksichtigung ihrer privaten Steuerberatungskosten als Sonderausgaben im Jahr 2006.

    Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 2006 erzielten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machten sie die im Streitjahr angefallenen Steuerberatungskosten, soweit sie auf die Einkünfte entfielen, als Werbungskosten geltend. Im Rahmen ihres gegen den erklärungsgemäß erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 16.4.2007 gerichteten Einspruchs begehrten sie sodann, die übrigen, nicht den Einkünften zuzuordnenden „privaten” Steuerberatungskosten iHv 460,31 EUR als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.8.2007 wies das beklagte Finanzamt A-Stadt FA den Einspruch als unbegründet zurück, weil durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl I 2005, 3682) mit Wirkung zum 1.1.2006 Steuerberatungskosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar sind.

    Mit ihrer Klage begehren die Kläger weiterhin die Berücksichtigung ihrer Steuerberatungskosten iHv 460,31 EUR als Sonderausgaben. Zur Begründung führen sie aus, dass die Abschaffung der Abziehbarkeit von Steuerberatungskosten einen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip darstelle. Die Gesetzesänderung sei damit begründet worden, dass im Interesse der Rechtsvereinfachung, des Abbaus von Ausnahmetatbeständen und der Verbreitung der Bemessungsgrundlage § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG aF aufgehoben werde. Für den Steuerpflichtigen seien Steuerberatungskosten jedoch zwangsläufig, so dass diese auch abziehbar sein müssten. Zur näheren Begründung nehmen die Kläger Bezug auf die Aufsätze von Drenseck in DB Beilage 2/2007, 3 und Tipke in BB 2009, 636.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 16.4.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.8.2007, zuletzt geändert durch Bescheid vom 3.8.2009, dahingehend zu ändern, dass Steuerberatungskosten iHv 460,31 EUR als Sonderausgaben berücksichtigt werden,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Die Steuerberatungskosten seien im Streitjahr 2006 zu Recht nicht als Sonderausgaben berücksichtigt worden, weil § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG aF mit Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 zum 1.1.2006 abgeschafft worden sei. Die Abschaffung sei auch nicht verfassungswidrig.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandten Akten Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist zulässig.

    Die im Verlauf des Klageverfahrens erfolgte Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks bezüglich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen (vgl. BFH, Urteil vom 17. Dezember 2003 XI R 4/03, juris).

    Die Klage ist aber unbegründet. Die geltend gemachten Steuerberatungskosten wurden mit Einkommensteuerbescheid 2006 zu Recht nicht als Sonderausgaben berücksichtigt.

    Die geltend gemachten Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2006 sind als Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, wonach Steuerberatungskosten, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind, als Sonderausgaben abzugsfähig sind, ist durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl. I 2005, 3682; BStBl. I 2006, 79) zum 01.01.2006 aufgehoben worden ( § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des vorgenannten Gesetzes). Nach neuer Rechtslage sind Steuerberatungskosten nur noch zu berücksichtigen, wenn sie Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Voraussetzung für einen Abzug ist daher, dass die Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte anfallen (vgl. BFH, Urteil vom 18. November 1965 IV 151/64 U, BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190). Das Ausfüllen der Steuererklärung oder die Beratung in Tarif- und Veranlagungsfragen gehören nicht zur Einkunftsermittlung. Die hierauf entfallenden Kosten sowie Aufwendungen stellen vielmehr Kosten der privaten Lebensführung dar (vgl. BFH, Urteil vom 12. Juli 1989 X R 35/86, BFHE 157,559; BStBl II 1989, 967).

    Die Kläger werden durch die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs der privaten Steuerberatungskosten nicht in ihren Grundrechten verletzt. Nicht jedes Fehlen einer wünschenswerten Abzugsfähigkeit von wirtschaftlich sinnvollen privaten Aufwendungen führt zwangsläufig zu einem Verfassungsverstoß.

    Die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs von privaten Steuerberatungskosten verletzt die Klägerin nicht in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

    Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich im Einkommensteuerrecht für den Gesetzgeber das Gebot, die Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit auszurichten, die nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip zu bemessen ist (vgl. m.w.N. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, NJW 2006, 2757). Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips gebieten Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie von der Einkommensteuer zu verschonen. Auch wenn Aufwendungen ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind, muss der Gesetzgeber die unterschiedlichen Gründe für den Aufwand „im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend würdigen”. Für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen kommt es nicht nur auf deren berufliche oder private Veranlassung an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier bzw. beliebiger Einkommensverwendung und dem Vorliegen von „zwangsläufigem, pflichtbestimmten Aufwand” (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, und vom 16. April 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356, jeweils m.w.N.).

    Private Steuerberatungskosten zählen nicht zu einem derartigen zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand.

    Zwar spricht für die steuerliche Berücksichtigung auch von privaten Steuerberatungskosten, dass Steuerlaien die Verantwortung für ihre Steuererklärung nicht tragen können und sich verpflichtet fühlen, einen Steuerberater einzuschalten. Die Kosten sind wegen der Komplexität des Steuerrechts notwendig, zumal auch die Einkommensteuererklärungsvordrucke teilweise unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, die ohne Steuerrechtskenntnisse schwer zu verstehen sind (Tipke in BB 2009, 636; ders. in StuW 2007, 210; ders. Steuerrechtsordnung, Bd. 2, S. 702; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10, Rz. I 2). Der bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2005 gewährte Sonderausgabenabzug des § 10 Nr. 6 EStG aF gewährte demgemäß einen Ausgleich für die Inpflichtnahme bei der Steuererklärung angesichts des komplizierten Steuerrechts und der dadurch entstehenden leistungsmindernden Aufwendungen, wenn der Steuerpflichtige zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten oder zur Wahrung seiner steuerlichen Rechte fremde Hilfe in Anspruch nimmt (BFH, Beschluss vom 26. Mai 2004 I R 113/03, BFHE 206, 342, BStBl II 2004, 994; Urteil vom 23. Mai 1989 X 6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989, 865). Gleichzeitig lagen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten aber auch Lenkungs- und Subventionszwecke zugrunde (BFH, Beschluss vom 26. Mai 2004 I R 113/03, BFHE 206, 342, BStBl II 2004, 994).

    Gleichwohl handelt es sich bei privaten Steuerberatungskosten weder um pflichtbestimmte Zwangsaufwendungen noch um unvermeidbare Privatausgaben, die aufgrund des subjektiven Nettoprinzips vom Gesetzgeber zwingend zum Abzug als Sonderausgaben zuzulassen wären.

    Zum einen mindern Aufwendungen für die steuerfachliche Beratung des Steuerpflichtigen im von der Kompliziertheit des Steuerrechts besonders betroffenen Bereich der Einkunftsermittlung einschließlich der Anfertigung der entsprechenden Anlagen zur Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben auch nach Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG aF weiterhin die steuerliche Bemessungsgrundlage (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2008 4 K 723/08, EFG 2008, 1694). Die darüber hinaus gehenden Kosten für die Ausfüllung des Mantelbogens und die laufende allgemeine steuerliche Beratung rechnen allein zu der Sphäre der allgemeinen Lebensführung. Nach § 80 AO besteht für einen Beteiligten im Steuerverwaltungsverfahren lediglich die Möglichkeit, sich durch einen Bevollmächtigen vertreten lassen, aber kein Vertretungszwang. Entscheidet er sich für die Hilfe eines Beraters, so trifft er eine freie Entscheidung mit der Folge, dass die daraus resultierenden Kosten als disponibel anzusehen sind. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass in vielen Fällen aufgrund der Komplexität des Steuerrechts für Steuerpflichtige ein wirtschaftlicher Druck bestehen kann, Steuerberatungsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die – auch – zu privaten Steuerberatungskosten führen (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz. 220; Wüllenkemper, Rückfluß von Aufwendungen im Ertragsteuerrecht, 1987, 136). Tatsächlich entscheidet sich eine Vielzahl von Steuerpflichtigen gegen die Inanspruchnahme externer professioneller Hilfe und erledigt ihre Steuererklärungen selbst.

    Hinzu kommt, dass nach § 89 AO die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen zur Beratung und Auskunft verpflichtet ist. Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Nach Satz 2 der zitierten Vorschrift erteilt die Finanzbehörde zudem, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten (FG Niedersachsen, Urteil vom 17. Januar 2008 10 K 103/07, EFG 2008, 622).

    Auch wenn der Steuerpflichtige sich entscheidet, bei der Geltendmachung seiner Rechte bei Abgabe seiner Steuererklärung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, trifft ihn gleichwohl insoweit kein Zwang. Die hieraus resultierenden Aufwendungen sind mit Aufwendungen des Steuerpflichtigen für sein Existenzminimum und das seiner unterhaltspflichtigen Familie nicht vergleichbar. Die Einholung professioneller externer Hilfe kann sehr sinnvoll sein, dies ändert jedoch nichts daran, dass die Geltendmachung dieser Rechte und somit auch die damit verbundenen Steuerberatungskosten auf einer privaten Disposition des Steuerpflichtigen beruhen. Ausnahmsweise mag etwas anderes gelten, wenn der Steuerpflichtige ohne die Geltendmachung seiner Rechte im Besteuerungsverfahren Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren. In einem solchen Fall, über den hier nicht zu entscheiden ist, wird nach Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG aF ein möglicher Abzug der Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen in Betracht zu ziehen sein (FG Niedersachsen, Urteil vom 17. Januar 2008 10 K 103/07, EFG 2008, 622).

    Die Kläger sind auch nicht in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Soweit die Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG aF überhaupt in die (wirtschaftliche) Handlungsfreiheit der Klägern nach Art. 2 Abs. 1 GG eingreift, ist dieser Eingriff gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat den Wegfall des Sonderausgabenabzugs mit der Rechtsvereinfachung, dem Abbau von Ausnahmetatbeständen und der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage begründet (FraktE v. 29.11.2005, BT-Drucks. 16/105, 4). Es kann offen bleiben, inwieweit das Ziel der Rechtsvereinfachung dabei im Hinblick auf den Fortbestand der Abzugsmöglichkeit von beruflich bzw. betrieblich veranlassten Ausgaben für die Steuerberatung als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben durch die Gesetzesänderung zu erreichen ist. Jedenfalls im Hinblick auf die gesetzgeberischen Ziele der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und des Abbaus von Ausnahmetatbeständen ist die Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG aF verhältnismäßig (FG Niedersachsen, Urteil vom 17. Januar 2008 10 K 103/07, EFG 2008, 622).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung in Hinblick auf die bereits beim BFH unter den Aktenzeichen X R 10/08 und X R 40/08 anhängigen Revisionsverfahren zuzulassen.

    VorschriftenEStG 2005 § 10 Abs. 1 Nr. 6, EStG 2005 § 12 Nr. 1, EStG 2005 § 33 Abs. 1, EStG 2005 § 52 Abs. 1 Satz 1, AO § 80, AO § 89, GG Art. 2 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 1