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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 01.09.2009 – 6 K 1661/08

    Das Gericht hält an seiner in dem Urteil vom 29. August 2006 - 6 K 2726/04 dargelegten Rechtsauffassung fest, dass bei Beiträgen eines Arbeitgebers zu einer Gruppen-Krankenversicherung für polnische Saisonarbeitskräfte ein eigenbetriebliches Interesse an der Leistung nicht überwiegt und der Vorteil des Arbeitnehmers demgegenüber auch nicht als gering erscheint, so dass diese steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.


    Tatbestand

    Strittig ist, ob vom Arbeitgeber übernommene Beiträge für eine Krankenversicherung polnischer Saisonarbeitskräfte Arbeitslohn sind.

    Die Klägerin betrieb bis zum 31. Dezember 2004 einen landwirtschaftlichen Betrieb.

    Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung im Jahr 2004 wurde festgestellt, dass die Klägerin für die bei ihr beschäftigten ausländischen Saisonarbeitskräfte aus Polen eine Krankenversicherung abgeschlossen und die Versicherungsbeträge hierfür getragen hatte. Der Beklagte war hierzu der Ansicht, dass für die gezahlten Beiträge Lohnsteuer angefallen sei und forderte mit Bescheid vom 18. April 2005 die entsprechende Lohnsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 nach. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, welcher zunächst in Hinblick auf das bei Gericht anhängige Klageverfahren 6 K 2726/04 ruhte. Nachdem das Gericht mit Urteil vom 29. August 2006 und der BFH über die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 18. Juli 2007 - VI B 125/06 entschieden hatte, wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2008 zurückgewiesen, da die Klägerin ihren Einspruch nicht zurücknahm.

    Die Klägerin trägt vor, in dem Urteil des Gerichts sei ein wesentlicher Aspekt außer Acht gelassen worden, nämlich dass der Arbeitgeber aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung zwischen der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg und dem Nationalen Amt in Warschau für die Krankenversicherung der von ihm angeforderten Arbeitnehmer verantwortlich sei. Diese zwischenstaatliche Vereinbarung würde wie unmittelbares Recht gelten und es sei in dem Urteil des Gerichts völlig unberücksichtigt geblieben, dass hierdurch eine Steuerfreiheit für die Beiträge zu der Krankenversicherung nach § 3 Nr. 62 EStG gegeben sei. Da ein Arbeitgeber auf Grund der zwischenstaatlichen Vereinbarung für eine Krankenversicherung seiner Arbeitgeber verantwortlich sei, zahle er die Beiträge hierzu nicht freiwillig, sondern wegen der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Der Arbeitgeber würde eine Versicherung allein deshalb abschließen, um polnische Saison-Arbeitnehmer überhaupt beschäftigen zu können. Daher stünde das eigenbetriebliche Interesse im Vordergrund, da deutsche Erntehelfer auf dem Arbeitsmarkt nicht verfügbar wären und ohne polnische Saisonkräfte die Ernte nicht zu bewältigen wäre. Beim Arbeitnehmer schließlich fehle es an der Freiwilligkeit zur Annahme des Vorteils, da in dieser aufgedrängt würde. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH in dem Urteil vom 22. Juni 2006 - VI R 21/05 seien die von ihm gezahlten Beiträge unterhalb jeglicher Schädlichkeitsgrenze anzusiedeln. Wenn in dem vorgenannten BFH-Urteil schon ein Betrag von ca. € 300 für die zur Verfügungstellung bürgerlicher Kleidung als geringfügig angesehen würde, so müsse erst recht bei einem geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers von nur € 26,50 im Kalenderjahr das betriebliche Interesse am Überleben des Betriebes überwiegen. Der Arbeitgeber könne sonst bei Verschulden nach §§ 278, 823 und 831 BGB und eine verschuldensunabhängig unter dem Gesichtspunkt des Aufwandsersatzes nach § 670 BGB privatrechtlich in Haftung genommen werden. Eine Verpflichtung zum Abschluss einer Krankenversicherung würde sich auch daraus ergeben, da er sonst verpflichtet wäre, im Krankheitsfall die Kosten zu tragen. Bei dem Versicherungsschutz für die polnischen Saisonarbeitskräfte würde es sich um Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 EStG handeln, so dass sich eine Steuerfreiheit daraus ergeben würde, weil die sich hieraus ergebenden Vorteile insgesamt € 44 pro Arbeitnehmer im Kalendermonat nicht übersteigen würden.

    Die Klägerin beantragt,

    den Nachforderungsbescheid vom 18. April 2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2008 dahin zu ändern, dass für die gezahlten Krankenversicherungsbeiträge von DM 3.484 im Jahr 2001, von € 1.803 im Jahr 2002 und von € 2.382 im Jahr 2003 keine Lohnsteuer festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung der Klägerin habe das Gericht in dem Urteil vom 29. August 2006 die vorgetragenen Argumente zum eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers, zur Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 62 EStG und zur privatrechtlichen Haftung des Arbeitgebers bereits berücksichtigt. Ein Sachbezug liege im Streitfall bereits deswegen nicht vor, weil die Klägerin kein Versicherungsunternehmen sei.

    Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Juli 2008, die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2008 Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

    Gründe

    Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 79a Abs. 3 und 4 FGO durch den Berichterstatter entschieden hat, ist unbegründet.

    Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen - Bezüge oder geldwerte Vorteile - zufließen, die „für” seine Arbeitsleistung gewährt werden. Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz überwiegend” eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche, in erster Linie vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz vorzunehmende Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber -neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers- ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zu Lohnzuwendung (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 - VI R 21/05, BStBl. II 2006, 915).

    Eine diesbezügliche Gesamtwürdigung aller Begleitumstände hat das Gericht in dem Urteil vom 29. August 2006 (6 K 2726/04, in juris) vorgenommen und für Beiträge eines Arbeitgebers zu einer Gruppen-Krankenversicherung für polnische Saisonarbeitskräfte entschieden, dass diese steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. Der Sachverhalt im Streitfall ist insoweit mit dem durch das Urteil vom 29. August 2006 entschiedenen Sachverhalt vergleichbar und das Gericht hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass in solchen Sachverhalten ein eigenbetriebliches Interesse an der Leistung nicht überwiegt und der Vorteil des Arbeitnehmers demgegenüber auch nicht als gering erscheint.

    Auch wenn die Klägerin insoweit eine Gesamtwürdigung anders treffen möchte, weil sie bei einer Gesamtwürdigung ein eigenbetriebliches Interesse wegen eines faktischen Zwanges zum Abschluss einer Krankenversicherung in den Vordergrund stellt, bleibt dennoch die Einschätzung des Gerichts bestehen, dass demgegenüber die Vorteile der polnischen Saisonarbeitskräfte, nämlich Krankenversicherungsschutz zu erhalten, jedenfalls nicht zurückstehen, sondern von erheblichem Gewicht sind. Das Gericht hat sich hierzu in dem Urteil vom 29. August 2006 daher bereits mit den von der Klägerin vorgebrachten Argumenten ausführlich auseinandergesetzt, so dass auf das Urteil vom 29. August 2006 (6 K 2726/04, a.a.O.) verwiesen wird. Der BFH hat in dem Beschluss vom 18. Juli 2007 (VI B 125/06, BFH/NV 2007, 2099) ausgeführt, dass sich das Gericht bei der Gesamtwürdigung auch mit den Rechtsgrundsätzen der neueren BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 22. Juni 2006 - VI R 21/05, BStBl. II 2006, 915) auseinandergesetzt hat. Das Gericht sieht sich hierdurch in seiner Rechtsauffassung bestätigt.

    Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt Barlohn und damit eine Einnahme in Geld i.S.d. § 8 Abs. 1 EStG auch dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Zahlung an einen Gläubiger des Arbeitnehmers leistet und dadurch als Dritter -in Abkürzung des Zahlungswegs- eine Verbindlichkeit des Arbeitnehmers tilgt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 - VI R 51/03, BStBl. II 2005, 137). Die Zahlung der Beiträge an die Versicherung durch die Klägerin für die für die polnischen Saisonarbeitskräfte abgeschlossene Krankenversicherung stellt somit keinen Sachbezug dar. Auf die Zahlung der Beiträge durch die Klägerin für die Krankenversicherung der saisonal beschäftigten polnischen Arbeitnehmer findet § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG keine Anwendung, weil es sich dabei um Barlohn handelt und nicht um die Zuwendung eines geldwerten Vorteils i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Da der Arbeitnehmer Versicherungsnehmer ist, tilgt der Arbeitgeber mit der Zahlung an die Versicherung eine Verbindlichkeit des Arbeitnehmers aus dem Versicherungsvertrag. Die zur Abkürzung des Zahlungswegs erfolgte Zahlung des Arbeitgebers an die Versicherung beinhaltet deshalb eine Barlohnzahlung (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2002 - VI R 161/01, BStBl. II 2003, 331).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 3 Nr. 62, EStG § 8 Abs.1, EStG § 8 Abs. 2