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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 20.05.2010 – 12 K 190/06

    1. Die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegen auch dann vor, wenn der Lieferant seinen Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV nachkommt, dabei jedoch die – mögliche – Unrichtigkeit der Angaben seiner Abnehmer und der Frachführer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

    2. Allein der Umstand, dass der Abnehmer im Inland durch einen Bevollmächtigten auftrittt und den Kaufpreis zulasten inländischer Bankkonten bezahlt, begründet keinen Argwohn des Lieferanten.

    3. Das Risiko, ob die Angaben im qualifizierten Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG tatsächlich zutreffen, darf nicht dem Steuerpflichtigen aufgebürdet werden.

    4. Für den tatsächlichen Ablauf der Versendung ist allein das Verhalten des Frachtführers entscheidend. Mit seiner Unterschrift wirkt der Frachtbrief nicht nur als Empfangsbekenntnis (Quittung) i. S. v. § 368 BGB sondern er hat auch die Beweiskraft, die § 416 ZPO den Privaturkunden beimisst.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2010 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … und Ehrenamtliche Richterin …. Ehrenamtlicher Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Die Bescheide über die Umsatzsteuer vom 30. Januar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. März 2006 werden mit der Maßgabe geändert, dass die Umsatzsteuer gemindert wird

    für den Besteuerungszeitraum 2001 um 13.172,41 DM oder 6.734,95 Euro und

    für den Besteuerungszeitraum 2002 um insgesamt 9.875,86 Euro

    und der Beklagte die danach festzusetzende Umsatzsteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

    2. Die Revision wird zugelassen.

    3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 Euro, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 Euro kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind.

    Der Kläger betreibt seit Jahren als selbständiger Unternehmer den Handel mit neuwertigen Personenfahrzeugen. Im Rahmen dieser Tätigkeit veräußerte er Fahrzeuge ausweislich seiner Schreiben (Rechnungen)

    vomFahrgestellnummerfürbezahlt mit
    7. Dezember 2001…895.500 DMScheck
    7. Januar 2002…226.600 EuroVerrechnungsscheck
    27. November 2002…345.000 EuroÜberweisung
    Die Beförderung dieser Fahrzeuge wurde von Frachtführern besorgt, die – offenbar – als selbständige Unternehmer tätig waren.

    Die mit der Steuerfahndung betraute Dienststelle des Finanzamts B kam zu dem Ergebnis, diese Umsätze könnten nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt werden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Bericht vom 7. Oktober 2005.

    Der Einspruch gegen die – gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten – Bescheide über die Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 2001 und 2002 (Streitjahre) vom 30. Januar 2006 blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 27. März 2006).

    Der Kläger macht weiterhin geltend, er habe die bei innergemeinschaftlichen Lieferungen erforderlichen Nachweise erbracht. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlagen zu dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. September 2009.

    Der Kläger beantragt,

    die Bescheide über die Umsatzsteuer vom 30. Januar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. März 2006 zu ändern und dabei den Betrag der festgesetzten Umsatzsteuer zu mindern

    für das Streitjahr 2001 um 13.172,41 DM oder 6.734,95 Euro und

    für das Streitjahr 2002 um insgesamt 9.875,86 Euro.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat dem Senat außerdem – mit seinem Schreiben vom 15. Oktober 2009 – drei DIN A-4-Umschläge („3 ‚Automappen’”) überlassen, die jeweils Belege zu einer der streitigen Lieferungen enthalten und auf die Bezug genommen wird, insbesondere auf

    die Schreiben (Rechnungen) des Klägers vom 7. Dezember 2001, vom 7. Januar und vom 27. November 2002,

    die Schreiben des (damaligen) Bundesamtes für Finanzen (BfF) vom 7. Dezember 2001, vom 7. Januar und vom 21. November 2002,

    die CMR-Frachtbriefe vom 7. Dezember 2001, vom 9. Januar und vom 27. November 2002 und

    die Unterlagen über die geleisteten Zahlungen.

    Entscheidungsgründe

    1. Die Klage ist begründet.

    Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hebt das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur dann auf oder ändert ihn, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Dies ist im Streitfall zu bejahen. Die streitigen Lieferungen sind als steuerfrei anzusehen.

    Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG sind steuerfrei die innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne von § 6a UStG. Nach § 6a Abs. 1 UStG liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) vor, wenn

    der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG),

    der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG), und

    der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG).

    Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG). Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann gemäß § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat. Insoweit hat das BMF in § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) u. a. Folgendes bestimmt:

    „(1) Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Abs. 1 des Gesetzes) muss der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.

    …(4) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:

    durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes) und

    durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1.”

    § 10 Abs. 1 UStDV lautet:

    „(1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet hat (Versendungsfälle), soll der Unternehmer den Ausfuhrnachweis regelmäßig wie folgt führen:

    durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstücke…”

    Als Frachtbrief im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV ist auch ein nach dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (Convention on the Contract for the International Carriage of Goods by Road [CMR-Übereinkommen], Bundesgesetzblatt II 1961, 1120) ausgestellter Frachtbrief (CMR-Frachtbrief) anzusehen (dazu näher Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 12. Mai 2009, V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555, insbesondere unter II. B. 3. b).

    Die nach § 6a Abs. 3 UStG in Verbindung mit §§ 17a ff. UStDV beizubringenden Nachweise dienen der – gemäß §§ 88, 90 ff. AO 1977 und ggf. unter Anwendung der innergemeinschaftlichen Amtshilfebestimmungen – vorzunehmenden Prüfung, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit tatsächlich vorliegen. Erweisen sich dabei die Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009, V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555, unter II. B. 2. b, aa, m. w. Nachw.). Belegangaben erfüllen die ihnen zukommende Nachweisfunktion allerdings nur, wenn die inhaltliche Richtigkeit der Belegangaben beim Aussteller des Beleges überprüft werden kann, weshalb die Anschrift des Belegausstellers bekannt sein muss (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009, V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555, unter II. B. 1. d).

    Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG). Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich aber erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 71/05, BStBl II 2009, 52, unter II. 2. b, m. w. Nachw.).

    Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der – formellen – Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile vom 8. November 2007, V R 72/05, BStBl II 2009, 55, unter II. 2. c, und vom 6. Dezember 2007, V R 59/03, BStBl II 2009, 57, unter II. 1. d, m. w. Nachw.).

    Hieraus folgt für den Streitfall:

    a) Der Senat ist im Streitfall zum einen im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO davon überzeugt, dass der Kläger jeweils

    seinen Nachweispflichten (§ 6a Abs. 3 UStG in Verbindung mit §§ 17a ff. UStDV) nachgekommen ist, dabei jedoch

    die – mögliche – Unrichtigkeit der Angaben seiner Abnehmer und der Frachtführer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte:

    (1) Zur Lieferung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …8:

    Insoweit befinden sich bei den Akten das Doppel der Rechnung und ein CMR-Frachtbrief. Beide Belege weisen den Namen und die Anschrift

    des Klägers als den liefernden Unternehmer bzw. als den Absender,

    des Frachtführers und

    des (angeblichen) Empfängers, im Streitfall die …. (künftig: L) in Y(Spanien),

    aus. Das gelieferte Fahrzeug ist jeweils ganz oder zum Teil mit der Fahrgestellnummer und dem Fahrzeugtyp bezeichnet.

    Aus dem Doppel der Rechnung (gerichtet an eine „Firma”) in Verbindung mit dem von dem BfF im Rahmen des Bestätigungsverfahrens nach § 18e UStG erteilten Schreiben vom 7. Dezember 2002 ergibt sich, dass der Empfänger in Spanien jedenfalls als Unternehmer im Sinne von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 2 UStG auftrat. Eine solche Identifikationsnummer erhalten nämlich grundsätzlich nur Unternehmer im Sinne der genannten Vorschriften (vgl. für das Inland § 27a UStG, für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ferner – für die Streitjahre – Art. 22 Abs. 1 Buchst. c bis e in Verbindung mit Art. 4 der Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [Sechste Richtlinie] bzw. – jetzt – Art. 214 in Verbindung mit Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem [Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie]; vgl. ferner Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2009, 5 V 3471/08 A [U], Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1872, juris-Rdnr. 62).

    Ferner hatte das Bundesamt mit seinem Schreiben vom 7. Januar 2002 Namen, Ort und Anschrift des in der Rechnung des Klägers vom 7. Dezember 2001 ausgewiesenen Leistungsempfängers bestätigt (zur sog. qualifizierten Bestätigungsanfrage vgl. Abschn. 245i Abs. 4 der Amtlichen Umsatzsteuer-Handausgabe 2008 [UStHA]). Das Risiko, ob die Angaben, die in dem Verfahren nach § 18e UStG bestätigt werden, tatsächlich zutreffen, darf jedenfalls nicht den Steuerpflichtigen treffen (vgl. auch Stadie, UStG, 2009, § 6a, Rdnr. 63).

    Weiter hat der Senat im Streitfall keine Zweifel daran, dass der in der Rechnung des Klägers ausgewiesene Leistungsempfänger auch der wirkliche Vertragspartner des Klägers war (vgl. hierzu m. w. Nachw. Leonard in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., 2009, § 6a Rdnr. 70). Jedenfalls sind im Streitfall hinreichend gewichtige Anhaltspunkte tatsächlicher Art, nach denen diese Frage ernstlich in Zweifel zu ziehen wäre, ebenso wenig ersichtlich, wie solche Umstände, die – bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns aus der Sicht des Klägers – darauf hingedeutet hätten, dass sein Vertragspartner eine fremde, eine zu Unrecht erteilte oder eine (bereits wieder) ungültige Identifikationsnummer verwendete.

    Vielmehr setzt – wovon der Senat überzeugt ist – schon der Hinweis in dem Bericht vom 7. Oktober 2005 (unter Abschn. 15), die L habe als sog. Missing Trader im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1925 / 2004 der Kommission zur Regelung der Durchführung bestimmter Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1798 / 2003 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer gehandelt, geradezu voraus, dass die L – jedenfalls nach außen (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008, V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, unter II. 2. a, m. w. Nachw.) – als Abnehmer auftrat. Dagegen sind im Streitfall Anhaltspunkte tatsächlicher Art, nach denen die Angaben hinsichtlich des Empfängers oder des Bestimmungsorts – bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns – zweifelhaft sein könnten, jedenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere war – aus der damaligen Sicht des Klägers und bei der auch von ihm zu beachtenden Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns – nicht erkennbar, dass die L – möglicherweise – als Missing Trader handelte.

    Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass Feld 2 und 22 (zunächst) den Unternehmer …. (künftig: Z) als Absender ausweisen, glaubt der Senat dem Kläger, der – insbesondere in dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 6. Oktober 2009 beim Berichterstatter – geltend gemacht hat, der Frachtführer habe Z lediglich aufgrund eines Versehens als Absender eingetragen. Insoweit folgt der Senat insbesondere den Angaben in der Rechnung vom 7. Dezember 2001 und dem aus den – von dem Beklagten mit seinem Schreiben vom 15. Oktober 2009 – vorgelegten Unterlagen über den Zahlungsweg.

    Der Senat vermag auch Rdnr. 36 des BMF-Schreibens vom 5. Mai 2010 – IV D 3 – S 7141 / 08 / 10001 (2010 / 0334195) nicht zu folgen. Die dort – unter Bezugnahme auf § 408 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) – erwähnte Unterschrift des Absenders betrifft vor allem das Rechtsverhältnis der an dem Gegenstand der Lieferung – als Verkäufer, Käufer und Frachtführer – beteiligten Vertragsparteien untereinander. Für den tatsächlichen Ablauf der Versendung – insbesondere für die Beförderung des Frachtguts zum Bestimmungsort – hingegen ist allein das Verhalten des Frachtführers entscheidend. Mit seiner Unterschrift (vgl. auch § 408 Abs. 2 Satz 2, 3 HGB) wirkt der Frachtbrief nicht nur als Empfangsbekenntnis (Quittung) im Sinne von § 368 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Der Frachtbrief hat zugleich die Beweiskraft, die § 416 der Zivilprozessordnung den Privaturkunden beimisst (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 2002, I ZR 104/00, Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungsreport Zivilrecht [NJW-RR 2003, 754], unter II. 3. b): Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

    Mit seiner Unterschrift bekundet der Frachtführer mithin, dass er über das Frachtgut einen Frachtvertrag mit den Angaben abgeschlossen hat, die aus dem Frachtbrief ersichtlich sind. Er bringt zum Ausdruck, dass er insbesondere für die Beförderung des Frachtguts zum Bestimmungsort die Gewähr übernommen hat (vgl. auch § 407 Abs. 1 HGB). Deswegen sieht § 17a UStDV – anders als in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer – in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet – davon ab, die Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu verlangen (vgl. einerseits § 17a Abs. 4 UStDV, andererseits § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV).

    (2) Zur Lieferung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …2:

    Insoweit gelten die Ausführungen zu (1) entsprechend.

    (3) Zur Lieferung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …3:

    Insoweit gelten die Ausführungen zu (1) wiederum entsprechend. Der von dem Kläger als Anlage K 4 vorgelegte Abdruck eines weiteren Frachtbriefs (Sammeltransportbescheinigung”) mag darauf hinweisen, dass insoweit nicht der Kläger eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt hat, sondern möglicherweise die in der Sammeltransportbescheinigung als Absenderin ausgewiesene „….” (künftig: S). Anhaltspunkte tatsächlicher Art, dass der Kläger hiervon schon von vornherein wusste oder dies – jedenfalls bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns – erkennen konnte, sind indes nicht ersichtlich:

    Vielmehr trägt die Anlage K 4 lediglich solche Vermerke über ihre Versendung als Telefax, nach denen sie erstmals am 5. April 2006 als Telefax versandt wurde. Dass S im Namen und im Auftrag für die …. s.r.l. (künftig: R), den – möglicherweise aber als Missing Trader anzusehenden – Empfänger, handeln durfte, brauchte der Kläger – auch insoweit wiederum bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns – nicht zu bezweifeln. Allein der Umstand, dass sie im Inland handelte, wies für sich betrachtet – jedenfalls aus der Sicht des Senats – noch nicht darauf hin, dass

    S lediglich unter dem Namen des Unternehmers auftrat, der in der Rechnung vom 27. November 2002 als Abnehmer ausgewiesen ist, oder

    das Fahrzeug – jedenfalls zunächst und damit anders als in dem Frachtbrief angegeben – nicht nach Italien befördert oder versendet wurde oder

    der in der Rechnung des Klägers ausgewiesene Leistungsempfänger die Umsatzbesteuerung in Italien vermeiden wollte oder sich dies jedenfalls vorbehalten hatte.

    Zwar hat der Beklagte – aus der Sicht des Senats durchaus zu Recht – bezweifelt, dass S tatsächlich für die R – den in der Rechnung des Klägers ausgewiesenen Leistungsempfänger – handeln wollte. Allein der Umstand, dass S im Inland auftrat, hier insbesondere den Kaufvertrag aushandelte und ggf. auch abschloss und ausführte, oder, dass die R, die in der Rechnung und in dem CMR-Frachtbrief als Abnehmer bezeichnet wurde, den Kaufpreis zu Lasten inländischer Bankkonten bezahlte, begründet nach Ansicht des Senats noch keinen Anlass zu Argwohn. Auch ist im Streitfall bislang weder von dem Beklagten vorgetragen noch sonst nach Aktenlage erkennbar, dass die R geleugnet hätte, dass S in ihrem Namen habe handeln dürfen. Vielmehr setzt – wie vorstehend zu (1) und (2) – schon der Hinweis in dem Bericht vom 7. Oktober 2005 (unter Abschn. 15), die R habe als Missing Trader gewirkt, eine solche Vertretungsmacht geradezu voraus.

    Allerdings sind im Streitfall – nachdem das BfF auch den Namen und die Anschrift des (angeblichen) Leistungsempfängers bestätigt hatte – jedenfalls solche Umstände nicht ersichtlich, die – bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns aus der Sicht des Klägers – darauf hingedeutet hätten, dass sein – angeblicher – Vertragspartner eine fremde, eine zu Unrecht erteilte oder eine (bereits wieder) ungültige Identifikationsnummer verwendete.

    Ein anderes Ergebnis folgt im Streitfall auch nicht aus den unterschiedlichen Angaben zum Bestimmungsort (Q oder Ä), nachdem beide Orte in demselben anderen Mitgliedstaat (Italien) belegen sind (vgl. insoweit auch Rdnr. 28 des BMF-Schreibens vom 5. Mai 2010 – IV D 3 – S 7141/08 / 10001(2010 / 0334195). Anhaltspunkte tatsächlicher Art, die auf einen Bestimmungsort hinweisen würde, der nicht im übrigen Gemeinschaftsgebiet liegen könnte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat auch der Frachtführer mit dem auf den 5. April 2006 ausgestellten, von dem Kläger als Anlage K 5 als Abdruck vorgelegten Beleg bestätigt, dass er das Fahrzeug nach Ä verbracht habe. Auch der als Anlage K 4 vorgelegte Abdruck einer Sammeltransportbescheinigung hindert die – von dem Kläger und der R gewollte, insbesondere aus den als Bestellung, Auftragsbestätigung bzw. Rechnung bezeichneten Schreiben vom 14., 15. bzw. 27. November 2002 ersichtliche – Zuordnung der Versendung des Fahrzeugs zur Lieferung des Klägers nicht.

    b) Der Senat ist im Streitfall aber auch – unabhängig davon, ob der Kläger seinen Nachweispflichten im Sinne von § 6a Abs. 3 UStG in Verbindung mit §§ 17a ff. UStDV nachgekommen ist – aufgrund der vorstehend zu (1) bis (3) angeführten Umstände im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO davon überzeugt, dass der Kläger jeweils eine – steuerfreie – innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt hat.

    2. Hinsichtlich der Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer ist der Senat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, 3 FGO verfahren.

    3. Die Revision wird – im Hinblick auf die bei dem BFH bereits anhängige Revision XI R 10/09 – gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und – im Hinblick auf Rdnr. 36 des BMF-Schreibens vom 5. Mai 2010 – IV D 3 – S 7141 / 08 / 10001 (2010 / 0334195) – gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    4. Der Beklagte trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

    5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistung beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung.

    VorschriftenUStG § 4 Abs. 1 Nr. 1b, UStG § 6a, UStG § 18e, UStDV § 17a, UStDV § 10 Abs. 1, UStDV § 13, BGB § 368, HGB § 408, ZPO § 416