02.11.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 20.01.2010 – 7 K 5023/07 E
1) Unter Auflösung i.S. des § 17 Abs. 4 EStG ist die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft zu verstehen.
2) In der Krise hingegebene Gesellschafterdarlehen führen zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung in Höhe des Nennwerts. Dies gilt auch dann, wenn die Darlehen bereits vor Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährt wurden.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Senat in der Besetzung: Vizepräsident des Finanzgerichts … Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 20.01.2010 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist, ob und in welcher Höhe Darlehensverluste zu berücksichtigen sind.
Der Kläger schloss am 01.03.2001 mit Herrn L. C. einen „Vertrag über die zukünftige Abtretung von Geschäftsanteilen sowie den Verkauf von Grundbesitz”. Herr C. war zu diesem Zeitpunkt alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der C. Metall GmbH (GmbH) und Inhaber der Einzelfirma X. C., die wiederum Eigentümerin des von der GmbH genutzten Betriebsgrundstücks war. In dem Vertrag regelten die Vertragsparteien im Wesentlichen, dass der Kläger zum 01.05.2001 49 v. H. des Stammkapitals an der GmbH erwerben werde und mit Wirkung ab 01.04.2002 die verbleibenden Anteile. Zum 01.04.2002 sollte auch der im Grundbuch von M-Stadt Blatt × verzeichnete Grundbesitz an den Kläger übertragen werden. Das Nähere sollte der zu gegebener Zeit noch abzuschließende Kaufvertrag regeln.
Mit notariellem Vertrag vom 22.05.2001 erwarb der Kläger Anteile in Höhe von 49 v. H. an der GmbH zum Kaufpreis von 1,– DM. Nach Eintritt des Klägers blieb Herr C. Mehrheitsgesellschafter mit 51 v. H. und weiterhin Besitzunternehmer im Hinblick auf das der GmbH überlassene Geschäftsgrundstück.
Zuvor hatte der Kläger an die C. GmbH bzw. an Herrn L. C. folgende Darlehen hingegeben:
29.09.2000: | 300.000,– DM | C. GmbH |
01.12.2000: | 100.000,– DM | C. GmbH |
01.12.2000: | 100.000,– DM | L. C. |
15.05.2001: | 125.000,– DM | C. GmbH |
15.05.2001: | 125.000,– DM | L. C. |
Darlehenssummen: | 750.000,– DM. |
Den Darlehensvertrag vom 29.09.2000 hat der Kläger zivilrechtlich am 05.07.2001 erfolgreich angefochten. Insoweit ist die Darlehenssumme auf Grund einer von der Bank M-Stadt gewährten Prozessbürgschaft zurückgeführt worden.
Hinsichtlich der verbleibenden Darlehensbeträge hat der Kläger vor dem Landgericht I-Stadt ein Urteil erstritten, wonach sowohl die GmbH als auch Herr C. verurteilt wurden, die gewährten Darlehen zurückzuzahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts I-Stadt vom xx.yy.2003 X O XXX/YY Bezug genommen. Am 13.12.2005 gab Herr C. auf Betreiben des Klägers die eidesstattliche Versicherung ab.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2001 machte der Kläger zunächst einen Verlust gem. § 17 EStG in Höhe von 723.752,67 DM (750.000,00 DM – abzüglich Darlehensrückzahlung 26.247,33 DM) geltend.
Der Beklagte, der bei Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2001 zunächst davon ausgegangen war, dass sämtliche Darlehen der C. GmbH gewährt worden seien, erteilte am 17.07.2003 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid, in dem er den Verlust in Höhe von 723.752,67 DM berücksichtigte. Wegen erklärter nachträglich erstrittener Darlehensrückzahlungen in Höhe von 300.000,00 DM und Anwaltskosten in Höhe von 48.936,45 DM, die gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) auf das Jahr 2001 zurückbezogen wurden, erteilte der Beklagte am 24.11.2004 einen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Änderungsbescheid, in dem der Verlust nunmehr mit 472.689,12 DM zum Ansatz gebracht wurde.
Am 08.10.2001 beschloss die C. Metall GmbH die Liquidation zum 31.10.2001. Liquidator war Herr L. C.. Ein Insolvenzverfahren wurde nicht betrieben.
In 2007 fand eine steuerliche Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 statt, bei der der Prüfungszeitraum gem. § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO auf den Veranlagungszeitraum 2001 erweitert wurde. Die Einkommensteuerveranlagung 2001 stand noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Betriebsprüfung würdigte den Sachverhalt so, dass sie private Darlehensverluste annahm, die steuerlich keine Berücksichtigung finden konnten.
Am 06.03.2007 erteilte der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten – weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden – Einkommensteuerbescheid, in dem die durch die Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt wurden. Der Verlust nach § 17 EStG wurde nicht mehr zum Ansatz gebracht, die Einkommensteuer wurde in Höhe von zzzzz EUR festgesetzt.
Gegen den Einkommensteuerbescheid legte der Kläger am 02.04.2007 Einspruch ein. Mit Bescheid vom 25.06.2007 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung für 2001 auf und erteilte mit selbem Datum endgültige Änderungsbescheide gem. § 164 Abs. 2 AO für die Einkommensteuer 2004 und 2005. Gegenstand der Änderung waren weitere, nicht streitige Prüfungsfeststellungen. Für 2003 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung ohne Änderung aufgehoben. Gegen alle Bescheide legte der Kläger am 12.07.2007 Einspruch ein. Der Aufforderung des Beklagten, den erneuten Einspruch gegen die Vorbehaltsaufhebung 2001 zurückzunehmen, da der Bescheid insoweit gem. § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des Verfahrens werde, kam der Kläger nicht nach. Hierzu erging eine gesonderte Entscheidung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.11.2007 wies der Beklagte die Einsprüche vom 02.04.2007 (Einkommensteuer 2001) sowie vom 12.07.2007 (Einkommensteuer 2003, 2004 und 2005) als unbegründet zurück.
Nach Auffassung des Beklagten wird ein Veräußerungsgewinn bzw. -verlust erst dann realisiert, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das Unternehmen im Ganzen veräußert worden seien und mit dem letzten Geschäftsvorfall die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen worden sei. Im Streitfall sei zwar am 08.10.2001 die Liquidation zum 31.10.2001 beschlossen worden. Diese sei aber bei Abfassung des Betriebsprüfungsberichtes im Mai 2007 noch nicht abgeschlossen gewesen. Ausnahmsweise könne zwar der Zeitpunkt, in dem der Verlust realisiert werde, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. Im vorliegenden Fall gestalte sich der Liquidationsverlauf jedoch ausgesprochen unübersichtlich. Eine Liquidationsschlussbilanz liege nicht vor, die Gesellschaft sei nicht gelöscht und vollbeendet. Soweit erkennbar, sei von keinem großen Gläubiger, auch nicht vom Kläger, ein Insolvenzantrag gestellt worden. Eine rechtliche Würdigung der weiter gereichten Darlehen im Hinblick darauf, ob es sich dabei tatsächlich um Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung gehandelt habe, sei in den Streitjahren nicht anzustellen, da die streitigen Veranlagungszeiträume niemals den Anerkennungszeitraum darstellen könnten.
Dem Vortrag des Klägers, es habe eine faktische Mitunternehmerschaft an der L. C. Besitzfirma vorgelegen, sei nicht zu folgen. Tatsächliche Anhaltspunkte für gewerbliche Beteiligungseinkünfte seien nicht ersichtlich. Das Landgericht I-Stadt habe im zivilrechtlichen Verfahren die Rückzahlungsansprüche des Klägers gegen Herrn L. C. auf ausgereichte Darlehen gestützt. Der Versuch von Herrn C., den Darlehensverträgen über den Wortlaut hinaus Inhalt beizumessen, sei gescheitert. Das Urteil sei nach Zurücknahme der Berufung beim OLG Hamm rechtskräftig. An dieser Beurteilung ändere auch der mit Urkundenrollen-Nummer zz/01 des Notars I. C1 geschlossene Vertrag vom 01.03.2001 nichts. Hierin hätten der Kläger und Herr L. C. Modalitäten über die zukünftige Abtretung von Geschäftsanteilen an der C. Metall GmbH sowie den Verkauf des von der GmbH genutzten Grundbesitzes vereinbart. Dies belege, dass eine Mitunternehmerschaft geplant gewesen sei, die tatsächlich jedoch nicht vollzogen worden sei. Die Feststellungen hierzu seien auch nicht im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu treffen. Eine gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderliche Verlustfeststellung, die gem. § 182 AO Bindungswirkung für die streitige Einkommensteuerfestsetzung hätte, sei nicht erfolgt und auch nicht beantragt worden.
Mit der am 05.12.2007 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, er habe die Absicht gehabt, sich als Mitunternehmer in der Einzelfirma sowie als Mitgesellschafter und Geschäftsführer der C. Metall GmbH unternehmerisch zu betätigen. Insoweit habe eine Betriebsaufspaltung bestanden. Die Finanzierung des Engagement sei nur formal im Wege so gezeichneter Darlehen erfolgt. Faktisch habe es sich um Kapital gehandelt, dass wie Eigenkapital des Klägers behandelt worden sei.
Es sei vereinbart worden, dass der Kläger die C. Unternehmen übernehmen und Herrn C. über diese Unternehmen später alimentieren sollte. Dass Herr C. und seine Berater den Kläger seinerzeit über den Status der Unternehmen insbesondere über die Werthaltigkeit der Assets der Unternehmen arglistig getäuscht hätten, sei erst später deutlich geworden und habe zur Anfechtung geführt.
Die Liquidation der C. GmbH werde sei Jahren von Herrn C. betrieben. Welche Veräußerungserlöse Herr C. bislang erzielt habe, sei dem Kläger nicht bekannt. Er gehe jedoch davon aus, dass Erlöse nicht erzielt worden seien. Die Betriebsimmobilie stehe seit Jahren leer. Sie sei über den Verkehrswert hinaus belastet und damit auch faktisch nicht verwertbar.
Die Hingabe der Finanzmittel an die C. Unternehmen habe der Erzielung von Einnahmen im Sinne von §§ 15, 19, 20, EStG gedient. Es sei mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar, die entstandenen Verluste als steuerrechtlich unbeachtliche Tatbestände zu behandeln. Angesichts der maroden wirtschaftlichen Situation der C. Unternehmen dürfte die Zuführung von Finanzmitteln des Klägers bei Hingabe der Mittel objektiv Eigenkapital ersetzend gewesen seien. Subjektiv natürlich nicht, weil C. den Kläger ja betrogen habe.
Nach Auffassung des Klägers kommt es aber auf den Eigenkapital ersetzenden Charakter der Finanzmittel nicht einmal an. Schon auf der den Eigenkapitalersatzregeln vorgeschalteten Ebene der Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben bzw. Anschaffungskosten sei der Verlust steuerrechtlich abzugsfähig. Für die Annahme, bei dem Verlust handele es sich um einen privaten Verlust, bestünden keine Anhaltspunkte, weil der Kläger faktischer Mitunternehmer gewesen sein dürfte. Diese sei auch in den vertraglichen Vereinbarungen dokumentiert.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 06.03.2007 dahingehend abzuändern, dass Darlehensverluste in Höhe von 423.753,00 DM sowie Veräußerungskosten in Höhe von insgesamt 48.936,00 DM (Summe: 472.689,00 DM) als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anerkannt werden;
hilfsweise, die vorgenannten Beträge in den Streitjahren 2003, 2004 bzw. 2005 zu berücksichtigten;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist er auf die angefochtene Einspruchsentscheidung, auf die Bezug genommen wird.
Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage am 16.10.2008 mit den Beteiligten erörtert. Auf das Protokoll zum Erörterungstermin wird verwiesen.
Der Senat hat am 20.01.2010 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet, soweit der Beklagte Darlehensverluste in Höhe von 236.344,00 DM im Streitjahr 2005 steuerlich unberücksichtigt gelassen hat. Die auf Herabsetzung der Einkommensteuer 2001 gerichtete Klage ist unbegründet, weil die Darlehen im Veranlagungszeitraum 2001 noch werthaltig waren. Soweit der Kläger die Berücksichtigung der an Herrn C. hingegebenen Darlehen begehrt, ist die Klage ebenfalls unbegründet.
1. Die Herrn C. aufgrund der Darlehensverträge vom 01.12.2000 bzw. 15.05.2001 überlassenen und später ausgefallenen Geldbeträge stellen – entgegen der Auffassung des Klägers – keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG dar. Da es zu einer Mitunternehmerschaft zwischen dem Kläger und Herrn C. bzw. zur Übernahme des Besitzunternehmens nicht gekommen ist, lägen im Streitfall allenfalls vergebliche Betriebsausgaben vor, die einen Unterfall der vorweggenommenen bzw. vorab entstandenen Betriebsausgaben bilden. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass Betriebsausgaben anfallen können, bevor im Rahmen einer Einkunftsart Einnahmen erzielt werden (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBl. II 1988, 992). Die Aufwendungen können auch dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu den Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den Einkünften besteht (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl. II 1984, 307 m. w. N). Voraussetzung ist allerdings, dass nicht mit den Aufwendungen nur irgendeine noch unsichere Einkommensquelle angestrebt wird, vielmehr muss zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart eine klar erkennbare Beziehung bestehen (BFH-Urteile vom 18. Juli 1972 VIII R 12/68, BFHE 106, 513, BStBl. II 1972, 930 und vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBl. II 1988, 992).
Im Streitfall hat der Kläger mit Herrn C. (persönlich) Darlehensverträge über eine Gesamtsumme von 225.000,00 DM geschlossen. Der Darlehensvertrag vom 01.12.2000 enthält die Auflage, das Darlehen der GmbH als Liquiditätshilfe zur Verfügung zu stellen. Das Darlehen vom 15.05.2001 ist Herrn C. „zur Finanzierung eines Darlehens an die Firma C. Metall-GmbH zur Verfügung gestellt” worden. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Verträge kann der Senat einen Zusammenhang mit der ursprünglich geplanten Übernahme des Besitzunternehmens des Herrn C. nicht erkennen. Auch ein Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 EStG scheidet aus, da insofern Herr C. und nicht der Kläger der GmbH das Geld zur Verfügung gestellt hat.
2. Es ist jedoch ein Verlust aus den an die GmbH hingegebenen Darlehen in Höhe von 236.344,00 DM (225.000,00 DM – anteilige Tilgung in Höhe von 13.124,00 DM zzgl. anteilige Kosten in Höhe von 24.468,00 DM) zu berücksichtigen, da insoweit nachträglich Anschaffungskosten vorliegen, welche mit dem Nennwert zu bewerten sind.
a) Auflösung der GmbH
Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z. B. Senatsurteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl. II 1999, 339). Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass unter „aufgelöst” i.S. des § 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 03.10.1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361; BFH-Urteil vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162). Danach ist die Kapitalgesellschaft, hier die GmbH, i.S. des § 17 Abs. 4 EStG frühestens in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem sie nach Gesetz oder Satzung zivilrechtlich aufgelöst wäre.
Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt hier nur die Auflösung durch den Beschluss der Gesellschafter gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zum 31.10.2001 in Betracht. Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich sodann der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (vgl. BFH-Urteil vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162). Hieraus leitet die BFH-Rechtsprechung ab, dass im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation der Gewinn oder Verlust grundsätzlich erst auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation zu ermitteln ist.
Im Streitfall ist die abschließende Liquidation zwar bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Der Senat ist aber dennoch der Auffassung, dass der Verlust im Veranlagungszeitraum 2005 endgültig festgestanden hat. Denn fordert man für die Verlustrealisierung i. S. des § 17 das „Feststehen” des Verlustes bezüglich der nachträglichen Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 25.03.2003 VIII R 24/02 n. v.), kann es allenfalls darauf ankommen, ob die verlustbegründenden Umstände feststanden (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.01.1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922). Das ist im Streitfall für 2005 zu bejahen. Weder auf der Gesellschafts- noch auf der Gesellschafterebene war noch mit einer Auskehrung von Vermögen an den Kläger zu rechnen. Die Gesellschaft war seit Jahren völlig überschuldet. Es zeichneten sich keine wesentlichen Veränderungen ab, die den endgültigen Verlust der Einlage des Klägers in Frage stellen konnten. Während der Kläger noch im Veranlagungszeitraum 2003 zivilrechtliche Urteile gegen Herrn C. und die GmbH erstritten hatte, bestanden seine Bemühungen in den nächsten zwei Jahren ausschließlich darin, seine Ansprüche zu realisieren. Dass dies praktisch unmöglich ist, steht nach Auffassung des erkennenden Senats spätestens mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Herrn C. am 13.12.2005 fest.
b) Vorliegen nachträglicher Anschaffungskosten
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB, der für das gesamte Ertragssteuerrecht gilt, Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu rechnen Darlehen und andere Finanzierungshilfen, z. B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32 a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 06.07.1999 VIII R 9/98, BStBl. II 1999, 817). Maßgebend dafür, ob die Finanzierung eigenkapitalersetzenden Charakter hat und damit auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (BFH-Urteil vom 04.03.2008 IX R 80/06, BStBl. II 2008, 577).
Eine Krise liegt immer vor, wenn bereits Insolvenz (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.1997 VIII R 23/93, BStBl. II 1999, 342). Eine Überschuldung der Gesellschaft liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (vgl. BGH-Urteil vom 12.0.1999 II ZR 87/98, BB 1999, 1887; Urteil FG Düsseldorf vom 19.10.1999 13 K 7553/95 F, EFG 2000, 257). Zahlungsunfähigkeit liegt regelmäßig vor, wenn die Liquiditätslücke der Gesellschaft 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern der Gesellschaft ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist (BGH-Urteil vom 24.05.2005 IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134).
Für das Klagebegehren bedeutet dies, dass die Voraussetzungen für die Entstehung nachträglicher Anschaffungskosten in Höhe von 236.344,00 DM als erfüllt anzusehen sind. Die Gesellschaft hat sich bereits ab dem Veranlagungszeitraum 1999 durchgängig in der Krise befunden. Hierfür spricht, dass die GmbH bereits in diesem Jahr bei einem Umsatz von 3.245.75,00 DM einen Verlust von 285.834,00 DM erzielt hat. Der zum 31.12.1999 nicht durch Eigenkapital gedeckte Freibetrag belief sich auf 553.425,00 DM. Im Veranlagungszeitraum 2000 erzielte die GmbH einen Verlust in Höhe von 989.391,00 DM und der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag belief sich auf 1.451.816,00 DM.
An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, dass die Darlehen vor Übernahme der Beteiligung hingegeben wurden. Auch vergeblich aufgewendete oder vorweggenommene Anschaffungskosten bleiben Anschaffungskosten. Es gelten die von der Rechtsprechung für vorab entstandene Betriebsausgaben oder Werbungskosten entwickelten Grundsätze entsprechend (BFH-Urteil vom 20.04.2004 VIII R 4/02, BStBl. II 2004, 597). Sie können deshalb auch im Rahmen des § 17 EStG berücksichtigt werden, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung stehen. Davon ist im Streitfall hinsichtlich der der GmbH gewährten Darlehen – insbesondere aufgrund der zeitlichen Nähe – auszugehen. Bereits vor Abschluss des hier nicht streitigen Darlehensvertrags vom 29.09.2000 hatten sich der Kläger und Herr C. darüber geeinigt, dass der Kläger sukzessive alle Anteile an der GmbH übernehmen sollte. Drei Monate nach Abschluss des Darlehensvertrags vom 01.12.2000 wurde am 01.03.2001 ein entsprechender Vorvertrag geschlossen. Die letzte Darlehenshingabe erfolgte schließlich eine Woche vor dem notariellen Anteilsveräußerungsvertrag vom 22.05.2001.
c) Bewertung der nachträglichen Anschaffungskosten mit dem Nennwert Grundsätzlich erfolgt nach der Rechtsprechung des BFH eine Bewertung mit dem Nennwert, wenn Darlehen bereits in der Krise hingegeben wurden (vgl. BFH-Urteil vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Wie bereits dargelegt, kann als sicher angesehen werden, dass sich die GmbH zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung in der Krise befunden hat. Nach Auffassung des Senats ist es auch unschädlich, dass die Darlehen bereits vor Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährt wurden, da nach den Grundsätzen der vorweggenommenen Werbungskosten/Betriebsausgaben auf den betrieblichen Veranlassungszusammenhang abzustellen ist (vgl. Ausführungen unter b)). Entscheidend ist vielmehr, dass in dem Fall, in dem Darlehen vor Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährt werden, die Wertminderung von Ansprüchen des Gesellschafters nach Begründung der maßgeblichen Beteiligung eingetreten sein muss (vgl. Blümich/Ebling, § 17 EStG Rdnr. 215). Diese Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt. Nachdem der Kläger bereits eine Rückzahlung des Darlehens aus dem Vertrag vom 29.09.2000 in Höhe von 300.000,00 DM erreichen konnte, erwirkte er durch das Urteil des Landgerichts I-Stadt vom 10.04.2003 titulierte Ansprüche sowohl gegen Herrn C. als auch gegen die GmbH in Höhe der Darlehensbeträge zuzüglich Zinsen und Kosten. Erst im anschließenden Vollstreckungsverfahren (dieses wurde durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Herrn C. am 13.12.2005 beendet) stand mit Sicherheit fest, dass eine Darlehensrückzahlung nicht mehr erfolgen würde. Die Bewertung hat somit mit dem Nennwert in Höhe von 236.344,00 DM zu erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 151 Abs. 1 Satz 1 1. HS; Abs. 3 FGO i. V. m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die vorgenommene Bewertung der bereits vor der Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährten Darlehen mit ihrem Nennwert wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.