02.11.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 08.07.2010 – 4 K 347/07
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist die Bedingung für den Erhalt einer differenzierten Erstattung, die in Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.4.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. L 102/11) normiert ist, nämlich die Erfüllung der Einfuhrzollförmlichkeiten, erfüllt, wenn das Erzeugnis im Bestimmungsdrittland nach Abfertigung zu einem Verfahren der aktiven Veredelung ohne Erhebung von Einfuhrabgaben einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne des Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 302/1, mit späteren Änderungen) unterzogen und das aus dieser Be- oder Verarbeitung stammende Erzeugnis in ein drittes Land ausgeführt wird?
Gründe
I.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Firma A GmbH. Sie wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung, die das beklagte Hauptzollamt der Firma A im Wege der Vorauszahlung gewährt hatte.
Mit Ausfuhranmeldung vom 16.5.2003 meldete die Firma A beim Hauptzollamt B 23.000 kg Weißzucker der Marktordnungs-Warenlistennummer 1701 9910 9950 zur Ausfuhr nach Litauen an und beantragte hierfür beim beklagten Hauptzollamt die Gewährung von Ausfuhrerstattung als Vorschuss, was das beklagte Hauptzollamt ihr mit Bescheid vom 2.6.2003 antragsgemäß gewährte.
Mit Schreiben vom 29.8.2003 übersandte die Firma A dem beklagten Hauptzollamt zu der streitgegenständlichen Ausfuhrsendung litauische Zolldokumente, die im Feld 37 den Verfahrenscode 5100 enthalten, der für eine „vorübergehende Einfuhr bei Wiederausfuhr in veredelter Form” ohne Entrichtung von Einfuhrabgaben steht. Der Weißzucker wurde in Litauen zu Softdrinks verarbeitet und anschließend nach Lettland und Estland ausgeführt.
Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2003 forderte das beklagte Hauptzollamt die der Firma A vorschussweise gewährte Ausfuhrerstattung mit einem Zuschlag von 10 % in Höhe von insgesamt 12.180,18 € unter Hinweis darauf zurück, dass eine Überführung des Weißzuckers in den freien Verkehr Litauens nicht erfolgt sei und damit die Voraussetzungen für eine differenzierte Erstattung nicht erfüllt seien.
Die Firma A hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren am 2.11.2007 Klage erhoben. Sie verweist darauf, dass gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 das Erzeugnis zwar in unverändertem Zustand in das Drittland eingeführt sein müsse, dass aber nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 das Erzeugnis als eingeführt gelte, wenn die Einfuhrzollförmlichkeiten und insbesondere die Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrabgaben in dem betreffenden Drittland erfüllt worden seien. Der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten erfolge nach Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 durch Vorlage des jeweiligen Zolldokumentes. Sie - die Firma A - habe ein vom litauischen Zoll bestätigtes Einfuhrdokument vorgelegt, welches den Verfahrenscode 5100 trage und ein Verfahren zur vorübergehenden Einfuhr bei Wiederausfuhr in veredelter Form bezeichne. Die Verordnung (EG) Nr. 800/1999 verlange dagegen nicht, dass das Erzeugnis auch in den freien Verkehr des Drittlandes gelangt sei. Während die Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 3665/87 in Art. 17 Abs. 3 noch darauf abgestellt habe, dass das Erzeugnis erst als eingeführt gelte, wenn die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in dem betreffenden Drittland erfüllt seien, habe die Nachfolgeregelung des Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 auf das Erfordernis der Überführung in den freien Verkehr bewusst verzichtet. Im Übrigen meint die Firma A, dass der Begriff der Einfuhr gesetzlich nicht definiert sei. Entgegen der Auffassung des beklagten Hauptzollamtes sei mit Einfuhr nicht lediglich die Überführung in den freien Verkehr als einem speziellen Zollverfahren, sondern das endgültige oder vorübergehende Verbringen von Waren in ein Zollgebiet gemeint. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Ziel der Ausfuhrerstattung sei, den Gemeinschaftsmarkt von den betreffenden Erzeugnissen zu entlasten, sei allein entscheidend, ob die Zollförmlichkeiten eingehalten worden seien. Ob auch Zoll gezahlt worden sei, sei dagegen unerheblich. Schließlich wendet die Firma A ein, dass es keinen Unterschied machen könne, ob eine Ware in einem Verfahren zur aktiven Veredelung im Rahmen des Systems der Zollrückvergütung oder - wie hier - des Nichterhebungsverfahrens im Drittland abgefertigt werde. Dass es zum Nachweis der Einfuhr ausreiche, dass die Ware in das Verfahren der aktiven Veredelung im Rahmen des Systems der Zollrückvergütung abgefertigt werde, sei von der Rechtsprechung bereits entschieden worden.
Die zwischenzeitliche Rechtsnachfolgerin der Firma A, die Klägerin, beantragt,
den Änderungsbescheid vom 25.11.2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 1.10.2007 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verteidigt die angefochtenen Bescheide und hebt hervor, dass im Streitfall der Weißzucker, der lediglich zu einem aktiven Veredelungsverfahren ohne Erhebung von Einfuhrabgaben abgefertigt worden sei, im Anschluss an die Abfertigung bis zur Beendigung der aktiven Veredelung durch Ausfuhr der Veredelungserzeugnisse oder Wahl einer anderen zollrechtlichen Bestimmung unter zollamtlicher Überwachung gestanden habe. Der Weißzucker habe daher nicht frei am Marktgeschehen des Drittlandes teilnehmen können.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.
II.
Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 FGO aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor. Denn die rechtliche Würdigung des Falles ist gemeinschaftsrechtlich zweifelhaft.
1. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen
Nach Ansicht des beschließenden Senats sind folgende gemeinschaftsrechtliche Vorschriften für die Lösung des Streitfalles von Bedeutung:
a) Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.4.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. L 102/11, im Folgenden: VO Nr. 800/1999):
Artikel 14:
(1) Bei je nach Bestimmung differenzierten Erstattungssätzen ist die Zahlung der Erstattung von den zusätzlichen Bedingungen abhängig, die in den Artikeln 15 und 16 festgelegt sind.
(2) ...
Artikel 15:
(1) Das Erzeugnis muss in unverändertem Zustand in das Drittland oder in eines der Drittländer, für das die Erstattung vorgesehen ist, innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung eingeführt worden sein; gemäß den Bedingungen von Artikel 49 können jedoch zusätzliche Fristen eingeräumt werden.
(2) Als in unverändertem Zustand eingeführt gelten die Erzeugnisse, bei denen auf keine Weise ersichtlich ist, dass eine Verarbeitung stattgefunden hat. Jedoch - dürfen die in Artikel 29 Absatz 4 genannten Behandlungen zur Erhaltung der Erzeugnisse vor ihrer Einfuhr durchgeführt werden und beeinträchtigen nicht die Einhaltung von Absatz 1; - gilt ein Erzeugnis als in unverändertem Zustand eingeführt, wenn es vor seiner Einfuhr be- oder verarbeitet worden ist, sofern die Be- oder Verarbeitung in dem Drittland erfolgt ist, in das alle aus dieser Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnisse eingeführt worden sind.
(3) Das Erzeugnis gilt als eingeführt, wenn die Einfuhrzollförmlichkeiten und insbesondere die Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrzölle in dem betreffenden Drittland erfüllt worden sind.
(4) ...
Artikel 16:
(1) Der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Einfuhr erfolgt nach Wahl des Ausführers durch Vorlage eines der folgenden Dokumente:
a) das jeweilige Zolldokument oder eine Durchschrift oder Fotokopie dieses Dokuments; die Durchschrift oder Fotokopie muss entweder von der Stelle, die das Original abgezeichnet hat, einer Behörde des betreffenden Drittlandes, einer in dem betreffenden Drittland befindlichen Dienststelle eines Mitgliedstaats oder einer für die Zahlung der Erstattung zuständigen Stelle beglaubigt sein;
b) die Bescheinigung über die Entladung und Einfuhr, ausgestellt von einer internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, die von einem Mitgliedstaat gemäß den Mindestanforderungen von Absatz 5 zugelassen wurde; Datum und Nummer des Zollpapiers über die Einfuhr sind auf der Bescheinigung zu vermerken.
Artikel 20:
(1) Wenn
a) ernste Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung des Erzeugnisses bestehen oder
b) bei dem Erzeugnis aufgrund eines Unterschieds zwischen dem für das ausgeführte Erzeugnis anzuwendenden Erstattungsbetrag und dem für ein gleichartiges Erzeugnis zum Zeitpunkt der Annahme der Ausfuhranmeldung geltenden Betrag der nicht präferentiellen Einfuhrabgabe die Möglichkeit besteht, dass es wieder in die Gemeinschaft eingeführt wird, oder
c) der konkrete Verdacht besteht, dass das Erzeugnis in unverändertem Zustand oder nach seiner Verarbeitung in einem Drittland wieder in die Gemeinschaft eingeführt wird und dabei eine Befreiung von der oder eine Verringerung der Abgabe gewährt wird, wird die einheitliche Erstattung oder der in Artikel 18 Absatz 2 genannte Teil der Erstattung nur gezahlt, wenn das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft gemäß Artikel 7 verlassen hat und
i) im Fall einer nicht differenzierten Erstattung innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung in ein Drittland eingeführt oder innerhalb dieser Zeit einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/93 unterzogen worden ist, oder
ii) im Fall einer je Bestimmung differenzierten Erstattung innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung in unverändertem Zustand in ein bestimmtes Drittland eingeführt worden ist. In Bezug auf die Einfuhr in ein Drittland finden die Bestimmungen der Artikel 15 und 16 Anwendung. Außerdem können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für alle Erstattungen zusätzliche Beweise verlangen, mit denen ihnen gegenüber nachgewiesen werden kann, dass das Erzeugnis tatsächlich in dem einführenden Drittland vermarktet oder einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/93 unterzogen worden ist ... ...
(4) ... Die Erstattung gilt jedoch als zu Unrecht gewährt und ist zurückzuzahlen, wenn die zuständigen Behörden, gegebenenfalls auch nach erfolgter Zahlung, feststellen, dass,
a) das Erzeugnis zerstört oder beschädigt wurde, bevor es in einem Drittland vermarktet wurde oder bevor es in einem Drittland einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 unterzogen wurde, es sei denn, der Ausführer kann gegenüber den zuständigen Behörden nachweisen, dass die Ausfuhr unter solchen wirtschaftlichen Bedingungen erfolgt ist, dass das Erzeugnis unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 21 Absatz 2 Unterabsatz 2 nach vernünftigem Ermessen in einem Drittland hätte vermarktet werden können;
b) sich das Erzeugnis 12 Monate nach dem Tag der Ausfuhr aus der Gemeinschaft in einem Drittland in einem Nichterhebungsverfahren befindet, ohne in einem Drittland einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 unterzogen worden zu sein, und wenn die Ausfuhr nicht im Rahmen eines normalen Handelsgeschäfts erfolgt ist;
c) das ausgeführte Erzeugnis wieder in die Gemeinschaft eingeführt wird, ohne einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 unterzogen worden zu sein, die nicht präferentielle Einfuhrabgabe niedriger ist als die gewährte Erstattung und die Ausfuhr nicht im Rahmen eines normalen Handelsgeschäfts erfolgt ist;
d) die ausgeführten, in Anhang V genannten Erzeugnisse wieder in die Gemeinschaft eingeführt werden, - nachdem sie einer Be- oder Verarbeitung in einem Drittland unterzogen wurden, die nicht den in Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vorgesehenen Verarbeitungsgrad erreicht, und - eine gegenüber der nicht präferentiellen Abgabe verringerte oder auf Null festgesetzte Einfuhrabgabe angewandt wird ...
Artikel 25:
(1) Liegt die Vorauszahlung über dem für die betreffende Ausfuhr oder für eine entsprechende Ausfuhr geschuldeten Betrag, so leitet die zuständige Behörde unverzüglich das Verfahren des Artikels 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 ein, damit der Ausführer den Unterschied zwischen diesen beiden Beträgen zuzüglich 10 % zahlt.
(2) ...
b) Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 27.11.1987 (ABl. Nr. 351/1, im Folgenden: VO Nr. 3665/87):
Artikel 16:
(1) Bei je nach Bestimmung unterschiedlichen Erstattungssätzen ist diese Zahlung der Erstattung von den zusätzlichen Bedingungen abhängig, die in den Artikeln 17 und 18 festgelegt sind.
(2) ...
Artikel 17:
(1) Das Erzeugnis muss in unverändertem Zustand in das Drittland oder in eines der Drittländer, für welche die Erstattung vorgesehen ist, innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung, die gemäß den Bedingungen von Artikel 47 verlängert werden kann, eingeführt worden sein.
(2) ...
(3) Das Erzeugnis gilt als eingeführt, wenn die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in dem betreffenden Drittland erfüllt sind.
Artikel 18:
(1) Der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr erfolgt nach Wahl des Ausführers durch Vorlage eines der folgenden Dokumente ...
c) Verordnung (EG) Nr. 612/2009 der Kommission vom 7. Juli 2009 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. 186/1, im Folgenden: VO Nr. 612/2009):
Artikel 2:
(1) Im Sinne dieser Verordnung sind: ...
g) „Ausfuhr” die Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten, gefolgt durch das Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft durch die Erzeugnisse ...
Artikel 15: Bei je nach Bestimmung differenzierten Erstattungssätzen ist die Zahlung der Erstattung von den zusätzlichen Bedingungen abhängig, die in den Artikeln 16 und 17 festgelegt sind.
Artikel 16:
(1) Die Erzeugnisse müssen innerhalb von 12 Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung
a) in unverändertem Zustand in das Drittland oder in eines der Drittländer eingeführt worden sein, für das die Erstattung vorgesehen ist, oder
b) in unverändertem Zustand in einer entfernten Erstattungszone entladen worden sein, für die die Erstattung gemäß den Bedingungen von Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 24 Absatz 2 vorgesehen ist. Gemäß den Bedingungen von Artikel 46 kann jedoch eine Fristverlängerung gewährt werden.
(2) Als in unverändertem Zustand eingeführt gelten die Erzeugnisse, bei denen auf keine Weise ersichtlich ist, dass eine Verarbeitung stattgefunden hat. Jedoch dürfen die folgenden Behandlungen zur Erhaltung der Erzeugnisse vor ihrer Einfuhr durchgeführt werden und beeinträchtigen nicht die Einhaltung von Absatz 1:
a) Bestandsaufnahme,
b) Anbringen von Warenzeichen, Stempeln, Etiketten oder anderen gleichartigen Unterscheidungszeichen auf den Erzeugnissen oder auf ihrer Verpackung, sofern dadurch nicht der Eindruck entsteht, dass die Erzeugnisse einen anderen als den tatsächlichen Ursprung haben,
c) Änderung der Warenzeichen und Nummern von Packstücken oder Umetikettierung, sofern dadurch nicht der Eindruck entsteht, dass die Erzeugnisse einen anderen als den tatsächlichen Ursprung haben,
d) Verpacken, Auspacken, Umpacken, Ausbessern von Verpackungen, sofern dadurch nicht der Eindruck entsteht, dass die Erzeugnisse einen anderen als den tatsächlichen Ursprung haben,
e) Lüften,
f) Kühlen und
g) Einfrieren. Außerdem gilt ein Erzeugnis als in unverändertem Zustand eingeführt, wenn es vor seiner Einfuhr be- oder verarbeitet worden ist, sofern die Be- oder Verarbeitung in dem Drittland erfolgt ist, in das alle aus dieser Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnisse eingeführt worden sind.
(3) Das Erzeugnis gilt als eingeführt, wenn die Einfuhrzollförmlichkeiten und insbesondere die Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrzölle in dem betreffenden Drittland erfüllt worden sind.
Artikel 17:
(1) Der Nachweis der Einfuhrzollförmlichkeiten erfolgt nach Wahl des Ausführers durch Vorlage eines der folgenden Dokumente ...
d) Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (ABl. Nr. L 302/1, im Folgenden: ZK):
Artikel 24: Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.
2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Als Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Änderungsbescheid des beklagten Hauptzollamtes kommt allein die Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 in Betracht. Danach zahlt der Ausführer, liegt die Vorauszahlung über dem für die betreffende Ausfuhr oder für eine entsprechende Ausfuhr geschuldeten Betrag, den Unterschied zwischen diesen beiden Beträgen zuzüglich 10 % zurück. Nach Auffassung des beschließenden Senats ist es gemeinschaftsrechtlich zweifelhaft, ob die Firma A im Streitfall die Voraussetzungen für eine differenzierte Erstattung, scil. den Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Einfuhr der Erzeugnisse in das Bestimmungsdrittland Litauen, erfüllt hat. Die Firma A hat nämlich als Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten lediglich ein litauisches Zolldokument vorgelegt, ausweislich dessen der Zucker nicht unter Erhebung der gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben zum freien Verkehr abgefertigt, sondern lediglich in ein Verfahren der vorübergehenden Einfuhr bei Wiederausfuhr in veredelter Form ohne Erhebung von Einfuhrabgaben überführt worden ist. Sofern die in Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VO Nr. 800/1999 normierte Bedingung für den Erhalt einer differenzierten Erstattung auch erfüllt ist, wenn das Erzeugnis im Bestimmungsdrittland nach Abfertigung zu einem Verfahren der aktiven Veredelung ohne Erhebung von Einfuhrabgaben einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne des Art. 24 ZK unterzogen und sodann das aus dieser Bearbeitung hervorgegangene neue Erzeugnis in ein drittes Land ausgeführt wird, hätte die Klage Erfolg; der vom beklagten Hauptzollamt erlassene Änderungsbescheid wäre aufzuheben. Sollte freilich auch unter der Geltung der Verordnung Nr. 800/1999 in Bezug auf die Voraussetzungen einer differenzierten Erstattung anzunehmen sein, dass das Erzeugnis im Bestimmungsdrittland unter Entrichtung der Einfuhrabgaben zum freien Verkehr abgefertigt sein muss, wäre der Klage der Erfolg zu versagen.
3. Rechtliche Überlegungen des Senats
Die Zahlung einer differenzierten Erstattung ist grundsätzlich von dem Nachweis abhängig, dass das Erzeugnis in das Drittland, für das es bestimmt ist, eingeführt worden ist. Im Unterschied zur einheitlichen Erstattung, bei der es im Wesentlichen darauf ankommt, ob die Ware das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat, ist für die differenzierte Erstattung von wesentlicher Bedeutung, dass die Ware in dem Drittland auch tatsächlich ankommt bzw. - in den Worten des Gemeinschaftsgesetzgebers - in das Drittland „eingeführt” wird (vgl. Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 800/1999). Allerdings wird der Begriff der Einfuhr in der Verordnung Nr. 800/1999 nicht definiert. Auch in der Nachfolgeverordnung, der Verordnung (EG) Nr. 612/2009 der Kommission vom 7.7.2009 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. L 186/1, im Folgenden: VO Nr. 612/2009), findet sich keine Legaldefinition des Begriffs „Einfuhr”. Lediglich der gegensätzliche Begriff der Ausfuhr wird in Art. 2 lit. g) VO Nr. 612/2009 als „Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten, gefolgt durch das Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft durch die Erzeugnisse” beschrieben. Auch die Verordnung Nr. 2913/92 (Zollkodex) definiert den Begriff „Einfuhr” nicht. Entsprechend verhält es sich in Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (Modernisierter Zollkodex, Abl. Nr. L 145/1, im Folgenden: MZK), was erhellt, dass sowohl der Zollkodex als auch der Modernisierte Zollkodex unter dem Begriff „Einfuhr” nicht ein bestimmtes Zollverfahren - insbesondere nicht die Überführung in den freien Verkehr -, sondern einen Realakt verstehen, der sowohl ein endgültiges als auch ein vorübergehendes Verbringen von Waren in ein Zollgebiet umfassen kann. Vor diesem Hintergrund dürfte die Bedeutung des Begriffs „Einfuhr” im Sinne des Art. 15 VO Nr. 800/1999 vor allem aus dem Sinn und Zweck der differenzierten Ausfuhrerstattung zu erschließen sein.
Das System der differenzierten Ausfuhrerstattung hat das Ziel, die Märkte der in Betracht kommenden Drittländer für den Gemeinschaftsexport zu erschließen und zu erhalten; die Differenzierung des Erstattungsbetrages geht darauf zurück, die Besonderheiten der jeweiligen Einfuhrmärkte, auf denen die Gemeinschaft eine Rolle spielen will, zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.7.2005, C-515/03, Rz. 26; Urteil vom 9.8.1994, C-347/93, Rz. 18). Für das System der differenzierten Ausfuhrerstattungen ist es daher wesentlich, dass die durch diese Erstattung bezuschussten Erzeugnisse tatsächlich den Bestimmungsmarkt erreichen, um dort vermarktet zu werden (vgl. EuGH, Urteil vom 31.3.1993, C-27/92, Rz. 15). Der Zweck des Differenzierungssystems bei der Erstattung würde verkannt, wenn es für die Zahlung eines höheren Erstattungssatzes ausreichte, dass die Ware lediglich abgeladen worden ist, ohne den Markt des Bestimmungslandes zu erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.7.2005, C-515/03, Rz. 27).
Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzungen hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die in Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 aufgestellte Bedingung für den Erhalt einer differenzierten Erstattung - scil. die Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Abfertigung des fraglichen Erzeugnisses zum freien Verkehr im Bestimmungsdrittland - erfüllt sei, wenn das Erzeugnis nach Entrichtung der Einfuhrabgaben einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne des Art. 24 ZK unterzogen werde, auch wenn das aus dieser Be- oder Verarbeitung stammende Erzeugnis anschließend unter Rückvergütung der in diesem Land entrichteten Zölle und Zahlung der Eingangsabgaben der Gemeinschaft wieder in die Gemeinschaft zurückverbracht werde (vgl. EuGH, Urteil vom 21.7.2005, C-515/03, 1. Leitsatz u. Rz. 41). Nach Zahlung der Einfuhrzölle im Bestimmungsdrittland gelte das Erzeugnis als in dieses Land eingeführt. Die wesentliche Be- oder Verarbeitung des Erzeugnisses im Drittland im Sinne des Art. 24 ZK beweise, dass dieses Erzeugnis im Drittland verwertet worden sei und dass es tatsächlich Zugang zum Markt des Bestimmungsgebiets gefunden habe, indem es dort zum freien Verkehr abgefertigt worden sei (vgl. EuGH, Urteil vom 21.7.2005, C-515/03, Rz. 33).
Im Anschluss an diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.7.2006 (VII R 7/05, BFH/NV 2006, 2141) erkannt, dass der Gewährung von Ausfuhrerstattung nicht entgegenstehe, wenn die Ausfuhrwaren nach Verarbeitung im Bestimmungsdrittland und bei der Einfuhr zugesagter Vergütung der Einfuhrabgaben in ein anderes Drittland weiter exportiert würden. In diesem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall waren die Erstattungserzeugnisse im Bestimmungsdrittland zu einem „Verfahren zur aktiven Veredelung im Rahmen des Systems der Zollrückvergütung” abgefertigt worden, das dadurch gekennzeichnet ist, dass für die Erstattungserzeugnisse bei der Abfertigung im Bestimmungsdrittland zunächst Einfuhrabgaben erhoben und entrichtet werden, die sodann bei der Ausfuhr der aus den Waren gewonnenen Veredelungserzeugnisse erstattet werden.
Sowohl die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.7.2005 (C-515/03) als auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.7.2006 (VII R 7/05) ergingen allerdings zu Sachverhaltskonstellationen, auf die noch die Verordnung Nr. 3665/87 Anwendung fand. In der Vorgängervorschrift des Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 zu Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 hatte der Gemeinschaftsgesetzgeber noch geregelt, dass das Erzeugnis (nur dann) als eingeführt gilt, wenn „die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in dem betreffenden Drittland erfüllt sind.” Folgerichtig hieß es in Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 3665/87, dass „der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr” nach Wahl des Ausführers durch Vorlage eines der dort näher bezeichneten Dokumente erfolgt.
Die vorliegend anzuwendende Verordnung Nr. 800/1999 hat die Bedingungen für die Gewährung von differenzierter Ausfuhrerstattung zwar nahezu wörtlich übernommen. So ist insbesondere die Zahlung der differenzierten Erstattung von der Bedingung abhängig, dass das Erzeugnis in unverändertem Zustand in das Drittland eingeführt wird (vgl. Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 800/1999). Allerdings gilt das Erzeugnis nach Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 (bereits) als eingeführt, wenn „die Einfuhrzollförmlichkeiten und insbesondere die Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrzölle in dem betreffenden Drittland erfüllt worden sind.” Die Regelung des Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999, die Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 nachfolgt, verzichtet somit bezüglich der in Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 (= Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 3665/87) statuierten Nachweisvoraussetzung, dass das betreffende Erzeugnis in das Drittland eingeführt worden ist, darauf, die Überführung der Waren in ein bestimmtes Zollverfahren - scil. die Überführung in den freien Verkehr des Drittlandes (vgl. insoweit aber Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 3665/87) - zu verlangen. Die Verordnung Nr. 800/1999 könnte damit allein die Fragestellung und Prüfung in den Vordergrund der rechtlichen Betrachtung rücken, ob das Erzeugnis tatsächlich auf den Markt des Drittlandes gelangt ist, d.h. am Wirtschaftskreislauf des Drittlandes teilgenommen hat. Letzteres dürfte aber auch auf einen - wie hier - Sachverhalt zutreffen, der dadurch gekennzeichnet ist, dass das Erstattungserzeugnis im Drittland einer wesentlichen und unumkehrbaren Be- oder Verarbeitung im Sinne des Art. 24 ZK unterzogen wird mit der Folge, dass das ursprüngliche Erzeugnis nicht mehr existiert und ein neues Erzeugnis geschaffen worden ist, das nunmehr auch unter eine andere Tarifposition fällt. Oder mit anderen Worten: Durch die Verarbeitung ist die ausgeführte Gemeinschaftsware rechtlich betrachtet unter- und wirtschaftlich betrachtet in den drittländischen Markt eingegangen; unter welchem zollrechtlichen Regime diese Verarbeitung letztlich erfolgt - entweder aktive Veredelung im Rahmen des Systems der Zollrückvergütung oder aktives Veredelungsverfahren ohne Erhebung von Einfuhrabgaben -, dürfte nicht entscheidend sein. Das Ziel des Systems der differenzierten Ausfuhrerstattung, scil. die Märkte der Drittländer für den Gemeinschaftsexport zu erschließen, dürfte in beiden Alternativen erreicht worden sein. Da der streitgegenständliche Weißzucker durch die Verarbeitung zu Softdrinks am Wirtschaftsprozess und Marktgeschehen des Drittlandes teilgenommen hat, dürfte es auch nicht entscheidend sein, dass die Erstattungsware während der aktiven Veredelung unter zollamtlicher Überwachung stand.
Eine andere rechtliche Beurteilung könnte sich freilich aus dem Umstand ergeben, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Eintritt der Fiktion in Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 an die Erfüllung der Einfuhrzollförmlichkeiten geknüpft hat, die ausweislich des 17. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 800/1999 „insbesondere in der Zahlung der Einfuhrzölle (besteht), die entrichtet werden müssen, damit das Erzeugnis auf dem Markt des betreffenden Landes vermarktet werden kann.” Diese 17. Begründungserwägung - eine identische Formulierung findet sich in den Erwägungsgründen der Folgeverordnung, der VO Nr. 612/2009 (vgl. 20. Erwägungsgrund der VO Nr. 612/2009) - könnte dafür sprechen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Nachfolgevorschrift des Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 die Erstattungs- und Nachweisvoraussetzungen der differenzierten Erstattung nicht lockern, sondern bekräftigen wollte. Ein solches Verständnis würde auch erklären, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 formuliert hat, dass das Erzeugnis als eingeführt gilt, wenn die Einfuhrzollförmlichkeiten und insbesondere die Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrzölle in dem betreffenden Drittland erfüllt worden sind. Der Verweis auf die Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrzölle stünde nicht lediglich beispielhaft für das Zollverfahren der Überführung in den freien Verkehr, sondern hätte konstituierende Wirkung für den Eintritt der Vermarktungsfiktion des Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999. Dass die Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Einfuhr des betreffenden Erzeugnisses vor allem in der Zahlung der geltenden Einfuhrzölle besteht, die eine Gewähr dafür bietet, dass das Erzeugnis im Bestimmungsland angekommen ist, hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 21.7.2005 (C-515/03, Rz. 28) bereits hervorgehoben.
Eine Zusammenschau der vorstehend skizzierten Argumente könnte für ein Normverständnis des Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 sprechen, wonach das Erzeugnis endgültig in das Drittland eingeführt worden sein muss, was wiederum für die Auslegung der Vermarktungsfiktion des Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 zur Folge hätte, dass das Erzeugnis nach dieser Vorschrift nur als (endgültig) eingeführt gilt, wenn die Einfuhrzollförmlichkeiten einschließlich der Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrzölle in dem betreffenden Drittland erfüllt worden sind. Da die Erhebung von Einfuhrzöllen letztlich allein beim Zollverfahren der Überführung in den zollrechtlichen freien Verkehr von Bedeutung ist, würde sich der Anwendungsbereich der Regelung des Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 auf die Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Abfertigung des fraglichen Erzeugnisses zum freien Verkehr im Bestimmungsdrittland reduzieren.
Freilich dürfte sich das vorstehend dargelegte Verständnis nicht uneingeschränkt mit der Missbrauchsklausel des Art. 20 VO Nr. 800/1999 vertragen. Dort hat der Gemeinschaftsgesetzgeber u.a. geregelt, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für alle Erstattungen - also sowohl für die einheitliche als auch für die differenzierte Erstattung - zusätzliche Beweise verlangen können, mit denen ihnen gegenüber nachgewiesen werden kann, dass das Erzeugnis tatsächlich in dem einführenden Drittland vermarktet oder einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Art. 24 ZK unterzogen worden ist (vgl. Art. 20 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 800/1999). Da der Gemeinschaftsgesetzgeber davon ausgeht, dass die irreversible und substantielle Verarbeitung der Erstattungsware im Bestimmungsdrittland jeden Erstattungsmissbrauch ausschließt, dürfte eine wesentliche Be- oder Verarbeitung im Sinne des Art. 24 ZK erst recht ausreichen, um die in Art. 15 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 normierte Bedingung für den Erhalt einer differenzierten Erstattung zu erfüllen. Ob die wesentliche Be- oder Verarbeitung im zollrechtlich freien Verkehr oder - wie hier - im Rahmen eines Zollverfahrens der aktiven Veredelung ohne Erhebung von Einfuhrabgaben erfolgt, dürfte auch und gerade unter Berücksichtigung des Zwecks des Systems der differenzierten Ausfuhrerstattung irrelevant sein. Im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung dürfte ferner die Vorschrift des Art. 20 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 sein, wonach die Erstattung als zu Unrecht gewährt gilt und zurückzuzahlen ist, wenn die zuständigen Behörden u.a. feststellen, dass sich das Erzeugnis 12 Monate nach dem Tag der Ausfuhr aus der Gemeinschaft in ein Drittland in einem Nichterhebungsverfahren befindet, ohne in einem Drittland einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Art. 24 ZK unterzogen worden zu sein, und wenn die Ausfuhr nicht im Rahmen eines normalen Handelsgeschäfts erfolgt ist (lit. b) bzw. das ausgeführte Erzeugnis wieder in die Gemeinschaft eingeführt wird, ohne einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung im Sinne von Art. 24 ZK unterzogen worden zu sein, die nicht präferentielle Einfuhrabgabe niedriger ist als die gewährte Erstattung und die Ausfuhr nicht im Rahmen eines normalen Handelsgeschäfts erfolgt ist (lit. c). Auch diese Normierung dürfte nach dem Dafürhalten des Senats dafür sprechen, dass eine wesentliche und unumkehrbare Verarbeitung des Erzeugnisses im Drittland, durch die ein neues Erzeugnis geschaffen wird, nicht nur die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung des ursprünglichen Erzeugnisses beseitigt, sondern auch den tatsächlichen Zugang zum Markt des Bestimmungsdrittlands garantiert.
Wegen der vorstehend erläuterten Zweifel hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor dieses Beschlusses gestellte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.