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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 08.07.2010 – 2 K 1052/06

    Erhält der Gesellschafter bei einer unter § 17 EStG fallenden Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft einen Veräußerungserlös, so unterliegt der bei Veräußerung entstandene Verlust insgesamt dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG; das gilt auch dann, wenn dem Gesellschafter vor der Veräußerung aus der Beteiligung keinerlei Einnahmen zugeflossen sind.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichtes …, Richterin am Finanzgericht …, Richter am Finanzgericht … und der ehrenamtlichen Richter … und … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 8. Juli 2010 für Recht erkannt:

    1. Der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 24. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2006, geändert am 21. September 2006, wird dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit – EUR 34.126,67 angesetzt werden. Die Berechnung der Einkommensteuer 2002 wird dem Beklagten aufgegeben.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob Verluste aus der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils vollständig zu berücksichtigen sind.

    Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Daneben war er mit … Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 17. Oktober 2000 gegründeten … GmbH (im Folgenden: GmbH). Seit dem 1. Oktober 2001 war er alleiniger Gesellschafter. Von dem Stammkapital in Höhe von EUR 25.000 war lt. Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001 die Hälfte eingezahlt worden. Die GmbH erwirtschaftete 2000 einen Verlust in Höhe von DM 15.715,84 und 2001 in Höhe von DM 48.466,69, wobei sich der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag auf DM 15.286,78 belief. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage und mangels Einnahmen übernahm der Kläger 2001 die Finanzierung der Gesellschaft. Er stellte der GmbH mit Vertrag vom 20. Oktober 2000 einen Darlehensrahmen zur Sicherung der Liquidität in Höhe von DM 150.000 zur Verfügung. Am 6. Mai 2002 verkaufte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zu einem Kaufpreis in Höhe von 2 × EUR 5.112,92 (= EUR 10.225,84). Zudem verzichtete er auf die Rückzahlung seiner Forderungen aus dem Finanzplandarlehen gegenüber der GmbH in Höhe von EUR 65.978,97.

    Mit Bescheid vom 24. Juni 2004, geändert am 5. Mai 2006, setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2002 fest, wobei er die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb mit – EUR 33.408 ansetzte. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Nach Erhebung der Klage änderte der Beklagte den vorangegangenen Einkommensteuerbescheid 2002 am 21. September 2006 und ermittelte darin die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit – EUR 33.558, die er wie folgt berechnete:

    ½ Veräußerungserlös (EUR 10.225,84)EUR 5.112,92
    – ½ Anschaffungskosten (EUR 12.500)- EUR 6.250
    – Forderungsverzicht- EUR 65.978,97
    = - EUR 67.116,05 davon ½ = EUR 33.558
    Der Kläger bringt vor, der Veräußerungsverlust sei in voller Höhe anzuerkennen, da für die Gleichbehandlung von Veräußerungsverlusten und -gewinnen im Halbeinkünfteverfahren kein sachlicher Grund bestehe. Das Halbeinkünfteverfahren solle nur eine Doppelbesteuerung der Gewinne einer GmbH vermeiden, so dass diese nur zur Hälfte anzusetzen seien. Dieses Ziel rechtfertige es nicht, die Verluste ebenfalls nur zur Hälfte anzusetzen. Dies werde auch durch den Wortlaut des § 17 EStG gestützt, der von Veräußerungsgewinnen spreche. Die im Urteil des Bundesfinanzhofes vom 14. Juli 2009 genannten Grundsätze fänden auch hier Anwendung.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 24. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2006, geändert am 21. September 2006, dahingehend abzuändern, dass Verluste aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 68.335 berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, bei Ermittlung des Veräußerungsgewinns sei unter Beachtung des Halbeinkünfteverfahrens der Gewinn nach § 17 EStG der Betrag, um den der hälftige Veräußerungspreis nach Abzug der Hälfte der Veräußerungskosten die hälftigen Anschaffungskosten übersteige. Die Bezeichnung „Veräußerungsgewinn” sei unglücklich gewählt. Gemeint sei nicht der Gewinn an sich, sondern der Unterschiedsbetrag. Das Halbeinkünfteverfahren sei daher auch auf die Verluste anzuwenden.

    Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die zu Gericht gereichten Behördenakten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

    I.

    Der angegriffene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig, soweit der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit EUR 33.558 statt mit EUR 34.126,57 angesetzt hat.

    Gemäß § 17 Abs. 1, 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalsgesellschaft, wenn der Veräußerer – wie hier – innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.

    Sowohl die Anschaffungskosten in Höhe von EUR 12.500, als auch die nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von EUR 65.978,97 sind ebenso wie die Einnahmen in Höhe von EUR 10.225,84 nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

    1. Zu den bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören auch nachträgliche Aufwendungen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. … Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist nur dann gegeben, wenn und in … soweit die vom Gesellschafter getätigte Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Das damit verbundene Haftungsrisiko rechtfertigt es, eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters in der Frage der Anschaffungskosten den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzustellen (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 6. Juli 1999, BFH/NV 2000, 262 m.w.N.).

    Ein Darlehen ist durch das Gesellschaftsverhältnis u.a. dann veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Gesellschaft entweder insolvenzreif ist oder wenn die Insolvenzreife zwar noch nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehens aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Dies ist vorliegend der Fall, da die Gesellschaft nicht nur im Jahr ihrer Gründung, sondern auch folgend einen nicht mehr durch Eigenkapital gedeckten Verlust erwirtschaftete, so dass der Kläger der Gesellschaft ein Darlehen zur Finanzierung gewähren musste.

    2. Gemäß § 3 Nr. 40 c EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist die Hälfte des … Veräußerungspreises oder des gemeinen Werts im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen; denn nach § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 6. Juli 2005, BStBl. II 2006, 163). Das Halbabzugsverbot des § 3 c Abs. 2 EStG verstößt zwar gegen das objektive Nettoprinzip, ist aber verfassungsgemäß, da dafür ein sachlicher Grund gegeben ist. Die systematische Grundentscheidung des Halbeinkünfteverfahrens, Veräußerungsvorgänge den laufenden Gewinnausschüttungen gleichzustellen, bildet die Rechtfertigung dafür, auch die entsprechenden Aufwendungen einheitlich zu behandeln, d.h. in allen Fällen nur den Halbabzug zuzulassen (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19. Juni 2007, BFH/NV 2007, 2173).

    Fallen hingegen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein, da diese nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen stehen. Fließen keine Einnahmen zu, kommt § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG nicht zur Anwendung; mithin ist der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 25. Juni 2009, BStBl. II 2010, 220).

    Vorliegend hat der Kläger jedoch einen Veräußerungserlös, wenn auch zuvor keine anderen Einnahmen, erzielt, so dass diese Grundsätze keine Anwendung finden. Nach dem Wortlaut erstreckt § 3 Nr. 40 c EStG das Halbeinkünfteverfahren bereits auf einen … Veräußerungspreis und nicht erst auf den Veräußerungsgewinn. Auch dann, wenn der Steuerpflichtige bei der Veräußerung seiner Beteiligung – wie hier – einen Verlust erleidet, erzielt er damit Einnahmen, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG findet in diesem Fall Anwendung (Jehnke/ Pitzal, DStR 2010, 256; Korn, DStR 2009, 2509, offen gelassen: Crezelius, NZI 2009, 837). Auch aus der Formulierung „in Zusammenhang stehen” lässt sich nicht ableiten, dass ein Gewinn erzielt worden sein muss, um das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden. Diese Formulierung drückt nur aus, dass eine sachliche Verbindung zwischen Einnahmen, so sie denn überhaupt angefallen sind, und den Ausgaben besteht, wie dies bei dem Veräußerungspreis und den Anschaffungskosten einer Beteiligung der Fall ist.

    Soweit die Ansicht vertreten wird, das Abzugsverbot greife im Falle eines Veräußerungsverlustes grundsätzlich nicht, da dies dem Sinn der Vorschrift widerspricht (Naujok, BB 2009, 2128), weil ein Veräußerungsverlust darauf hindeutet, dass im Zeitpunkt des Verkaufes keine steuerlich vorbelasteten Gewinne vorhanden sind, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden. Zum einen kann auch bei Vorliegen eines Veräußerungsverlustes nicht geschlossen werden, dass in den Jahren vor der Veräußerung keine körperschaftsteuerlich vorbelasteten Gewinne vorhanden waren, die dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen waren. Eine Veräußerung mit Verlust kann vielseitige Gründe haben.

    Zum anderen ist es zwar Sinn und Zweck des Halbeinkünfteverfahrens, eine Doppelbelastung der körperschaftsteuerlich vorbelasteten ausgeschütteten Gewinne zu vermeiden. Der Gesetzgeber hat aber ausweislich des Wortlautes des Gesetzes und anders als in der Begründung des Gesetzes (BT-Drs. 14/2683, S. 96, 2. Absatz „Veräußert eine natürliche Person einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft, unterliegt der Veräußerungs gewinn ebenso wie eine Dividende der Einkommensbesteuerung”) ausdrücklich nicht den Gewinn, sondern Einnahmen und Ausgaben dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen. Soweit der Bundesfinanzhof in seinen Entscheidungen vom 27. Oktober 2005 (IX R 15/05, BStBl. II 2006, 171) und 19. Juni 2007 (VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551) unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzes davon spricht, dass das Gesetz den Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nur zur Hälfte besteuern will, so stellt er in seiner Entscheidung vom 18. März 2010 (IX R 227/09, BFH/NV 2010, 1022) klar, dass es allein darauf ankomme, ob Einnahmen, vorliegend der Veräußerungspreis, anfallen und nicht, ob ein Gewinn realisiert wurde.

    3. Die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat der Beklagte nicht zutreffend berechnet.

    Von den Einnahmen und Ausgaben sind jeweils ½ anzusetzen, so dass sich folgende Berechnung ergibt:

    ½ Veräußerungserlös (EUR 10.225,84)EUR 5.112,92
    - ½ Anschaffungskosten (EUR 12.500)- EUR 6.250
    - ½ Forderungsverzicht (EUR 65.978,97)- EUR 32.989,49
    = - EUR 34.126,57
    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEStG 2002 § 17 Abs. 1 S. 1, EStG 2002 § 17 Abs. 2 S. 1, EStG 2002 § 17 Abs. 4, EStG 2002 § 3c Abs. 2 S. 1, EStG 2002 § 3 Nr. 40 Buchst. c