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  • 02.11.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 09.11.2009 – 13 K 1931/06

    - Zur Geltendmachung von Erstattungsansprüchen zwischen mehreren Sozialhilfeträgern gemäß § 104 SGB X bedarf ist keines Abrechnungsbescheides. Insoweit ist eine nicht fristgebunden allgemeine Leistungsklage zulässig.


    - Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II zwei sind gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld nachrangig. Bei Erbringung von Leistungen durch den nachrangig Leistungsverpflichteten entsteht ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X.


    - Die Kindergeldkasse kann dem Erstattungsanspruch anderer nachrangig verpflichteter Sozialleistungsträger nach §§ 104 – 105 SGB X Einwendungen entgegenhalten die gegenüber dem Kindergeldberechtigten bestehen.


    - Die Kindergeldkasse kann mit einer gegenüber dem Leistungsberechtigten bestehenden Forderung (Anspruch auf Kindergeldrückzahlung) auch gegenüber dem Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträger aufrechnen, es sei denn, dass die Kindergeldkasse bei Erwerb der Forderung vom Erstattungsanspruch Kenntnis hatte oder die Forderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als der Erstattungsanspruch fällig geworden sind.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um das Bestehen eines Erstattungsanspruchs eines vorrangig leistenden Leistungsträgers gemäß § 104 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch – SGB X –.

    Frau B. erhielt ab April 2002 für das Kind T. B. Kindergeld.

    Mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 hob die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld ab März 2003 auf und forderte überzahltes Kindergeld für den Zeitraum März 2003 bis März 2004 in Höhe von 2.002,-- € zurück.

    Ebenfalls mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 setzte die Beklagte Kindergeld ab April 2004 fest.

    In diesem Bescheid erklärte die Beklagte außerdem bezüglich des Kindergeldanspruchs für die Monate Juli bis November 2004 in Höhe von 770,-- € die Aufrechnung mit dem Rückforderungsanspruch.

    Im Einspruchsverfahren erließ die Beklagte am 22. Juli 2005 einen Änderungsbescheid, in welchem zusätzlich für das Kind T.B. Kindergeld für die Zeit von Juni 2003 bis September 2003 festgesetzt wurde. Der Erstattungsanspruch wurde auf 1.386,-- € herabgesetzt.

    Am 23. September 2005 stellte Frau B. einen Antrag auf Weiterbewilligung von Kindergeld für ihren Sohn T. B. ab Januar 2005.

    Am 10. August 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass für T. B., dem Sohn der Frau B., seit 01. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – in Höhe von monatlich 595,26 € gewährt worden seien. Diesbezüglich meldete der Kläger einen Erstattungsanspruch auf Kindergeld gemäß §§ 12 und 19a des Sozialgesetzbuch Erstes Buch i.V.m. § 104 SGB X an.

    Mit Bescheid vom 8. März 2006 setzte die Beklagte zugunsten Frau B. ab Januar 2005 für das Kind T.B. in Höhe von 154,-- € monatlich fest.

    In diesem Bescheid heißt es zudem, dass der Anspruch Frau B. gegenüber für den Zeitraum Januar 2005 bis März 2006 in Höhe von 2.310,-- € nach § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – i.V.m. § 107 SGB X als erfüllt gelte, da für den gleichen Zeitraum Kindergeld vorgeleistet worden sei.

    Mit Schreiben vom 8. März 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Aufrechnung durch die Familienkasse grundsätzlich Vorrang vor Forderungen Dritter habe. Von dem Kindergeldnachzahlungsbetrag seien noch insgesamt 1.520,-- € mit offenen Rückforderungsansprüchen des Beklagten gegen die Kindergeldberechtigte aufzurechnen. Der Erstattungsbetrag an den Kläger betrage deshalb nur 789,01 €.

    Mit bei der Beklagten am 10. April 2006 eingegangenem Schreiben teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sie ihren Erstattungsanspruch aufrecht erhalte. Nach Auffassung des Klägers sei ein Anspruch auf Erstattung von Sozialleistungen nach den §§ 102 ff. SGB X vorrangig gegenüber der von der Beklagten geltend gemachten Aufrechnung.

    Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Einspruch gegen die Ablehnung der Zahlung in Höhe des Restbetrages von 1.512,-- €.

    Den Einspruch verwarf die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 2006 als unzulässig mit der Begründung, dass das angefochtene Schreiben vom 8. März 2006 kein Verwaltungsakt sei.

    Am 12. Juli 2006 hat der Kläger Klage erhoben.

    Er macht nunmehr einen Erstattungsanspruchs in Höhe von 442,99 € geltend.

    Dazu trägt er vor, dass eine hausinterne Überprüfung ergeben habe, dass sich der Erstattungsanspruch des Klägers auf den Zeitraum von August 2005 bis März 2006 beschränke. Nur in dieser Zeit seien T. B. ohne Anrechnung von Kindergeld Leistungen gewährt worden. Abzüglich der erfolgten Zahlung in Höhe von 789,01 € verbliebe eine Restforderung des Klägers in Höhe von 442,99 €.

    Im Klageverfahren legte der Kläger Kopien von Leistungsbescheiden vor, aus denen sich ergibt, dass für den Zeitraum August 2005 bis März 2006 am 23. August 2005, 04. Oktober 2005, 21. Dezember 2005 und 22. Februar 2006 T. B. Leistungen nach § 102 ff. SGB X ohne Anrechnung von Kindergeld gewährt wurden.

    Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe der Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang zu, da eine Aufrechnung der Beklagten mit Rückforderungsansprüchen gegen die Kindergeldberechtigte nicht habe erfolgen dürfen.

    § 75 EStG, wonach die Familienkasse mit Ansprüchen auf Rückzahlung von Kindergeld gegen Ansprüche auf laufendes Kindergeld bis zu deren Hälfte aufrechnen könne, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweise, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne des SGB XII oder des SGB II werde, sei bereits deshalb nicht einschlägig, da die Beklagte im Kindergeldbescheid vom 8. März 2006 zu Recht festgestellt habe, dass der Anspruch auf Kindergeld gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 SGB X als erfüllt gelte. Somit fehle es bereits an einem laufenden Kindergeldanspruch der Kindergeldberechtigten als Hauptforderung, gegen den die Beklagte habe aufrechnen können.

    Im Übrigen, so meint der Kläger, fehle es an einer Gegenforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger, mit welcher die Beklagte habe aufrechnen können, denn der seitens der Beklagten angeführte Rückforderungsanspruch gegen die Kindergeldberechtigte bestehe nur gegenüber der Kindergeldberechtigten und nicht gegenüber dem Kläger.

    Der Kläger beruft sich zudem auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 7. September 2006 13 K 3592/04, in welchem der Senat in dem dort zu entscheidenden Fall eine wirksame Aufrechnung mit Rückforderungsansprüchen gegen einen Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers verneint hat.

    Der Kläger beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 442,99 € zzgl. Prozesszinsen in Höhe von 6 Prozent seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklage ist der Auffassung, dass der Kläger den Erstattungsanspruch zu einem Zeitpunkt angemeldet habe, zu welchem der Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen die Kindergeldberechtigte, mit welchem die Beklagte aufgerechnet habe, bereits bestanden habe und fällig gewesen sei.

    Die Beklagte habe daher gemäß § 226 der Abgabenordnung – AO – zunächst mit diesem Rückforderungsanspruch aufrechnen dürfen. Diese Aufrechnung habe bewirkt, dass die Ansprüche als in dem Zeitpunkt erloschen galten, als sie sich zur Aufrechnung geeignet gegenüber gestanden hätten. Dieses sei bereits zu einem Zeitpunkt vor Eingang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs des Klägers der Fall gewesen.

    Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass der auf Erstattung in Anspruch genommene Träger dem erstattungsberechtigten Träger gegenüber alle Einwendungen erheben könne, die ihm auch gegenüber dem Kindergeldberechtigten zustünden.

    Gründe

    I. Die Klage ist als nicht fristgebundene allgemeine Leistungsklage zulässig.

    Der Kläger macht als nachrangig verpflichteter Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X gegen einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltend. Zwischen den Leistungsträgern besteht kein Über- und Unterordnungsverhältnis, das zu einer Entscheidung durch Verwaltungsakt berechtigen würde (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 1. Mai 2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1165). Deshalb bedurfte es auch keines Abrechnungsbescheides.

    Die Klage ist jedoch unbegründet.

    Es besteht kein Anspruch auf Erstattung des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 442,99 €.

    Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung ist in Höhe von 1.232,-- € gemäß §§ 104 Abs. 2 S. 1 1. Halbsatz SGB X i.V.m. § 74 EStG entstanden. Dieser Anspruch ist aber in Höhe von 789,01 € durch Zahlung und in Höhe von 442,99 € durch Aufrechnung erloschen.

    1. Der Erstattungsanspruch des Klägers ist in Höhe von 1.323,-- € gemäß §§ 104 Abs. 2 S. 1 1. Halbsatz SGB X i.V.m. § 74 EStG entstanden.

    Nach § 74 Abs. 2 EStG gelten für die Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X entsprechend. Gemäß § 104 Abs. 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat. Nachrangig verpflichtet ist der Leistungsträger, der bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Nach § 104 Abs. 2 SGB X gilt dieses auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind (hier Hilfe zum Lebensunterhalt an Sohn) und ein anderer (hier die Mutter) mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat. Die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II sind gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld eine nachrangige Leistung.

    Der Kläger hat für den Zeitraum August 2005 bis März 2006 als nachrangig Verpflichteter Sozialleistungen ohne Anrechnung von Kindergeld in dieser Höhe an T. B. erbracht.

    2. Dieser Anspruch ist in Höhe von 789,01 € durch Zahlung der Beklagten an den Kläger erloschen.

    3. In Höhe des Restbetrages von 442,99 € ist der Erstattungsanspruch zunächst nicht gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz SGB ausgeschlossen.

    Gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

    Vorliegend hatte die Beklagte nicht selbst geleistet, bevor sie von der Leistung des Klägers Kenntnis erlangt hatte.

    Am 10. August 2005, als der Kläger den Erstattungsanspruch bei der Beklagten anmeldete, war, da das Kindergeld für die Monate August 2005 bis März 2006 erst mit Bescheid vom 08. März 2006 festgesetzt worden ist, noch keine Leistung des Kindergeldes erfolgt. Insbesondere war zu diesem Zeitpunkt weder Kindergeld ausgezahlt noch eine Aufrechnung gegenüber der Kindergeldberechtigten mit Rückforderungsansprüchen erklärt worden.

    4. Der Erstattungsanspruch ist aber durch Aufrechnung mit Rückforderungsansprüchen der Beklagten gegen die Kindergeldberechtigte in Höhe 442,99 € gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387, 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – erloschen.

    Die Aufrechnung setzt zunächst voraus, dass die Hauptforderung (hier Erstattungsanspruch des Klägers) erfüllbar und die Gegenforderung (hier Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Kindergeldes) fällig ist.

    Diese Voraussetzungen haben im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger am 08. März 2006 vorgelegen.

    Der Erstattungsanspruch des Klägers war ab dem Zeitpunkt erfüllbar, ab welchem der Kläger die Sozialleistung ohne Anrechnung von Kindergeld erbracht hatte. Dieses war ausweislich der Leistungsbescheide am 23. August 2005, 4. Oktober 2005, 21. Dezember 2005 und 22. Februar 2006 der Fall. Ein Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X entsteht nämlich mit Erbringung der Leistung durch den subsidiär Leistungsverpflichteten (von Wulffen in von Wullffen Sozialgesetzbuch X, § 107 Rz. 5).

    Der Anspruch auf Rückzahlung war bereits ausweislich des Rückforderungsbescheides am 08. Dezember 2004 fällig.

    Die Aufrechnung der Beklagten mit Rückforderungsansprüchen gegen die Kindergeldberechtigte scheitert nicht, wie der Kläger meint, an der Gegenseitigkeit der Forderungen.

    Gemäß § 226 Abs. 2 AO i.V.m. § 387 BGB ist zwar Voraussetzung für eine Aufrechnungslage, dass Hauptforderung und Gegenforderung zwischen denselben Personen bestehen.

    Insoweit wendet der Kläger zu Recht ein, dass Schuldner der Gegenforderung die Kindergeldberechtigte und nicht der Kläger ist.

    Zutreffend ist aber, dass die Beklagte dem Erstattungsanspruch des Klägers auch Einwendungen, die gegenüber der Kindergeldberechtigten bestehen, entgegenhalten kann. Zu den denkbaren Einwendungen gehört auch die Aufrechnung.

    In der Rechtsprechung des Bundssozialgerichts ist insoweit anerkannt, dass ungeachtet der formalen Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche nach den §§ 104 bis 105 SGB X diese Ansprüche inhaltlich von dem Anspruch des Leistungsberechtigten (hier der Kindergeldberechtigten) abhängig und mit diesem untrennbar verbunden sind. Es besteht eine wechselseitige Abhängigkeit dahingehend, dass der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger grundsätzlich diejenigen Einwendungen, die ihm gegenüber dem Leistungsberechtigten zustünden, auch gegenüber dem Erstattungsanspruch erheben kann (vgl. Urteil des BFH vom 14. Mai 2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156, mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 103 Rz. 46, § 104 Rz. 40; Roos in von Wulffen Sozialgesetzbuch X, 6. Auflage, vor § 102 Rz. 6; vgl. auch: Helmke/Bauer Familienleistungsausgleich, 65. Auflage, § 74 EStG Rz. 22 und Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach Einkommensteuergesetz, § 74 Rz. 16, die von einem grundsätzlichen Vorrang der Aufrechnung der Familienkasse vor Forderungen Dritter sprechen). Als Einwendungen kommen grundsätzlich alle sachlich-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Einwendungen in Betracht (Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 103 Rz. 51).

    Das heißt, dass die Beklagte diejenigen Einwendungen gegen den Kläger geltend machen kann, die bereits vor Kenntnis der Beklagten vom Erstattungsanspruch begründet waren. In entsprechender Anwendung des § 406 BGB bedeutet dieses, dass der Leistungsträger (hier: Beklagte) mit einer ihm gegenüber dem Leistungsberechtigten (hier: der Kindergeldberechtigten) zustehenden Forderung auch dem Erstattungsberechtigten (hier: Kläger) gegenüber aufrechnen kann, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung vom Erstattungsanspruch Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als der Erstattungsanspruch fällig geworden ist.

    Da vorliegend der Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen die Kindergeldberechtigte bereits im Jahre 2004, somit bevor die Beklagte vom Erstattungsanspruch des Klägers am 10. August 2005 Kenntnis erlangt hat, fällig geworden ist, konnte eine Aufrechnung der Beklagten gegen den Erstattungsanspruch des Klägers mit den Rückforderungsansprüchen gegenüber dem Kläger gegenüber erfolgen.

    Aus diesem Grunde hat die Beklagte auch zutreffend die Aufrechnung gegenüber dem Kläger erklärt.

    Dieser Aufrechnung steht auch nicht die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X entgegen.

    Nicht zuzustimmen ist insoweit der Auffassung des Klägers, dass eine Aufrechnung der Beklagten mit Rückforderungsansprüchen gegen die Kindergeldberechtigte daran scheitert, dass gemäß § 107 SGB X der Kindergeldanspruch dem Kindergeldberechtigten gegenüber bereits im Zeitpunkt der Zahlung der Sozialleistung durch den Sozialleistungsträger als erfüllt gelte, was – wie der Kläger meint – vorliegend zur Folge habe, dass der Anspruch der Kindergeldberechtigten gegen die Beklagte im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nicht mehr als Hauptforderung zur Verfügung gestanden habe.

    Insoweit hält der Senat an seiner im Urteil vom 7. September 2006 13 K 3592/04 ausgeführten Rechtsauffassung nicht mehr fest.

    Festzuhalten ist zum einen, dass die Erfüllungsfiktion den Anspruch auf Kindergeld des Kindergeldberechtigten betrifft, vorliegend die der Aufrechnung zugrundeliegende Hauptforderung aber nicht der Kindergeldanspruch der Kindergeldberechtigten, sondern der Erstattungsanspruch des Klägers ist.

    Die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X bewirkt zudem lediglich, dass die Leistung des einen Leistungsträgers als Leistung des anderen Trägers gilt. Durch die erbrachte Leistung wird der Sozialleistungsanspruch des Leistungsberechtigten zum Erlöschen gebracht. Nicht zum Erlöschen gebracht werden aber die (rechtsvernichtenden und rechtshemmenden) Einwendungen, die dem leistungsverpflichteten Träger gegenüber dem Sozialleistungsanspruch zustehen und die bereits begründet waren. Diese Einwendungen aus dem Sozialleistungsverhältnis kann der ursprünglich leistungsverpflichtete und nunmehr auf Erstattung in Anspruch genommene Träger weiterhin geltend machen, jetzt gegenüber dem Erstattungsanspruch (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 107 Rz. 11).

    Dieses führt – wie bereits ausgeführt – dazu, dass dem Erstattungsanspruch des Klägers die Aufrechnung mit Rückforderungsansprüchen der Beklagten gegenüber der Kindergeldberechtigten entgegengehalten werden konnte, da die Rückforderungsansprüche als Gegenforderung bereits vor Kenntnis der Beklagten vom Erstattungsanspruch des Klägers fällig geworden sind.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.

    III. Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenSGB X § 104 Abs. 1 Satz 1, AO § 226 Abs. 1, BGB 387, BGB 389