02.11.2010
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 20.05.2010 – 4 K 1011/2009
Eine Zusammenschau der personenbezogenen Vorschrift des § 3 Nr. 5 GrEStG mit § 5 Abs. 2 GrEStG führt zur Grunderwerbsteuerfreiheit der Einbringung eines Grundstücks in eine Gesamthandsgesellschaft anlässlich der Vermögensauseinandersetzung der Ehe nach einer Scheidung.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einbringung eines Grundstücks durch einen der Gesellschafter sowie des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes durch den anderen Gesellschafter in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts insoweit ebenfalls grunderwerbsteuerfrei ist, als die Einbringung zur teilweisen Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung der Ehe der beiden Gesellschafter erfolgte.
Die Klägerin ist eine mit notarieller Urkunde vom 14.08.2007 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an welcher die – geschiedenen – Ehegatten A und B jeweils zur Hälfte beteiligt sind. Die Ehe der Gesellschafter war im August 1988 geschlossen und im Januar 2005 geschieden worden. Die Gründung der Klägerin erfolgte zum Zwecke einer teilweisen Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung (URNr. vom 14.08.2007, 1. Vorbemerkungen). Gesellschaftszweck der Klägerin ist es, das bisher von Frau A unter der Bezeichnung Buchhandlung A geführte Einzelunternehmen fortzuführen und dieses wie das sonstige unternehmerisch genutzte Vermögen der Gesellschafter zu halten und zu verwalten (§ 2 des Gesellschaftsvertrages).
I.1
Der Gesellschafter B war Alleineigentümer des Grundstücks Str. 1 in 1 (Gebäude- und Freifläche, 6.000 qm). Er hatte das Grundstück im August 1995 erworben und sich gegenüber der Stadt 1 verpflichtet, den Grundbesitz auf die Dauer von zwanzig Jahren zu keinen anderen Zwecken zu nutzen als denen eines Gewerbe- oder Industriebetriebs; als Zweckentfremdung galt grundsätzlich auch eine Veräußerung. Auf dem Grundstück war in Abt. II des Grundbuchs eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (gewerbliches Nutzungsrecht) für A eingetragen.
Mit notarieller Gründungsurkunde der Klägerin vom 14.08.2007 brachte der Gesellschafter B das Grundstück Str. 1 in 1 mit wirtschaftlicher Wirkung mit Ablauf des 31.12.2006 in die Klägerin ein.
I.2.
Die Gesellschafterin A war Inhaberin eines Einzelunternehmens, das sie unter der Geschäftsbezeichnung „Buchhandlung A ” betrieb und dessen Geschäftsbetrieb aus einer Einzelbuchhandlung mit mehreren Filialen in der Oberpfalz und in Niederbayern und einer unter der Geschäftsbezeichnung „ XXX ” geführten Versandbuchhandlung bestand. Die Gesellschafterin besaß ein notariell vereinbartes Nutzungsrecht an dem Grundstück Str. 1 in 1 und nutzte auf diesem für betriebliche Zwecke Lager- und Büroräumlichkeiten. Im Dezember 2000 verpachtete sie das gesamte steuerliche Anlagevermögen des Einzelunternehmens (einschließlich der Filialen) an die ebenfalls im Dezember 2000 gegründete Buchhandlung A GmbH, bei welcher sie Alleingesellschafterin war und die den aktiven Geschäftsbetrieb des Unternehmens führte. Die Tätigkeit des Einzelunternehmens beschränkte sich seitdem auf die Verpachtung.
Die Gesellschafterin A brachte – ebenfalls mit notarieller Gründungsurkunde vom 14.08.2007 – ihr Einzelunternehmen mit allen Aktiven und Passiven sowie ihren gesamten Geschäftsanteil an der Buchhandlung A GmbH mit wirtschaftlicher Wirkung mit Ablauf des 31.12.2006 in die Klägerin ein.
I.3.
Darüber hinaus war der Gesellschafter B Alleingesellschafter der im November 2000 gegründeten B GmbH. Auch dieser Geschäftsanteil wurde mit notarieller Urkunde vom 14.08.2007 in die Klägerin eingebracht.
II.
Nach mehrfachem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten wegen einer möglichen Grunderwerbsteuerbefreiung des Einbringungsvorganges nach § 3 Nr. 5 GrEStG (Vermögensauseinandersetzung nach Scheidung) forderte das beklagte Finanzamt das Lagefinanzamt 2 am 17.10.2007 zur Feststellung des Grundbesitzwertes auf. Dieses teilte dem beklagten Finanzamt telefonisch mit, dass das auf dem Grundstück Str. 1 errichtete Gebäude als Gebäude auf fremdem Boden der Gesellschafterin A gehöre und stellte mit zwei Bescheiden jeweils vom 30.01.2008 für das Grundstück einen Grundbesitzwert auf den 14.08.2007 in Höhe von 28.000 € und für das Gebäude in Höhe von 735.000 € fest.
Das beklagte Finanzamt zog beide Bedarfswertbescheide zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage heran und setzte mit (einem) Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 15.02.2008 gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer wie folgt fest:
Grundbesitzwert für das Grundstück | 28.000 € |
Grundbesitzwert für das Gebäude auf fremdem Boden | 735.000 € |
./. Steuerfreier Teil der Gegenleistung § 5 Abs. 1 GrEStG | 381.500 € |
= Steuerpflichtiger Teil der Gegenleistung | 381.500 € |
Grunderwerbsteuer | 13.352 € |
Die Klägerin hat Einspruch eingelegt. Während des Einspruchsverfahrens erließ das Lagefinanzamt 2 am 12.03.2008 zwei geänderte Bescheide über den Grundbesitzwert und stellte für das Gebäude auf fremden Boden einen Grundbesitzwert in Höhe von 649.500 € (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) sowie für den Boden in Höhe von 105.000 € (§ 129 AO) fest. Das beklagte Finanzamt änderte den ursprünglichen Steuerbescheid am 27.03.2008 und setzte die Grunderwerbsteuer nunmehr wie folgt fest:
Grundbesitzwert für das Grundstück | 105.000 € |
Grundbesitzwert für das Gebäude auf fremdem Boden | 649.500 € |
./. Steuerfreier Teil der Gegenleistung § 5 Abs. 1 GrEStG | 381.500 € |
= Steuerpflichtiger Teil der Gegenleistung | 373.000 € |
Grunderwerbsteuer | 13.055 € |
Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,
den geänderten Grunderwerbsteuerbescheid vom 20.05.2010 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 GrEStG auf Null Euro festgesetzt wird.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:
Die Auseinandersetzung desjenigen Vermögens, welches in keinem Zusammenhang mit der Buchhandlung stand – das selbst genutzte Wohnhaus und eine Lebensversicherungspolice –, sei bereits vorab erfolgt. Die Strukturen bei der Buchhandlung seien im Zuge der Scheidung zunächst unberührt geblieben; nachdem weiteres nennenswertes Vermögen nicht vorhanden gewesen sei, sei ein endgültiger güterrechtlicher Ausgleich nur möglich gewesen, indem der Buchhandlungsbereich ebenfalls aufgeteilt worden sei. Ziel der Einbringung sämtlichen Vermögens, das mit der Buchhandlung zu tun habe – also auch des Grundbesitzes –, in die Klägerin sei die Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung gewesen, die Eheleute seien nicht davon ausgegangen, dass die Einbringung in die GbR die Auseinandersetzung aufschiebe.
Die Vermögenswerte, die in Zusammenhang mit der Buchhandlung stünden, seien über die Jahre hinweg gemeinsam von den Eheleuten geschaffen worden. Daher hätten die Ehegatten nach der Scheidung die Variante der Einbringung aller Vermögenswerte in eine GbR gewählt, um die gemeinsam geschaffenen Werte hälftig aufzuteilen.
Die Übertragung auf die Klägerin sei auch in Höhe der verbleibenden Hälfte steuerfrei, und zwar gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH seien die persönlichen Eigenschaften der Gesamthänder der Gesamthand quotal im Wege einer Interpolation von § 3 GrEStG und der §§ 5, 6 GrEStG zuzurechnen. Dies gelte auch für die Übertragung eines Grundstücks auf eine Gesamthand entsprechend der Quote, mit der der geschiedene Ehegatte des Veräußerers an der Gesamthand beteiligt sei.
Das Urteil des FG Hamburg vom 13.04.1989 II 105/85 (EFG 1990, 188) beziehe auch eine gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung in die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 5 GrEStG ein. Die Vorschrift begünstige jedoch – wie im Streitfall einschlägig – in erster Linie die güterrechtliche Auseinandersetzung nach der Ehe. Im Streitfall sei das Ziel der geschiedenen Eheleute jedoch nicht die Aufschiebung der Auseinandersetzung gewesen, sondern deren Abschluss. Die geschiedenen Ehegatten hätten gerade den Übergang in ein Gesellschaftsverhältnis als Form der Auseinandersetzung gewählt. Beim Gesellschaftsvermögen handele es sich nicht mehr um güterrechtlich relevantes Vermögen, Streitigkeiten seien nur noch auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages und nicht mehr nach §§ 1372 ff. BGB möglich. Die Ermittlung eines Zugewinnausgleichs anhand von Anfangs- und Endvermögen entfalle, das Familiengericht sei nicht mehr gemäß §§ 621 ff. ZPO zuständig. Die geschiedenen Ehegatten stünden sich nach der Einbringung in die Klägerin als Gesellschafter (wie fremde Dritte) und nicht mehr als Ehegatten gegenüber.
Eine endgültige Regelung über die vermögensmäßige Zuordnung des Grundstücks sei getroffen – es gehöre nunmehr zum Vermögen der Klägerin, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst rechtsfähig sei (BGH vom 18.02.2002 II ZR 331/00) und deren Grundbuchfähigkeit mittlerweile anerkannt sei (BGH vom 04.12.2008 V ZB 74/08).
Das Finanzamt hat beantragt,
die Klage abzuweisen und die Revision zuzulassen.
Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:
Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 5 GrEStG sei nicht erfüllt. Beim Grundstückserwerb durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den beiden geschiedenen Ehegatten, käme eine Befreiung nach dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn eine Interpolation mit § 5 Abs. 2 GrEStG möglich wäre. Diese führe zur Befreiung, wenn sich der betreffende Erwerb als abgekürzter Weg darstelle und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls von der Grunderwerbsteuer befreit wären. Im Streitfall solle der fiktive Zwischenerwerb von Miteigentumsanteilen durch einen der geschiedenen Ehegatten gerade nicht stattfinden. Die Klägerin sei gegründet worden, um eine endgültige Zuordnung bei einem der geschiedenen Ehegatten zu vermeiden. Als primäre Steuerbefreiung komme daher nur § 5 Abs. 2 GrEStG in Betracht.
Soweit die Klägerin ausführe, dass durch die Einbringung in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine endgültige nacheheliche Vermögensauseinandersetzung stattgefunden habe, sei dies mangels einer Begünstigungsvorschrift unbeachtlich. Dies entspreche auch nicht der Realität. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gelte grunderwerbsteuerlich zwar als selbständiger Rechtsträger, doch sei zivilrechtlich vorgegeben, dass dieses Vermögen Eigentum eines jeden Mitglieds – wenn auch in besonderer gesamthänderischer Verbundenheit aller Mitglieder – bleibe.
Die Einbringung sei vorerst nur als vorbereitende Maßnahme für eine spätere Auseinandersetzung der Klägerin und der endgültigen Zuordnung der Grundstücke bei einem der geschiedenen Ehegatten zu betrachten. Nach Einschätzung des beurkundenden Notars sei die Gründung der Klägerin vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Ehegatten A ihre unternehmerische Betätigung bislang in verschiedenen Formen durchgeführt hätten. Durch die Einbringung aller unternehmerischen Beteiligungen hätten lediglich die betrieblichen Vermögensverhältnisse neu strukturiert werden sollen. Im Scheidungsurteil vom 19.01.2005 seien lediglich Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich getroffen, weitere Vereinbarungen über eine Vermögensauseinandersetzung folglich auf spätere Zeit verschoben worden. Im Streitfall werde erst durch eine „kreuzweise” Übertragung von Miteigentumsanteilen eine „Deckungsgleichheit” konstruiert, die so im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht erfolgt wäre. Die Aufteilung von Grundstücken in Miteigentum und die Einbringung innerhalb einer logischen Sekunde führe zu keiner endgültigen rechtlichen Zuordnung der Grundstücke.
Nach Einschätzung des beurkundenden Notars habe zwischen den Eheleuten eine Ehegatten-Innengesellschaft bestanden. Durch die rechtskräftige Scheidung habe ein Auflösungsgrund vorgelegen, welcher grundsätzlich mit der Vollbeendigung der Innengesellschaft einhergehe. Dies hätten die geschiedenen Ehegatten vermeiden wollen und zu diesem Zweck eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Damit sei im Ergebnis die Ehegatten-Innengesellschaft in Form der Klägerin fortgeführt worden. Es sei nicht erkennbar, warum diese Vertragsgestaltung eine endgültige Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung darstellen solle. Durch die Einbringung sei die Vermögensauseinandersetzung lediglich auf die gesellschaftsrechtliche Schiene verlagert worden.
Es könne vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein, dass Grundstücke nach § 3 Nr. 5 GrEStG steuerfrei in eine GbR eingebracht werden, an welcher bei einer Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens nicht mehr zwingend die geschiedenen Eheleute, sondern möglicherweise fremde Dritte beteiligt seien. Dies würde der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 5 GrEStG vollends zuwider laufen, zumal ein Wechsel im Personenstand einer Gesamthandsgemeinschaft nicht der Grunderwerbsteuer unterliege.
Die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung des § 3 Nr. 5 GrEStG zuzulassen.
Das Finanzamt hat den angefochtenen Bescheid in der mündlichen Verhandlung am 20.05.2010 dahingehend geändert, dass es diesen nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 AO für vorläufig erklärt hat, soweit die Verfassungsmäßigkeit des § 138 BewG in Zweifel steht; die schriftliche Ausfertigung des Änderungsbescheides der die Bemessungsgrundlage nunmehr mit 377.250 € anführt, ging dem Gericht am 27.05.2010 zu.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist fristgerecht erhoben. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO gilt die Frist für die Erhebung der Klage als gewahrt, wenn die Klage bei der Ausgangsbehörde innerhalb der Frist angebracht wird. Die Klage ging per Telefax beim beklagten Finanzamt 3 am letzten Tag der Klagefrist, dem 02.07.2009, um 22.22 Uhr ein.
Die Klage ist begründet, da der Erwerb der Klägerin einen Vermögenserwerb im Rahmen der Auseinandersetzung nach der Scheidung der Ehe ihrer Gesellschafter darstellt und dieser bei interpolierender Betrachtungsweise des § 3 Nr. 5 GrEStG mit § 5 Nr. 2 GrEStG unter den Einschränkungen des § 5 Abs. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
a. Die Einbringung eines inländischen Grundstücks in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar (Boruttau/Fischer, GrEStG, 16. Auflage 2007, § 1 Rn. 375 ff.). Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG stehen Gebäude auf fremdem Boden den Grundstücken gleich. Im Streitfall findet für die Einbringung des Grundstücks Str. 1 in 1 sowie des aufstehenden Gebäudes in die Klägerin das Grunderwerbsteuergesetz Anwendung.
b. Die Einbringungen in die Klägerin sind jedoch in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit.
(1) Einbringungen sind gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG insoweit in Höhe des Anteils steuerfrei, zu dem der Einbringende am Vermögen der erwerbenden Gesamthand beteiligt ist. Im Streitfall bestand daher – unbestritten – eine hälftige Grunderwerbsteuerfreiheit der Einbringungen beider Gesellschafter aufgrund deren Beteiligung an der Klägerin jeweils zu 50 v.H.
(2) Weiterhin ist nach § 3 Nr. 5 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung. Nachdem in früheren Jahren Grundstücksübertragungen auf den anderen Ehegatten aus Anlass der Beendigung der Zugewinngemeinschaft wegen Ehescheidung als grunderwerbsteuerpflichtige Erwerbsvorgänge behandelt worden sind (BFH-Urteile vom 13.01.1970 II 132/65, BStBl. II 1970, 440; vom 19.01.1972 II 115/65, BStBl. II 1972, 474; vom 31.05.1972 II R 92/67, BStBl. II 1972, 836; BVerfG Kammerbeschluss vom 27.05.1987 1 BvR 1378/86, HFR 1988, 182; Boruttau/Egly/Sigloch, GrEStG, 11. Auflage 1982, § 3 Rn. 91 ff.), verfolgt die mit dem Grunderwerbsteuergesetz 1983 geschaffene Vorschrift des § 3 Nr. 5 GrEStG das Ziel, Vermögensauseinandersetzungen aus Anlass der Scheidung der Ehe nicht mit Grunderwerbsteuer zu belasten (BT-Drucks. 9/251, S. 18; Boruttau/Egly/Sigloch, GrEStG, 12. Auflage 1986, Vorb Rn. 123 ff.). § 3 Nr. 5 GrEStG stellt eine personenbezogene Befreiungsvorschrift dar, welche die Grunderwerbsteuerfreiheit eines Grundstückswechsel zwischen geschiedenen Ehegatten auf die Vermögensauseinandersetzung als Scheidungsfolge begrenzt. Grunderwerbe vom geschiedenen Ehegatten außerhalb der Vermögensauseinandersetzung werden grunderwerbsteuerrechtlich behandelt wie Erwerbe von fremden Dritten (Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Auflage, § 3 Rn. 220). Die Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung ist an keine Frist gebunden, für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 5 GrEStG ist allein entscheidend, dass der Grunderwerb Teil dieser Vermögensauseinandersetzung ist. Nach einer abgeschlossenen Auseinandersetzung scheidet die Anwendung der Vorschrift aus (Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Auflage, § 3 Rn. 225). Die Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass sich der Erwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung als Scheidungsfolge vollzogen hat, liegt bei den geschiedenen Ehegatten.
Bei der Auslegung des § 3 Nr. 5 GrEStG ist im Rahmen einer interpolierenden Betrachtung die Befreiungsvorschrift des § 5 GrEStG zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung sind danach bei Erwerben durch eine Gesamthand persönliche Eigenschaften der Gesamthänder, die für eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG relevant sind, insoweit zu berücksichtigen, als der betreffende Gesamthänder am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist (BFH-Beschluss vom 26.02.2003 II B 202/01, BStBl. II 2003, 528). Von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist somit auch der Übergang eines Grundstücks des geschiedenen Ehegatten auf eine Personengesellschaft, soweit der andere geschiedene Ehegatte an der Gesellschaft beteiligt ist und der Übergang im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung erfolgt (Pahlke/Franz, GrEStG, § 3 Rn. 231; Boruttau/Sack, GrEStG, 16. Auflage 2007, § 3 Rn. 388). Dementsprechend erfolgt ein späterer Grundstückserwerb infolge eines vereinbarten Übernahmerechts nicht mehr im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung, wenn die Ehegatten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Grundstück besessen haben und im zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe die Fortsetzung der Gesellschaft auch für die Zeit nach der Scheidung vereinbaren (Hofmann, GrEStG, 7. Auflage 2000, § 3 Rn. 33 a.E.); lediglich bei Fortsetzung der Gesellschaft nur zu dem Zweck, insoweit die Vermögensauseinandersetzung aufzuschieben , ist die entgeltliche Übertragung des Anteils des anderen Ehegatten als nach § 3 Nr. 5 GrEStG steuerfrei anzusehen.
Im Streitfall führt die Interpolation der §§ 3 Nr. 5, 5 Abs. 2 GrEStG zur Grunderwerbsteuerfreiheit der Einbringungen in die Klägerin. Der Klägerin sind die persönlichen Verhältnisse ihrer Gesellschafter, der geschiedenen Ehegatten B und A , zuzurechnen. Nach dem Urteil das AG 2 vom 19.01.2005 ist der 31.05.2004 der maßgebende Berechnungszeitpunkt für die Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten im Zuge der Scheidung. Die Gründung der Klägerin erfolgte „relativ” zeitnah im August 2007, mit wirtschaftlicher Wirkung mit Ablauf des 31.12.2006. Zu diesem Zeitpunkt waren zwischen den geschiedenen Ehegatten lediglich Regelungen über das Wohnhaus, eine Lebensversicherungspolice sowie den Versorgungsausgleich getroffen worden. Mit notarieller Urkunde vom 14.08.2007 haben die geschiedenen Ehegatten B und A ihr „Unternehmensvermögen”, welches sie gemeinsam während der Ehe geschaffen und nach der Scheidung fortgeführt haben, in der Weise aufgeteilt, dass sie diesen gesamten Vermögensbereich in die ihnen zu gleichen Teilen gehörende Klägerin eingebracht haben. Dies entspricht und folgt der Berechnung der auf Geld gerichteten Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB bei fehlendem Anfangsvermögen. Zwar mögen die geschiedenen Ehegatten B und A seit ihrer Trennung privat getrennte Wege gegangen sein, beruflich bzw. geschäftlich haben sie jedoch – zur Erhaltung und Fortführung des Gesamtunternehmens – im Zuge der Vermögensauseinandersetzung der Ehe ihre (Rechts-)Beziehungen diesbezüglich nicht abgebrochen, sondern auf andere als familienrechtliche, nämlich gesellschaftsrechtliche Füße gestellt. Ab Gründung der Klägerin stehen sich die geschiedenen Ehegatten hinsichtlich des eingebrachten Vermögens daher nicht mehr wie Ehegatten, sondern wie fremde Dritte gegenüber. Zur Führung eines Unternehmens bedarf es Entscheidungskraft und -fähigkeit, und zwar nicht lediglich im Sinne eines bloßen „Verwaltens des Vorhandenen” mit dem Ziel des Hinausschiebens einer Auseinandersetzung auf familienrechtlicher Grundlage. Ein Unternehmen im Umfang dessen der Klägerin – mit einer Vielzahl von Arbeitsplätzen – könnte nicht geführt werden, wenn primäres Ziel ihrer Gesellschafter eine spätere Trennung wäre. Wie sollte z.B. zum erstmaligen Kündigungszeitpunkt im Jahr 2015 eine solche Vermögensauseinandersetzung erfolgen, welche wertmäßig auf den 31.05.2004 zu beziehen ist, wenn bis zu diesem Zeitpunkt beispielsweise weitere Filialen eröffnet und geschlossen oder andere wegweisende unternehmerische Entscheidungen getätigt worden sind? Wie sollte der Firmenwert einbezogen werden? Zutreffend führt daher der Klägervertreter aus, dass es sich beim Gesellschaftsvermögen nicht mehr um güterrechtlich relevantes Vermögen handelt und Streitigkeiten nur noch auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages und nicht mehr nach §§ 1372 ff. BGB möglich sind; das Familiengericht ist nicht mehr gemäß §§ 621 ff. ZPO zuständig. Nach Überzeugung des Gericht muss eine Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung nicht zwingend damit einhergehen, dass zwischen den geschiedenen Ehegatten keinerlei (freiwillige) Verbindungen mehr existieren, sondern eine einvernehmliche gemeinsame Zusammenarbeit kann auch auf anderer als familienrechtlicher Grundlage beruhen. Nach all dem sind die Einbringungen in die Klägerin – wie in der notariellen Urkunde vom 14.08.2007 ausdrücklich angeführt – zur teilweisen Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung erfolgt.
Der Boden stand seit dem Jahr 1995 im Eigentum des Gesellschafters B , die Gesellschafterin A hatte die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (gewerbliches Nutzungsrecht) seit dem Jahr 1997 inne. Zum Scheidungszeitpunkt und auch im Zeitpunkt der Einbringung der Grundstücke in die Klägerin standen diese daher bereits jeweils im Eigentum der Gesellschafter.
Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Anteile der beiden einbringenden Gesellschafter am Vermögen der Klägerin seit der Einbringung vermindert haben; die auch bei interpolierender Betrachtungsweise gebotene entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führt erst ab Verminderung der Beteiligung innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Einbringung zu einer Nichtanwendung der Befreiungsvorschrift.
(3) Das vom Finanzamt angeführte Urteil des BFH vom 18.12.2002 II R 82/00 (BFH/NV 2003, 940) ist im Streitfall nicht beachtlich. Soweit dort unter Ziff. II.1. ausgeführt ist, dass die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG dann nicht vorliegt, wenn und soweit die Einbringenden entsprechend einer bereits zum Einbringungszeitpunkt zwischen den an der Gesamthand Beteiligten getroffenen Absprache in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand ihre Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen bzw. sich durch eine Neuaufnahme von Gesellschaftern ihre vermögensmäßigen Beteiligungen verringern, betrifft dies die – im Streitfall nicht mehr anwendbare – Rechtslage zur sog. „Gesamtplan-Rechtsprechung” des BFH (vgl. Boruttau/Viskorf, GrEStG, 16. Auflage 2007, § 5 Rn. 46 ff.); diese war für Einbringungsvorgänge bis 31.12.1999 und damit vor Einfügung der Missbrauchsverhinderungsnorm des § 5 Abs. 3 GrEStG anzuwenden. Darüber hinaus liegt im Streitfall nicht eine Einbringung von Miteigentümern in Gesamthandsvermögen mit identischem Beteiligungsverhältnis vor, sondern es wurde jeweils Alleineigentum in die Klägerin eingebracht; Grunderwerb hat stattgefunden, der Grunderwerb durch die Klägerin ist entsprechend der Beteiligung an ihr hälftig aufzuteilen in die Anwendung einer Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG (s.o. 2.a.(1)) und in eine Interpolation der §§ 3 Nr. 5, 5 Abs. 2 GrEStG (s.o. 2.a.(2)). Eine Übertragung von Miteigentumsanteilen „gleichsam über Kreuz” kommt daher im Streitfall nicht in Betracht.
Soweit das Finanzamt unter Hinweis auf die Urteile des FG Hamburg vom 13.04.1989 II 105/85 (EFG 1990, 188) und des FG Münster vom 31.01.2001 8 K 4723/97 GrE (EFG 2001, 706) eine endgültige rechtliche Zuordnung der Grundstücke als Folge der Scheidung fordert, liegt diese im Streitfall vor. Die Gesellschafter B und A haben im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung einvernehmlich entschieden, dass das Eigentum am Boden bzw. dem aufstehenden Gebäude auf die Klägerin als neue Rechtsträgerin des Gesamtunternehmens übergehen soll; es sind keine Anhaltspunkte eines Streites zwischen den Gesellschaftern über eine andere rechtliche Zuordnung der Grundstücke ersichtlich, welche ein Hinausschieben der Auseinandersetzung bedingt haben könnten (vgl. auch Hofmann, GrEStG, § 3 Rn. 33 a.E.: Erfolgt die Fortsetzung eines Gesellschaftsverhältnisses über die Scheidung hinaus nur zu dem Zweck, insoweit die Vermögensauseinandersetzung aufzuschieben, weil einerseits dem einen Ehegatten das Grundstück erhalten werden soll, dieser andererseits aber zur Erfüllung von Abschichtungsansprüchen (noch) nicht in der Lage ist, so ist auch die entgeltliche Übertragung des Anteils des anderen Ehegatten bei Beendigung der Gesellschaft als nach § 3 Nr. 5 GrEStG steuerfrei anzusehen). Weiterhin ist das Urteil des FG Hamburg vom 13.04.1989 II 105/85, welches einen Erwerbsvorgang aus dem Jahr 1983 betrifft, im Lichte der zum 01.01.1983 neu eingeführten Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 5 GrEStG zu betrachten (s.o.), während im Streitfall keine gesetzliche Änderung der einschlägigen Befreiungstatbestände vorlag.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache ist in der Frage zu sehen, ob eine Zusammenschau der personenbezogenen Vorschrift des § 3 Nr. 5 GrEStG mit § 5 Abs. 2 GrEStG zur Grunderwerbsteuerfreiheit der Einbringung eines Grundstücks in eine Gesamthandsgesellschaft anlässlich der Vermögensauseinandersetzung der Ehe nach der Scheidung führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt, da es unterlegen ist.
Finanzgerichtliche Urteile sind gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO hinsichtlich der Kosten auch ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Weiter hat das Gericht nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 711 ZPO von Amts wegen auszusprechen, dass das Finanzamt die Vollstreckung hinsichtlich der Kostenerstattung für die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden kann, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.