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  • 02.11.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 04.08.2010 – 1 K 608/07

    An der Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung des Verlustabzugs gemäß § 10a GewStG in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung bestehen auch in Fällen, in denen negative Einkünfte wegen der Beendigung der werbenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr vorgetragen werden können, jedenfalls dann keine Zweifel, wenn diese Beendigung auf einer entsprechenden bewussten Entscheidung des Steuerpflichtigen beruht (a. A. FG München v. 31.7.2008, 8 V 1588/08; FG Nürnberg v. 17.3.2010 1 V, 1379/2009).


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung … sowie der ehrenamtlichen Richter …aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2010

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob die Begrenzung des Verlustabzugs gemäß § 10a Gewerbesteuergesetz in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2922, BStBl I 2004, 20; – GewStG –) verfassungswidrig ist.

    Die im Jahr … gegründete Klägerin, eine sog. Objektgesellschaft, erwarb im Folgejahr einen Regional Jet (Flugzeug), ihre einzige wesentliche Geschäftsgrundlage, und vermietete diesen mit Vertrag vom … (Mietvertrag) ab dem … bis zum … an die … (GmbH). Ausschließlich aus dieser Vermietungstätigkeit erzielte die Klägerin in diesem Zeitraum Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In einem ebenfalls am … abgeschlossenen Vertrag räumte die … (T-Ltd.) der Klägerin das Recht ein, das Flugzeug mit einer sechsmonatigen Andienungsfrist zum … zu einem Verkaufspreis in Höhe von … US-Dollar an die T-Ltd. zu veräußern; mit Schreiben vom … übte die Klägerin diese Option aus. Am … fassten die Gesellschafter der Klägerin den Beschluss (Beschluss), mit Ablauf des … die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufzugeben, diese gleichzeitig aufzulösen und das Flugzeug am … an die … (Ltd.), zu veräußern. In der Folge schlossen die Klägerin, die GmbH, die T-Ltd. und die Ltd. am … einen Vertrag (Vertrag), in dem u.a. vereinbart wurde, dass die Rechte und Pflichten aus dem mit Ausübung des Andienungsrechts der Klägerin zu Stande gekommenen Kaufvertrag über das Flugzeug von der Ltd. übernommen würden. Außerdem sah der Vertrag vor, dass die GmbH das Flugzeug von der Ltd. weiter anmieten und der Klägerin die aus dem Verkauf entstehenden Steuerbelastungen, einschließlich Gewerbesteuerbelastungen, erstatten werde; zu letzterem war bis zu diesem Zeitpunkt die T-Ltd. verpflichtet gewesen.

    In ihrer Feststellungserklärung für 2004 vom … erklärte die Klägerin neben laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von … EUR u.a. einen Veräußerungsgewinn in Höhe von … EUR. In ihrer Gewerbesteuererklärung für 2004 erklärte die Klägerin entsprechend einen Gewerbeertrag in Höhe von … EUR und beantragte, den zum 31. Dezember 2003 gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von … EUR in voller Höhe abzuziehen. Im streitgegenständlichen Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2004 vom …, der einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von … EUR festsetzte, wich das Finanzamt lediglich insoweit von dieser Steuererklärung ab, als es diesen Verlustvortrag zum 31. Dezember 2003 unter Berücksichtigung der Vorschriften über die sog. Mindestbesteuerung gemäß § 10a Sätze 1 und 2 GewStG nur beschränkt in Höhe von … EUR berücksichtigte.

    Hiergegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht eingelegtem Einspruch, welcher mit der Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurückgewiesen wurde; der angegriffene Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, wie bereits im Einspruchsverfahren, den zum 31. Dezember 2003 festgestellten Gewerbeverlust in voller Höhe steuerlich zu berücksichtigen. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen und zum Teil sinngemäß auf folgende Punkte:

    Die im Streitfall sowohl nach dem Wortlaut des § 10a GewStG als auch rechnerisch zutreffend berücksichtigte Mindestbesteuerung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig, weil ihr der zum 31. Dezember 2003 festgestellte Gewerbeverlustvortrag mit der lediglich beschränkten Berücksichtigung im Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2004 aufgrund der Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit zum … im Übrigen – d.h. in Höhe von … EUR – endgültig versagt worden sei. Dadurch sei sie in ihren Grundrechten des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) und der Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 GG) verletzt.

    Der allgemeine Gleichheitssatz in Gestalt des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei im Streitfall verletzt, weil das Finanzamt im angegriffenen Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2004 ihren zum 31. Dezember 2003 festgestellten Gewerbeverlustvortrag nicht entsprechend dem sog. objektiven Nettoprinzip in voller Höhe steuerlich berücksichtigt habe, obwohl der nicht verbrauchte Verlustvortrag im Ergebnis endgültig verlorengehe. Hinreichende besondere sachliche Gründe zur Rechtfertigung der vorliegenden Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips lägen nicht vor.

    Durch den – im Ergebnis – teilweisen Ausschluss der Verlustverrechnung sei ihre Gewerbesteuerbelastung endgültig zu hoch, wodurch die Garantie des Eigentums und das Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung nicht interessengerecht ausgeglichen würden. Sie werde im Übermaß, d.h. unverhältnismäßig hoch belastet.

    Abgesehen davon entspräche der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung, welcher sich im Streitfall aus der lediglich beschränkten steuerlichen Berücksichtigung des zum 31. Dezember 2003 festgestellten Gewerbeverlustvortrages hinsichtlich des nicht aufgebrauchten Verlustvortrags ergebe, nicht dem der Mindestbesteuerung gemäß § 10a GewStG zugrunde liegenden Willen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 10d Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (sog. Korb II-Gesetz, BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14), welcher die vorliegend streitentscheidende Beschränkung des Verlustvortrags gemäß § 10a Satz 2 GewStG nachgebildet sei, habe der betreffende Verlustabzug lediglich zeitlich gestreckt werden, nicht jedoch endgültig verloren gehen sollen (vgl. BT-Drucksache 15/1518, Seite 13).

    Die Ursache für den teilweisen Ausschluss der Verlustverrechnung – die Betriebsaufgabe im Streitjahr 2004 – habe sie auch nicht willkürlich gesetzt. Vielmehr habe sie insoweit lediglich die anfängliche Konzeption aus dem Jahr … umgesetzt, welches sich von möglicherweise anderen Konzepten dadurch unterschieden habe, dass es hier darum gegangen sei, dem streitgegenständlichen Flugzeug den Markteintritt zu ermöglichen. Sie sei auch zum Verkauf des Flugzeugs im Jahr 2004 wirtschaftlich gezwungen gewesen, da ihr nur zu diesem Zeitpunkt von der T-Ltd. das entsprechende Andienungsrecht eingeräumt gewesen sei. Hätte sie dieses Andienungsrecht nicht ausgeübt, so hätte sie das Flugzeug aufgrund der Wertentwicklung am Flugzeugmarkt nur noch zu einem wesentlich niedrigeren Preis veräußern oder vermieten können. Eine Weitervermietung des Flugzeugs an die GmbH wäre daran gescheitert, dass keine Bank die noch offene Restvaluta von … US-Dollar finanziert hätte.

    Der Tatbestand des § 10a Satz 2 GewStG sei dementsprechend im Wege der teleologischen Reduktion durch das ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmal zu ergänzen, dass die Mindestbesteuerung nur greife, soweit sie keine definitive Besteuerung auslöse.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Änderung des Gewerbesteuermessbetragsbescheids für 2004 vom … und der Einspruchsentscheidung vom … den Gewerbesteuermessbetrag für 2004 unter Berücksichtigung des zum 31. Dezember 2003 gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes in Höhe von … EUR auf … EUR festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das Finanzamt beantragt

    die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung verweist das Finanzamt im Wesentlichen darauf, dass gegen eine gesetzliche Regelung – wie im Streitfall § 10a Satz 2 GewStG –, nach der der Verlustvortrag zeitlich über mehrere Veranlagungszeiträume gestreckt werde, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Der im Streitfall aus tatsächlichen Gründen eintretende endgültige Verlust eines Teiles des Verlustvortrages sei im Hinblick auf die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine übermäßige Belastung der Klägerin, aufgrund derer ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Gewährleistung des Eigentums nach Art. 14 GG vorliegen könne, läge im Streitfall nicht vor.

    Das Gericht erhob Beweis durch die Vernehmung von …, als Zeugin. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2010 Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist unbegründet.

    1. Durch die Anwendung von § 10a Sätze 1 und 2 GewStG bei Erlass des streitgegenständlichen Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2004 wird die Klägerin nicht in verfassungswidriger Weise belastet.

    a) Die Anwendung von § 10a GewStG auf den Streitfall führt zu keiner Verletzung der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) oder des objektiven Nettoprinzips in seinem verfassungsrechtlich geschützten Kern.

    aa) Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840) ließ der Gesetzgeber den innerperiodischen Verlustausgleich im Rahmen von § 2 Abs. 3 EStG wieder uneingeschränkt zu, während die Beschränkung des überperiodischen Verlustabzugs nach §§ 10d Abs. 2 EStG, 10a GewStG beibehalten und verschärft wurde. Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind ab Veranlagungszeitraum 2004 im Rahmen des Verlustvortrags nur noch begrenzt verrechnungsfähig. Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG können sie nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinausgehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch um 60 v.H. des 1 Mio. EUR übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 v.H. des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. EUR überschreiten. Diese Neuerungen im Bereich der Einkommensteuer sind für die Gewerbesteuer durch das Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2922) fortgeführt worden. Im Ergebnis werden nach § 10a GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer 40 v.H. des laufenden Gewerbeertrags unabhängig von Verlusten aus früheren Perioden besteuert.

    Zwar ist die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, für den Bereich des Steuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Auch bemisst der einfache Gesetzgeber die Lastengleichheit im Gewerbesteuerrecht nach dem objektiven Nettoprinzip, indem § 7 GewStG an die einkommensteuerliche Gewinnermittlung anknüpft. Das objektive Nettoprinzip gilt auch im Gewerbesteuerrecht. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG kann der Gesetzgeber jedenfalls bei Vorliegen gewichtiger Gründe das objektive Nettoprinzip durchbrechen (Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150).

    bb) Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) gehalten, die Ertragsbesteuerung an der finanziellen Lebensleistungsfähigkeit des Steuersubjektes auszurichten (objektives und subjektives Nettoprinzip; vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651; Finanzgericht München, Beschluss vom 31. Juli 2008 8 V 1588/08, EFG 2008, 1736).

    So bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine Verlagerung des Verlustausgleichs auf spätere Veranlagungszeiträume ist im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, dass das Grundrecht seine Wirkung grundsätzlich veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nur dann, wenn der Verlustausgleich gänzlich ausgeschlossen wird. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum steuerlich berücksichtigt werden. Insbesondere erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht zu einer grundgesetzlich geschützten Vermögensposition – Art. 14 Abs. 1 GG –. Eine etwaige verfassungswidrige übermäßige Steuerbelastung des Steuerpflichtigen würde erst dann eintreten, wenn der Verlustausgleich im Einzelfall ausgeschlossen wäre (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1150).

    Nach dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip ist nicht jedweder Verlust mit positiven Einkünften einer anderen Einkunftsart im selben Veranlagungszeitraum auszugleichen. Es genüge vielmehr, dass Verluste nach der im Gesetz angelegten Systematik überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, verrechnet werden können. Wenn danach im Grundsatz die in einem Veranlagungszeitraum erzielten negativen Einkünfte von Verfassungs wegen nicht im Verlustentstehungsjahr auszugleichen sind, sondern auch mit positiven Einkünften in anderen Veranlagungszeiträumen verrechnet werden können, begegnet eine gesetzliche Regelung, wonach der Vortrag der Verluste zeitlich über mehrere Veranlagungszeiträume gestreckt wird, ebenfalls keinen ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH-Beschluss vom 29. April 2005 XI B 127/04, BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609; vgl. auch BFH-Urteil vom 1. Juli 2009 I R 76/08, BFHE 225, 566, BFH/NV 2009, 1708).

    b) In Anwendung dieser Grundsätze bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gegen die Regelungen der Mindestbesteuerung gemäß § 10a Sätze 1 und 2 GewStG im vorliegenden Streitfall keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

    aa) Aufgrund der sich aus der Regelungssystematik des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG ergebenden bloßen zeitlichen Streckung des Verlustausgleichs ist hierbei von der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung auszugehen. Zwar stellt der aufgrund der Beendigung der werbenden Tätigkeit der Klägerin zum … eintretende endgültige Verlust eines Teils des zum 31. Dezember 2003 festgestellten Gewerbeverlustvortrags der Klägerin eine weitergehende Abweichung vom objektiven Nettoprinzip dar. Auch dies ist jedoch nach Ansicht des Senats jedenfalls dann noch durch die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der dargelegten Mindestbesteuerung – die Stärkung und Verstetigung der steuerlichen Gemeindefinanzierung (BTDrucks 15/1517, 12, 19) – hinreichend gerechtfertigt, wenn dieses Ergebnis wie im Streitfall – auf der vom Steuerpflichtigen selbst bewusst herbeigeführten Abkürzung des nach der dargelegten Regelungssystematik zur Verlustverrechnung nutzbaren Zeitraumes beruht (a.A. wohl Finanzgericht München in EFG 2008, 1736; Finanzgericht Nürnberg, Beschluss vom 17. März 2010 1 V 1379/2009, juris, zu § 8 KStG i.V.m. § 10 d Abs. 2 EStG; jeweils mit weiteren Nachweisen aus der steuerlichen Fachliteratur).

    (1) Vorliegend hat die Klägerin mit der Fassung und der Durchführung des Beschlusses, ihre werbende Tätigkeit einzustellen und anschließend das Flugzeug zu verkaufen, in Kenntnis der maßgeblichen Rechtslage selbst die unmittelbare Ursache dafür gesetzt, dass die grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung, die Verlustverrechnung (lediglich) zeitlich zu strecken, nicht mehr zum Zuge kommen konnte. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hierzu gezwungen gewesen sein könnte, liegen im Streitfall nicht vor bzw. wurden von der Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen oder zumindest hinreichend glaubhaft gemacht.

    (2) So kann zwar dem unstreitigen Klagevortrag gefolgt werden, dass die Verträge mit – u.a. der GmbH sowie der T-Ltd. und folglich auch die damit im Zusammenhang stehenden Finanzierungsverträge entsprechend der ursprünglichen Konzeption nur über eine Laufzeit von insgesamt … Jahren abgeschlossen worden waren. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es der Klägerin im Jahr 2004 verwehrt gewesen wäre, auf in der Zwischenzeit geänderte wirtschaftliche Verhältnisse oder auch steuerrechtlichen Regelungen – wie hier der zeitlichen Streckung des Verlustvortrags – zu reagieren und von der ursprünglichen Konzeption abzuweichen.

    (3) Ebenso wenig ist der Klägerin unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Aktenlage darin zuzustimmen, dass sie im Streitjahr 2004 unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten faktisch gezwungen gewesen sei, das zeitlich befristete Andienungsrecht gegenüber der T-Ltd. auszuüben und ihre Geschäftstätigkeit entsprechend aufzugeben.

    (a) Zwar kann in diesem Zusammenhang auch unter Berücksichtigung der glaubhaften Aussage der Zeugin … in der mündlichen Verhandlung hierzu ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Marktwert des Flugzeugs zum … unter dem sich aus dem Andienungsrecht gegenüber der T-Ltd. ergebenden Verkaufspreis lag. Dementsprechend war es der Klägerin unter wirtschaftlichen Erwägungen sicher nicht möglich und zumutbar, das Andienungsrecht gegenüber der T-Ltd. ohne weiteres verfallen zu lassen.

    (b) Diese wirtschaftliche Situation der Klägerin im Streitjahr 2004 schloss es jedoch ersichtlich nicht von vorne herein aus, ihren Gewerbebetrieb unter entsprechender Änderung der … mit der GmbH sowie der T-Ltd. und/oder der Ltd. abgeschlossenen Verträge über den … hinaus fortzuführen, um entsprechend § 10a GewStG die aufgelaufenen Verluste steuerlich nutzen zu können. So war es der Klägerin etwa nach der glaubhaften Aussage der Zeugin … im Streitjahr 2004 bekannt, dass die GmbH Interesse an einer weiteren Nutzung des Flugzeugs bis jedenfalls … hatte. Dies wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass die Ltd. das Flugzeug nach dem Erwerb von der Klägerin an die GmbH vermietet hat, welche es nach den Angaben der Klägerin voraussichtlich bis zum Jahr … nutzen wird.

    (c) Die Klägerin hat jedoch nicht einmal vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht, dass sie im Jahr 2004 auch nur den Versuch unternommen hat, unter Berücksichtigung zumindest des Interesses der GmbH an einer Weiternutzung des Flugzeugs entsprechende Vertragsänderungen zu erreichen bzw. neue Verträge abzuschließen, z.B. durch eine zeitliche Verlängerung des Andienungsrechts gegenüber der T-Ltd. oder auch durch einen Rückkauf des Flugzeugs von der Ltd. (zum unstreitigen Marktpreis im Streitjahr 2004 in Höhe von … US-Dollar) unter Vereinbarung eines weiteren Andienungsrechts gegenüber der Ltd. (als nach ihrem Vortrag zwingender Voraussetzung einer weiteren Bankfinanzierung) und anschließender Weitervermietung des Flugzeugs an die GmbH; dies wird auch bestätigt durch die Angaben der Zeugin …, wonach sie sich nicht daran erinnern könne, bei ihrer Vorbereitung zu ihrer Zeugenaussage in den Geschäftsunterlagen der Klägerin Anhaltspunkte für entsprechende Verhandlungen der Klägerin mit Dritten gesehen zu haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin auch im Jahr 2004 lediglich ihr im Jahr … erstelltes Konzept unverändert erfüllt, (allenfalls) mit Ausnahme interner Prüfungen jedoch keinerlei Konsequenzen aus der seit dem 1. Januar 2004 geänderten Steuerrechtslage gezogen hat. Sie hat hiernach offenkundig bewusst darauf verzichtet, entsprechende Verhandlungen mit ihren bisherigen Vertragspartnern aufzunehmen. Damit kann jedoch nach der im Steuerrecht geltenden Beweislastregel (vgl. BFH-Urteile vom 10. August 1988 II R 252/83, BFHE 154, 232, BStBl II 1988, 987; vom 19. Januar 1994 I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; jeweils m.w.N.; ständige Rechtsprechung), wonach der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen trägt, d.h. für Tatsachen, die den Steueranspruch aufheben, einschränken oder Steuerbefreiungen, ermäßigungen oder (sonstige) Steuervergünstigungen begründen, auch nicht zu Gunsten der Klägerin angenommen werden, dass derartige Verhandlungen im Jahr 2004 erfolglos gewesen wären.

    (d) Erst die – im Streitfall wie dargelegt nicht gegebene – offenkundige Aussichtlosigkeit oder aber die Erfolglosigkeit derartiger Versuche der Klägerin, ihren Geschäftsbetrieb durch Verhandlungen zumindest mit ihren bisherigen Vertragspartnern aufrecht zu erhalten, würden es jedoch zumindest hinreichend glaubhaft machen, dass sie – wie von ihr vorgetragen – im Streitjahr 2004 wirtschaftlich gezwungen war, ihre Geschäftstätigkeit aufzugeben. Im Ergebnis kann somit im Streitfall nicht zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie tatsächlich aus wirtschaftlichen Gründen oder Überlegungen heraus im Streitjahr 2004 faktisch gezwungen war, nicht nur ihr Andienungsrecht gegenüber der T-Ltd. auszuüben, sondern darüber hinaus auch ihre Geschäftstätigkeit mit Ablauf des … zu beenden und damit auch die bis dahin nicht genutzten Verluste verfallen lassen zu müssen.

    Jedenfalls in einem solchen Fall der bewusst, d.h. hier unter Außerachtlassung einer grundsätzlich wie auch im konkreten Streitfall wirtschaftlich jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossenen und – soweit ersichtlich – auch zumutbaren Handlungsalternative, vom Steuerpflichtigen selbst gesetzten Ursache für den (teilweisen) Verlust des Verlustvortrages ist jedoch die dargelegte Regelung der Mindestbesteuerung nach Ansicht des Senats jedenfalls noch hinreichend gerechtfertigt (a.A. etwa Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10d EStG Anm. 13 zu Verlustvortrag gemäß § 10d EStG).

    bb) Hierbei kann zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach dem Wortlaut des § 10a GewStG offensichtlich – und völlig unabhängig von der Mindestbesteuerung (vgl. hierzu etwa auch BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 zum Abzug des vom Erblasser nicht mehr ausgeschöpften Verlustabzugs) – in sämtlichen Fällen der Betriebsbeendigung bis dahin nicht aufgebrauchte Verlustvorträge endgültig verloren gehen. Auch in den Fällen, in denen in der Zukunft keine verrechenbaren Gewinne erwirtschaftet werden, die mindestens um den entsprechenden Beschränkungsfaktor höher sind als die vorgetragenen Verluste, tritt dieses Ergebnis offensichtlich ein.

    Dementsprechend ist auch ohne weiteres davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jedenfalls diese Fälle des Verlustes des verbleibenden Verlustvortrags gesehen und – mangels Aufnahme einer entsprechenden Ausnahmeregelung in § 10a GewStG – auch hinnehmen wollte. Die – wie im Streitfall – bewusste Herbeiführung dieses wirtschaftlichen Ergebnisses durch den Steuerpflichtigen selbst, in Kenntnis dieser sich unstreitig aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ergebenden Rechtsfolge, ist somit insbesondere nicht geeignet, die von der Klägerin begehrte teleologische Reduktion des § 10a Satz 2 GewStG zu rechtfertigen. Auch ohne ausdrückliche Erwähnung in den Materialien zur Neufassung des § 10a GewStG ab dem 1. Januar 2004 muss davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber jedenfalls diese Konsequenz bewusst war (vgl. hierzu Wüllenkemper in Anmerkung zu Finanzgericht München in EFG 2008, 1736, m.w.N.), welche zudem im Streitfall nur einen vergleichsweise geringen Teil der insgesamt im Gewerbebetrieb der Klägerin aufgelaufenen Verluste betrifft.

    Abgesehen davon würde eine solche Auslegung des § 10a Satz 2 GewStG jedenfalls faktisch steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten in Gestalt entsprechender Betriebsaufgaben und -verlagerungen eröffnen, welche im Ergebnis den Regelungszweck dieser Vorschrift aushebeln würden. Über die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn Gewerbeverluste aus vom Steuerpflichtigen nicht selbst gesetzten tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vorgetragen werden können, ist im Streitfall nicht zu befinden.

    Im Ergebnis hat der Gesetzgeber somit – auch im Hinblick auf die Umstände des Streitfalles unter Berücksichtigung der dargelegten, in den betreffenden Gesetzesbegründungen genannten Gründe für die Einführung der Mindestbesteuerung (wie vorliegend gemäß § 10a GewStG), einen nicht gegen das Willkürverbot verstoßenden Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit und dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung vorgenommen (vgl. hierzu auch Intemann/Nacke, Verlustverrechnung nach den Steueränderungen für 2003/2004, DStR 2004, 1149).

    c) Die von der Klägerin vertretene Verletzung des Art. 14 GG durch die Regelungen der Mindestbesteuerung in § 10a Sätze 1 und 2 GewStG ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid, wie der vorliegend angegriffene, niemals zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung führen kann. Denn seine Regelungswirkung beschränkt sich auf die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags (§ 14 Satz 1 GewStG). Die tatsächliche Steuerbelastung ergibt sich erst aus dem Gewerbesteuerbescheid, in dem die Steuer aufgrund des Steuermessbetrags mit einem Hundertsatz (Hebesatz) festgesetzt wird (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1150).

    d) Anhaltspunkte dafür, dass die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung des vollen Verlustabzugs im Rahmen des Gewerbesteuermessbetragsbescheids für 2004 aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten sein könnte (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608), ergeben sich weder aus dem Klagevorbringen noch aus dem sonstigen Akteninhalt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin den Beschluss zeitlich erst erheblich nach Inkrafttreten des § 10a GewStG gefasst hat. Überdies liegen im Streitfall keine Dispositionen der Klägerin vor, die nach Inkrafttreten des § 10a GewStG nicht mehr hätten rückgängig gemacht werden können (etwa durch die Fortführung der Vermietung des Flugzeugs über das Jahr 2004 hinaus als Alternative zu der vorliegenden Betriebsaufgabe unter endgültigem Verlust eines Teils des Verlustvortrags), bzw. deren Rückgängigmachung (etwa aus wirtschaftlichen Gründen) nicht zuzumuten war (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, § 4 Rz. 157 m.w.N.).

    e) Da der beschließende Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der vorliegend streiterheblichen Norm des § 10a GewStG überzeugt ist, kann der vorliegende Rechtsstreit nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt werden.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenGG Art. 3 Abs. 1