02.11.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.07.2010 – 11 K 2975/08 AO
1.) Die Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs ist infolge Formmangels unwirksam, wenn anhand der Abtretungsanzeige nicht nachprüfbar ist, ob ein unzulässiger geschäftsmäßiger Erwerb i.S.v. § 46 Abs. 4 Satz 1 AO gegeben ist.
2.) Fehlen in der Abtretungsanzeige die nach § 46 Abs. 3 AO geforderten Angaben zum Abtretungsgrund bzw. dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt vollständig, so können diese nicht nachgeholt werden.
3.) Zur Frage des geschäftsmäßigen Erwerbs von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen nach § 46 Abs. 4 Satz 1 AO.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 07.07.2010 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist die Wirksamkeit einer Abtretungsanzeige.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Geschäftszweck in § 2 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags vom 19.10.2005 wie folgt umschrieben ist: „Gegenstand des Unternehmens ist Erwerb und Verwaltung von Anteilen und Beteiligungen an anderen Unternehmen, Übernahme von Forderungen, Rechten und Sicherungsgütern zum Zwecke der Verwertung sowie alle artverwandten Geschäfte, die dem Gesellschaftszweck dienlich sind.”
Am 19.06.2006 ging beim Beklagten eine Abtretungsanzeige auf amtlichem Vordruck ein betreffend die Abtretung eines Teilbetrags von … EUR aus den USt-Erstattungsansprüchen 1999 und 2000 der Z. GmbH an die Klägerin. Unter „Grund der Abtretung” wurde das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt. Weitere Angaben zum Grund wurden nicht gemacht.
Mit Schreiben vom 22.06.2006 teilte der Beklagte der Z. GmbH unter Bezugnahme auf § 46 Abs. 4 AO mit, dass er die Abtretung für unwirksam halte. Ob eine entsprechende Mitteilung auch an die Klägerin erfolgt ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen.
Die Z. GmbH hatte im Jahr 2002 u.a. gegen die USt-Bescheide 1999 und 2000 Einspruch eingelegt und im Rahmen des Einspruchsverfahrens am 29.12.2005 geänderte USt-Erklärungen für 1999 und 2000 eingereicht. Nach Durchführung einer USt-Sonderprüfung wurden am 06.06.2006 geänderte USt-Bescheide erlassen, welche zu USt-Guthaben von … EUR (1999) und … EUR (2000) führten (Bl. 97-102 d.A.). Mit Schreiben vom 29.05.2006 (Bl. 96 d.A.) teilte die Z. GmbH dem Beklagten mit, dass die „Steuererstattung aus UST 1997 – UST 2001” auf einem Konto der GmbH bei der Volksbank T. überwiesen werden soll. Die Änderung der Kontoverbindung wurde von dem anderen Geschäftsführer der Z. GmbH mit Schreiben vom 19.06.2006 widerrufen.
Der Beklagte nahm die Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern hinsichtlich der Kontoverbindung zum Anlass, u.a. die Erstattungsbeträge zur USt 1999 und 2000 von insgesamt … EUR am 05.09.2006 beim Amtsgericht C. (Az: … HL …/06) unter Verzicht auf das Rücknahmerecht zu hinterlegen.
Mit Schreiben vom 23.08.2007 begehrte die Klägerin die Auszahlung des abgetretenen Betrags. Am 04.10.2007 erließ der Beklagte einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO, mit dem er feststellte, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die USt-Erstattungen 1999 und 2000 der Z. GmbH habe. Die Abtretung sei nichtig, weil als Grund „Sicherungsabtretung” angegeben sei, jedoch zum geschäftsmäßigen Erwerb und Einziehung von zur Sicherung abgetretenen Ansprüchen nur Unternehmen befugt seien, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt sei. Im Übrigen sei selbst dann, wenn die Abtretungsanzeige wirksam gewesen sei, der Auszahlungsanspruch der Klägerin durch die Hinterlegung mit Rücknahmeverzicht gem. §§ 376, 378 BGB erloschen.
Hiergegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt. Sie trug vor, dass die Abtretung der Steuererstattungsansprüche nicht geschäftsmäßig erfolgt sei. Nähere Angaben dazu, welches Rechtsgeschäft der Abtretung zugrunde gelegen habe, machte sie allerdings nicht. Insbesondere reichte sie trotz mehrfacher Aufforderung des Beklagten (s. Schreiben vom 27.02.2008 und 14.04.2008) den der Abtretung zugrundeliegenden Vertrag mit der Z. GmbH nicht ein.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.07.2008 zurück. Zur Begründung führte er an, dass bei der Beurteilung der Frage der Geschäftsmäßigkeit des Handelns juristischer Personen dem bestehenden Gesellschaftsvertrag eine erhebliche Bedeutung zukomme. Denn juristische Personen würden zur Wahrnehmung eines bestimmten Geschäftszwecks gegründet und dürften sich grundsätzlich nur in dem vorgegebenen Aufgabenfeld betätigen (§§ 3 Abs. 1, Nr. 3 i.V.m. 1 GmbHG). Ausweislich ihres Gesellschaftsvertrags sei Gegenstand des Unternehmens der Klägerin u.a. die Übernahme von Forderungen, Rechten und Sicherungsgütern zum Zwecke der Verwertung. Der Unternehmenszweck der Klägerin bestehe somit insbesondere in der wirtschaftlichen Verwendung der zuvor genannten Vermögenspositionen. Soweit die Klägerin nun vortrage, bei der vorliegenden Zession nicht geschäftsmäßig gehandelt zu haben, könne dem kein Gehör geschenkt werden. Abgesehen von dem pauschalen Vortrag, die Steuererstattungsansprüche nicht geschäftsmäßig erworben zu haben, bleibe sie jeder weiteren Darlegung schuldig. Einer solchen habe es aber ihrerseits bedurft. Denn bei lebensnaher Betrachtung spreche eine Vermutung dafür, dass Handlungen einer Kapitalgesellschaft, die unter ihren Gesellschaftszweck fallen, auch geschäftsmäßig vorgenommen würden.
Gegen das Vorliegen einer Sicherheitsabtretung spreche auch die geringe zeitliche Differenz zwischen der Abtretungsanzeige und der Zahlungsaufforderung an das Finanzamt. Offensichtlich sei es der Klägerin von Anfang an um die Verwertung der Forderung gegangen. Aber selbst wenn eine Sicherheitsabtretung vorliegen würde, sei diese unzulässig, da zur Sicherung abgetretene Ansprüche nur von Unternehmen geschäftsmäßig erworben und eingezogen werden dürften, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt sei.
Im Klageverfahren weist die Klägerin darauf hin, dass zwischen Abtretung (15.06.2006) und erster Zahlungsaufforderung (23.08.2007) immerhin mehr als ein Jahr gelegen habe und es sich hierbei wohl kaum um eine „geringe zeitliche Differenz” handele.
Der Beklagte verkenne zudem, dass es sich bei der Abtretung keinesfalls um den geschäftsmäßigen Erwerb und die geschäftsmäßige Verwertung von Steuererstattungsforderungen gehandelt habe. Vielmehr liege ein Einzelfall ohne Wiederholungsabsicht vor. Sie – die Klägerin – habe von der Z. GmbH einen umfangreichen Beratungsauftrag betreffend die Teilung/Aufspaltung der Gesellschaft erhalten. Die Abtretung habe der Sicherung der entstandenen und entstehenden Honoraransprüche gedient. Dies ergebe sich u.a. aus der Auftragsbestätigung vom 15.06.2006 (Bl. 68) über einen Leistungsumfang von mindestens 850 Stunden à … EUR zzgl. Spesen/Auslagen und Kosten externer Rechtsberatung. Letztlich habe sich ein Rechnungsbetrag von … EUR ergeben. Bislang sei allerdings nur ein Rechnungsentwurf (Bl. 84) erstellt worden und keine Rechnung, weil von der Z. GmbH wegen der Zerstrittenheit derer Gesellschafter/Geschäftsführer eine Zahlung nicht zu erwarten sei und die Klägerin nicht selbst USt-Schuldner werden wolle.
Aus diesem Sachverhalt ergebe sich deutlich, dass tatsächlich eine Sicherungsabtretung vorliege. Folgerichtig sei in dem amtlichen Vordruck auch das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt worden. Für diesen Fall stelle der amtliche Vordruck keine weiteren Anforderungen an die Bestimmung des Abtretungsgrundes, so dass solche von der Klägerin auch schlechterdings nicht verlangt werden könnten.
Mit Schriftsatz vom 07.06.2010 führte die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts ergänzend aus, dass der Beratungsauftrag der Z. GmbH aus Dezember 2005 / Januar 2006 stamme und dabei auch die Honorierung und der Umfang der Tätigkeit vereinbart worden sei. Später, am 15.06.2006, sei sodann die Sicherung des Honorars dokumentiert worden. Abgeschlossen sei der Auftrag gegen Ende Juli 2007 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Auseinandersetzungen zwischen den Gesellschaftern/Geschäftsführern zugespitzt. Auf Nachfrage zu der Bezahlung der erbrachten Leistungen sei sie – die Klägerin – immer wieder darauf hingewiesen worden, dass diese aus den abgetretenen Steuererklärungen erfolge.
Im Laufe des Klageverfahrens hat die Klägerin eine weitere Abtretungsanzeige eingereicht, wonach diese die Klageforderung von … EUR am 20.11.2008 an ihren Prozessbevollmächtigten weiter abgetreten hat.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Abrechnungsbescheids vom 04.10.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2008 festzustellen, dass der Klägerin ein Auszahlungsanspruch von … EUR zustand.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält daran fest, dass die Abtretung unwirksam sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Steuerakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Abrechnungsbescheid vom 04.10.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die am 19.06.2006 angezeigte Abtretung unwirksam ist und die Klägerin die in der Abtretungsanzeige genannten Steuerforderungen mithin nicht erworben hat.
1. Gem. § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern abgetreten werden. Wirksam wird die Abtretung allerdings erst, wenn sie der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs auf einem amtlichen Vordruck unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes angezeigt worden ist (§ 46 Abs. 2 und 3 AO). Die Angabe des Abtretungsgrundes dient u.a. dazu, dem Finanzamt einen Hinweis darauf zu geben, ob es sich bei der Abtretung um einen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen handeln könnte. Denn gem. § 46 Abs. 4 Satz 1 AO ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- bzw. Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung und sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung unzulässig. Eine Ausnahme besteht nach § 46 Abs. 4 Satz 2 und 3 AO für die Sicherungsabtretung. Zur Sicherung abgetretene Ansprüche dürfen geschäftsmäßig erworben und eingezogen werden, allerdings nur von Unternehmen, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist. Erfolgt die Sicherungsabtretung nicht geschäftsmäßig, fällt sie nicht unter die Sondervorschrift des § 46 Abs. 4 AO und ist nach der Grundvorschrift des § 46 Abs. 1 AO für jedermann erlaubt.
Bei Zessionaren, denen – wie der Klägerin – das Betreiben von Bankgeschäften nicht erlaubt ist und die mithin nicht unter das Privileg des § 46 Abs. 4 Satz 2 und 3 AO fallen, ist somit letztlich allein das Kriterium der Geschäftsmäßigkeit ausschlaggebend für die Zulässigkeit der Abtretung. Erfolgte die Abtretung geschäftsmäßig, ist sie nach § 46 Abs. 4 Satz 1 AO unzulässig, erfolgte sie dagegen nicht geschäftsmäßig, ist sie erlaubt.
Geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs. 4 AO handelt, wer die Tätigkeit (Erwerb von Forderungen) selbständig und mit der Absicht, sie zu wiederholen, ausübt. Für eine Wiederholungsabsicht im Sinne dieser Auslegung spricht, wenn für den Erwerb von Erstattungsansprüchen organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, wie z.B. das Bereithalten vorformulierter Abtretungserklärungen, die allerdings nicht notwendige Voraussetzung für die Geschäftsmäßigkeit sind. Eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Geschäftsmäßigkeit spielen in der Regel die Zahl der Erwerbsfälle und der Zeitraum ihres Vorkommens. Vereinzelte, nur gelegentlich und anlässlich besonders begründeter Einzelfälle vorgenommene Abtretungen sind regelmäßig nicht als geschäftsmäßig anzusehen (st. Rspr. vgl. BFH, Urteil vom 05.02.2005 – VIII R 54/04, BStBl II 2006, 348 m.w.N.). Für die Beurteilung der Geschäftsmäßigkeit des Forderungserwerbs kommt es somit stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
Hinsichtlich der Prüfung, ob Geschäftsmäßigkeit vorliegt, ist der Kenntnisstand des Finanzamts bei Eingang der Abtretungsanzeige maßgebend. Die Abtretungsanzeige ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach § 133 BGB auslegungsfähig ist. Nach den zu dieser gesetzlichen Bestimmung entwickelten Rechtsgrundsätzen ist entscheidend, wie das Finanzamt als Erklärungsempfänger die Abtretungsanzeige nach ihrem objektiven Erklärungswert verstehen musste. Bei der Ermittlung des in der Abtretungsanzeige verkörperten Willens können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für das Finanzamt als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar gewesen sind. Umstände, die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, können keine Beachtung finden (vgl. BFH, Urteil vom 05.10.2004 – VII R 37/03, BStBl II 2005, 238).
Im Streitfall ist folglich maßgebend, wie der Beklagte die Abtretungsanzeige im Zeitpunkt ihres Zugangs, also am 19.06.2006, verstehen musste und ob zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht eines objektiven Empfängers hinreichende Anhaltspunkte vorgelegen haben, die gegen einen geschäftsmäßigen Erwerb des Steuererstattungsanspruchs durch die Klägerin gesprochen haben.
Daran fehlt es. Umstände, aus denen der Beklagte den Schluss hätte ziehen können, dass die Klägerin den Erstattungsanspruch nicht geschäftsmäßig erwerben wollte, waren für ihn im Zeitpunkt des Zugangs der Abtretungsanzeige nicht erkennbar. Insbesondere ergab sich aus dem bloßen Ankreuzen des Feldes „Sicherungsabtretung” nicht, dass diese nicht geschäftsmäßig erfolgt ist. Weitere Angaben zu dem der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalt – wobei kurze stichwortartige Kennzeichnungen grundsätzlich genügen (BFH, Urteil vom 13.11.2001 – VII R 107/00, BStBl II 2002, 402) – enthielt die Abtretungsanzeige nicht. Auch die außerhalb der Abtretungsanzeige erkennbaren Indizien reichten nicht aus, um eine Geschäftsmäßigkeit verneinen zu können. Zwar mag es sich bei der streitgegenständlichen Abtretung möglicherweise um den ersten Erwerb von Steuerforderungen seitens der Klägerin gehandelt haben; jedoch kann auch schon der erstmalige Erwerb in Wiederholungsabsicht und damit geschäftsmäßig erfolgt sein. Dies gilt erst recht, wenn es sich bei dem Zessionar – wie hier – um eine GmbH handelt, zu deren Geschäftszweck ausdrücklich die „Übernahme von Forderungen, Rechten und Sicherungsgütern zum Zwecke der Verwertung” gehört.
Ist – wie hier – anhand der Abtretungsanzeige nicht nachprüfbar, ob ein Fall des geschäftsmäßigen Erwerbs i.S. des § 46 Abs. 4 Satz 1 AO gegeben ist, hat dies zur Folge, dass die Anzeige an einem Formmangel leidet, der zur Unwirksamkeit der Abtretung führt (§ 46 Abs. 2 AO). An der Unwirksamkeit der Abtretung ändert auch die nachträgliche Bezeichnung des Abtretungsgrundes durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nichts. Denn die nach § 46 Abs. 3 AO geforderten Angaben zum Abtretungsgrund können, jedenfalls wenn Angaben zum Lebenssachverhalt völlig fehlen, nicht nachgeholt werden (vgl. BFH, Urteil vom 05.10.2004 – VII R 37/03, BStBl II 2005, 238).
2. Die Wirksamkeit der Abtretungsanzeige kann auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet werden. Zwar mag die Gestaltung des amtlichen Vordrucks, welcher in der Rubrik „Grund der Abtretung / Verpfändung” lediglich die Auswahl zwischen „ Sicherungsabtretung (Ankreuzfeld) oder … (Freitext)” bietet, in der Klägerin die Vorstellung erweckt haben, dass es bei Ankreuzen des Feldes „Sicherungsabtretung” keiner weiteren Angaben zum Lebenssachverhalt mehr bedarf.
Der Einwand der Klägerin, der Vordruck verleite geradezu zu unvollständigen Angaben, ist nicht aus der Luft gegriffen.
Ob eine hieraus resultierende „Mitveranlassung” der Finanzverwaltung an der Abgabe unvollständiger Abtretungsanzeigen überhaupt dazu führen kann, dass eine unwirksame Abtretungsanzeige als wirksam zu gelten hat, ist zweifelhaft. Selbst wenn in derartigen Fällen der Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben Beachtung finden sollte, so kann sich zumindest die Klägerin nicht auf Treu und Glauben berufen. Denn schutzbedürftig wäre sie nur dann, wenn tatsächlich eine Sicherungsabtretung vorlag. Wurde das Feld „Sicherungsabtretung” dagegen zu Unrecht angekreuzt – hätte die Klägerin also richtigerweise den Grund der Sicherungsabtretung freihändig eintragen müssen –, beruht die Unvollständigkeit der Abtretungsanzeige nicht allein auf der missverständlichen Vordruckgestaltung, sondern auf einer falschen rechtlichen Würdigung durch die Klägerin, für die sie allein die Verantwortung trägt.
Im Streitfall hat die Klägerin das Feld „Sicherungsabtretung” zu Unrecht angekreuzt. Denn eine Sicherungsabtretung lag nicht vor.
Eine Sicherungsabtretung ist grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass der Abtretungsempfänger die Forderung nicht behalten, sondern sie nur vorübergehend für den Abtretenden zu Sicherungszwecken innehaben soll. Dementsprechend wird in der Regel eine Sicherungsabtretung nur dann angenommen werden können, wenn der Sicherungsnehmer Befriedigung zunächst aus dem zu sichernden Anspruch suchen muss und sich erst nach Erfolglosigkeit dieser Bemühung aus der Sicherung befriedigen darf. Ein Rückgriff auf die gestellte Sicherheit zur Verwertung kommt sonach nur subsidiär, d. h. nur bei nicht vertragsgemäßer Erfüllung von Verpflichtungen des Abtretenden gegenüber dem Abtretungsempfänger, in Betracht. Anders zu beurteilen ist dagegen die von der Sicherungsabtretung zu unterscheidende Abtretung erfüllungshalber. Diese Abtretung hat in erster Linie Befriedigungsfunktion. Der Abtretungsempfänger erhält zusätzlich zu dem bisherigen Primäranspruch eine weitere Befriedigungsmöglichkeit, die bei Inanspruchnahme nach dem Willen der Vertragsparteien zur Tilgung der Primärschuld führt.
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Sicherungsabtretung vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks, dem Handel mit Lohnsteuererstattungsansprüchen entgegen zu wirken, eine Sicherungsabtretung i.S. § 46 Abs.4 AO nur dann anzunehmen, wenn der Sicherungszweck in einem solchen Maße überwiegt, dass andere Motive der Beteiligten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Insbesondere muss es als ausgeschlossen angesehen werden können, dass sich der Abtretende durch den Vertrag seiner Steuererstattungsforderung begeben wollte (BFH, Urteil vom 03.02.1984 – VII R 72/82, BStBl II 1984, 411). Ob dies der Fall ist, ist nicht allein nach dem Wortlaut des Kreditvertrages zu beurteilen, sondern es ist auf die gesamten Umstände, unter denen die Geschäftsbeziehungen begründet worden sind, und auf ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen (BFH, Urteil vom 21.02.1989 – VII R 7/86, BFH/NV 1989, 555 m.w.N.).
Im Streitfall erscheint es bei Würdigung der Gesamtumstände so gut wie ausgeschlossen, dass eine Sicherungsabtretung vereinbart war. Denn die USt-Erstattungsansprüche 1999 und 2000 waren im Zeitpunkt der Abtretung, d.h. am 15.06.2006, schon festgesetzt (Bescheide vom 06.06.2006) und ihre Auszahlung stand unmittelbar bevor. Zumindest einer der Geschäftsführer hatte – offensichtlich in Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Änderungsbescheide – erst noch mit Schreiben vom 29.05.2006 dem Finanzamt eine Auszahlungsanweisung erteilt. Ist dem Zessionar und/oder dem Zedenten bekannt, dass die abgetretene Forderung unmittelbar zur Auszahlung ansteht, kann ein Sicherungszweck bei der Abtretung schon deshalb nicht überwiegen, weil bekannt ist bzw. erwartet wird, dass das Sicherungsgut – die Steuerforderung – alsbald nicht mehr existent sein wird und mithin alsbald auch keine Sicherungsfunktion mehr erfüllen kann. Nach der Auszahlung steht als etwaiges Sicherungsgut nur noch der ausgezahlte Geldbetrag zur Verfügung. Es wäre jedoch lebensfremd anzunehmen, dass der Zessionar in einer derartigen Konstellation nach den Vorstellungen der Beteiligten zunächst die Beitreibung der gesicherten Forderung, hier des Honoraranspruchs, verfolgen soll und sich erst nach Erfolglosigkeit dieser Bemühungen aus dem ihm schon vorliegenden Geldbetrag befriedigen darf. Vielmehr wird es typischerweise dem Willen der Beteiligten entsprechen, dass sich der Zessionar unmittelbar aus dem überwiesenen Betrag befriedigen soll. Bei dieser Ausgangslage ist die Abtretung jedoch gerade nicht zur Sicherung eines anderen Anspruchs erfolgt, sondern erfüllungshalber
Dass sich die Auszahlung der USt-Erstattungsansprüche aus von der Klägerin und der Z. GmbH nicht vorhersehbaren Umständen letztlich verzögert hat, ändert am Wesen der Abtretung als erfüllungshalber nichts. Denn maßgebend für die Beurteilung, ob eine Sicherungsabtretung oder eine Abtretung erfüllungshalber vorliegt, sind allein die Umstände und Vorstellungen der Parteien, wie sie bei Wirksamwerden der Abtretungsanzeige vorlagen. Spätere Modifikationen der Abtretung haben auf eine bereits abgegebene Abtretungsanzeige keinen Einfluss. Am 15.06.2010 war jedoch weder bekannt noch absehbar, dass der Beklagte die USt-Erstattungsansprüche 1999 und 2000 nicht alsbald auszahlen würde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).