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  • 02.11.2010

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 04.05.2010 – 1 K 1195/08

    1. Grundsätzlich entsteht die Kraftfahrzeugsteuerschuld auch dann als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug zwar vor der Insolvenzveröffnung verkauft, aber nicht abgemeldet wurde.

    2. Das gilt nicht für ein gem. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbares Kraftfahrzeug des Schuldners, welches deswegen nicht zur Insolvenzmasse gehört und damit keine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 InsO darstellt. Dem steht die behauptete Veräußerung des Kfz vor Insolvenzeröffnung nicht entgegen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Richter am Finanzgericht … als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2010 für Recht erkannt:

    1. Der Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 28. August 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2008 und in der Fassung vom 4. Juli 2008 wird aufgehoben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger als Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Halters die Kraftfahrzeugsteuer für dessen Fahrzeug als Masseverbindlichkeit schuldet.

    Der Kläger ist Treuhänder im Sinne des § 313 InsO des Schuldners B, über dessen Vermögen gemäß Beschluss des Amtsgerichts D vom 11. Mai 2007, XX IK XX/07, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Das Insolvenzverfahren wurde am 23. Oktober 2007 aufgehoben. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung war auf den Schuldner ein Kraftfahrzeug zugelassen. Für dieses Kraftfahrzeug berechnete der Beklagte Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 17. Mai 2006 bis zum 10. Mai 2007 in Höhe von 399,00 EUR und setzte durch Bescheid vom 28. August 2007 gegen den Kläger Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab 11. Mai 2007, dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst in Höhe von jährlich 405,00 EUR fest (KraftSt, Bl. 11 ff.). Zuvor hatte der Kläger mitgeteilt, das Fahrzeug werde vom Schuldner für die Anfahrt zur Arbeitsstelle benötigt und sei daher pfändungsfrei, so dass es nicht zur Insolvenzmasse gehörte (KraftSt, Bl. 1). Der Beklagte ging davon aus, es handele sich bei der Kraftfahrzeugsteuer in insolvenzrechtlicher Hinsicht um eine Masseverbindlichkeit (KraftSt, Bl. 11). Danach setzte er am 4. Juli 2008 im Hinblick auf die Beendigung des Insolvenzverfahrens Kraftfahrzeugsteuer vom 11. Mai 2007 bis 22. Oktober 2007 in Höhe von 183,00 EUR fest (Bl. 42 d.A.).

    Der Kläger legte am 24. September 2007 Einspruch ein und machte geltend, das Fahrzeug sei gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar und gehöre nicht zur Insolvenzmasse. Daher sei er – der Kläger – als Treuhänder nicht Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer (KraftSt, Bl. 13 f.). Im Laufe des Einspruchsverfahrens teilte das Finanzamt C in D dem Beklagten mit, bereits im Jahr 2005 habe die Vollstreckungsstelle die Abmeldung des Fahrzeugs in die Wege geleitet. Das Finanzamt äußerte zugleich die Auffassung, dass das Fahrzeug nie Bestandteil der Insolvenzmasse geworden sei (Bl. 5 d.A.), nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass der Schuldner das Fahrzeug veräußert und dies durch eine eidesstattliche Versicherung gegenüber der Straßenverkehrszulassungsbehörde glaubhaft gemacht habe (siehe dazu Bl. 19). Auf den Schuldner war nach der Veräußerung des Fahrzeugs in der hier maßgeblichen Zeit kein weiteres Fahrzeug zugelassen.

    Den Einspruch wies der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 3. April 2008 gleichwohl als unbegründet zurück (KraftSt, Bl. 23 ff.).

    Am 5. Mai 2008 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

    Zur Begründung trägt er unter Wiederholung seines Vorbringens im Einspruchsverfahren im Wesentlichen vor, bei dem hier betroffenen Kraftfahrzeug handele es sich um pfändungsfreies Vermögen, es sei deshalb nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Der Schuldner benötige das Fahrzeug, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich sei. Der Schuldner habe vor, während und nach Abschluss des Insolvenzverfahrens bei E AG in F gearbeitet. Während er zunächst im Drei-Schicht-Dienst, der sich auch auf Sonn- und Feiertage erstreckt habe, tätig gewesen sei, sei der Schuldner seit Ende 2005 nur noch in der Frühschicht tätig, welche morgens um 5.45 Uhr beginne. Dabei müsse der Schuldner um 5.30 Uhr an der Arbeitsstätte sein. Dass das Fahrzeug dem Schuldner zu Beginn des Insolvenzverfahrens nicht mehr zur Verfügung gestanden hat, ändere an der Bewertung – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung hervorhob – nichts.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 28. August 2007 in der Fassung des Bescheids vom 4. Juli 2008 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

    Auf ein Ersuchen des Berichterstatters hin, hat die Stadt D mitgeteilt, dass das hier betroffene Fahrzeug am 30. Juli 2008 durch die Zulassungsbehörde D von Amts wegen außer Betrieb gesetzt worden sei (Bl. 52 d.A.).

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten (ein Band; Bl. 51) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn der Kläger hat die Kraftfahrzeugsteuerpflicht nicht aus dem von ihm verwalteten Vermögen des Schuldners zu erfüllen, da das betreffende Fahrzeug nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 InsO) gehört und die Kraftfahrzeugsteuer daher keine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellt.

    1. Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Steuerpflicht dauert bei einem inländischen Fahrzeug an, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Steuerschuldner ist bei einem inländischen Fahrzeug die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG).

    2. Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 34 Abs. 3 und Abs. 1 AO als Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Dies gilt auch für den Treuhänder (§ 292 InsO) im vereinfachten Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO), da er nach § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO in diesem Verfahren die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt.

    Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 InsO) zu verwalten, auf den Insolvenzverwalter über. Zur Insolvenzmasse gehört nach der Rechtsprechung des BFH (BFH vom 29. August 2007, IX R 58/06, BStBl II 2008, 322; vom 29. August 2007, IX R 4/07, BFH/NV 2007, 2429; vom 16. Oktober 2007, IX R 29/07, BFH/NV 2008, 251) auch die Rechtsposition als Halter eines Kraftfahrzeugs, so dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldet. Dabei führt das durch das KraftStG unwiderlegbar rechtsvermutete Halten eines Fahrzeugs auch im Anwendungsbereich der InsO zu einer gesetzlich unterstellten Verwendungsmöglichkeit des Fahrzeugs „im Geschäft” des Schuldners und damit im Rahmen der Insolvenzmasse.

    Denn Steuergegenstand des Kraftfahrzeugsteuergesetzes ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG grundsätzlich das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Da das Kraftfahrzeugsteuergesetz sich in seinen Begriffsbestimmungen an den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften orientiert (§ 2 Abs. 2 KraftStG) und die Dauer der (subjektiven) Steuerpflicht davon abhängig macht, wer Adressat der verkehrsrechtlichen Zulassung (vgl. § 1 StVG) ist, geht es davon aus, dass derjenige, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, auch Halter des Fahrzeuges ist und damit das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt (vgl. grundlegend zum Halterbegriff BGH vom 29. Mai 1954 VI ZR 111/53, BGHZ 13, 351). Es kommt für das Kraftfahrzeugsteuergesetz also nicht darauf an, ob das Fahrzeug veräußert wurde, solange nicht eine verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle eingeht. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Veräußerer das Fahrzeug noch nutzt. Das Gesetz stellt mithin eine Haltervermutung auf, die nicht durch den Vortrag widerlegt werden kann, ein anderer als der Zulassungsempfänger nutze das Fahrzeug oder sei dessen Eigentümer (siehe zum Vorstehenden BFH vom 29. August 2007 IX R 4/07, BStBl II 2010, 145).

    Dieses unwiderlegbar rechtsvermutete Halten des Fahrzeugs gilt nicht nur für die Anwendung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, sondern auch bei der Auslegung der insolvenzrechtlichen Normen mit der Folge, dass das Fahrzeug zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehört und die nach Insolvenzeröffnung entstehende Kraftfahrzeugsteuer grundsätzlich Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist, solange nicht eine verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle eingeht (BFH vom 29. August 2007 IX R 4/07, BStBl II 2010, 145; vom 10. März 2010 II B 172/09, JURIS). Daher ist es für die Begründung der Kraftfahrzeugsteuerschuld unerheblich, ob sich das Fahrzeug bei Insolvenzeröffnung noch im Eigentum oder Besitz des Schuldners befindet, solange es nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften noch dem Schuldner als Halter zuzuordnen ist (BFH vom 8. September 2009 II B 62/09, BFH/NV 2010, 67).

    Grundsätzlich entsteht daher die Kraftfahrzeugsteuerschuld auch dann als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn – wie im Streitfall vorgebracht – das Fahrzeug zwar vor der Insolvenzveröffnung verkauft, aber nicht abgemeldet wurde (vgl. BFH vom 29. August 2007 IX R 4/07, BStBl II 2010, 145 mit Anmerkung Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 51/2007 Anm. 4).

    2. Dies gilt allerdings nicht, wenn das betreffende Fahrzeug wegen Unpfändbarkeit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse wird und damit nicht der Verwaltung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders unterliegt (vgl. § 36 Abs. 1 InsO). Der Bundesfinanzhof hat insoweit entschieden, dass die Kraftfahrzeugsteuer nicht vom Insolvenzverwalter aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse, sondern vom Schuldner aus dem insolvenzfreien Vermögen oder Erwerb zu tragen sei, wenn das Kraftfahrzeug nach Verfahrenseröffnung nicht im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter genutzt, sondern wegen Unpfändbarkeit kraft Gesetzes nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens sei (BFH vom 16. November 2004 VII R 62/03, BStBl II 2005, 309).

    3. Die vorstehend wiedergegebenen Rechtsgrundsätze zur Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit sind im Streitfall nicht anzuwenden, weil das Kraftfahrzeug gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, dessen Halter der Schuldner während des Insolvenzverfahrens war, unpfändbar war. Daher scheidet die Behandlung der Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus.

    a) Das Kraftfahrzeug, dessen Halter der Schuldner bis zur Außerbetriebsetzung war, ist nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 InsO unpfändbar, denn der Schuldner zog und zieht immer noch als Arbeitnehmer der E AG in F seinen Erwerb aus seiner körperlichen Arbeit, und das Fahrzeug ist zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlich. Der Schuldner benötigt es nämlich, um seine Arbeitsstätte zu erreichen, ohne dass ihm dies mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und zumutbar wäre.

    Zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erforderliche Gegenstände können nämlich auch Kraftfahrzeuge sein, die ein Arbeitnehmer für die täglichen Fahrten von seiner Wohnung zu seinem Arbeitsplatz und zurück benötigt. Voraussetzung ist jedoch, dass das Kraftfahrzeug für die Beförderung erforderlich ist. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann. Inwieweit die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar ist, ist eine Frage des Einzelfalles, die unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Schuldners, der öffentlichen Verkehrsanbindung und des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden ist (BGH vom 28. Januar 2010, VII ZB 16/09, WM 2010, 75 mit weiteren Nachweisen; vgl. dazu zum Beispiel auch Stöber in Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 811, Rz. 27 mit weiteren Nachweisen).

    Im Streitfall ist es dem Schuldner nach Beendigung der Arbeit nicht zuzumuten gewesen, den Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, da er ungewöhnlich lange auf Bus oder Bahn für den Heimweg hätte warten müssen, soweit überhaupt – je nach Arbeitsschicht – eine Anbindung besteht. Dem Senat ist aus eigener Anschauung und durch Recherchen bei den Verkehrsbetrieben bekannt, dass es auch nicht in zumutbarer Zeit möglich ist, von D, dem damaligen Wohnort des Schuldners, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach F zu gelangen, wenn man um 5.30 Uhr in den Werken der E AG sein muss. Nach den Angaben im interaktiven Fahrplan der G GmbH erfordert dies eine Abfahrt in D um 1.23 Uhr (den Fußweg zum Bahnhof nicht eingerechnet) oder eine Abfahrt um 4.24 Uhr mit Ankunft um 5.11 Uhr in F (ebenfalls ohne Berücksichtigung der Fußwege vom und zum Bahnhof sowie zu den Werken der E AG). Daher steht für den Senat fest, dass der Schuldner ein Fahrzeug benötigte, um seine Erwerbstätigkeit fortzusetzen.

    b) Das hier betroffene Kraftfahrzeug unterliegt demnach nicht der Zwangsvollstreckung und gehört damit nach § 36 Abs. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Das Fahrzeug unterliegt als Teil des insolvenzfreien Vermögens des Schuldners nicht der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO. Aus diesen insolvenzrechtlichen Bestimmungen folgt nach Auffassung des Senats, dass die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer für ein gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbares Kraftfahrzeug des Schuldners nicht Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO ist (ebenso zum Beispiel Farr, NZI 2008, 78; Menn, ZinsO 2009, 1189; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl. 2007, Rz. 1938 f.; vgl. auch Sterzinger, DStR 2008, 1672; offengelassen in BFH vom 8. September 2009 II B 63/09, BFH/NV 2010, 68).

    c) Dem steht auch nicht entgegen, dass das Fahrzeug bereits vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner nach dessen Vortrag veräußert worden war und ihm deshalb nicht mehr zur Verfügung stand. Denn die (fortgesetzte) Nutzung durch den Schuldner wird nach den dargestellten Grundsätzen unwiderlegbar vermutet. Nichts anderes gilt dann aber für die Qualifikation des betreffenden Fahrzeugs als pfändungsfrei. Denn auf den Schuldner war kein „Zweitfahrzeug” zugelassen, welches das hier betroffene Fahrzeug etwa wieder pfändbar gemacht hätte.

    d) Maßgeblich erscheint dem Senat die Erwägung, dass der Insolvenzverwalter bzw. der Treuhänder unter Berücksichtigung der in § 36 InsO getroffenen Regelung eine Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht nach Maßgabe der §§ 13 und 14 FZV mangels hinreichender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht herbeiführen kann (vgl. Sterzinger, DStR 2008, 1676; vgl. auch Roth, jurisPR-InsR 11/2009 Anm. 5). Anderenfalls könnte der Insolvenzverwalter die durch § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschützte Gebrauchsmöglichkeit des Fahrzeugs zumindest beeinträchtigen. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man die Auffassung zugrundelegt, dass allein das Kraftfahrzeug und nicht die Haltereigenschaft dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unterliegt (so zum Beispiel Roth, ZInsO 2008, 304; ders., jurisPR-InsR 11/2009, Anm. 5).

    e) Der Senat sieht sich mit den so vorgenommenen Wertungen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Umsatzsteuer, wonach solche Steuerschulden nicht zu den Masseverbindlichkeiten gehören, die während des Insolvenzverfahrens aufgrund der Verwendung gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbarer Gegenstände entstehen (BFH vom 7. April 2005, V R 5/04, BStBl II 2005, 848).

    Dementsprechend hat auch das OVG Magdeburg für die Grundsteuer entschieden (Beschluss vom 5. November 2009, 4 L 243/08, ZInsO 2010, 51 mit Anmerkung Schmid, jurisPR-InsR 7/2010), dass eine Grundsteuerforderung nicht mehr der Insolvenzmasse als Masseverbindlichkeit zur Last gelegt werden kann, wenn das betreffende Grundstück durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ausscheidet, so dass der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder nicht mehr verfügungsberechtigt ist.

    f) Diese Erwägungen gelten auch für die im Streitfall gegebene besondere Konstellation, nach der das Fahrzeug (möglicherweise) veräußert wurde, aber gleichwohl dem Schuldner als Halter zuzurechnen war. Dass die Kraftfahrzeugsteuerpflicht erst nach Maßgabe des § 5 KraftStG durch Außerbetriebsetzung beendet wurde, steht für den Senat außer Frage. Allerdings betrifft die Haltereigenschaft kein Fahrzeug, das dem Insolvenzbeschlag unterlag, sondern als unpfändbarer Gegenstand gemäß § 36 Abs. 1 InsO keinen Bestandteil der Insolvenzmasse bildete. Daher fällt das Fahrzeug auch bei der rechtsvermuteten Nutzungsmöglichkeit nicht in die Insolvenzmasse, da es in jedem Fall der insolvenzfreien Sphäre des Schuldnervermögens zuzuordnen ist. Der Senat sieht sich insoweit mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Einklang (vgl. BFH vom 16. November 2004 VII R 62/03, BStBl II 2005, 309).

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO

    4. Die Revision wird nach § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die hier zugrundeliegend Rechtsfrage, ob die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer für ein nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbares Kraftfahrzeug des Schuldners eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist, ist für eine Vielzahl von Insolvenzverfahren von Bedeutung und zudem klärungsbedürftig. Denn der Bundesfinanzhof hatte bislang keine Gelegenheit, die Rechtsfrage abschließend zu beantworten, da sie bisher lediglich den Gegenstand eines Verfahrens betreffend den vorläufigen Rechtsschutz bildete (BFH, Beschluss vom 8. September 2009, II B 63/09, BFH/NV 2010, 68).

    VorschriftenAO § 34 Abs. 3, AO § 34 Abs. 1, InsO § 35, InsO § 36 Abs. 1, InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, InsO § 292, InsO § 313 Abs. 1 S. 1, KraftStG § 5 Abs. 1 Nr. 1, KraftStG § 7 Nr. 1, KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 5