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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 21.12.2009 – 6 K 1918/07

    1. Bei der Vereinbarung fallender Zinsen (sog. Step-down-Gelder) sind die Zinsen bei Zahlung laufende Betriebsausgaben; es ist kein ARAP für den Teil der Zinsen anzusetzen, der bei gleichbleibender Leistung über die Darlehenlaufzeit erst zu einem späteren Zeitraum anfiele.

    2. Die Rechnungsabgrenzung ist nicht Ausdruck einer betriebswirtschaftlichen, sondern einer rechtlichen Leistungsbezogenheit. Ob die Ausgabe Entgelt künftiger oder erbrachter Leistungen darstellt, kann nicht mithilfe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beurteilt werden. Sie richtet sich danach, welche Leistungen in einem synallagmatischen Austauschverhältnis stehen. Danach ist allein eine rechtliche Sicht maßgebend.

    3. Es liegt kein Aufwand für die Zeit nach dem Bilanzstichtag vor, soweit die Ausgabe bei Vertragsauflösung nach dem Bilanzstichtag nicht rückforderbar ist.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtlicher Richter … Ehrenamtliche Richterin …

    für Recht erkannt:

    Der Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom 4. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. September 2007 wird dahingehend abgeändert, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von … DM berücksichtigt werden.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob bei der Vereinbarung fallender Zinssätze (sog. Step-down-Gelder) ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) anzusetzen ist.

    Die Klägerin ist eine Kreditanstalt. Für das Streitjahr 1999 wurde sie mit Bescheid vom 8. August 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gemäß § 164 Abgabenordnung 1977 (AO) zur Körperschaftsteuer (KSt) veranlagt.

    Die Klägerin hat bei der … Bank (X-Bank) sog. Step-down-Gelder aufgenommen, die mit fallenden Zinssätzen verzinst werden. Laufzeit und Zinsstaffel wurden für jede einzelne Terminanlage individuell vereinbart. Im Streitjahr wurde der Klägerin von der X-Bank ein Geldbetrag in Höhe von … DM vom 10. November 1999 bis zum 10. November 2009 darlehensweise überlassen und dabei folgende Zinsfestschreibung vereinbart:

    Vom 10.11.1999 – 10.11.20007,5 %
    10.11.2000 – 12.11.20017,5 %
    12.11.2001 – 11.11.20026,5 %
    11.11.2002 – 10.11.20036 %
    10.11.2003 – 10.11.20045,5 %
    10.11.2004 – 10.11.20055 %
    10.11.2005 – 10.11.20064,5 %
    10.11.2006 – 12.11.20073,7 %
    12.11.2007 – 10.11.20083,3 %
    10.11.2008 – 10.11.20093,00 %
    Eine Kündigung der Geldanlage vor Fälligkeit ist ausgeschlossen, die Auflösung des Darlehensvertrags nur im gegenseitigen Einverständnis möglich. Die Rückzahlung an die X-Bank erfolgt in einer Summe am Ende der Laufzeit. Die Klägerin verbuchte die Zinsen bei Zahlung als laufende Betriebsausgaben.

    In den Jahren 2005/2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Die Betriebsprüferin ging bezüglich des o.g. Vertrags davon aus, dass eine über die Laufzeit gleich bleibende Leistung der X-Bank vorliegt und die insgesamt von der Klägerin gezahlten Zinsen gleichmäßig auf die Darlehenslaufzeit zu verteilen seien. Dies bedeute für das Streitjahr, dass rechnerisch ein Teil der Zinsen in Höhe von … DM auf die Folgejahre entfällt. In dieser Höhe hat die Betriebsprüfung Betriebsausgaben nicht anerkannt und anstelle dessen einen ARAP gebildet.

    Ob Ausgaben als Aufwand für das abgelaufene Wirtschaftsjahr oder für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag zu werten sind, sei danach zu entscheiden, ob der wirtschaftliche Grund in der Vergangenheit oder in der Zukunft liege, insbesondere ob und inwieweit diese Ausgaben durch bestimmte im abgelaufenen Wirtschaftsjahr empfangene Gegenleistungen oder erst durch künftig zu erwartende Gegenleistungen wirtschaftlich verursacht seien. Die über die die gesamte Darlehenslaufzeit gezahlten Zinsen seien eine zeitraumbezogene Gegenleistung für die Kapitalüberlassung. Da die Darlehen in einer Summe am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden, handele es sich um eine gleichbleibende Leistung der X-Bank während der gesamten Darlehenslaufzeit. Die gesamten von der Klägerin gezahlten Zinsen seien daher gleichmäßig auf die Darlehenslaufzeit zu verteilen. Soweit in den ersten Jahren der Darlehenslaufzeit erhöhte Zinsen gezahlt würden, würden diese teilweise Vorleistungen für die Kapitalüberlassung späterer Jahre darstellen.

    Der Beklagte schloss sich dieser Beurteilung an und erließ am 4. Juni 2007 einen entsprechenden Änderungsbescheid. Dagegen legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein. Die zur Beginn der Darlehenslaufzeit vergleichsweise höheren Zinszahlungen seien zivilrechtlich für die jeweils abgeschlossenen Zinszahlungszeiträume der Vergangenheit geschuldet und bezahlt. Dies zeige sich nicht zuletzt darin, dass, wenn das Darlehensverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst werde, für den Darlehensnehmer kein Rückzahlungsanspruch auf die – wirtschaftlich betrachtet – vorausgezahlten Zinsen bestehe. Ebenso erfolge keine Anrechnung auf die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung.

    Der Einspruch wurde in der Teil-Einspruchsentscheidung vom 19. September 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Bei Darlehensverhältnissen sei bezüglich der Frage, ob im Streitjahr Zinsen als Ausgaben anfallen, die wirtschaftlich spätere Zeiträume betreffen, die vom Darlehensnehmer für einen bestimmten Zeitraum gezahlten Zinsen mit dem Wert der in dieser Zeit erhaltenen Kapitalüberlassung zu vergleichen. Zur Bestimmung dieses Wertes sei bei einer Kreditaufnahme mit festgeschriebenen Konditionen nach der insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung die anfallenden Gesamtkosten gleichmäßig auf den Festschreibungszeitraum zu verteilen. Die Grundsätze, die bei der Vereinbarung eines Damnums bzw. Disagios Anwendung fänden, seien auch bei der Vereinbarung fallender Zinssätze anzuwenden. Der hohe Zins zu Beginn der Darlehensaufnahme sei wirtschaftlich allein dadurch zu begründen, dass im Gegenzug in den letzten Jahren der Zinsfestschreibung ein unterdurchschnittlicher Zins festgelegt worden sei.

    Dagegen richtet sich die Klage vom 16. Oktober 2007. Ein Vorleistungscharakter sei im Streitfall nicht gegeben. In Anbetracht der klaren zivilrechtlichen Lage könne es auf den wirtschaftlichen Grund der über die Jahre fallenden Zinssätze nicht ankommen. Außerdem könne es aus der Sicht des Darlehensgebers aus Risikoüberlegungen heraus durchaus sinnvoll sein, zu Beginn einer längeren Vertragsbeziehung höhere Preise zu fordern. Ebenso könnten die jeweiligen Marktumstände mit zunehmender Laufzeit fallende Zinssätze begründen. Im Übrigen akzeptiere der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 20. Januar 1993 I R 115/91, Bundessteuerblatt (BStBl) II 1993, 373 im Fall des Zuwachssparens mit während der Laufzeit steigenden Zinsen gerade keine Ergebnisgleichverteilung, obwohl dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise wegen der mit Dauer der Vertragslaufzeit zunehmenden Wahrscheinlichkeit des Erfüllen-Müssens geboten sei. Eine Ergebnisgleichverteilung werde hier steuerlich nicht akzeptiert mit der Begründung, dass der Sparer kündigen könne, also gerade mit einem zivilrechtlichen Argument.

    Die Klägerin beantragt,

    den Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom 4. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. September 2007 dahingehend abzuändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von …DM berücksichtigt werden,

    für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens Zulassung der Revision.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens Zulassung der Revision.

    Das Finanzamt (FA) hält an der Argumentation in der Einspruchsentscheidung fest.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 26. Oktober 2009 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet. Die Bildung eines ARAP verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    1. a) Für Zwecke der Ermittlung der von ihr zu entrichtenden Körperschaftsteuer ist die Klägerin verpflichtet, das nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisende Betriebsvermögen anzusetzen (§ 8 Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 5 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)). Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 250 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) in der im Streitjahr gültigen Fassung sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite nur Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, anzusetzen.

    b) Der Anwendungsbereich der Rechnungsabgrenzung betrifft in erster Linie typische Vorleistungen eines Vertragspartners im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages i.S. der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), er ist jedoch nicht auf synallagmatisch schuldrechtliche Leistungen beschränkt (BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 I R 9/04, BStBl II 2005, 481).

    c) Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift über RAP ergibt sich, dass § 5 Abs. 5 EStG restriktiv angelegt ist; der Posten soll im Interesse der Bilanzklarheit möglichst klein gehalten werden. Dies kommt auch im Wortlaut zum Ausdruck (Bauer, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rn. F 75). Die einschränkende Auslegung entspricht dem Vorsichtsprinzip. Es war die Absicht des Gesetzgebers, der kaufmännischen Vorsicht den Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Überlegungen zur Ermittlung des richtigen Periodengewinns einzuräumen (Bauer, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rn. F 76).

    2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1999 sind im Streitfall nicht erfüllt. Die von dem Beklagten nicht anerkannten Zinsen stellen keinen Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag dar.

    a) Aufgabe der Rechnungsabgrenzung ist es, die Vorleistung des einen Teils in das Jahr zu verlagern, in dem die nach dem Vertrag geschuldete Gegenleistung erbracht wird. Die Zuordnung erfolgt daher nicht aufgrund der Kostenrechnung, sondern ausschließlich nach Maßgabe des Schuldverhältnisses (Bauer, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rn. F 87); maßgeblich ist das rechtliche, insbesondere schuldrechtliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung (BFH-Urteil vom 12. August 1982 IV R 184/79, BStBl II 1982, 696). Die Rechnungsabgrenzung ist nicht Ausdruck einer betriebswirtschaftlichen, sondern einer rechtlichen Leistungsbezogenheit. Ob die Ausgabe Entgelt künftiger oder erbrachter Leistungen darstellt, kann nicht mithilfe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beurteilt werden. Sie richtet sich danach, welche Leistungen in einem synallagmatischen Austauschverhältnis stehen. Somit ist allein eine rechtliche Sicht maßgebend (Bauer, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rn. F 89, 95).

    b) Dementsprechend hat die Klägerin die vertraglich geschuldeten Zinsen im Streitjahr als Betriebsausgaben gebucht. Der Darlehensvertrag wurde auch unter fremden Dritten abgeschlossen und bedarf insofern nicht der Anpassung. Der Senat vermag dem Beklagten nicht in seiner Auffassung zu folgen, infolge einer wirtschaftlichen wie auch rechtlichen Verknüpfung zwischen der Klägerin und der X-Bank seien die Modalitäten des Darlehensvertrages in Frage zu stellen. Belastbare Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen und in Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin an der X-Bank nicht wesentlich beteiligt ist, auch nicht ersichtlich.

    c) Nach der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 12. August 1982 IV R 184/79, BStBl II 1982, 696; vom 6. April 1993 VIII R 86/91, BStBl II 1993, 709) liegt kein Aufwand für die Zeit nach dem Bilanzstichtag vor, soweit die Ausgabe bei Vertragsauflösung nach dem Bilanzstichtag nicht rückforderbar ist.

    So liegt der Fall hier. Unstreitig existiert keine vertragliche Regelung, wonach die Klägerin bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung bereits bezahlte Zinsen auf eine zu leistende Vorfälligkeitsentschädigung anrechnen könnte. Das vom FA im Schriftsatz vom 6. Mai 2008 (Bl. 19 d.A.) genannte Beispiel eines gleichartigen Vertrages, der von März 2001 bis März 2008 laufen sollte und im Oktober 2005 aufgelöst wurde, zeigt im Übrigen, dass bzgl. des dortigen Vertrages gerade keine Anrechnung bereits gezahlter Zinsen auf die Vorfälligkeitsentschädigung erfolgte. Vielmehr wurde zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung lediglich der für die Restlaufzeit vereinbarte Zinssatz mit demjenigen verglichen, zu dem der Darlehensgeber sein Kapital am Markt wieder anlegen konnte.

    d) Schließlich lassen die Darlegungen des Beklagten nicht darauf schließen, dass der im Streitjahr zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Zinsverlauf offensichtlich dem Marktgeschehen widersprochen hätte, zumal bzgl. der Zinshöhe während der Vertragslaufzeit eine sinkende Tendenz zu beobachten war. Auch insoweit ist der Vortrag der Klägerin, es handele bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um eine Maßnahme im Rahmen des Makro-Hedgings, nicht erschüttert worden.

    Somit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vereinbarung über die Höhe der Zinsen keine „Richtigkeitsgewähr” in dem Sinne zuerkannt werden kann, dass die jeweilige Zinshöhe Ausdruck einer sachgerechten, im Ausgleich widerstreitender Interessen gefundenen Bewertung ist.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

    VorschriftenKStG § 8 Abs. 1, EStG § 5 Abs. 1, EStG § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, HGB § 250 Abs. 1 S. 1