20.10.2009
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 20.05.2009 – 1 K 122/03
1. Von einer Zuführung „überwiegend neuen Betriebsvermögens” i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1999 ist dann auszugehen, wenn das in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile der Kapitalgesellschaft neu zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt (im Streitfall: Bejahung eines zeitlichen Zusammenhangs bei einem Zeitraum von 18 Monaten zwischen dem Wechsel der Anteilseigner und der letztmaligen Zuführung neuen Betriebsvermögens). Dies ist anhand einer gegenständlichen Betrachtungsweise zu ermitteln; eine Verrechnung von Zu- und Abgängen zu einem betragsmäßigen Saldo ist nicht vorzunehmen. Unerheblich für die Zuführung von „überwiegend neuem Betriebsvermögen” ist, ob es sich bei dem neu zugeführten Anlagevermögen überwiegend um Ersatzbeschaffungen handelt.
2. Bei der Ermittlung des Firmenwerts nach der Ertragswertmethode ist für die Schätzung der für die Zukunft zu erwartenden nachhaltigen Jahresgewinne von den in der Vergangenheit tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen auszugehen. Das gilt auch dann, wenn bis zur Anteilsübertragung erst rund drei Jahre seit der Unternehmensgründung vergangen sind und es sich damit um die Anlaufphase des Unternehmens handelt, wenn die Gewinne aber auch in den Folgejahren nach der Anteilsübertragung nicht merklich angestiegen sind. Der für das Ertragswertverfahren maßgebliche Kapitalisierungszinsfuß wird aus dem sog. Basiszinssatz (marktüblicher Zinssatz für festverzinsliche Wertpapiere) und Zuschlägen, die dem mit dem Einsatz von Kapital verbundenen Risiko Rechnung tragen sollen, ermittelt (im Streitfall: ausgehend von den Renditen im Umlauf befindlicher festverzinslicher inländischer Wertpapiere von 4,21 % im Jahr 1998 und einem Risikozuschlag von 50 % erachtet das Gericht einen Kapitalzinsfuß von 6,31 % für angemessen).
3. Auch unabhängig von den streitigen Berechnungsmodalitäten besteht für die Annahme eines Firmenwertes bereits drei Jahre nach Gründung der Klägerin kein Raum. Einer der Gesellschafter hat mit Vertrag vom 21.11.2000 seinen Geschäftsanteil von 4.000,00 DM zum Nennbetrag veräußert. Sollte die Klägerin bereits im Juni 1998 tatsächlich einen Firmenwert gehabt haben, so ist davon auszugehen, dass dieser auch bei der Anteilsveräußerung Berücksichtigung gefunden hätte. Dies ist nicht geschehen.
4. Mangels Vorliegens eines Firmenwerts konnte zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung offen bleiben, ob zum Betriebsvermögen i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1999 auch nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter und hierbei insbesondere ein originärer Firmenwert gehören.
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht … als Vorsitzenden, der Richterin am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richterin … und des ehrenamtlichen Richters …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 11.465,00 EUR.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG vorliegen.
Die Klägerin ist eine mit Vertrag vom … Mai 1995 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gründungsmitglieder waren R. und C., die jeweils zur Hälfte am Stammkapital von 50.400,00 DM beteiligt waren.
Die Gründungsgesellschafter der Klägerin L. und H. haben im Jahr 1995 Darlehensverträge mit den späteren Gesellschaftern A., S., R. J., D., K. sowie K. B. abgeschlossen, in denen es wörtlich heißt:
„Zweckbestimmung des Darlehens ist die Bildung des Stammkapitals der U. GmbH. Der Darlehensnehmer verpflichtet sich, das Darlehen zweckentsprechend zu verwenden. Die Tilgung des Darlehens erfolgt durch Abtretung von Teilgeschäftsanteilen entsprechender Höhe durch den Darlehensnehmer an den Darlehensgeber. Hierzu muß der Darlehensgeber entsprechend den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zuvor ein arbeitsrechtliches Verhältnis mit der U. GmbH aufgenommen haben. Die Abtretung der Teilgeschäftsanteile durch den Darlehensnehmer wird mit notarieller Beurkundung vollzogen. Diese Abtretung wird für den Zeitpunkt angestrebt, zu dem die Mehrzahl der beteiligungswilligen künftigen Gesellschafter ein arbeitsrechtliches Verhältnis mit der U. GmbH aufgenommen hat, und mittelfristig keine Arbeitsaufnahme noch außenstehender künftiger Gesellschafter zu erwarten ist. Die Haftung des Darlehensnehmers für das Darlehen erstreckt sich nur auf die zweckbestimmte Verwendung (Einzahlung auf das Firmenkonto). Im Falle des Verlustes des Stammkapitals infolge Haftungsansprüchen an die U. GmbH gilt das Darlehen in anteiliger Höhe als verloren. Das heißt, der Darlehensgeber kann für den entsprechenden Betrag keine Forderung auf Rückzahlung bzw. Teilgeschäftsanteile erheben. Sinn dieser Vereinbarung ist die Verteilung des anfänglichen Geschäftsrisikos. Hierbei ist zu beachten, daß die Gründungsgesellschafter bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen haften und nach der Eintragung zusätzlich zu ihren Einlagen mit ihrem Vermögen bis zur Höhe der verbleibenden Differenz zwischen eingezahlten Geschäftsanteilen und 50.000 DM in Haftung stehen. Im Zeitpunkt bis zur oben genannten Abtretung von Teilgeschäftsanteilen eventuell anfallende Gewinne verbleiben der U. GmbH zum Zwecke der Entwicklung der Gesellschaft (z. B. Investitionen) bzw. bis zur Beschlußfassung der mit den neuen Gesellschaftern durchzuführenden Gesellschafterversammlung. Die Rückzahlung gegebenenfalls abzüglich eingetretener Verluste (zum Beispiel Gründungskosten, Haftungsansprüche) erfolgt bis spätestens sechs Monate nach Eintreten von mindestens einem der folgenden Fälle: im Falle des Ablebens des Darlehensgebers, falls die Gesellschaftsgründung innerhalb von zwei Jahren nicht erfolgt ist oder im Fall der Unmöglichkeit der Erlangung des angestrebten Gesellschafterstatus durch den Darlehensgeber.”
Mit notariellem Vertrag vom 30. Juni 1998 haben die Gründungsgesellschafter ihre Gesellschaftsanteile von jeweils 25.200,00 DM geteilt und weitere Gesellschafter aufgenommen.
Die Übertragungen sind wie folgt im Einzelnen darzustellen:
R. (Gründungsgesellschafter): an S. (4.000,00)
an K. B. (4.000,00)
an R. J. (4.000,00)
an D. (3.000,00)
C. (Gründungsgesellschafterin): an A. (8.000,00)
an K. (10.200,00)
an D. (1.000,00).
Am … Dezember 2000 reichte die Klägerin die Steuererklärungen sowie den dazugehörigen Jahresabschluss für 1999 im Finanzamt ein.
Im Veranlagungsverfahren vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass bei der Klägerin die Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG vorlagen, da sie im Jahr 1999 ihre wirtschaftliche Identität verloren habe. Der zum 31.12.1998 festgestellte Verlust sei zu versagen.
Der Verlustabzug sei bei einer Kapitalgesellschaft nach § 8 Abs. 4 KStG insbesondere zu versagen, wenn einerseits mehr als 50 % der Anteile der Kapitalgesellschaft übertragen worden seien und andererseits die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführe. Die Klägerin habe zum 30. Juni 1998 mehr als 50 % ihrer Anteile an neue Gesellschafter übertragen. Des Weiteren führe die Klägerin nach Anteilsübertragung ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fort. Dabei seien nicht nur die im Jahr 1999 getätigten Betriebsvermögenszuführungen, sondern auch die bereits im Jahr 1998, nach dem 30.06.1998 erfolgten Investitionen zu berücksichtigen. Danach ergebe sich bezogen auf das Anlagevermögen folgendes Bild:
Zuführungen nach dem 30. Juni 1998: 35.500,00 DM
Zuführungen 1999: 157.200,00 DM
Summe: 192.700,00 DM.
Das zugeführte Anlagevermögen übersteige somit deutlich das zum Zeitpunkt des schädlichen Anteilseignerwechsels vorhandene Anlagevermögen.
Gleiches gelte für das Umlaufvermögen bzw. den Geld- und Bankbestand.
Beim Vergleich der Bilanzansätze zum 31.12.1998 und derjenigen zum 31.12.1999 ergebe sich folgendes Bild:
Umlaufvermögen:
31.12.1998: 180.073,00 DM
31.12.1999: 533.939,00 DM; Differenz = 353.866,00 DM
Forderungsbestand:
31.12.1998: 255.405,00 DM
31.12.1999: 286.492,00 DM; Differenz = 31.087,00 DM
Kasse, Bank:
31.12.1998: 93,00 DM
31.12.1999: 244.280,00 DM; Differenz = 244.187,00 DM
Verbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten:
31.12.1998: 137.550,00 DM
31.12.1999: 422.975,00 DM; Differenz = 285.425,00 DM
Summe der Zugänge auf der Aktivseite = 821.840,00 DM; Bilanzsumme zum 31.12.1998 = 592.154,00 DM.
Am …Mai 2001 erließ das Finanzamt die Steuerbescheide für 1999 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Körperschaftsteuer wurde dabei auf 7.913,00 DM festgesetzt. Der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer ist auf 0,00 DM und der vortragsfähige Gewerbeverlust ebenfalls auf 0,00 DM festgestellt worden. Die jeweils auf den 31.12.1998 festgestellten Verluste hat das Finanzamt im Hinblick auf § 8 Abs. 4 KStG nicht zum Abzug zugelassen.
U. a. gegen diese Bescheide wendete sich die Klägerin mit dem am … Mai 2001 beim Beklagten eingegangenen Einspruch. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor,
im Streitfall sei ein Verlust der wirtschaftlichen Identität durch die formelle Übertragung der Geschäftsanteile am 30. Juni 1998 nicht eingetreten, da bereits im Gründungszeitpunkt der Klägerin die später formell aufgenommenen Gesellschafter faktisch bereits diese Stellung innegehabt hätten. Des Weiteren werde bestritten, dass eine schädliche Betriebsvermögenszuführung vorliege. Das nutzbare Betriebsvermögen habe im Jahr des durch das Finanzamt angenommenen Identitätsverlustes ca. 100.000,00 DM betragen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass von diesem Aktivvermögen ca. 40.000,00 DM auf Software und 35.000,00 DM auf Hardware entfalle. Im Wirtschaftsjahr 1999 seien ca. 157.000,00 DM an neuem Betriebsvermögen der GmbH zugeführt worden. Hiervon entfielen 90.000,00 DM auf Software, die lediglich neuere Versionen der im Jahr 1998 angeschafften Software darstelle. Weitere 30.000,00 DM entfielen auf Hardware. Demnach sei nur Betriebsvermögen zugeführt worden, das der Art nach bereits vorhanden gewesen sei.
Während des Rechtsbehelfsverfahrens reichte die Klägerin am …08.2001 geänderte Steuererklärungen und eine geänderte Bilanz für 1999 im Finanzamt ein. Der Beklagte erließ daraufhin am … September 2001 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide. Lt. Bescheid betreffend die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1999 stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auf 40.561,00 DM und den nichtabziehbaren Verlust nach § 8 Abs. 4 KStG auf 45.529,00 DM fest. Gemäß Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999 wurde der verbleibende Verlustabzug auf 27.364,00 DM und der nichtabziehbare Verlust nach § 8 Abs. 4 KStG auf 40.642,00 DM festgestellt.
Die geänderten Bescheide wurden Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Am … Januar 2003 wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.
Am … Februar 2003 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor,
es liege keine schädliche Anteilsübertragung vor, da die neu eingetretenen Gesellschafter bereits bei Gründung der Gesellschaft eine faktische Gesellschafterstellung innegehabt hätten. Bereits bei Gründung der Gesellschaft habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Gesellschaftsanteile lediglich treuhänderisch für die hinzu getretenen Gesellschafter gehalten werden. Den formellen Gründungsgesellschaftern seien Darlehen durch die hinzu getretenen Gesellschafter gewährt worden, aus denen dann die Stammeinlage bestritten worden sei und die bei der späteren formellen Übertragung der Gesellschaftsanteile mit dem zu entrichtenden Kaufpreis verrechnet worden seien. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise hätten die neuen Gesellschafter mit der Hingabe der Darlehensmittel an die Gründungsgesellschafter jedoch bereits die Stellung eines Gesellschafters innegehabt. Wirtschaftlich betrachtet handele es sich bei den Darlehensmitteln um Eigenkapital. Die Verzinsung der Darlehen habe für die neuen Gesellschafter in der Aussicht bestanden, an den stillen Reserven nach dem zivilrechtlich wirksamen Anteilserwerb als Gesellschafter zu partizipieren oder aber an einer Gewinnausschüttung ebenfalls nach dem zivilrechtlich wirksamen Anteilserwerb teilzuhaben. Denn es sei vereinbart worden, dass etwaige Überschüsse im Gewerbebetrieb stehen gelassen werden sollten oder aber in einem späteren Zeitpunkt als Gewinn an die Anteilseigner ausgeschüttet werden sollten.
Der Kaufpreis der Anteile habe von Beginn an festgestanden. Die Darlehenssumme sei bewusst in Höhe der abgetretenen Gesellschaftsanteile festgelegt worden. Es habe die Absicht bestanden, dass alle Gesellschafter die gleichen Anteile halten sollten. Deshalb sei das aufzubringende Mindeststammkapital durch die Anzahl der seinerzeit interessierten zukünftigen Gesellschafter geteilt worden. Daraus habe sich der Darlehensbetrag ergeben. Auch für den zeitlichen Ablauf habe es einen Plan gegeben. Zunächst sei sicher zu stellen gewesen, dass Arbeitsplätze für die interessierten Gesellschafter geschaffen werden. Um nicht dauernd den formalen Akt der Anteilsübertragung bei einem Notar durchführen zu müssen, sei in der Darlehensvereinbarung der Zeitpunkt der Anteilsübertragung bestimmt worden. Diese Vorgehensweise habe den Verwaltungsaufwand minimieren sollen. Steuerliche Aspekte hätten keine Rolle gespielt.
Die Käufer der Anteile hätten mit Hingabe der Darlehen faktisch Gesellschafterrechte gehabt. Für alle Abstimmungen vor der notariellen Anteilsübertragung habe jeder Gesellschafter gleichberechtigt eine Stimme gehabt. Gegenstand der Abstimmung seien u. a. Satzungsänderungen gewesen.
Hierzu werde auf die Protokolle der Gesellschafterversammlungen vom 15.07.1997 sowie vom 08.07.1997 (Bl. 1 ff. Beiakte A) verwiesen. Zivilrechtlich habe es zu den genannten Zeitpunkten zwar nur zwei Gesellschafter gegeben, die neuen „Gesellschafter” hätten aber mitbestimmen dürfen, da deren zivilrechtliche Gesellschafterstellung nur eine Frage der Zeit gewesen sei. Somit hätten sich die Rechte der Käufer der Anteile durch den zivilrechtlichen Erwerb der Anteile nicht verändert. Die Käufer der GmbH-Anteile seien als faktische Mitgesellschafter in gleicher Weise mitverantwortlich für die entstandenen Verluste wie die zivilrechtlichen (formalen) Gesellschafter.
Des Weiteren seien die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG im Streitfall nicht gegeben, da nach dem vermeintlichen Anteilserwerb kein überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden sei. Im Streitfall sei zum Tag des Anteilswechsels nicht wie ursprünglich vorgetragen ein Firmenwert von 420.730,00 DM, sondern wie nunmehr im Schriftsatz vom 12.05.2009 dargestellt, ein solcher von 1.065.925 DM zu berücksichtigen.
Um den Wert des originären Firmenwertes zu ermitteln, seien vom Unternehmenswert die in der Bilanz ausgewiesenen übrigen immateriellen Vermögensgegenstände abzuziehen:
Unternehmenswert: | 1.767.180,00 DM |
Teilwerte Anlagevermögen: | - 132.004,00 DM |
Teilwerte Umlaufvermögen: | - 569.251,00 DM |
originärer Firmenwert: | 1.065.925,00 DM |
Phase I: 267.180,00 DM
Phase II: 60.000 DM/(100/4) = 1.500.000,00 DM
Ursprünglich sei bei der Berechnung der Phase II ein Kapitalisierungsfaktor von 6,0 angenommen worden. Dieser Ansatz sei jedoch fehlerhaft. Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Kapitalisierungsfaktors sei der Basiszinssatz im Zeitpunkt der Bewertung (Umlaufrendite 1998). Folglich sei auch für die Barwertermittlung der Phase II ebenfalls ein Kalkulationszinssatz von 4,0 % zugrunde zu legen.
Bei der Berechnung des Unternehmenswertes sei von einem durchschnittlichen Gewinn der Klägerin vor Steuern von 60.000,00 DM auszugehen. Des Weiteren seien die zu erwartenden Umsatzerlöse mit 2,0 Mio. DM und die Personalkosten mit 1,4 Mio. DM anzusetzen. Die Fremdarbeiten seien mit 7,5 % des Umsatzes, also 150.000,00 DM zu berücksichtigen.
Die Höhe der Fremdarbeiten sei im Zusammenhang mit der Höhe der Personalkosten zu sehen, da die Ingenieurleistungen von der Klägerin entweder mit eigenem Personal oder alternativ mit selbständig tätigen Ingenieuren erbracht werden könnten. Diese beiden Kostenarten würden für den Leistungserstellungsprozess insoweit eine Einheit bilden. Ein Wert von insgesamt 80 % für die Kostenarten Personal und Fremdleistungen vom Umsatz – so wie es das Finanzamt annehme – sei zu hoch gegriffen. Dies zeige der externe Branchenvergleich, der knapp 35 % vom Umsatz für beide Kostenarten ausweise. Selbstverständlich sei darüber hinaus auch ein interner Betriebsvergleich in die Prognose der Kostenhöhe einzubeziehen. Aber auch die anteiligen Kosten der Klägerin für Personal und Fremdleistungen würden nicht den vom Beklagten genannten Wert erreichen. Es gelte zu bedenken, dass ein potentieller Erwerber bei seinen kaufmännischen Überlegungen von der Zielsetzung ausgehen würde, diese bedeutendste Kostenart (Personalkosten/Fremdarbeiten) dem Branchendurchschnitt anzunähern, also deutlich unter 80 % vom Umsatz.
Die tatsächlichen Kostenverhältnisse lägen unterhalb von 80 %. So würden die Fremdarbeiten im Verhältnis zu den erbrachten Leistungen im Jahr 1998 lediglich 7,7 % und nicht zwischen 13 – 21 % betragen, für das Jahr 1999 betrage der Wert sogar nur 6,8 %.
Es gebe somit keinen Grund, den Wert der Fremdarbeiten für die Ermittlung des Ertragswertes zu erhöhen.
Bei einem originären Firmenwert zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels laut Ertragswertmethode von 1.065.925,00 DM betrage der Wert der Zuführungen zum Anlagevermögen in den Jahren 1998 (ab der zivilrechtlichen Anteilsübertragung) und 1999 ausweislich der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes 192.700,00 DM. Dieser Wert unterschreite den Wert des Betriebsvermögens am vermeintlichen Tag des Erwerbs der Anteile. Somit seien die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt,
abweichend vom Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1999 in der Form der Einspruchsentscheidung vom …. Januar 2003 den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer auf 86.090,00 DM festzustellen,
abweichend vom Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999 in der Form der Einspruchsentscheidung vom …. Januar 2003 den verbleibenden vortragsfähigen Gewerbeverlust auf 68.006,00 DM festzustellen
und
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei davon auszugehen, dass die Darlehensgeber keine faktischen Gesellschafter geworden seien, da ihnen gerade nicht alle wesentlichen mit der Beteiligung verbundenen Rechte zugestanden hätten. Insbesondere würden sich aus den von der Klägerin auch im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen kein Gewinnbezugsrecht oder weitere mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte der neu eingetretenen Gesellschafter ergeben.
So sei in den Darlehensverträgen vom Mai 1995 festgehalten, dass die Darlehensnehmer die Geldbeträge nur für die Bildung des Stammkapitals der Klägerin verwenden dürften. Die Tilgung der Darlehen sollte durch die Abtretung von Geschäftsanteilen erfolgen. Die Übernahme von Geschäftsanteilen sei also nur beabsichtigt gewesen. Dies komme auch dadurch zum Ausdruck, dass die Rückzahlung des Darlehens erfolgen müsse, wenn die Erlangung des Gesellschafterstatus durch den Darlehensgeber unmöglich geworden sei. Bei der Regelung, dass im Falle des Verlustes des Stammkapitals das Darlehen in anteiliger Höhe als verloren gelten solle, bestehe zwar eine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten bei einem „echten” Gesellschafter. Um von einer Gesellschafterstellung ausgehen zu dürfen, bedürfe es jedoch noch weiterer Merkmale. Zwar hätten einige der Personen, die im Jahr 1998 zivilrechtliche Gesellschafter geworden seien, gewisse Stimmrechte ausgeübt. Offen bleibe aber trotzdem, wer welchen Anteil in welcher Höhe konkret innegehabt hätte und wie die Personen zu behandeln seien, die zwar zunächst ein Darlehen gewährt hätten, später aber nicht zivilrechtlich Gesellschafter der Klägerin geworden seien. Dies betreffe 12 Personen. Ihnen sei Ende 1997 das Darlehen i. H. v. 1.500,00 DM wieder zurückgezahlt worden. Konsequenterweise hätten diese von der Klägerin dann ebenfalls als wirtschaftliche Eigentümer behandelt werden müssen. Aus den vorgelegten Protokollen von Gesellschafterversammlungen (z. B. vom 15.09.1997, 21.08.1997 und 08.07.1997) gehe aber kein Stimmrecht für diese Personen hervor.
Das von der Klägerin zitierte BFH-Urteil vom 13.08.1997 (I R 89/96) sei nicht einschlägig. Dort habe der neu eingetretene Gesellschafter, der zunächst nur 10 % des Stammkapitals erworben habe, die Änderung des Gesellschaftervertrages dahingehend erwirkt, dass die Gesellschafterversammlung nur noch einstimmig habe entscheiden können. Damit habe der Gesellschafter trotz der geringen Beteiligungsquote Entscheidungen blockieren und ein Mitbestimmungsrecht wahrnehmen können. Im Gegensatz dazu sei im Streitfall jedoch nicht zu ersehen, inwieweit die Darlehensgeber überhaupt eine Möglichkeit gehabt haben sollten, Entscheidungen zu beeinflussen. Darüber hinaus hätten laut den vorgelegten Verträgen im Mai 1995 die Darlehensgeber nur jeweils 1.500,00 DM gezahlt, obwohl sie im Jahr 1998 wesentlich höhere Anteile übernommen hätten. Zum Beispiel habe Herr K. einen Anteil von 10.200,00 DM übernommen.
Des Weiteren liege im Jahr 1999 eine schädliche Betriebsvermögenszuführung vor. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin liege zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels am 30.06.1998 kein Unternehmenswert vor. Die Grundlage für eine Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren bilde der voraussichtlich künftig zu erzielende Durchschnittsertrag. Der voraussichtlich künftig erzielbare Durchschnittsertrag müsse geschätzt werden. Die für die Vergangenheit erzielten Betriebsergebnisse bildeten für die Schätzung des Jahresertrages eine wichtige Orientierungshilfe. Bei der Ermittlung des Durchschnittsertrages anhand der Vergangenheitswerte sei in der Regel von den Betriebsergebnissen der letzten 3 bis 5 Jahre auszugehen.
Im Streitfall habe sich die Klägerin vermutlich noch in der Anlaufphase befunden, so dass die Betriebsergebnisse der Vergangenheit nicht bzw. nur eingeschränkt verwendet werden könnten.
Die tatsächlichen Zahlen bzw. die Entwicklung der Klägerin in den Folgejahren belegten, dass ein Firmenwert zum 30.06.1998 nicht vorhanden gewesen sei:
Der durchschnittliche Ertrag der Jahre belaufe sich danach auf 16.437,00 DM. Für die Prognoserechnung könne – auch unter Berücksichtigung der vergangenen Wirtschaftsjahre – höchstens ein Durchschnittsertrag von 30.000,00 DM angesetzt werden.
Die Klägerin gehe unzutreffend von einem durchschnittlichen Gewinn vor Steuern von 60.000,00 DM bei der Berechnung des Unternehmenswertes aus, weil sie die Fremdarbeiten mit 7,5 % des Umsatzes, also 150.000,00 DM berücksichtige. Stattdessen hätten hier mindestens 10 % angesetzt werden müssten. Aus den Gewinnermittlungen bis 1998 hätten sich noch höhere Werte ergeben. Bei Berücksichtigung der Fremdarbeiten mit ca. 10 % des Umsatzes ergebe sich lediglich ein durchschnittlicher Gewinn der Klägerin von 10.000,00 DM.
Werde ein Durchschnittsertrag der Klägerin von 30.000,00 DM zugrundegelegt und von einem Kapitalisierungszinsfuß von 6 % ausgegangen, ergebe sich ohne Aufteilung in zwei Phasen im Ertragswertverfahren ein Unternehmenswert von 500.000,00 DM. Werde die Berechnung in zwei Phasen aufgeteilt, sei jedoch das Ergebnis der zweiten Phase durch den Abzinsungsfaktor der Phase I. (hier 1,04) potenziert mit der Zahl der in Phase I einbezogenen Jahre (hier 5) zu dividieren, somit
30.000/(100/) | = 500.000 |
500.000/1,045 | = 410.963,00 DM. |
30.000/1,041 | = 28.846,15 DM |
30.000/1,042 | = 27.736,68 DM |
30.000/1,043 | = 26.669,88 DM |
30.000/1,044 | = 25.644,12 DM |
30.000/1,045 | = 24.657,81 DM |
Summe: | 133.554,64 DM. |
Um den Firmenwert zu errechnen, seien vom Unternehmenswert die Teilwerte des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens abzusetzen.
Danach ergebe sich folgendes Ergebnis:
Unternehmenswert | 544.517,00 DM |
./. Teilwerte Anlagevermögen | 132.004,00 DM |
./. Teilwerte Umlaufvermögen | 569.251,00 DM |
Differenz | ./. 156.738,00 DM |
Schließlich könne der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin im Schriftsatz vom 27.04.2009 bei der Berechnung des Unternehmenswertes auch keinen Kapitalisierungszinsfuß von lediglich 4 % zugrundelegen.
Dem Gericht lagen zur Entscheidung ein Band Rechtsbehelfsakten, ein Band Körperschaftsteuerakten, ein Band Gewerbesteuerakten, ein Band Bilanzakten sowie ein Band Dauerbeleg-Akten vor.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10 d EStG bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG definiert die „wirtschaftliche Identität” einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann es an der wirtschaftlichen Identität fehlt, nämlich dann, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an der Körperschaft übertragen wird und sie danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Die Vorschrift setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit dem in Satz 2 Genannten wirtschaftlich vergleichbar sind. Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen wird, überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird.
Für die Gewerbesteuer gilt dies gemäß § 10 a Satz 4 Gewerbesteuergesetz i. d. Fassung des Streitjahres entsprechend.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG liegen im Streitfall vor.
Im Streitfall sind mehr als 50 v. H. der Anteile der Klägerin am 30.06.1998 auf neue Anteilseigner übertragen worden. Damit ist eine Voraussetzung des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 KStG für das Fehlen der wirtschaftlichen Identität im Streitfall erfüllt.
Mit notariellem Vertrag vom 30.06.1998 wurden Anteile des Gründungsgesellschafters H. von nominal 15.000,00 DM an die neuen Gesellschafter A. (4.000,00 DM), B. (4.000,00 DM), J. (4.000,00 DM) und P. (3.000,00 DM) übertragen. Die Gründungsgesellschafterin L. übertrug Anteile von nominal 19.200,00 DM an die neuen Gesellschafter S. (8.000,00 DM), F. (10.200,00 DM) sowie P. (1.000,00 DM). Bezogen auf das Stammkapital der Gesellschaft wurden damit 67,86 % der Anteile veräußert.
Des Weiteren wurde der Klägerin im Jahr 1999 überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter Betriebsvermögen i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n. F. ausschließlich das Aktivvermögen zu verstehen. Überwiegend neues Betriebsvermögen liegt vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 1997 I R 89/96, BStBl II 1997, 829). Dies ist anhand einer gegenständlichen Betrachtungsweise zu ermitteln; eine Verrechnung von Zu- und Abgängen zu einem betragsmäßigen Saldo ist nicht vorzunehmen.
Da es mangels Bilanzaufstellung der Klägerin zum 30.06.1998 nicht möglich ist, dass Betriebsvermögen zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels exakt zu bestimmen, wird auf die von der Klägerin angegebenen Werte – hier des Anlagevermögens – abgestellt. Danach betrug das Anlagevermögen der Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung im Jahr des Anteilseignerwechsels ca. 100.000,00 DM. Davon entfielen ca. 40.000,00 DM auf Software und 35.000,00 DM auf Hardware. Nach den Feststellungen des Finanzamtes ist der Klägerin nach dem Anteilseignerwechsel am 30.06.1998 Anlagevermögen i. H. v. 192.700,00 DM zugeführt worden. Damit überstieg das zugegangene Aktivvermögen unabhängig davon den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens, ob das Umlaufvermögen der Klägerin trotz fehlenden Branchenwechsels in diese Betrachtung einzubeziehen ist oder nicht.
Das Tatbestandsmerkmal der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens ist auch dann erfüllt, wenn – wovon die Beteiligten ausgehen – die Werte des Betriebsvermögens (im Streitfall nur Anlagevermögen) zum 31.12.1998 (94.342,00 DM) mit den Werten des Betriebsvermögens zum 31.12.1999 verglichen werden (195.361,00 DM).
Unerheblich für die Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen ist, ob es sich bei dem neu zugeführten Anlagevermögen überwiegend um Ersatzbeschaffungen handelt. Auch Ersatzbeschaffungen sind im Ergebnis steuerschädlich (vgl. dazu BFH vom 08.08.2001, I R 29/00, BFH/NV 2001, 1676).
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin entfällt das Tatbestandsmerkmal der Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen nicht bereits deshalb, weil zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels von einem Firmenwert der Klägerin von 1.065.925,00 DM auszugehen ist.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob zum Betriebsvermögen i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n. F. auch nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter und hierbei insbesondere ein originärer Firmenwert, wie er im Klageverfahren geltend gemacht wurde, gehören. Denn der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass ein Firmenwert im Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels nicht vorhanden war (für eine Einbeziehung des originären Firmenwerts etwa Frotscher in Frotscher/Maaß, KStG, § 8 KStG, Rz. 188 a – d, 189; Lademann/Dieterlen, § 8 KStG, Rz. 356; Bock/Meißner, GmbHR 1999, 1069 ff.; vom BFH ist die Frage, ob zum Betriebsvermögen i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n. F ein originärer Firmenwert gehört, bislang nicht entschieden worden, vgl. BFH vom 29.04.2008, I R 91/05 BFH/NV 2008, 1965).
Geschäftswert/Firmenwert ist der Mehrwert, der einem gewerblichen Unternehmen über den Wert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens hinaus innewohnt. Er ist Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht bereits in den einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind. Als immaterielles Wirtschaftsgut drückt er im Gegensatz zu anderen immateriellen Einzelwirtschaftsgütern die Gesamtheit der Eigenschaften und Umstände eines Unternehmens aus, durch die der Wert des Unternehmens als ein Ganzes dessen Substanzwert übersteigt. Der Geschäftswert wird aus einzelnen nicht messbaren Faktoren gebildet und kann nur durch Schätzung ermittelt werden. Dazu sind mehrere betriebswirtschaftliche Bewertungsmethoden entwickelt worden. Als geeignete Wertermittlungsmethoden hat der BFH insbesondere die indirekte bzw. die direkte Berechnungsmethode zur Ermittlung des Geschäftswertes als zulässige Schätzmethode angesehen (BFH vom 08.12.1976 I R 215/73, BStBl II 1977, 409).
Gemeinsamer Ausgangspunkt für die Ermittlung des Geschäftswertes in der Rechtsprechung anerkannter und betriebswirtschaftlich anzuwendender Bewertungsverfahren ist jeweils der Ertragswert. Entscheidender Faktor bei der Ermittlung des Ertragswertes eines Unternehmens ist der voraussichtlich künftig erzielbare Gewinn. Für die Schätzung der für die Zukunft zu erwartenden nachhaltigen Jahresgewinne ist von den in der Vergangenheit tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen auszugehen, da sie im Gegensatz zu spekulativen Zukunftsprognosen auch für einen Fremderwerber des Unternehmens eine objektive Berechnungsbasis bieten und die Ertragssituation des Unternehmens sachgerecht widerspiegeln. Der zugrundegelegte Vergangenheitszeitraum beträgt in der Regel mehrere Jahre, um einen repräsentativen Querschnitt zu erhalten.
Nach der sog. indirekten Methode wird der für die Zukunft als gesichert unterstellte Ertrag kapitalisiert. Der Kapitalisierung wird eine Normalverzinsung an den jeweiligen Stichtagen zugrunde gelegt. Das Ergebnis der Kapitalisierung führt zum Gesamtwert des Unternehmens. Zieht man von diesem Gesamtwert das Betriebsvermögen ab, so entsteht der sog. „rohe Geschäftswert”. Dieser ist durch einen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls und der voraussichtlich künftigen Entwicklung des Unternehmens festzulegenden Risikoabschlag zu berichtigen. Die (Faust)-Formel für die Errechnung des Werts des Unternehmens (Ertragswert) lautet also:
Ertragswert = | Ertrag * 100 |
Zinsfuß |
Im Streitfall ist den Berechnungen der Klägerin zum Firmenwert nicht zu folgen. Zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels am 30.06.1998 bestanden keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin voraussichtlich künftig Gewinne in einer Größenordnung von 60.000,00 DM pro Jahr erzielen würde. In der Vergangenheit hat die Klägerin laut Gewinn- und Verlustrechnung vom 01.05.1995 bis 31.03.1996 einen Jahresüberschuss von 0,00 DM erzielt. Zum 31.03.1997 ergab sich ein Jahresfehlbetrag von 6.086,39 DM. Zum 31.03.1998 lag ein Jahresfehlbetrag von 38.993,37 DM vor. Selbst dann, wenn man der Klägerin zu Gute hält, dass es sich bei den Jahren 1995 bis einschließlich 1998 um typische Verluste der Klägerin in der Anfangsphase handelt, so zeigen doch die Ergebnisse der Folgejahre, dass die Klägerin von einer zu optimistischen Prognose ausgegangen ist. So liegen die Gewinne der nachfolgenden Jahre 1999 bis einschließlich 2003 zwischen – 69.624,00 DM (1999) und 112.186,00 DM (2000). Der durchschnittliche Gewinn der Klägerin in den Jahren 1999 bis 2003 betrug lediglich 16.437,00 DM.
Die Prognoseberechnung der Klägerin führt deshalb zu einer zu optimistischen Prognose, weil sie hinsichtlich der geschätzten Betriebsausgaben von Fremdleistungen i. H. v. lediglich 150.000,00 DM ausgegangen ist. Tatsächlich lagen aber die in Anspruch genommenen Fremdleistungen in den abgelaufenen Jahren 1995 bis 1998 wesentlich höher. So betrugen die Fremdleistungen im Verhältnis zum Umsatz im Jahresabschluss 1996 13,5 %, im Jahresabschluss auf den 31.03.1997 20, 3 % und im Jahresabschluss auf den 31.03.1998 13,5 % im Verhältnis zum Umsatz. Der Jahresabschluss zum 31.12.1998 weist dann wieder im Vergleich zu den Vorjahren geringere Fremdleistungen aus. Im Jahr 1999 sind diese Fremdleistungen aber wieder auf fast 10 % angestiegen. Der von der Klägerin bei der Ermittlung des Firmenwertes prognostizierte Durchschnittsgewinn von 60.000,00 DM lässt sich nur bei angenommenen Fremdleistungen von lediglich 7,5 % im Verhältnis zum Umsatz erwirtschaften. Anhand der Zahlen der Vergangenheit hat das Finanzamt jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung des Durchschnittsgewinnes mindestens von in Anspruch zu nehmenden Fremdleistungen von 10 % im Verhältnis zum Umsatz ausgegangen werden müsse.
Bei Ansatz eines Durchschnittsertrages der Klägerin von 30.000,00 DM pro Jahr sowie eines Kapitalisierungszinsfußes von 6 v. H. ergibt sich ein Ertragswert von
500.000,00 DM = | 30.000 DM * 100 |
6 |
Auch unter Zugrundelegung eines Kapitalisierungszinsfußes von 4,94 (vgl. dazu den Schriftsatz des Beklagten vom 15. Mai 2009) ergibt sich lediglich ein Ertragswert der Klägerin von 607.287,44 DM und damit nach Abzug der Teilwerte des Anlage- und Umlaufvermögens kein Firmenwert.
Die Berechnung des Ertragswertes des Unternehmens der Klägerin mit einem niedrigeren Kapitalisierungszinsfuß als 4,94 v. H. kommt nicht in Betracht. Die Berechnung des Ertragswertes nach der oben dargestellten Formel wird nur dann dem Einzelfall gerecht, wenn der zutreffende Kapitalisierungszinsfuß angesetzt wird. Der Ertragswert ist abhängig von der Höhe des Zinssatzes mit dem die zukünftigen Erträge auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abgezinst werden. Je höher dieser Kapitalisierungszinssatz ist, desto niedriger wird der entsprechende Ertragswert des Unternehmens ausfallen.
Die zukünftigen Erträge sollen eine angemessene Verzinsung des als Kaufpreis eingesetzten Kapitals gewährleisten. Der Käufer will mindestens eine marktübliche Verzinsung seines als Kaufpreis eingesetzten Kapitals erreichen. Ansonsten wäre eine Anlage in festverzinslichen Wertpapieren günstiger. Für den Käufer stellt der marktübliche Zinssatz für festverzinsliche Wertpapiere damit die untere Grenze für die Festsetzung des Kapitalisierungszinsfußes dar. Der Verkäufer möchte einen Kaufpreis erzielen, der zu marktüblichen Zinsen angelegt, mindestens Erträge in gleicher Höhe bringt, wie er sie bisher in seinem Unternehmen erzielte. Ansonsten wäre es für ihn lukrativer, das Unternehmen selbst weiterzubetreiben.
Aus Verkäufersicht ist der marktübliche Zinssatz damit die obere Grenze für den Kapitalisierungszinsfuß. Bei der Festsetzung des Zinssatzes muss es also zu einem Interessenausgleich zwischen den Beteiligten kommen. Da aber unternehmerisches Handeln risikobehaftet ist, wird der Käufer dies auch berücksichtigt wissen wollen. Das kann als Zuschlag zum Kapitalisierungszinssatz geschehen.
Der Kapitalisierungszinsfuß wird somit aus dem sog. Basiszinssatz und Zuschlägen, die den mit dem Einsatz von Kapital verbundenen Risiko Rechnung tragen sollen, ermittelt (BFH-Urteil vom 13.04.1983 I R 63/79, BStBl II 1983, 667). Ausgehend von den Renditen im Umlauf befindlicher festverzinslicher inländischer Wertpapiere (lt. statischem Jahrbuch 2001, Seite 351 betrug der Zinssatz für Sparbriefe mit vierjähriger Laufzeit zum Juni 1998 4,21) und einem Risikozuschlag von 50 v. H. ergibt sich für den Streitfall ein Kapitalzinsfuß von 6, 31 v. H. Der vom Beklagten bei der Berechnung des Ertragswert zugrundegelegte Kapitalisierungszinsfuß von 6 v. H. ist somit nicht zu beanstanden. Hingegen kann der von der Klägerin zugrundegelegte Kapitalisierungszinsfuß von 4 v. H. bei der Berechnung des Ertragswertes nicht zugrundegelegt werden, da er noch niedriger als die Renditen im Umlauf befindlicher festverzinslicher inländischer Wertpapiere ist.
Auch unabhängig von den streitigen Berechnungsmodalitäten besteht für die Annahme eines Firmenwertes bereits drei Jahre nach Gründung der Klägerin kein Raum. Der Gesellschafter R. J. hat mit Vertrag vom 21.11.2000 seinen Geschäftsanteil von 4.000,00 DM zum Nennbetrag an D. M. veräußert. Sollte die Klägerin bereits im Juni 1998 tatsächlich einen Firmenwert von 1.065.925,00 DM gehabt haben, so ist davon auszugehen, dass dieser auch bei der Anteilsveräußerung Berücksichtigung gefunden hätte.
Dies ist jedoch ersichtlich nicht geschehen.
Da nach den oben dargelegten Berechnungen kein Firmenwert zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels im Juni 1998 bestand, ist der Klägerin zum 31.12.1999 überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG sind somit erfüllt.
Nach Rechtsprechung des BFH setzt der Verlust der wirtschaftlichen Identität einer GmbH außerdem voraus, dass zwischen der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Zuführung neuem Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. BFH vom 15.12.2004 I B 115/04, BStBl II 2005, 528; BFH vom 26.05.2004 I R 112/03, BStBl II 2004, 1085). Das Erfordernis solcher Zusammenhänge lässt sich dem Regelungswortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 n. F. als Regelbeispiel für den Verlust der wirtschaftlichen Identität zwar nicht ohne weiteres entnehmen, die Anteilsübertragung und die Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens werden hiernach lediglich kumulativ als (objektiv zu erfüllende und typisierende) Voraussetzungen für den Verlust der wirtschaftlichen Identität der Kapitalgesellschaft bestimmt. Das Erfordernis folgt jedoch aus einer sachlich gebotenen einschränkenden Regelungsauslegung. § 8 Abs. 4 KStG 1996 macht die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft zur Voraussetzung für den Verlustabzug und qualifiziert das Fehlen dieser Identität als Abzugsausschlussgrund. Die Vorschrift begrenzt also für Kapitalgesellschaften den Verlustabzug und ist damit als Ausnahme zu § 10 d EStG (i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1996) konzipiert, letztlich, um missbräuchlichen Gestaltungen vorzubeugen. Dass die Regelungsfolgen darüber hinausgehen und allgemein wirken, widerspricht dem nicht (vgl. BFH vom 14.03.2006 I R 8/05, BFH/NV 2006 1419).
Der notwendige sachliche Zusammenhang lässt sich dabei regelmäßig bei Vorliegen eines zeitlichen Zusammenhangs vermuten.
Diese Vermutung greift umso mehr, je kürzer der Zeitraum zwischen der Anteilsübertragung und der Fortführung des Unternehmens nach Zuführung neuem Betriebsvermögens ist. Die von einem zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung kann aber von der Kapitalgesellschaft entkräftet werden, wenn sie Tatsachen und Umstände belegt, aus denen sich ergibt, dass die Fortführung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nicht mit dem Anteilseignerwechsels zusammenhängt, sondern z. B. auf Umstände zurückzuführen ist, die nach der Anteilsübertragung eingetreten sind.
Nach Auffassung des Senats besteht zwischen der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Zuführung neuem Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang, so dass der Verlust der wirtschaftlichen Identität der Klägerin eingetreten ist. Zwischen Beitritt der neuen Anteilseigner im Juni 1998 und der Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen lag ein Zeitraum von rund 18 Monaten.
Dieser Zeitraum unterbricht nach Auffassung des Senates noch nicht den zeitlichen Zusammenhang, zumal das Gesetz selbst keine feste zeitliche Grenze vorschreibt.
Von einem fehlenden zeitlichen Zusammenhang ist auch nicht deshalb auszugehen, weil die im Juni 1998 der Klägerin neu beigetretenen Gesellschafter bereits im Jahr 1995 eine aus Sicht der Klägerin gesellschafterähnliche Stellung hatten. Weder die im Jahr 1995 abgeschlossenen Darlehnsverträge der Neugesellschafter mit den Gründungsgesellschaftern H. und L. noch die den Neugesellschaftern gewährten Stimmrechte in den Gesellschafterversammlungen vor zivilrechtlichem Beitritt vermochten nach Auffassung des Senates eine solche Position zu begründen.
Aus den im Jahr 1995 abgeschlossenen Darlehnsverträgen der künftigen Neugesellschafter, deren „Zweckbestimmung die Bildung des Stammkapitals der U. GmbH” war, lässt sich lediglich schließen, dass die Übernahme von (Teil-)Geschäftsanteilen der Gründungsgesellschafter durch die Darlehnsgeber bereits 1995 beabsichtigt gewesen ist, eine gesellschafterähnliche Rechtsposition zu diesem Zeitpunkt wird durch die Darlehnsverträge nicht vermittelt. Verdeutlicht wird dies dadurch, dass nicht alle Darlehnsgeber später Geschäftsanteile erworben haben.
Auch der anhand der Protokolle zu den Gesellschafterversammlungen vom 15.09.1997, 21.08.1997 und 08.07.1997 dokumentierte Vortrag der Klägerin, wonach die im Juni beigetretenen Neu-Gesellschafter bereits im Zeitraum vor dem zivilrechtlichen Erwerb der Geschäftsanteile Stimmrechte in den Gesellschafterversammlungen hatten, führt nicht zu einer anderen Rechtsauffassung. Die Gewährung und Ausübung von Stimmrechten verleiht den neu beigetretenen Gesellschaftern im Jahr 1995 noch nicht den Status von faktischen Gesellschaftern. Die Stimmrechte der Darlehnsgeber waren nicht gesellschaftsvertraglich geregelt. Im Konfliktfall hätte somit die Regelung in § 9 Absatz 5 des Gesellschaftsvertrages vom 05. Mai 1995 gegolten, wonach alle Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wobei sich je DM 100-Stammeinlage eine Stimme ergibt. Rechtlich hatten somit die „Neu-Gesellschafter” im Jahr 1995 keine Möglichkeit, Entscheidungen der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu beeinflussen oder gar zu blockieren.
Somit hatten die „Neugesellschafter” im Jahr 1995 nach Auffassung des Senats noch nicht die Stellung von faktischen Gesellschaftern.
Indiz für einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Zuführung neuem Betriebsvermögens ist nach Auffassung des Senates auch, dass die im Juni 1998 der Klägerin beigetretenen neuen Gesellschafter erst nach diesem Zeitraum zugunsten der Klägerin Bürgschaften eingegangen sind und nicht bereits bei Darlehnshingabe im Jahr 1995.
Der Klägerin war daher aufgrund des weiten Wortlautes des Gesetzes, der auch Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art erfasst, der Verlustabzug zu versagen, obwohl keine Gestaltung zur missbräuchlichen Ausnutzung eines Verlustabzuges vorlag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz (GKG) a. F.