14.10.2009
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 17.07.2008 – 2 K 761/08
1. Die vom Schuldner für mit Hilfe unpfändbarer Gegenstände (gem. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) erbrachte freiberufliche Leistungen geschuldete Umsatzsteuer gehört nicht zur Insolvenzmasse.
2. Ein sich aus dieser Tätigkeit am Ende eines Voranmeldungszeitraums ergebender Vorsteuererstattungsanspruch des Schuldners kann als Saldo aus zu zahlender Umsatzsteuer und zu erstattender Vorsteuer im Ergebnis nicht anders behandelt werden als die geschuldete Umsatzsteuer. Die Aufrechnung des Erstattungsanspruchs gegen insolvenzfreie Forderungen ist daher zulässig.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichtes …, Richterin am Finanzgericht …, Richter am Finanzgericht … und der ehrenamtlichen Richter … und … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 17. Juli 2008
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Vorsteuererstattungsanspruch des freiberuflich tätigen Schuldners in die Insolvenzmasse fällt.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichtes vom 11. Januar 2005, Az.:
IN /05, zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des (im Folgenden: Schuldner) bestellt. Der Beklagte führte den Schuldner unter der Steuernummer … /… / …. Für den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners vergab er die Steuernummer …/… / …. Der Schuldner war als selbständiger Ingenieur tätig. Zur Ausübung dieser Tätigkeit benötigte er entsprechend dem Bericht des Klägers im Insolvenzverfahren vom 30. März 2005 die Büroausstattung bestehend aus Schreibtisch, Regal, Computer und Drucker, die nicht der Insolvenzmasse zugeordnet wurden. Der Schuldner reichte am 23. Februar 2007 die Umsatzsteuer-Jahreserklärungen 2005 und 2006 zu seiner freiberuflichen Tätigkeit ein. Die zu zahlende Umsatzsteuer wurde ihm gegenüber persönlich unter der Steuernummer 231/253/02599 geltend gemacht. Des Weiteren reichte er die Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2007 ein, aus der sich ein Vorsteuerüberschuss von EUR 189,16 ergab. Der Beklagte verrechnete das Guthaben mit offenen Forderungen. Dagegen wandte sich der Kläger, worauf der Beklagte am 13. September 2007 einen Abrechnungsbescheid erließ, in dem er den Vorsteuerüberschuss wie folgt verrechnete:
Zu Steuernummer …/… /… :
Umsatzsteuer 1998 | EUR 121,05 |
Zu Steuernummer …/… / … | |
Umsatzsteuer-Verspätungszuschlag November 2006 | EUR 15,00 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer März 2005 | EUR 6,11 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer September 2005 | EUR 1,50 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer Februar 2007 | EUR 16,00 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer 2006 | EUR 1,50 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer März 2007 | EUR 7,50 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer November 2006 | EUR 13,00 |
Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer April 2007 | EUR 7,50 |
Der Kläger bringt vor, der Vorsteuerüberschuss in Höhe von EUR 189,16 sei, auch wenn er mittels unpfändbarem Vermögen erlangt sei, gemäß § 35 InsO der Insolvenzmasse zuzuordnen. Eine Verrechnung mit insolvenzfreien Forderungen oder Insolvenzforderungen sei daher gemäß § 96 Abs. 1 InsO unzulässig.
Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 13.09.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bringt vor, die Umsatzsteuerforderungen, die mit Hilfe von unpfändbaren Gegenständen nach § 811 Nr. 5 ZPO begründet worden seien, gehörten nicht zur Insolvenzmasse.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die zu Gericht gereichten Behördenakten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der angegriffene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung Mai 2007 steht dem Kläger nicht zu. Der Beklagte konnte mit diesem Anspruch aufrechnen, da das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht greift.
Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da der Beklagte nichts zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.
Der Schuldner hat unstreitig mit seiner Tätigkeit als Ingenieur Leistungen gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG durchgeführt und von anderen Unternehmern Leistungen bezogen, aus denen ihm ein Vorsteuererstattungsanspruch zusteht.
Die vom Schuldner für erbrachte Leistungen geschuldete Umsatzsteuer gehört nicht zu den Masseschulden nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da er die Leistungen mit Hilfe von nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen erbracht hat (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 7. April 2005, BStBl. II 2005, 848). Diese Ansicht hat der Kläger in seinem Schreiben an den Beklagten vom 27. Juni 2006 auch vertreten und den Beklagten darauf verwiesen, dass die Umsatzsteuer aus der freiberuflichen Tätigkeit des Schuldners gegenüber diesem geltend zu machen ist. Der sich am Ende eines Voranmeldungszeitraumes ergebende Vorsteuervergütungsanspruch aus der mit Hilfe unpfändbarer Gegenstände erbrachten Leistungen gehört daher gemäß § 36 Abs. 1, 2 Nr. 2 InsO ebenfalls nicht zur Insolvenzmasse.
Der Anspruch auf Erstattung von Vorsteuer kann im Ergebnis nicht anders behandelt werden als die geschuldete Umsatzsteuer. Ein einzelner Vorsteuerbetrag begründet für sich bereits keinen Vorsteuervergütungsanspruch, sondern allein einen Anspruch auf Vorsteuerabzug, wie sich aus § 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 UStG ergibt. Einzelne Vorsteuerbeträge sind umsatzsteuerrechtlich lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen, die bei der Berechnung der Umsatzsteuer berücksichtigt werden und in die Festsetzung der Umsatzsteuer eingehen (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 16. Januar 2007, BStBl. II 2007, 745, m. w. N.). Der sich nach Abschluss des Voranmeldungszeitraumes durch Vorsteuerüberhang ergebende Steuervergütungsanspruch ist daher nur der Saldo aus zu zahlender Umsatzsteuer und zu erstattender Vorsteuer, der es verbietet, die zu zahlende Umsatzsteuer und den Vorsteuererstattungsanspruch getrennt zu behandeln.
Unerheblich ist, ob die Entgelte, die der Schuldner für seine steuerpflichtige Tätigkeit erhält, gemäß § 35 InsO in die Insolvenzmasse fallen und ob der Insolvenzverwalter sie zur Masse ziehen muss (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 7. April 2005, a. a. O.). Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen nicht die Entgelte für die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Umsatzsteuer, sondern die Lieferungen und sonstigen Leistungen selbst. Da diese vorliegend aus der insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, steht der Vorsteuervergütungsanspruch dem Schuldner und nicht dem Kläger als Insolvenzverwalter zu.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.