08.10.2009
Finanzgericht Rheinland-Pfalz – 2 K 2541/05
Stehen Räumlichkeiten/Wohnungen ohne vorausgegangene Vermietung über nahezu drei Jahrzehnte leer, so können die während der Zeit des Leerstands anfallenden Kosten unter dem Gesichtspunkt vorab entstandener Werbungskosten nur dann bei der Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung” abgezogen werden, wenn sich an Hand objektiver Umstände einwandfrei feststellen lässt, dass der feste Entschluss, einen Überschuss aus Vermietungstätigkeit von konkreten Räumlichkeiten zu erzielen, endgültig und ernsthaft gefasst ist. Hierzu reicht es nicht aus, dass die Klägerin wegen der von ihr abgezogenen Vorsteuern aus Rechnungen für Bauarbeiten im Obergeschoss des Anwesens nur „gewerbliche” Mieter im Sinne des § 9 UStG sucht und deshalb ein Maklerunternehmen nur mit der Suche nach einem gewerblichen Mieter beauftragt hat.
Tatbestand
Streitig ist, ob die verwitwete, am 28. Februar 1920 geborene Klägerin im Streitjahr 2003 die einkommensteuerlich relevante Absicht hatte, als Vorbehaltsnießbraucherin die seit 1976 bzw. 1988 leer stehenden Räumlichkeiten im 1. und 2. Obergeschoss sowie im Dachgeschoss des Gebäudes B, W-Straße ..., zu vermieten.
Die in ihren Einkommensteuererklärungen sich als „Teilhaberin” bezeichnende Klägerin - sie bezieht neben den Einkünften aus Vermietung u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen von rd. 29.693,00 € - hatte das vorgenannte, damals bereits leer stehende Anwesen im Jahr 1970 gekauft, das dort befindliche 3-geschossiges Wohngebäude im Jahr 1973 abgerissen und im Jahr 1976 für rd. 900.000,00 DM einen Neubau erstellt. Dieser beinhaltet im Erdgeschoss ein Ladengeschäft mit 344 qm Nutzfläche sowie zwei Lager- und einen Personalraum im Keller bzw. 1. Obergeschoss (Nutzfläche insgesamt: 166 qm). Im 1. Obergeschoss befindet sich neben dem Personalraum eine 3-Zimmer-Wohnung von 119,46 qm. Weitere Wohnungen sind im 2. Obergeschoss mit 197,63 qm und im 3. Obergeschoss (Dachgeschoss) mit 103,26 qm vorhanden (vgl. Wohnflächenberechnung, Bl. 27 bis 29 EW-Akte). Das Ladengeschäft, die Lagerräume sowie der Personalraum, insgesamt also eine Fläche von 510 qm, sind seit ihrer Fertigstellung in 1976 zu gewerblichen Zwecken vermietet. Die als Wohnungen bezeichneten Räumlichkeiten stehen seit 1976 durchgängig leer. In den Jahren ab 1988 hatte die Klägerin an einzelnen Räumen des Obergeschosses Innenausbauarbeiten vorgenommen und dieserhalb den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen; die Räume sollten - was bislang nicht geschehen ist - unternehmerisch an andere Unternehmer vermietet werden (vgl. Bericht vom 6. März 1992 über die Umsatzsteuersonderprüfung, Bl. 12 Hefter). In diesem Zusammenhang hatte die Klägerin ein in E belegenes Maklerunternehmen mit Zweigstelle in G bzw. L beauftragt, die „oberen Räume” im Anwesen W-Straße „gewerblich” zu vermieten. Auf Zeitungsanzeigen vom 22. September 1989 und 19. Februar 1993 hatten ein Bauunternehmen sowie ein Augenarzt Mietinteresse bekundet, aber von einer Anmietung wegen der nicht ebenerdigen Lage der Mieträume (1. Obergeschoss) abgesehen (Bl. 16 bis 20 Hefter).
In der Folgezeit übertrug die Klägerin das Eigentum am Anwesen sukzessive - zuletzt am 28. Dezember 2002 - auf ihre beiden Kinder, behielt sich aber den unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauch am Gesamtobjekt vor. Am 3. Dezember 2003 führte das Finanzamt eine Ortsbesichtigung der Obergeschosse durch, deren Ergebnis im Aktenvermerk des Finanzamts vom 4. Dezember 2003 (Bl. 25 Hefter) niedergelegt ist. Hierauf wird verwiesen.
Das Finanzamt gelangte zu der Auffassung, dass eine ernsthafte Vermietungsabsicht für die leerstehenden Räumlichkeiten im 1. bis 3. Obergeschoss des Anwesens nicht nachgewiesen worden sei und versagte mit Einkommensteuerbescheid 2003 vom 11. Juli 2005 den Werbungskostenabzug für die anteilig auf diese Räume entfallenden Aufwendungen.
Mit ihrer nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens (Einspruchsentscheidung vom 29. September 2005 (Bl. 39 ESt-Akte 2003) hiergegen erhobenen Klage führte die Klägerin aus, dass aus dem jahrelangen Leerstand der besagten Räumlichkeiten nicht auf fehlende Vermietungsabsicht geschlossen werden könne. Sie habe - allerdings vergeblich - seit Jahren gewerbliche Mieter für die beiden Stockwerke gesucht und zu diesem Zweck einen fachspezifischen Makler beauftragt. Insoweit werde auf dessen Schreiben vom 2. Dezember 2005 (Bl. 10 PA) hingewiesen. Die Wohnungen befänden sich in einem durchaus vermietbaren Zustand. Potentielle Mieter müssten lediglich noch tapezieren und Teppichboden legen, also Arbeiten übernehmen, die nicht notwendigerweise zu den Obliegenheiten eines Vermieters zählten.
Die Klägerin beantragt,
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den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 11. Juli 2005 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 29. September 2005 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Objekts in B, W-Straße ..., weitere Werbungskosten von 3.690,00 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Unter Hinweis auf den durchgängigen Leerstand der Räumlichkeiten seit fast 30 Jahren hält er an seiner Auffassung fest.
In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Klägerin ergänzend vorgetragen, dass sich in B das wirtschaftliche Umfeld im Laufe der Jahre verschlechtert habe, also strukturelle Probleme bestünden. Eine Anpassung an die Wünsche möglicher Mieter, wie der Einbau einer Aufzugsanlage lohne sich nicht.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen, die anteilsmäßig auf die seit fast 30 Jahren leer stehenden Räumlichkeiten in den Obergeschossen des streitbefangenen Objekts entfallen, nicht zum Werbungskostenabzug (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) zugelassen. Insoweit ist eine nach objektiven Kriterien erkennbare Vermietungsabsicht - jedenfalls im Streitjahr - nicht nachgewiesen. Dies geht zu Lasten der Klägerin.
Stehen - wie hier - Räumlichkeiten/Wohnungen ohne vorausgegangene Vermietung über nahezu drei Jahrzehnten leer, so können die während der Zeit des Leerstands anfallenden Kosten unter dem Gesichtspunkt vorab entstandener Werbungskosten nur dann bei der Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung” (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) abgezogen werden, wenn sich an Hand objektiver Umstände einwandfrei feststellen lässt, dass der feste Entschluss, einen Überschuss aus Vermietungstätigkeit von konkreten Räumlichkeiten/Wohnungen zu erzielen, endgültig und ernsthaft gefasst ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Juli 2003 - IX R 102/00 und IX R 48/02, BFH/NV 2003, 1640 bzw. 2004, 170, jeweils m.w.N.).
Hierzu reicht es nicht aus, dass - wie im Streitfall - die Klägerin wegen der von ihr abgezogenen Vorsteuern aus Rechnungen für Bauarbeiten im Obergeschoss des Anwesens (vgl. Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 6. März 1992) nur „gewerbliche” Mieter im Sinne des § 9 UStG sucht. Ein wirtschaftlich denkender Hauseigentümer, der ernsthaft an einer Vermietung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - und dies allein ist hier maßgebend - interessiert ist, lässt Räumlichkeiten nicht über einen Zeitraum von 26 Jahren (seit Ende 1976) bzw. von rd. 15 Jahren seit Abschluss der Umbau-/Ausbaumaßnahmen in 1988 unvermietet leer stehen; er wird - wenn wie hier eine „gewerbliche” Vermietung (an Unternehmer) nicht möglich erscheint - über Makler und/oder Zeitungsanzeigen ggfs. „private” Mieter suchen und letztlich den Mietzins so ausrichten, dass eine tatsächliche Vermietung realistisch erscheint.
Die Klägerin hatte zwar einen Maklerauftrag zur gewerblichen Vermietung erteilt. Allein dies reicht zur Annahme einer bestehenden Vermietungsabsicht nicht aus. Hat sich nämlich - wie hier - in der Vergangenheit gezeigt, dass eine Vermietung im Sinne des § 9 UStG nicht möglich ist, hätte die Klägerin auch auf Privatinteressenten zugehen und diesbezüglich den Maklerauftrag erweitern und/oder einen weiteren Makler einschalten und Zeitungsanzeigen aufgeben müssen. Derartige Aktivitäten zu einer Vermietung sind allerdings nicht ersichtlich. Die beiden Interessenten aus den Jahren 1989 und 1993 hatten eine Anmietung der Räume wegen deren Lage im Obergeschoss ohne Aufzug im Anwesen als ungeeignet abgelehnt.
Zumindest dies hätte die Klägerin zum Anlass nehmen müssen, sich anderweitig umzuschauen. Ohne eine Anpassung des Vermietungsobjekts an die Erfordernisse des Marktes fehlt es demselben an seiner objektiven Eignung zur Vermietung und daher zu Erzielung von Einkünften. Dies muss im Streitfall insbesondere deshalb gelten, weil noch jahrelang nach den letzten Absagen wegen der dort offenbar gewordenen Defizite des Vermietungsobjekts nicht reagiert wurde. Einer unter Berücksichtigung der klägerischen Vorstellungen zum Inhalt des Mietvertrages und zum möglichen Mieter offenbar gewordene Unvermietbarkeit des Objektes kann nicht mit der bloßen Behauptung, es bestünde grundsätzlich die weitere Absicht zur Vermietung, begegnet werden. Wenn die Klägerin daher wegen zu hohen Aufwandes oder angeblicher fehlender Realisierbarkeit zum Beispiel auf den Einbau eines Aufzuges verzichtet, handelt es sich um eine Entscheidung, die ihrem privaten Vermögensbereich zuzuordnen ist. Sofern ein Wirtschaftsgut aus diesen Gründen nicht mehr die Tauglichkeit zu Erzielung von Einkünften besitzt, sind die hierauf getätigten Aufwendungen nicht mehr auf Einkünfteerzielung ausgerichtet. Das Einkommensteuergesetz dient der Erzielung von Steuereinnahmen durch die Besteuerung der Einkommen der natürlichen Personen. Sinn und Zweck ist es nicht, Aufwendungen für das Privatvermögen steuerlich zu berücksichtigen.
Da dies alles nicht geschehen ist, musste die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abgewiesen werden.