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  • 19.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102239

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 17.05.2010 – 11 K 3820/09 F

    1. Zahlungen zur Ablösung eines Erbbaurechts können als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn sie nicht erbracht werden, um die Beschränkung der Eigentümerbefugnisse zu beseitigen, sondern um mittels sachlich und zeitlich miteinander verknüpfter Verträge den Erbbauberechtigten austauschen und auf diese Weise höhere Erbbauzinsen erlangen zu können.


    2. Wirtschaftlich betrachtet findet in diesem Fall lediglich ein Austausch der Erbbauberechtigten statt.


    Tatbestand
    Streitig ist, ob Zahlungen zur Ablösung eines Erbbaurechts zu nachträglichen Anschaffungskosten auf den Grund und Boden oder sofort abzugsfähigen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) führen.
    Die Kläger erzielen gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen. Dazu gehört insbesondere der Grundbesitz „A”straße/„B”Straße in „C”, der mit Erbbaurechten belastet ist. Mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 2005 (UR-Nr. ...des Notars „D” in „E”) vereinbarten die Kläger und die damaligen Erbbauberechtigten der zu diesem Zeitpunkt unbebauten Grundstücke die Aufhebung des am 31. Dezember 2057 endenden Erbbaurechts gegen Zahlung einer Abfindungszahlung i.H.v. 70.000 EUR an die Erbbauberechtigten. Mit notariellem Vertrag vom selben Tage (UR-Nr. ...) haben die Kläger einer Immobilien-Projektentwicklungsgesellschaft (jeweils selbständige) Erbbaurechte an dem zuvor genannten Grundbesitz und weiterem zu erwerbenden Grundbesitz zur Errichtung von Doppelhäusern und Reiheneigenheimen bestellt.
    In ihrer Feststellungserklärung für das Jahr 2006 machten die Kläger einen Werbungskostenüberschuss i.H.v. 53.000 EUR für das unbebaute Grundstück geltend, der sich durch Subtraktion der im Januar 2006 geleisteten Abstandszahlung i.H.v. 70.000 EUR von den Erbbauzinsen i.H.v. 17.000 EUR ergab. Mit Feststellungsbescheid vom 20. August 2008 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ohne Berücksichtigung der Abstandszahlung als Werbungskosten fest. Zur Begründung führte er aus, es handele sich um Anschaffungskosten auf den Grund und Boden.
    Dagegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und machten geltend, die Ablösezahlung stelle Werbungskosten dar. Trotz getrennter Beurkundung seien die beiden am 20. Dezember 2005 geschlossenen Verträge als Einheit anzusehen. Die Ablöse sei nur gezahlt worden, um einen neuen Erbbauvertrag abschließen und höhere Erbbauzinsen erzielen zu können. Sie stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erzielung eines höheren Erbbauzinses. Die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts – FG – vom 12. Februar 2003 (2 K 667/00, EFG 2003, 842) stehe dem nicht entgegen. Die Ablösezahlung habe nicht der Beseitigung der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse gedient. Es sei lediglich der Erbbauberechtigte ausgewechselt und ein höherer Erbbauzins vereinbart worden.
    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, Aufwendungen zur Ablösung eines Erbbaurechts seien Anschaffungskosten und könnten weder als Werbungskosten noch als negative Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. Juli 1997 (IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772) seien Zahlungen zur Ablösung eines dinglichen Rechts eines Dritten an einem Grundstück nachträgliche Anschaffungskosten, wenn durch das dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers im Sinne von § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – beschränkt gewesen seien und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitige und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück verschaffe. Im Streitfall sei das Erbbaurecht zwar abgelöst worden, um ein neues Erbbaurecht mit einem höheren Erbbauzins bestellen zu können. Um einen neuen Vertrag abschließen zu können, hätten die Kläger jedoch zunächst ihre unbeschränkten Eigentümerbefugnisse zurückerlangen müssen. Daher sei die Ablösezahlung zur Erlangung der unbeschränkten Eigentümerbefugnisse aufgewendet worden.
    Die Kläger haben am 28. Oktober 2009 Klage erhoben. Sie machen gelten, die Abfindung sei gezahlt worden, um einen Wechsel des Erbbauberechtigten und damit einen höheren Erbbauzins zu erreichen. Die beiden notariellen Verträge müssten als Einheit angesehen werden. Die Abfindung müsse aus dem höheren Erbbauzins finanziert werden. Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 12. Februar 2003 (2 K 667/00, EFG 2003, 82) zugrunde liege, sei die Abfindung im Streitfall nicht gezahlt worden, um eine Aufhebung der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse zu erreichen und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück wiederzubeschaffen.
    Die Kläger beantragen,
    den Feststellungsbescheid 2006 vom 20. August 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2009 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 30.604 EUR festgestellt und dem Kläger zu 1. mit 15.175 EUR und dem Kläger zu 2. mit 15.429 EUR zugerechnet werden sowie
    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung nimmt er auf seine Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2009 Bezug. Ergänzend trägt er vor, dass Aufwendungen zur Beendigung eines bestehenden Miet- oder Pachtverhältnisses zum Zwecke der Neuvermietung/-verpachtung zwar Werbungskosten sein könnten, dies aber nicht gelte, sofern die Ausgleichszahlung zur Beseitigung eines dinglich gesicherten Rechts geleistet werde. Dabei sei nicht von Bedeutung, ob der Eigentümer nach Erlangung der uneingeschränkten Verfügungsmacht diese durch Abschluss eines entsprechenden Vertrages erneut einschränke. Auf die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 29. Juli 1997 IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772; vom 22. Februar 2007 IX R 29/05, BFH/NV 2007, 1100) werde Bezug genommen. Trotz zeitlicher und sachlicher Verknüpfung der beiden Verträge sei der Abschluss des zweiten Notarvertrags überhaupt erst dadurch möglich geworden, dass die Kläger ihre uneingeschränkte rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht zuvor durch den ersten Notarvertrag wiedererlangt hätten.
    Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakte des Beklagten Bezug genommen.
    Gründe
    Die Klage ist begründet.
    Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2006 vom 20. August 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die Abfindungszahlung zur Aufhebung des Erbbaurechts i.H.v. 70.000 EUR zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) berücksichtigt.
    1. Die Kläger erzielen als Grundstückseigentümer (und Erbbauzinsberechtigte) Einkünfte aus Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Als Werbungskosten können Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung derartiger Einnahmen abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Werbungskostenabzug setzt voraus, dass die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Dies ist zu bejahen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden (vgl. Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 9 Rn. 7, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Solche Aufwendungen sind allerdings nicht als Werbungskosten sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung – AfA – (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG) zu berücksichtigen. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 des Handelsgesetzbuchs – HGB – (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 IX R 24/03, BStBl 2006 II S. 461 mit weiteren Nachweisen).
    2. Unter Heranziehung dieser Grundsätze führt die Abfindungszahlung zu sofort abzugsfähigen Werbungskosten und nicht zu Anschaffungskosten auf den Grund und Boden.
    a) Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind im Streitfall erfüllt. Die Ablösezahlung steht objektiv im Zusammenhang mit der Erzielung von Erbbauzinsen. Ferner ist davon auszugehen, dass sie die Kläger nur deshalb in Kauf genommen haben, weil sie aus der Einräumung eines neuen Erbbaurechts höhere Erbbauzinsen erwartet haben. Der erforderliche Veranlassungszusammenhang ist damit zu bejahen. Die Ablösezahlung ist vergleichbar mit Aufwendungen, die zum Erwerb eines Eigentümererbbaurechts getätigt werden, um die Erzielung von Einkünften aus dem Grundstück zu ermöglichen. Auch insofern liegen (vorweggenommene) Werbungskosten vor ( Urteil des FG Hamburg vom 23. Juni 1982 VI 283/79 , EFG 1983, 64, rkr.). Sie ist im Ergebnis wie eine Abstandszahlung des Eigentümers an den Mieter für die vorzeitige Räumung des Gebäudes zu behandeln, die regelmäßig als Werbungskosten angesehen wird (BFH-Urteil vom 17. Januar 1978 VIII R 97/75, BFHE 124, 445, BStBl II 1978, 337; Kulosa, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 21 Rn. 300). Der Senat sieht keinen Grund, insofern zwischen Zahlungen zur Ablösung von obligatorischen und dinglichen Rechten zu unterscheiden (ebenso Trzaskalik, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 21 Rn. B 26).
    b) Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Aufwendungen nicht als Anschaffungskosten auf den Grund und Boden anzusehen. Anschaffungskosten sind diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (§ 255 Abs. 1 HGB). Erwerben bedeutet das Überführen eines Gegenstands von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht ( BFH-Beschluss vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672).
    Zwar werden Zahlungen zur Befreiung eines Grundstücks von einer dinglichen Belastung allgemein als Anschaffungskosten des Grundstücks und nicht als Werbungskosten angesehen (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 215/78, BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410; Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 21 Rn. 100 „Dingliche Belastung”). Dementsprechend sind nach dem BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 (IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772) an einen Dritten geleistete Zahlungen des Eigentümers zur Ablösung eines dinglichen Rechts an einem Grundstück Anschaffungskosten, wenn durch das dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers im Sinne von § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – beschränkt waren und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitigt und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück verschafft (vgl. zu Aufwendungen eines erbbauverpflichteten Grundstückseigentümers zur Ablösung des Erbbaurechts Urteil des Niedersächsischen FG vom 12. Februar 2003 2 K 667/00, EFG 2003, 842; nachfolgend BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 IX R 24/03, BStBl II BStBl 2003 II S. 2006, BStBl 2003 II S. 461).
    Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats im Streitfall jedoch nicht einschlägig. Die Kläger haben die Zahlung zur Ablösung des Erbbaurechts als dinglichem Recht erbracht, allerdings nicht, um die Beschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse zu beseitigen, sondern um den Erbbauberechtigten austauschen und auf diese Weise höhere Erbbauzinsen erlangen zu können. Bei wirtschaftlicher Betrachtung haben die Kläger zu keinem Zeitpunkt die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück zurückerlangt. Das Grundstück ist vielmehr von der Verfügungsmacht der bisherigen Erbbauberechtigten – ohne Zwischenerwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht durch die Kläger – in die Verfügungsmacht der neuen Erbbauberechtigten übergegangen.
    Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass die Kläger das neue Erbbaurecht nur bestellen konnten, nachdem das bisherige Erbbaurecht aufgehoben worden war. Die Tatsache, dass das rechtliche Eigentum der Kläger damit vor Abschluss des zweiten Notarvertrags – für eine juristische Sekunde – ohne Beschränkungen bestand, rechtfertigt indes keine andere Beurteilung, da die beiden Verträge sowohl sachlich (durch Bezugnahme in den Vertragsurkunden) als auch zeitlich miteinander verknüpft waren und damit in einem unlösbaren Zusammenhang standen. Dieser Zusammenhang steht nach Ansicht des Senats einer streng formal-juristischen Betrachtungsweise entgegen. Der Zwischenerwerb unbelasteten rechtlichen Eigentums wird dadurch überlagert, dass wirtschaftlich betrachtet lediglich ein Austausch der Erbbauberechtigten stattgefunden hat.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Notwendigerklärung der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
    Die Revision war zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) zuzulassen. (Höchstrichterliche) Rechtsprechung zu der konkreten Streitfrage existiert – soweit ersichtlich – nicht.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG § 21 Satz 1 Nr. 1 HGB § 255 Abs. 1