25.09.2025 · IWW-Abrufnummer 250340
Bundesfinanzhof: Urteil vom 07.05.2025 – II R 16/23
Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auf eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung steht nicht entgegen, dass der vorausgegangene Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft nicht steuerbar war.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 11.05.2023 - 8 K 998/21 GrE wird als unbegründet zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Alleingesellschafter der grundbesitzenden ... GmbH (GmbH). Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14.06.2016 übertrug er einen Geschäftsanteil in Höhe von 49 % des Stammkapitals der GmbH unentgeltlich an seinen Sohn. Der Vertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:
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§ 2 Abs. 3: "Diese Abtretung erfolgt mit sofortiger dinglicher Wirkung, allerdings unter der auflösenden Bedingung der Geltendmachung des unter § 4 vereinbarten Rückforderungsrechtes."
§ 4 Abs. 1: "Der Schenker behält sich das Recht vor, durch schriftliche Erklärung per Einschreiben/Rückschein gegenüber dem Beschenkten bzw. dessen Rechtsnachfolgern die Schenkung des gemäß § 2 überlassenen Gesellschaftsanteils zu widerrufen und die Rückübertragung auf sich zu verlangen, wenn [...]
c) der Beschenkte während der Lebenszeit des Schenkers ohne Hinterlassung eigener leiblicher Abkömmlinge stirbt;"
§ 4 Abs. 2: "Die Schenkung ist auflösend bedingt in dem Sinne, dass die auflösende Bedingung mit der Ausübung des Widerrufsrechts eintritt. Der Beschenkte ist für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen der geschenkten Beteiligung zugestanden hat, wie ein Nießbraucher zu behandeln (§ 29 Abs. 2 Erbschaftsteuergesetz). Dies gilt jedoch nur für die tatsächlich dem Beschenkten zugeflossenen Beträge, aber mit der Maßgabe, dass dem Beschenkten etwa auf den Schenkungsgegenstand getätigte Aufwendungen und Verwendungen zu erstatten sind."
§ 4 Abs. 4: "Im Übrigen gelten ergänzend die gesetzlichen Bestimmungen über den Rücktritt (§ 346 ff. [des Bürgerlichen Gesetzbuchs] BGB)."
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Der Sohn des Klägers verstarb am ...2018 unverheiratet und hinterließ keine leiblichen Abkömmlinge. Er hatte keine Verfügung von Todes wegen erstellt. Erben wurden im Wege der gesetzlichen Erbfolge seine Eltern, das heißt der Kläger und dessen Ehefrau.
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Mit einem an seine Ehefrau gerichteten Schreiben vom 28.11.2018 widerrief der Kläger unter Hinweis auf die Regelungen im Vertrag vom 14.06.2016 die Schenkung. Der Ehefrau ging das Schreiben am 06.12.2018 zu. Der Grundstücksbestand der GmbH hatte sich zwischenzeitlich nicht verändert.
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Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 28.05.2020 setzte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) die Grunderwerbsteuer in Höhe von ... € gegen den Kläger fest, nachdem er durch eine Außenprüfung bei der GmbH von dem Widerruf der Schenkung Kenntnis erlangt hatte. Seiner Auffassung nach führte der Widerruf der Schenkung zu einer am 28.11.2018 verwirklichten Anteilsvereinigung, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (GrEStG) der Besteuerung unterlag. Die der Besteuerung zugrunde gelegten Grundbesitzwerte zum 28.11.2018 wurden geschätzt.
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Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Rechtsfrage unbeantwortet, ob der Grunderwerbsteuerbescheid schon deshalb rechtswidrig sei, weil er auf einen falschen Zeitpunkt der Anteilsvereinigung abstelle. Die aufgrund des Widerrufs bewirkte Anteilsvereinigung unterliege zwar nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Steuer sei jedoch nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG , der auch für Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG gelte, nicht festzusetzen. § 16 Abs. 5 GrEStG stehe der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 1021 veröffentlicht.
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Mit der Revision vertritt das FA die Ansicht, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG seien nicht erfüllt. Grunderwerbsteuerrechtlich sei kein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden, denn der Erwerb des Sohnes (Ersterwerb) sei nicht steuerbar gewesen. Anders als das FG ausführe, seien die vorangegangenen höchstrichterlichen Entscheidungen zur alten Rechtslage auch bei einer inhaltsgleichen aktuellen Vorschrift nicht uneingeschränkt übertragbar. Zwar möge dies der überwiegenden Auffassung in der Kommentarliteratur entsprechen, eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu stehe jedoch noch aus. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 20.02.2019 - II R 27/16 (BFHE 264, 352, BStBl II 2019, 559, Rz 35) festgestellt, dass über diese Konstellation bisher nicht entschieden worden sei. § 16 GrEStG beziehe sich auf die Rückgängigmachung von grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsgeschäften. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, so dass eine direkte Anwendung ausscheide. Für eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG fehle es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Die Rückabwicklung eines nicht grunderwerbsteuerbaren Vorgangs unterscheide sich grundlegend von der Rückabwicklung eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs. Selbst wenn die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG bejaht würde, stehe der Anwendung im konkreten Streitfall § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen. Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG sei es, für die von der Vorschrift erfassten Steuertatbestände einer Steuervermeidungsgestaltung entgegenzuwirken.
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Das FG gehe zu Recht davon aus, dass der zutreffende Zeitpunkt für die Besteuerung der Anteilsvereinigung nicht der im Bescheid genannte 28.11.2018, sondern der 06.12.2018 sei. Diese Falschbezeichnung sei jedoch unerheblich. Durch Auslegung des Bescheids sei eindeutig und unmissverständlich erkennbar, welchen Lebenssachverhalt die Finanzbehörde habe besteuern wollen.
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen ( § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Grunderwerbsteuer für die Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen. Unerheblich ist daher, ob der Zeitpunkt für die Besteuerung der Anteilsvereinigung der im Bescheid genannte 28.11.2018 oder der 06.12.2018 ist.
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1. Der Widerruf der Schenkung führt zu einer (Wieder-)Vereinigung aller Anteile an der GmbH in der Hand des Klägers. Diese Anteilsvereinigung unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
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a) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG , soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Erwerb der Anteile wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.02.2014 - II R 46/12 , BFHE 244, 455, BStBl II 2014, 536, Rz 14, 17, m.w.N.). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20.01.2015 - II R 8/13 , BFHE 248, 252, BStBl II 2015, 553, Rz 19, und vom 25.11.2015 - II R 35/14 , BFHE 251, 498, BStBl II 2016, 234, Rz 14, m.w.N.). Dasselbe gilt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG , wenn der Vereinigung der Anteile kein auf Übertragung der Anteile gerichtetes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt der Widerruf der Schenkung durch den Kläger nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
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aa) Unter Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG versteht man einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an der Gesellschaft begründen. Es muss sich dabei um ein Rechtsgeschäft handeln, das in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist. Auch ein Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft --zum Beispiel einer vertraglichen Vereinbarung-- angelegt ist. Der Widerruf als Gestaltungsgeschäft begründet zwar selbst kein Schuldverhältnis, er ändert aber den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.2020 - II R 2/17 , BFHE 270, 240, BStBl II 2020, 511, Rz 14).
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bb) In dem notariell beurkundeten Vertrag vom 14.06.2016 wurde in § 4 Abs. 1 vereinbart, dass der Kläger als Schenker sich das Recht vorbehält, die Schenkung gegenüber dem Beschenkten beziehungsweise dessen Rechtsnachfolgern zu widerrufen und die Rückübertragung des Geschäftsanteils auf sich zu verlangen, wenn der Beschenkte während der Lebenszeit des Schenkers stirbt, ohne eigene leibliche Abkömmlinge zu hinterlassen. Nach zutreffender Ansicht des FG ist der Schenkungsvertrag zwar insoweit nicht ganz eindeutig, weil als Rechtsfolge des Widerrufs in § 4 Abs. 2 des Schenkungsvertrages der Eintritt einer auflösenden Bedingung (hinsichtlich der Schenkung und der Abtretung) und in § 4 Abs. 1 des Schenkungsvertrages das Entstehen eines Rückübertragungsanspruchs genannt werden. Beide Auslegungsmöglichkeiten führen jedoch zu einer Steuerbarkeit. Begründet der Widerruf einen Anspruch auf Rückübertragung der Geschäftsanteile aus einem Rückgewährschuldverhältnis, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Bei einer auflösend bedingten Abtretung der Geschäftsanteile käme es zu einem Übergang der Geschäftsanteile ohne vorangegangenes Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG .
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2. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung die Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist.
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a) Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.
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Die Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG . Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG , wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus ( BFH-Urteile vom 16.01.1980 - II R 83/74 , BFHE 130, 70, BStBl II 1980, 359, unter II.1.; vom 11.06.2013 - II R 52/12 , BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752, Rz 13; vom 25.11.2015 - II R 64/08 , BFH/NV 2016, 420, Rz 17 f., und Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz 17 i.V.m. 251; Pahlke/Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Rz 105).
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Dabei kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Ausübung des Widerrufs durch den Kläger zu einem Rückübertragungsanspruch geführt hat oder der Widerruf rechtlich als auflösende Bedingung einzuordnen ist. Auch im letzteren Fall findet § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG , wie vom FG zutreffend angenommen, über seinen Wortlaut hinaus Anwendung (vgl. Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz 17; Pahlke/Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Rz 9; Koppermann in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 16 Rz 28).
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b) Wie das FG zu Recht entschieden hat, setzt die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf die (erneute) Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG die Steuerbarkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung nicht voraus.
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aa) § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sieht nach seinem Wortlaut zwar vor, dass sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt wird. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfasst jedoch nach seinem Regelungsgehalt in erster Linie den Erst- und Rückerwerb des Eigentums an einem Grundstück, also Erwerbsvorgänge, die jeweils für sich betrachtet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen. Aus der Formulierung des Gesetzes lässt sich nicht schließen, dass § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch in den Fällen der Rückgängigmachung eines in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgangs die Rechtsfolge der Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass dem Rückerwerb ein steuerbarer Erwerbsvorgang vorausgegangen sein muss. Vielmehr macht die Regelung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG deutlich, dass für den Erwerb und den Rückerwerb insgesamt keine Steuer festgesetzt werden soll.
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bb) Nach ihrem Sinn und Zweck will die Vorschrift die Wiederherstellung des früheren Zustands grunderwerbsteuerrechtlich begünstigen, indem weder die Herbeiführung des nur vorübergehend bestehenden Zustands noch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eine Belastung mit Grunderwerbsteuer auslösen soll. Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn für den Rückerwerb die Steuer nur dann nicht festgesetzt würde, wenn der Ersterwerb steuerbar war (vgl. BFH-Urteile vom 17.02.1954 - II 14/53 U , BFHE 58, 491, BStBl III 1954, 99; vom 16.01.1980 - II R 83/74 , BFHE 130, 70, BStBl II 1980, 359, und vom 09.02.1983 - II R 26/81, juris; BFH-Beschluss vom 22.01.2019 - II B 98/17 , BFH/NV 2019, 412 [BFH 05.12.2018 - I E 9/18] , Rz 16; zuletzt offen gelassen im BFH-Urteil vom 20.02.2019 - II R 27/16 , BFHE 264, 352, BStBl II 2019, 559, Rz 35; vgl. auch Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz 17; Pahlke/Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Rz 11; Koppermann in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 16 Rz 40 und 98).
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c) Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegensteht.
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aa) Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt ( §§ 18 bis 20 GrEStG ) war. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer allerdings nur dann aus, wenn der Ersterwerb nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG trotz Anzeigepflicht nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war, nicht aber dann, wenn wie im vorliegenden Fall-- eine Anzeige der schenkweisen Übertragung der Anteile beim Ersterwerb mangels Steuerbarkeit nicht erforderlich ist.
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bb) Dies folgt aus dem Zweck der Vorschrift. Sie soll verhindern, dass Vertragsparteien einen nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang zunächst nicht anzeigen und ihn erst dann rückgängig machen, nachdem die Finanzverwaltung von diesem erfahren hat (Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz 280; Pahlke/Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Rz 122). Führt der später rückgängig gemachte Rechtsvorgang nicht zu einem nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang, ist er nicht anzeigepflichtig. Es besteht in diesem Fall kein Grund dafür, die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG zu verneinen.
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cc) Auch die fehlende Anzeige des Rückerwerbs der Geschäftsanteile durch den Kläger führt nicht nach § 16 Abs. 5 GrEStG zu einem Ausschluss der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG . Unterliegt der Rückerwerb selbst nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Besteuerung, treffen die Beteiligten zwar die normalen Anzeigepflichten mit allen Konsequenzen bei deren Nichterfüllung, zum Beispiel im Hinblick auf die Festsetzungsverjährung oder die Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Der Steuertatbestand ist zunächst erfüllt. Die Nichtanzeige des steuerbaren Rückerwerbs hat jedoch nicht zur Folge, dass der Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen ist. Die Gefahr eines Missbrauchs des § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nach Aufdeckung eines zunächst nicht angezeigten steuerbaren Erwerbsvorgangs besteht in diesen Fällen nicht.
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dd) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass der Besteuerung der steuerbaren Anteilsvereinigung ein Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entgegensteht. Der Anspruch ist im Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid zu prüfen (vgl. Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz 327).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .