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  • 25.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196094

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 23.03.2017 – 1 K 3342/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 23.03.2017

    Az.: 1 K 3342/15

    In dem Finanzrechtsstreit
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2013

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2017 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    Richter am Finanzgericht
    Ehrenamtlicher Richter
    Ehrenamtliche Richterin

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid über die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2013 vom 1. Dezember 2014, geändert mit Bescheid vom 26. September 2016, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2015 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Bruttoarbeitslohn i. H. eines (weiteren) Betrags von 2.960,13 Euro als steuerfrei behandelt wird und der Beklagte die danach festzusetzende Einkommensteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Kläger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

    Tatbestand

    Streitig ist die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit.

    Der Kläger erzielte im Streitjahr 2013 unter anderem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter der X GmbH. Er arbeitete als Incident Manager in einem Drei-Schicht-System. Neben seinem Grundlohn erhielt er unstreitig steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auf der Grundlage des Manteltarifvertrags. Daneben zahlte ihm sein Arbeitgeber nach Maßgabe einer Betriebsvereinbarung Schichtzulagen in Höhe von 3.754 EUR, für die Lohnsteuer abgeführt wurde.

    Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2013 machte der Kläger diese Schichtzulagen als steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Im unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 2013 vom 1. Dezember 2014 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) die Steuerfreiheit der Schichtzulagen nicht an. Die Einkommensteuerfestsetzung 2013 wurde aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen mit Bescheid vom 26. September 2016 geändert.

    Mit Bescheid vom 23. Februar 2015 lehnte es das FA ab, die Schichtzulagen nach der Betriebsvereinbarung als steuerfrei zu behandeln. Das vom Kläger vorgelegte Schreiben der X AG (HR --Human Resources-- Business Service) vom 14. Januar 2015 bestätige nicht, dass die Schichtzulagen von insgesamt 3.754 EUR für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit des Klägers gezahlt worden seien. Es handle sich vielmehr um pauschal gewährte Zulagen.

    Mit seinem hiergegen erhobenen Einspruch legte der Kläger zwei Schreiben seines Arbeitgebers vom 24. Juli und 7. August 2015 vor. Dem Schreiben vom 24. Juli 2015 war ein "Ausdruck der Berechnung aus dem Steuertool" beigefügt, der eine nach Tag und Uhrzeit geordnete Auflistung der vom Kläger in 2013 geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit enthält, wonach die ihm gezahlten Schichtzulagen in Höhe von 2.960,13 EUR als steuerfeie Zuschläge nach § 3b EStG hätten behandelt werden müssen. Zur Begründung der geänderten Behandlung der Schichtzulagen verwies der Arbeitgeber in Person des Zeugen Y im Schreiben vom 7. August 2015 darauf, dass eigene Aufzeichnungen zur Berücksichtigung der Steuerfreiheit nach § 3b EStG aufgrund einer internen Strukturänderung bisher nicht möglich gewesen seien.

    Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2015 als unbegründet zurück, weil die vom Kläger vorgelegten Unterlagen keine zur Anerkennung der Steuerfreiheit notwendige Einzelabrechnung seines Arbeitgebers über seine Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit seien.

    Der Kläger hat am 30. Oktober 2015 Klage erhoben. Er macht geltend, dass die nach der Betriebsvereinbarung gezahlten Schichtzulagen von seinem Arbeitgeber deshalb zu Unrecht als steuerpflichtig behandelt worden seien, weil bei der Zusammenführung der Unternehmensbereiche Z.. und Q.. die Software fehlerhaft umgestellt worden sei. Vor der Zusammenführung seien auch die Schichtzulagen nach der Betriebsvereinbarung steuerfrei ausbezahlt worden. Nachdem man das Problem erkannt habe, hätte der Betriebsrat zusammen mit dem Arbeitgeber eine Lösung in Form eines Tools zur Neuberechnung der steuerfreien Schichtzulagen erarbeitet. Mit Hilfe dieses Berechnungsprogramms habe er auf der Grundlage seiner konkret belegten Arbeitszeiten die Höhe seiner steuerfreien Schichtzulagen neu berechnet.

    Der Kläger beantragt,

    den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid über die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2013 vom 1. Dezember 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2015 zu ändern und nunmehr den Bruttoarbeitslohn i. H. eines (weiteren) Betrags von 2.960,13 Euro als steuerfrei zu behandeln.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Berichterstatter hat über die vom Kläger vorgelegte Berechnung seiner Schichtzulagen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit Beweis erhoben durch Vernehmung von Y und P als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 2. Februar 2017 und die Tonaufzeichnung der Zeugenaussagen verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist begründet. Das FA ist verpflichtet, bei der Einkommensteuerfestsetzung 2013 die im Bruttoarbeitslohn des Klägers enthaltenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit in Höhe eines (weiteren) Betrags von 2.960,13 EUR als steuerfrei zu behandeln (§ 101 FGO).

    1. Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen.

    Die Steuerbefreiung tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Oktober 1984 VI R 199/80, BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57 [BFH 26.10.1984 - VI R 199/80]) und setzt grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit voraus (BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 90/87, BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293 [BFH 28.11.1990 - VI R 90/87]).

    Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nur allgemein pauschaliert abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Vom-Hundert-Sätzen des Grundlohns) möglich ist (BFH-Urteil vom 25. Mai 2005 IX R 72/02, BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725 [BFH 25.05.2005 - IX R 72/02]).

    2. Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze sind die vom Kläger als Teil seines Arbeitslohns bezogenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in Höhe von weiteren 2.960,13 EUR steuerfrei. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3b EStG sind gegeben, weil die streitigen Zulagen nach der Betriebsvereinbarung für tatsächlich vom Kläger an Sonn- und Feiertagen oder zur Nachtzeit geleistete Arbeit bezahlt wurden. Es ist auch nachgewiesen, dass diese Zuschläge in der vom Kläger geltend gemachten Höhe die in § 3b Abs. 1 genannten Prozentsätze seines Grundlohns nicht überstiegen.

    a) Der Kläger hat für die ihm im Besteuerungszeitraum 2013 zugeflossenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit eine Auflistung vorgelegt, in der die streitigen Zulagen konkret seiner tatsächlich geleisteten Arbeit nach Datum und Uhrzeit zugeordnet werden. Diese Zulagen sind bezogen auf den jeweiligen monatlichen Grundlohn auch in ihrer nach § 3b EStG maximal steuerfreien Höhe berechnet. Aus dieser vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 7. August 2015 bestätigten Auflistung über die steuerfreien Zuschläge ergibt sich, dass die dem Kläger nach der Betriebsvereinbarung gezahlten Zulagen für tatsächlich zu begünstigten Zeiten geleistete Arbeit bezahlt wurden. Von den insgesamt nach der Betriebsvereinbarung gezahlten Zulagen von 3.754 EUR wurden die nicht begünstigten Schichtzulagen für Samstagsarbeit abgezogen und aus den begünstigten Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nach den maßgeblichen Prozentsätzen des § 3b Abs. 1 EStG ein Betrag von 2.960,13 EUR ermittelt.

    b) Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der in der Auflistung gemachten Angaben. Die hierzu gehörten Zeugen bestätigten, dass die nach der Betriebsvereinbarung der X GmbH bezahlten Zulagen nicht pauschal, sondern für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gewährt wurden. Der Zeuge Y sagte aus, dass die in der Betriebsvereinbarung gewählte Bezeichnung der Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als "Pauschale" sich als "missdeutend" erwiesen habe. Es seien keine Pauschalen, sondern Zulagen für konkrete Schichten bezahlt worden, wie dies in der Zeit vor Gründung der X GmbH bei der Z.. praktiziert worden sei. Die Behandlung der nach der Betriebsvereinbarung bezahlten Zulagen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit habe auf einem Fehler bei der Konsolidierung der für die Lohnbuchhaltung notwendigen SAP-Systeme beruht. Dieser Fehler habe erst im Jahr 2015 programmtechnisch behoben werden können. Für die Vergangenheit sei die Höhe der steuerfreien Zulagen Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit mit Hilfe eines im Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat entwickelten Berechnungsprogramms (Steuertool) neu ermittelt worden. Die Ergebnisse der vom Kläger vorgelegten Neuberechnung habe er auf der Grundlage der ihm bekannten Schichtpläne auch stichprobenartig auf ihre Richtigkeit überprüft und schriftlich bestätigt. Die Angaben des Klägers wurden auch vom Zeugen P bestätigt, der als Betriebsrat das Steuertool mit entwickelt hatte. Das beklagte FA hat in der mündlichen Verhandlung nicht mehr streitig gestellt, dass die nach der Betriebsvereinbarung gewährten Zulagen für tatsächlich vom Kläger geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten gezahlt wurden und in der geltend gemachten Höhe den Vorgaben des § 3b Abs. 1 und 2 EStG entsprechen.

    c) Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass es sich nicht --wie ursprünglich vom FA angenommen-- bei den streitigen Zulagen um pauschale Zuwendungen gehandelt hat, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit an den Kläger zahlte. Die Zulagen wurden nicht als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1992 VI R 55/91, BFHE 169, 515, BStBl II 1993, 314 [BFH 23.10.1992 - VI R 55/91] und vom 25. Mai 2005 IX R 72/02, BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725 [BFH 25.05.2005 - IX R 72/02]). Die bereits in den monatlichen Bezügemitteilungen des Klägers für das Streitjahr 2013 enthaltenen Zulagen (Rechtsbehelfsakte, rote Lasche) wurden für tatsächlich erbrachte Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gewährt aber nicht steuerfrei gestellt. Die vom Kläger vorgelegte und vom Arbeitgeber bestätigte Auflistung seiner steuerfreien Zuschläge ist daher keine bei Abschluss des Lohnkontos gemäß § 41b Abs. 1 Satz 1 EStG vorzulegende Abrechnung über unterjährige Pauschalzahlungen. Pauschalzahlungen waren die streitigen Zulagen nur insoweit, als sie in einer durch die Betriebsvereinbarung festgelegten Höhe für eine bestimmte Schicht bezahlt wurden. Hiervon abgesehen handelte es sich um Zuschläge für vom Kläger tatsächlich an Sonntagen, Feiertragen oder zur Nachtzeit geleistete Arbeit.

    Da nach Abschluss des Lohnkontos des Arbeitnehmers --spätestens am 28. Februar des Folgejahres-- der Lohnsteuerabzug nicht mehr geändert werden kann, sind Fehler beim Lohnsteuerabzug im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu berichtigten, bei der keine Bindung an den Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung besteht (BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2010 III R 50/09, BFH/NV 2011, 786). Das FA ist daher verpflichtet, die Einkommensteuerfestsetzung 2013 im Bescheid vom 1. Dezember 2014, geändert mit Bescheid vom 26. September 2016, nach Maßgabe des nach § 107 Abs. 1 FGO berichtigen Tenors zu ändern.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 3b EStG