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  • 20.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195268

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 01.02.2017 – 12 K 902/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hessen

    Urt. v. 01.02.2017

    Az.: 12 K 902/16

    Tenor:

    1. Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 22. Januar 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016 wird mit der Maßgabe geändert, dass haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von 1.400 Euro berücksichtigt werden, mithin die Einkommensteuer in Höhe von 17.875 Euro festgesetzt wird.
    2. Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 22. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016 wird mit der Maßgabe geändert, dass haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von 2.200 Euro berücksichtigt werden, mithin die Einkommensteuer in Höhe von 18.508 Euro festgesetzt wird.
    3. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    4. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darum, ob Aufwendungen, die der Klägerin durch die Inanspruchnahme eines Hundegassiservices entstanden sind, zu einer Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne des § 35a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) führen.

    Die Klägerin ist ledig und wird vom beklagten Finanzamt (im Folgenden: Beklagter) zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    In ihren Steuererklärungen beantragte sie eine Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von 1.700 Euro (2013) und 2.400 Euro (2014) wegen der Betreuung ihrer Hunde. Sie lasse ihren Hund/ihre Hunde ausführen. Der Hund würde nachmittags abgeholt und ca. 1 bis 2 Stunden auf den Wegen ausgeführt, die sie auch üblicherweise nehmen würde. Der Inhaber der "Hunderunde A" besitze einen Schlüssel. Nach dem Spaziergang werde der Hund gesäubert, evtl. mit den nötigen Medikamenten betreut und sei dann zu Hause. Sie nutze den Service, da sie voll berufstätig sei. Die Bezahlung erfolge per Dauerauftrag. Sie berufe sich dabei auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. September 2015 VI R 13/15.

    In den Einkommensteuerbescheiden 2013 und 2014, jeweils vom 22. Januar 2016, berücksichtigte der Beklagte diese Aufwendungen nicht, da die Dienstleistungen außerhalb des Haushaltes erbracht würden. Die dagegen eingelegten Einsprüche vom 27. Januar 2016 wies er mit Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016 als unbegründet zurück. Der Beklagte ist der Auffassung, dass keine haushaltsnahen Dienstleistungen vorlägen. Die Gewährung der Steuerermäßigung komme nur in Betracht, wenn die Tätigkeit "im Haushalt", d.h. an Orten, die zum Haushalt gehören oder diesem dienen, ausgeübt werde. Dies seien typischerweise die Räumlichkeiten der privaten Wohnung oder des privaten Hauses nebst Zubehörräumen und Garten. Der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfalte, werde regelmäßig durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Ausnahmsweise könnten auch Leistungen, die jenseits der Grundstücksgrenzen auf fremdem Grund erbracht würden, begünstigt sein.

    Es müsse sich jedoch um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt würden und diesem dienten. Der Beklagte verweist dabei auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 25. Mai 2012 14 K 2289/11, mit dem in einem vergleichbaren Fall die Aufwendungen für das Hundeausführen nicht berücksichtigt wurden.

    Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin nunmehr mit ihrer Klage, mit der sie ihr Ziel weiter verfolgt.

    Sie bezieht sich unter anderem auf eine Entscheidung des BFH, die sich mit der Frage der Berücksichtigung von Kosten für die Betreuung eines Haustieres auseinander zu setzen hatte. Auch führt sie eine Entscheidung an, in der der BFH die Ansicht vertreten hat, dass die Grenzen des Haushalts im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt sind. Sie begehrt nunmehr die Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 1.400 Euro (2013) und 2.200 Euro (2014), deren Zahlung sie anhand von Rechnungen sowie Kontoauszügen belegen kann.

    Der Klägerin beantragt,

    die mit Bescheid vom 22. Januar 2016 festgesetzte Einkommensteuer 2013 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016 auf 17.875 Euro herabzusetzen,

    die mit Bescheid vom 22. Januar 2016 festgesetzte Einkommensteuer 2014 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016 auf 18.508 Euro herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bleibt im Wesentlichen bei seinem außergerichtlichen Vorbringen und nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidung. Auch nach Erlass des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 9. November 2016, Bundessteuerblatt (BStBl) I 2016, 1213, komme keine Abhilfe der Klage in Betracht. Für die Unterscheidung in begünstigte und nicht begünstigte Maßnahmen gemäß § 35a EStG sei das alleinige Abgrenzungsmerkmal "innerhalb und außerhalb" des Haushalts maßgebend. Da der räumliche Bereich des Haushalts regelmäßig durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt sei, handele es sich beim Ausführen der Hunde außerhalb der Grundstücksgrenzen um eine Dienstleistung, die außerhalb des Haushalts erbracht werde und damit nicht begünstigt sei.

    Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

    Dem Gericht haben die den Streitgegenstand betreffenden Steuerakten vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 vom 22. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht die Aufwendungen für den "Gassi-Service" bei den haushaltsnahen Dienstleistungen im Sinne des § 35a EStG unberücksichtigt gelassen.

    Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG führt die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 sind, auf Antrag zu einer Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens 4.000 Euro. Sie kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht wird.

    Der Begriff "haushaltsnahe Dienstleistung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die Leistungen eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen (BFH-Urteil vom 13. Juli 2011 VI R 61/10, BStBl II 2012, 232). Der Begriff "haushaltsnah" ist hierbei sinnverwandt mit dem Begriff "haushaltswirtschaftlich" anzusehen. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten sind solche, die üblicherweise zur Versorgung der dort lebenden Familie in einem Privathaushalt erbracht werden. Dazu gehören unter anderem Einkaufen von Verbrauchsgütern, Kochen, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen (BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, BStBl II 2014, 880, m.w.N.).

    Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind auch die Leistungen, die für die Versorgung und Betreuung eines in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Hundes erbracht werden, grundsätzlich haushaltsnah. Denn Tätigkeiten wie Füttern, die Fellpflege, das Ausführen und die sonstige Beschäftigung des Hundes fallen regelmäßig an und werden typischerweise durch den Steuerpflichtigen selbst oder andere Haushaltsangehörige erledigt (BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 13/15, BStBl II 2016, 47; FG Münster, Urteil vom 25. Mai 2012 14 K 2289/11, Entscheidungen der FG - EFG - 2012, 1674; Anm. von Geserich, jurisPR-SteuerR 3/2016 Anm. 3, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2016, 34). Auch die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen, wenn sie im BMF-Schreiben vom 9. November 2016 bei der beispielhaften Aufzählung begünstigter haushaltsnaher Dienstleistungen Kosten von Tierbetreuung oder -pflege aufführt, wenn die Kosten der Maßnahmen innerhalb des Haushalts anfallen, wie zum Beispiel Fellpflege, Ausführen, Reinigungsarbeiten, in Abgrenzung zu Maßnahmen, die außerhalb des Haushalts, zum Beispiel in einer Tierpension stattfinden.

    Die Gewährung der Steuerermäßigung des § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG scheitert im Streitfall nicht daran, dass die konkrete Dienstleistung nicht "im" Haushalt der Klägerin ausgeübt wurde.

    "In" einem Haushalt wird die haushaltsnahe Dienstleistung erbracht, wenn sie "im räumlichen Bereich es vorhandenen Haushalts" geleistet wird.

    Hierzu gehört zunächst die Wohnung des Steuerpflichtigen, aber auch der dazugehörige Grund und Boden (BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, BStBl II 2014, 880). Nach Auffassung des BFH ist der Begriff "im Haushalt" daher räumlich-funktional auszulegen (BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, BStBl II 2014, 880). Deshalb werden die Grenzen des Haushalts im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen.

    Die raumbezogene Betrachtungsweise des FG Münsters, wonach die haushaltsnahe Dienstleistung - das Ausführen eines Hundes - nicht "im Haushalt" erbracht wurde, vermag unter Berücksichtigung dieser BFH-Rechtsprechung nicht zu überzeugen; denn beim "Gassi gehen" handelt es sich um eine Leistung mit einem unmittelbar räumlichen Bezug zum Haushalt, die dem Haushalt (dem haushaltszugehörigen Tier) dient (vgl. Anm. von Geserich, jurisPR-SteuerR 3/2016 Anm. 3).

    Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 35a Abs.2 S.1